13 Teilchen, Wellen, mikroskopische Physik I Inhalt 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 Das Photon . . . . . . . . . . . . . Wellen und Teilchen . . . . . . . . Spektren . . . . . . . . . . . . . . Der Versuch von Franck und Hertz Die Entdeckung des Atomkerns . Grundzüge der Quantenmechanik Teilchen in Potentialtöpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 683 691 696 699 704 717 M Einleitung Die klassische Lichttheorie, besonders in ihrer vollendetsten Form als Maxwell-Lorentz-Theorie der elektromagnetischen Wellen und ihrer Wechselwirkung mit den atomaren Ladungssystemen, hatte eine ungeheure Fülle optischer Erscheinungen mit bewundernswerter Präzision beschrieben. Brechung und Dispersion, Streuung, die ganze Vielfalt der Polarisationserscheinungen bis hin zum Faraday- und Kerr-Effekt, der optischen Aktivität und, etwas später, den feinsten Einzelheiten der Ausbreitung von Radiowellen – all dies konnte die klassische Lichttheorie im Wesentlichen verständlich machen. Zum ersten Mal versagte diese Theorie, als sie sich an die Erklärung der Emission und Absorption des Lichtes machte. Am einfachsten sollte die Emission durch einzelne Atome sein. Warum hierbei nur bestimmte scharfe Frequenzen ausgestrahlt werden und wo sie liegen, blieb völlig dunkel. Vereinzelte Ansätze, wie Thomsons Atommodell (Kap. 14), erklärten zwar die Existenz der Spektrallinien, gaben aber völlig falsche Werte für ihre Lage. Für sehr viele sich gegenseitig beeinflussende emittierende Teilchen, wie z. B. im heißen Festkörper, speziell im ,,schwarzen“, schien die Lage überraschenderweise günstiger: Ein kontinuierliches Spektrum folgte wenigstens einigen Regeln der klassischen Physik, wie dem wienschen Verschiebungsgesetz und dem Stefan-Boltzmann-Gesetz. Die Gesamtform der spektralen Energieverteilung jedoch entzog sich umso mehr der klassischen Beschreibung, je genauer man sie ausmaß. Bei dem Versuch, die Strahlungsgesetze zu erklären war Max Planck auf das Wirkungsquantum h gestoßen, das sich als wichtigster Schlüssel zum Verständnis der mikroskopischen Welt entpuppen sollte. Es erlaubt nämlich, den Bereich der klassischen Physik, wo unsere vielleicht antrainierten, aber jedenfalls mit der Erfahrung im Einklang stehenden Vorstellungen von Teilchen und Wellen Gültigkeit haben, von der Welt der mikroskopischen Objekte, der Welt der Quantenphysik zu unterscheiden. Dass mikroskopische Objekte mal mehr Teilchen-, ,,. . . der Dualismus zwischen zwei verschiedenen Beschreibungsweisen der Wirklichkeit (Teilchen- und Wellenbild) kann nicht länger als grundsätzliche Schwierigkeit betrachtet werden, da es . . . in der mathematischen Formulierung keine Widersprüche geben kann.“ Werner Heisenberg, Die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie (1963) (Foto: Deutsches Museum München) 678 13. Teilchen, Wellen, mikroskopische Physik mal mehr Wellencharakter zeigen, mag unsere Vorstellung, unsere Intuition strapazieren – die Quantentheorie sagt alle damit verbundenen Phänomene korrekt und widerspruchsfrei vorher. Ein Dualismusproblem existiert in der Quantenphysik nicht. 13.1 Das Photon Plancks Durchbruch zur Energieverteilung der schwarzen Strahlung (Abschn. 11.2.3) öffnete den Weg. Das Energiequantum hν, das er fast widerwillig postulieren musste, wurde bald in vielen anderen Erscheinungen wiedergefunden. 13.1.1 Entdeckung des Photons ,,Ich nehme mir die Freiheit, für dieses neue Atom, das kein Licht ist, aber eine wesentliche Rolle bei jedem Strahlungsprozess spielt, den Namen Photon vorzuschlagen.“ Gilbert N. Lewis, Nature 118, 874 (1926) Lange war die Beobachtung von Hallwachs ein Rätsel geblieben, wonach die Energie der beim Photoeffekt ausgelösten Elektronen nur durch die Frequenz des auslösenden Lichtes, ihre Anzahl nur durch die Intensität dieses Lichtes bestimmt wird (Abschn. 