Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung – ist da was

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Auditive Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörung
– ist da was dran?!
Eine Spurensuche
Dr. med. Guido Wolf, ltd. OA Abteilung Phoniatrie, Pädaudiologie und Sozialpädiatrisches Zentrum
am Malteser Krankenhaus St. Anna in Duisburg
Physik des Schalls:
Töne, Geräusche, Phone und Phoneme
•
Akustische Signale können verschiedenste Qualitäten haben:
•
Töne (Sinuston),
•
Klang (harmonische Überlagerung von Sinustönen),
•
Geräusche (nicht-harmonische Überlagerung von Sinustönen),
•
Knall.
•
Eine Sonderform stellen die akustischen Signale/Geräusche dar, die
der Kommunikation dienen: Die tatsächlich realisierten akustischen
Sprachsignale werden Phone genannt.
•
Kleinste prototypische Einheiten eines Sprachsystems sind Phoneme.
Leitlinie Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie DGPP;
M. Ptok, A. am Zehnhoff-Dinnesen, A.Nickisch, 2011
Physiologie des Hörens
Hören erfolgt nur innerhalb eines bestimmten Frequenz- und
Schalldruckpegel-Bereichs: dies ist die Hörfläche.
Man kann bis
zu 20 Signale
pro Sekunde
als einzelne
Ereignisse
wahrnehmen.
Die Empfindlichkeit für
Lautstärke
des Ohrs ist
hoch.
Sprachfeld
macht nur
einen kleinen
Teil der Hörfläche aus
Das Ohr hat eine hohe Auflösung für
verschiedene Frequenzen des Schalls.
Physiologie des Hörens
•
Das Innenohr codiert die Tonhöhe, indem
unterschiedliche Frequenzen die
Sinneszellen an unterschiedlichen Orten
anregen. Dieses Ortsprinzip (Tonotopie)
findet sich in der gesamten Hörbahn.
•
Höhere Lautstärke wirkt sich aus, indem die
beteiligten Neuronen in schnellerer Folge
feuern und mehr Neuronen aktiv sind.
•
Richtungsinformation gewinnt das Gehirn durch Lautstärken- und Laufzeitunterschiede an den beiden Ohren sowie durch Veränderungen im Klangbild, die durch die räumlichen Verhältnisse sowie durch die Geometrie des
Kopfes und den Ohrmuscheln entstehen.
•
An den verschiedenen Stationen der Verarbeitung auditorischer Signale im
Gehirn sind Neuronen mit höchst unterschiedlicher Spezialisierung beteiligt.
Dabei sind viele Zusammenhänge noch nicht erforscht.
www.dasGehirn.info
Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
Die Hörbahn
•
•
•
Als Hörbahn werden die Nervenfasern bezeichnet, die die akustische
Information vom Innenohr zum primären auditorischen Cortex leiten.
Die Hörbahn besteht aus fünf Schaltstellen:
1. Cholea, 2. den Hörkernen im Hirnstamm, 3. dem Colliculus inferior, 4. dem
Corpus geniculatum mediale des Thalamus und 5. dem primären auditorischen
Cortex.
www.dasGehirn.info
Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
Die Hörbahn
•
•
Nicht nur die Haarzellen der Cochlea, auch Nervenzellen der Hörrinde reagieren
sensibel auf eine Tonhöhe.
Auf der Hörrinde können die verschiedenen Tonhöhen jeweils spezifischen
Bereichen zugeordnet werden (Tonotopie).
www.dasGehirn.info
Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
Die auf- und absteigenden
Hörbahnen
Jeder dieser Hirnkerne der
Hörbahn bildet eine Umschaltstation.
Jede dieser Umschaltungen
entspricht einem Schritt bei
der Verarbeitung auditorischer Sinnesreize:
aufsteigende Hörbahn.
Jede dieser Stufen der aufsteigenden Hörbahn wird
von Neuronen ergänzt, die
Nervenimpulse von der Hörrinde zurück in die Cochlea
fließen lassen können:
absteigende Hörbahn.
Corpus geniculatum med.
Auditorischer Cortex
5. Auditorischer Cortex
4. Corpus geniculatum med.
3. Colliculus inferior
Colliculus inferior
Nucleus lemniscus lat.
2. Cochleariskerne
Cochleariskerne
1. Cochlea
obere Olive
Stufenmodell der Hörverarbeitung
Low-level
Verarbeitung
Identifikation, Diskrimination und
Extraktion
Phonetische
Verarbeitung
Extraktion phonetischer
Merkmale
Phonologische
Verarbeitung
Phonemidentifikation und diskrimination
Morphologisch-syntaktische
Verarbeitung
Erkennung grammatikalischer
Zusammenhänge
Lexikalisch-semantische
Verarbeitung
Wort- und Bedeutungserkennung
Metalinguistische
Verarbeitung
Wer spricht, in welchem Kontext
und wie?
modifiziert nach Ptok et al.
Hörverarbeitungsstörungen
•
Das Hören und die Hörverarbeitung kann auf vielfältige
Weise verändert sein.
•
Dies kann man wie folgt visualisieren:
•
In einigen Beispielen geht die
Information fast völlig verloren.
•
In anderen Beispielen ist die
Information „nur“ schwerer zu
erkennen.
•
So kann man sich Auswirkungen
einer Hörverarbeitungsstörung
vorstellen.
Was ist eine Auditive Verarbeitungsund Wahrnehmungsstörung (AVWS)?
„Unter einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung versteht
man die Störung der Verarbeitung (Hirnstammniveau) und Wahrnehmung
(höhere auditorische Funktionen unter Einbeziehung kognitiver
Funktionen) dieser nervalen Impulse.“
British Society of Audiology Steering Group. Interim Position Statement on APD . 2007
„Eine Auditive Verarbeitungs- und/oder Wahrnehmungsstörung (AVWS)
liegt vor, wenn bei normalem Tonaudiogramm zentrale Prozesse des
Hörens gestört sind. Zentrale Prozesse des Hörens ermöglichen u. a. die
vorbewusste und bewusste Analyse, Differenzierung und Identifikation von
Zeit-, Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer oder
auditivsprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion
(z. B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung,
Summation) und der dichotischen Verarbeitung.“
Konsensus-Papier der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, DGPP
Was ist eine AVWS?
Bemerkungen
•
Höreinschränkung, die nicht in einer Verminderung des peripheren Hörens
begründet ist.
•
Die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung von Schallsignalen findet per
definitionem (jedoch nicht realiter!) im Anschluss an die erfolgte
Schallaufnahme durch das Ohr statt.
•
Der Begriff AVWS wurde 2000 von der DGPP in Anlehnung an die angloamerikanische Auditory Processing Disorder (APD) unverändert eingeführt, aber um die
sprachlich-auditive Verarbeitung einschließlich des sprachlich-auditiven
Kurzzeitgedächtnisses ergänzt.
•
Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die gestörte Wahrnehmung
nicht besser durch andere Störungen, wie z. B. Aufmerksamkeitsstörung,
allgemeine kognitive Defizite o. ä. beschrieben werden kann.
•
Nur wenige andere Störungsbilder werden von verschiedenen Berufsgruppen
so unterschiedlich und unscharf bzgl. der Kriterien diagnostiziert und behandelt
wie die AVWS.
Leitlinie „Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen“ der DGPP
Was ist eine AVWS?
Um die Diagnose einer AVWS stellen zu können, müssen mindestens zwei auditive Teilleistungsberei-che
deutlich (mit signifikanten Normabweichungen, möglichst 2 Standardabweichung) betroffen sein.
1.
Schall-Lokalisation:
Zeit- und Pegeldifferenzen zwischen den beiden Ohren: „Von wo kommt der LKW?“
2.
Auditive Selektion:
Das Herausfiltern von Sprachsignalen aus konkurrierenden Geräuschen: „Cocktail-Party-Effekt“
3.
Auditive Separation (dichotisches Hören):
Unterscheidung gleichzeitig auf beiden Ohren einlaufender, aber unterschiedlicher Schallsignale
4.
Auditive Differenzierung:
Fähigkeit, ähnlich klingende Schallereignisse zu unterscheiden: Minimalpaare: „Ohr oder Uhr?“
5.
Auditive Identifikation:
Fähigkeit,einem bestimmtem Geräusch eine Bedeutung zuzuordnen: „Staubsauger oder
Küchenmaschine?“
6.
Auditive Analyse und Synthese:
Fähigkeiten, aus Wörtern Einzellaute heraushören zu können: „Kommt ein ‚O‘ in Opa vor?“
Grammatikalische Analyse: „Tausende standen an Hängen und Pisten.“
Auditive Ergänzung: „Verstehen bei schlechter Telefonverbindung.“
7.
Auditives Kurzzeitgedächtnis: „Merk´ Dir die Telefonnummer!“, Diktat
Kriterien nach DGPP, 2016
CAVE! Viele dieser
Symptome treten auch
bei einer geringen
Schwerhörigkeit auf!
Informationsverarbeitung
im Nervensystem
Diagnostik AVWS:
1. Sensorischer Input
1. akustischer Input
2. Interpretation/Integration
Interpretation/Integration
2.