8.1.2). Die klassische Lichttheorie hätte den entscheidenden Einfluss auf die Elektronenenergie von der Lichtintensität erwartet. Einstein klärte dieses Rätsel auf sehr einfache Weise (1905), indem er annahm, dass auch für die Elektronenauslösung nur ganze Lichtenergiebeträge von der Größe hν (,,Lichtquanten“) zur Verfügung stehen, der gleiche Betrag, der nach Planck zwischen Oszillatoren und Strahlungsfeld ausgetauscht wird. Dies führt zu Einsteins Gleichung (8.2), die sich experimentell vollkommen bestätigt und eine unabhängige, sehr präzise Messung von h ermöglicht. Deren Ergebnis stimmt genau mit dem aus der schwarzen Strahlung überein. Eine Photokathode, eingebaut in ein Zählrohr, das den Nachweis einzelner Elektronen gestattet (Photomultiplier, Abb. 8.8), werde einer sehr schwachen Lichtintensität ausgesetzt. Bei Kombination mit Verstärker und Lautsprecher erzeugt so jedes Photoelektron einen hörbaren Knack. Die Folge dieser Knacke ist statistisch ebenso unregelmäßig (Poisson-Verteilung) wie die Folge atomarer Ereignisse. Zwar lässt sich das Zeitmittel voraussagen, z. B. die mittlere Anzahl der Knacke pro Minute – umso genauer, je länger der fragliche Zeitraum ist –, der Einzelakt jedoch entzieht sich jeder Voraussage. Alle Versuche, den Elektronen einen gewissen Wirkungsbereich zuzuschreiben, innerhalb dessen sie die in einer Lichtwelle stetig einströmende Energie gewissermaßen einsaugen, bis sie den Vorrat gespeichert haben, den sie zur Auslösung aus dem Metall brauchen, führen zu unlösbaren Widersprüchen. Die Energie des Lichtes ist offenbar nicht kontinuierlich über die Wellenfront verteilt; vielmehr ist sie in einer Art Lichtkorpuskeln oder Photonen konzentriert. Andererseits sind die Wellen dadurch keineswegs abgeschafft. Dies zeigt schon die Tatsache, dass die Energie des Photons hν ist, also durch die Frequenz von etwas Schwingendem bestimmt wird. Man muss dem Licht – und wie sich später zeigte, auch den ,,echten Korpuskeln“ wie Elektronen oder Protonen – sowohl Wellen- als auch Quantennatur zuschreiben (Dualität des Lichtes, Abschn. 13.2). 13.1 Das Photon 13.1.2 Masse und Impuls der Photonen; Strahlungsdruck Ein Photon hat die Energie hν und bewegt sich im Vakuum mit der Geschwindigkeit c. Ein ,,richtiges“ Teilchen kann also das Photon nach der Relativitätstheorie (Abschn. 12.2.6) nicht sein, denn jeder Körper sollte bei der Geschwindigkeit c eine unendliche Masse annehmen (was natürlich verhindert, dass er jemals diese Geschwindigkeit erreicht). Der einzige Ausweg ist, dem Photon die ,,Ruhmasse“ Null zuzuschreiben. Erst bei der Lichtgeschwindigkeit nimmt die Masse des Photons einen endlichen Wert an. Bei dieser Geschwindigkeit gilt auch eine etwas abgeänderte Beziehung zwischen kinetischer Energie E kin und Impuls p: Bei v c ist E kin = 12 mv2 , p = mv, also p = 2E kin /v, bei v ≈ c dagegen p = E kin /c (Abschn. 12.8.2). Das Lichtquant mit der Energie hν hat also den Impuls p= hν h . = c λ (13.1) Damit wird z. B. die Deutung des Strahlungsdruckes, die in der klassischen Theorie ziemlich kompliziert war, äußerst einfach. In der elektromagnetischen Theorie kommt der Strahlungsdruck so heraus: Die Welle falle auf ein Material mit der Leitfähigkeit σ, in dem ihre Feldstärke E eine Stromdichte j = σ E erzeugt. Das Magnetfeld B der Welle steht senkrecht auf E und damit auf j, also gerade so, dass die Dichte der Lorentz-Kraft jB = σE B, die auf die Ströme und damit auf das Material wirkt, maximal wird. Diese Kraft steht senkrecht auf E und B, also in Ausbreitungsrichtung der Welle (Abb. 13.1). Aus der Kraftdichte wird eine Kraft durch Multiplikation mit einem Volumen, also ein Druck (Kraft/Fläche) durch Multiplikation mit einer Länge, oder besser durch Integration der Kraftdichte σE B über die Eindringtiefe der Welle. Ein schwach absorbierendes Material hat ein kleines σ (Abschn. 10.3.1) und damit eine kleine Kraftdichte; dafür ist die Eindringtiefe 1/α groß (Absorptionskoeffizient α = σ/(nε0 c), Abschn. 