Konzentration
3.
OutputOutput
3. sprachlicher
motorischer
Black Box
Hören
Motivation
Sensorischer
Input
akustischer
Input
Integration
Sensor
Begabung/IQ
Alter/Reife
sprachlicher
Output
Motorischer
Output
verbale Ausdrucksfähigkeit
Effektor
AVWS ist also
peripheres
Nervensystem
immer
eine
(PNS)
Kultur:
Muttersprache
zentrales
Nervensystem (ZNS)
Ausschlussdiagnose!
Diagnostik AVWS:
Peripheres Hören
Untersuchungsgegenstand
Art der der
Untersuchung
Diagnose
Mögliche Pathologie
Ohrmuschel,
Gehörgang,
Trommelfell
Binokularmikroskopie
Schalleitungsschwerhörigkeit
Fehlbildung,
Fremdkörper, Erguss
Beweglichkeit
Trommelfell
Impedanz
Schalleitungsschwerhörigkeit
Muko- oder
Serotympanon
Äußere
Innenohrhaarzellen
Otoakustische
Emissionen (OAE)
Innenohrschwerhörigkeit
Connexin-Defekt
(GJB-2-Gen)
Weiterleitung der
Innenohrhaarzellen
getrennt ohriges
Tondaudiogramm mit
Luft- / Knochenleitung
Art der Innenohrschwerhörigkeit
Funktion des Hörnervs,
Brainstem Evoked
aber auch Ncl.
Response Audiometry
cholearis
(BERA)
Auditorische Synapto-/
Neuropathie
Akustikusneurinom,
Hirnstammtumor
Diagnostik AVWS:
„Zentrales“ Hören
Untersuchungsgegenstand
Art der der Untersuchung
Diagnose
Schall-Lokalisation
Richtungshören
im Freifeld
Auditive
Verarbeitungsstörung
Auditive Separation
Dichotisches Hören:
Uttenweiler-, Feldmann-Test
Auditive
Verarbeitungsstörung
Auditive Identifikation
(Hörverstehen)
Sprachaudiometrie
Auditive
Wahrnehmungsstörung
Auditive Selektion
Sprachaudiometrie mit
Störgeräusch:
OLKISA
Auditive
Wahrnehmungsstörung
Diagnostik AVWS:
Auditive Wahrnehmung im engeren Sinn
Untersuchungsgegenstand
Art der der Untersuchung
mögliche
Diagnosen
Auditive Diskrimination
Heidelberger Lautdifferenzierungstest
Auditive
Wahrnehmungsstörung
im engeren Sinn (AW)
Phonemdifferenzierung
Heidelberger Lautdifferenzierungstest
AW, LRS
Auditives Kurzzeitgedächtnis
Zahlenfolgen (PET, HAWIK-IV, K-ABC),
Wortfolgen (K-ABC),
Silbenfolgen (Mottiertest
AW, Lernschwäche, ADHS
Phonologische Bewusstheit
BAKO, PET
AW, Lernschwäche, SSES
Sprachverständnis
TROG-D, SET 5 -10
AW, geistige Behinderung, SSES
Der Begriff „Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung“ sollte nur
mit genauer Beschreibung der diagnostizierten Defizite verwendet werden.
Diagnostik AVWS:
Probleme der Testverfahren
•
Die Testverfahren sind sehr „störanfällig“.
•
Breite Variabilität der normalen Entwicklung.
•
Es gibt nur wenig wirklich validierte Tests zur AVWS-Diagnostik.
•
Es ist plausibel, dass auch Kinder, die jünger als 7 Jahre alt sind, von einer AVWS
betroffen sind. Es gibt jedoch für dieses Alter überhaupt keine Tests.
•
Die Tests haben auch nach oben einen eingeschränkten Altersbereich (>11 Jahre!).
•
Manche AVWS-Tests verwenden Schulklassen-, andere Altersnormen.
•
Kinder mit komorbiden Störungen (ASS etc.) sind praktisch nicht diagnostizierbar,
da es für sie gar keine Normen gibt.
•
Daher gibt es noch gar keinen „Standard“ der Diagnostik.
modifiziert nach Leitlinie DGPP, 2015
Diagnostik AVWS:
Hörtest und Konzentration
Jede Testung setzt eine ausreichende Motivation und Konzentration voraus. Kinder mit
ADHS zeigen deshalb sehr wechselnde Ergebnisse in Testungen. Wir testen deshalb
bei uns mehrfach!
Diagnostik AVWS:
Variabilität der Entwicklung
aktiver Wortschatz
„Lernen geht anders“, Largo, 2010
7000 Worte
„157 cm“
4000 Worte
117 cm
111 cm
103 cm
1500 Worte
„57 cm“
Diagnostik AVWS:
Differentialdiagnostische Untersuchungen
Untersuchungsgegenstand
Art der der Untersuchung
Konzentration
Fragebögen: FBB-HKS an
Eltern und Schule
klinische Beobachtung
Intelligenz
SON-R
HAWIK-IV
K-ABC 2
Diagnose
Aufmerksamkeitsstörung
Mögliche Pathologie
ADHS
Lernschwäche
geistige Behinderung
Syndrom
Motivation
klinische psychiatrische
Beobachtung
Abbildung über ICF
Störung des Sozialverhaltens,
Asperger-Syndrom
Entwicklung/Reife
neuropädiatrische
Untersuchung
umschriebene kombinierte
Entwicklungsstörungen
ehemaliges Frühgeborenes
Kulturelle Einflüsse
umfassende
Entwicklungsanamnese
Z-Diagnose im ICD 10
oder Abbildung über ICF
Migration,
Mangelnde soziale
Förderung
Kann die gestörte Wahrnehmung akustischer Signale besser durch andere Störungen,
wie z. B. Aufmerksamkeitsstörungen, allgemeine kognitive Defizite beschrieben
werden, sollte die Diagnose AVWS nicht verwendet werden (Leitlinie DGPP, 2015).
Diagnostik AVWS: Betrachtungsfehler
AVWS
auditive.
Wahrn.
Konzentration
Denken
Sprache
Motorik Emotionen
Diagnostik AVWS: Betrachtungsfehler
Was ist das?
Ein Reifen!
Nein! Ein Auto!
Nur, wenn ich bedeutende Aspekte weglasse,
stimmt die Aussage!
AVWS und Komorbidität
SES
AVWS
GB
LRS
ADHS
Wenn alle komorbiden
Störungen wegfallen,
welchen Störungscharakter
besitzt die AVWS noch?
Diagnostik AVWS:
Prinzipielle Probleme
•
Konfundierung mit leichten - ggf. unerkannten - peripheren Hörstörungen
(negativer Hörbilanz bei chronischem Paukenerguss z. B.) häufig.
•
Es ist schwer die normale Entwicklung der auditiven Wahrnehmung zu
beschreiben oder gar zu definieren.
•
Wahrscheinlich Umbrella-Diagnose.
•
Keine einheitliche Definition und damit auch keine gemeinsame Diagnose.
•
Kriterien der angloamerikanischen Vereinigungen und der DGPP sind
unterschiedlich => Forschungsergebnisse nur begrenzt vergleichbar.
•
Die Alltagsrelevanz einer AVWS ist unklar. Zusammenhang zwischen
AVWS und anderen Sprachstörungen (SSES, LRS) unklar. Es gibt Hinweise
auf eine geringe Verbindung (Suchodoletz, 2009).
•
Diagnose „AVWS“ ist sozial akzeptierter als Lernschwäche, LRS etc. und
wird deshalb „bevorzugt“. => AVWS ist überdiagnostiziert.
Vorschlag für Testbatterie zur AVWSUntersuchung für Kinder von 6 -10 Jahren
Testziel
Testverfahren
minimaler
Zeitaufwand
Periphere Hören
Impedanz, OAE, Tonaudiogramm, (BERA)
15 min
„Zentrales“ Hören
Sprachaudio in Ruhe und mit Störgeräusch, Richtungshören, Uttenweiler/Feldmann, OLKISA, jeweils 2x
2 x 30 min
Sprachstatus
TROG-D, SET 5 -10
60 min
Auditive Wahrnehmung
HLAD, PET, Mottier, Zahlenfolge aus K-ABC, BAKO
60 min
Konzentration
FBB-HKS von Eltern und Schule, umfassende Entwicklungsanamnese, Re-Testung
15 min
Motivation
klinische psychiatrische Beobachtung
Intelligenz
SON-R
60 min
Reife
neuropädiatrische Untersuchung
15 min
Kultur
umfassende Entwicklungsanamnese
15 min
zeitaufwendige und interdisziplinäre Diagnostik!
mindestens
5 Stunden!!
Therapie der AVWS
•
•
•
Übende Verfahren
•
sprachgebundene auditive Behandlungsformen:
Übungen zur Phonemdifferenzierung, Phonemidentifikation, Phonemanalyse in Wörtern,
Phonemsynthese und zur phonologischen Bewusstheit.
•
Trainingsverfahren der sprachfreien auditiven Funktionen:
Ordnungsschwellentraining, Training auditiver Low-level-Funktionen, Übungen mit
modifizierten Sprachsignalen (z. B. Fast-ForWord, Lateraltraining, Hochtontraining).
Förderung von Kompensationen der beeinträchtigten Funktionen
•
über die visuelle Sinnesmodalität, z. B. Phonembestimmtes Manualsystem.
•
metakognitiven Strategien.
•
Erkennung von Situationen mit eventuellen Hörschwierigkeiten: selbständig aktiv
gegensteuern.
Verbesserung der akustischen Signalqualität
•
Reduktion von Geräuschquellen im Schulklassenraum.
•
Änderung der Sitzposition in der Schulklasse.
•
Schalldämmungsmaßnahmen im Klassenraum.
•
FM-Anlage im Schulunterricht.
Therapie der AVWS: Probleme
•
Therapeutische Möglichkeiten?
•
Bisherige Forschungsergebnisse sprechen eindeutig für die sprachgebundenen Behandlungsverfahren
(Nikisch et al. 2016).
•
Ein Training der auditiven Verarbeitungsgeschwindigkeit verbessert nicht die Sprachwahrnehmung
(Suchodoletz, MoKi 2007).
•
Ein Training auditiver Fähigkeiten bewirkt lediglich eine Verbesserung der unmittelbar trainierten auditiven
Funktionen. Eine Besserung der klinisch bedeutsamen Symptomatik, z. B. der Sprachstörung, ist nicht zu erreichen
(Suchodoletz, Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2015)
•
Keine Hinweise auf therapeutische Effekte für Klangtherapien, wie z. B. Tomatis-Therapie
(Cochrane Review aus dem Jahr 2011)
•
„Bisher liegen nur wenige deutschsprachige Studien zum Erfolg therapeutischer Interventionen bzw. zur Prognose
bei auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen vor.“ Daran hat sich in zehn folgenden Jahren nichts
geändert.
Stellungnahme DGPP 2006
•
•
Alltagsrelevanz?
•
keine eindeutigen Transfereffekte eines Trainings basaler auditiver Funktionen auf die Sprach- oder LeseRechtschreib-Leistungen nachgewiesen.
•
Gefahr vom eigentlich zu behandelndem Problem (ADHS, LRS etc.) abzulenken (Betrachtungsfehler!).
Stigmatisierung?
•
„Die Vielfalt unter den Kindern ist für jedes Entwicklungsmerkmal so gross, dass Normvorstellungen in Familie und
Schule den Kindern nicht gerecht werden können.“
Vortrag: „Die Individualität des Kindes: Herausforderung oder Störfaktor?“ Largo, 2008
Zusammenfassung
•
Auditive Verarbeitung und Wahrnehmung (AVWS) ist ein komplexer und noch nicht hinreichend erforschter Vorgang.
=> Klar ist, das es eine AVWS gibt, unklar ist wie man sie valide diagnostizieren kann.
=> International keine einheitlichen Definition und damit auch keine einheitlichen Diagnosekriterien. Studienvergleich
dadurch sehr schwer.
•
Es gibt nur wenige gut validierte Tests der auditiven Wahrnehmung. Die haben einen sehr eingeschränkten
Altersbereich mit Wechsel zwischen Schulklassen- und Altersnormen.
=> Testung erst ab einem Alter von 6-7 Jahren bei sonst normal entwickelten Kindern sinnvoll möglich
=> Über 10 Jahren existieren kaum noch standardisierte Tests.
•
AVWS-Testung umfasst periphere, zentrale Hörtestung, Sprachstatus, Intelligenztest, entwicklungsneurologische und
psychologische Untersuchungen
=> Interdisziplinäre Diagnostik essentiell!
=> Diagnostik ist eine Ausschlussverfahren
•
Hinweise auf geringe Korrelation zwischen AVWS einerseits und Sprachtenwicklungsstörung oder Lese-Rechtschreibstörung andererseits
=> Alltagskonsequenz einer AVWS unklar.
•
Therapeutische Möglichkeiten sind gering und wenig erforscht.
•
Diagnostik ist Zeit- und Kostenintensiv und belastet Kind und Familie
=> Gewissenhafte Indikationsstellung vor Beginn der Diagnostik, ob sinnvoll und nötig!
Ohne ausreichend Licht
können wie die
Unterschiedlichkeit der
einzelnen Punkte nicht
unterscheiden.
Ohne mehr Erkenntnis
werden wir die Kinder mit
AVWS nicht gut von denen
ohne unterscheiden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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