7.4.7). Auf alle vollständig absorbierenden Materialien wirkt so der gleiche Strahlungsdruck ∞ 1 1 pStr = σE B dx = σE B = nε0 cE B = nε0 μ0 cE H = I . (13.2) α c 0 Im Quantenbild ergibt sich der Strahlungsdruck pStr auf eine absolut schwarze Oberfläche aus dem Impuls aller aufprallenden Photonen, bei einer reflektierenden Oberfläche aus dem doppelten Impuls, da die Photonen ja zurückprallen – ganz analog wie beim Gasdruck. Druck ist Impulsübertragung pro Fläche und Zeit, Intensität I ist Energiefluss pro Fläche und Zeit. Damit ergibt sich aus (13.1) sofort pStr = γ I c (13.3) (γ = 1 für absolut schwarze, γ = 2 für ideal reflektierende Flächen). Der experimentelle Nachweis des Strahlungsdruckes durch P. I. Lebedew ergab innerhalb der Beobachtungsfehler von etwa 20% Übereinstimmung mit dem theoretischen Wert. j E F H Abb. 13.1. Der Strahlungsdruck als Lorentz-Kraft: Das elektrische Feld der Welle erzeugt Ströme j, die im Magnetfeld H der Welle eine Kraft F erfahren 679 13. Teilchen, Wellen, mikroskopische Physik 680 Wenn der Impuls eines Lichtquants hν/c = h/λ ist und andererseits als mc ausgedrückt werden kann, ergibt sich für die Masse 0° m= 45° 135° 0,710 0,715 (13.4) Dies wäre nach der Energie-Massenäquivalenz auch von vornherein zu erwarten gewesen. Dass dem Photon keine Ruhmasse zukommt, bedeutet, dass es reine Strahlungsenergie ist. Auf Grund der Vorstellung, dass Photonen Masse haben, die mit ihrer Frequenz zusammenhängt, lassen sich auch Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie wie Rotverschiebung und Lichtablenkung im Schwerefeld sehr einfach verstehen (Abschn. 12.10.2). 90° 0,700 0,705 hν E = 2 . 2 c c λ/ 13.1.3 Stoß von Photonen und Elektronen; Compton-Effekt Abb. 13.2. Originalexperiment von A. H. Compton, K α -Strahlung von Mo fällt auf Graphit und wird unter verschiedenen Winkeln zur Einfallsrichtung teils elastisch (ohne λ-Verschiebung), teils inelastisch (mit λ-Erhöhung) gestreut. Die Zunahme der λ-Verschiebung mit dem Streuwinkel lässt sich nach keinem klassischen Modell verstehen, folgt aber sofort aus den Stoßgesetzen für ein Photon Die Photonenvorstellung hat auch folgenden zunächst rätselhaften Effekt aufgeklärt (s. Abb. 13.2, Compton, 1922): Monochromatische Röntgenstrahlung wird durch Materie gestreut, und zwar im Gegensatz zum sichtbaren Licht unter Vergrößerung ihrer Wellenlänge. Die Wellenlänge des Streulichtes ist umso größer, je größer der Streuwinkel ϑ ist. Rückwärtsstreuung (ϑ = π) liefert eine Wellenlängenzunahme um 4,85 · 10−12 m = 0,0485 Å, unabhängig von der eingestrahlten Wellenlänge. Compton deutete den Effekt als einen Stoßvorgang zwischen dem Röntgenphoton und einem Elektron der streuenden Materie. Ein solcher Vorgang wird durch Energie- und Impulserhaltung vollständig charakterisiert, wenn der Streuwinkel ϑ gegeben ist. Das Elektron kann vor dem Stoß als ruhend betrachtet werden. Seine Energie und sein Impuls sind dem Photon entzogen worden: hν − hν = kinetische Energie des Elektrons . (13.5) Die Impulsbilanz wird ausgedrückt durch Abb. 13.3. Die genaue Ausrechnung ist elementar, aber ziemlich kompliziert. Eigentlich muss der Vorgang relativistisch behandelt werden. Wir betrachten den Grenzfall, dass die Wellenlänge sich relativ nur wenig ändert (was häufig zutrifft). Dann sind die beiden mit hν/c und hν /c bezeichneten Vektoren in Abb. 13.3 praktisch gleich lang, und man liest aus den rechtwinkligen Dreiecken ABD und ACD ab hν ϑ 1 mv = sin . 2 c 2 Die kinetische Energie des Elektrons ist also (Vergleich mit (13.5)) C hν⬘ c A φ mυ hν c D B 1 2 1 (mv)2 4h 2 ν2 sin2 (ϑ/2) = hν − hν . mv = = 2 2 m 2mc2 Kürzen durch hν 2 liefert, wenn man beachtet, dass ν ≈ ν 1 1 ν − ν 2h 2 ϑ sin ≈ − = 2 ν ν mc2 ν2 oder in λ = c/ν geschrieben: Abb. 13.3. Impulserhaltung beim Compton-Effekt λ − λ = ϑ 2h sin2 . mc 2 (13.6) 13.1 Das Photon Diese Formel gilt auch im allgemeinen Fall, nicht nur für ν ≈ ν. Das Experiment bestätigt sie glänzend; speziell ist 2h/(mc) genau der für Rückstreuung gefundene Wert von 0,0485 Å. Die Hälfte davon heißt auch Compton-Wellenlänge λC = h = 0,0243 Å . mc (13.7) Ein Photon, das die Wellenlänge λC hätte, besäße die Masse hν/c2 = h/(λC c) = m, also die gleiche Masse wie das ruhende Elektron. Ein solches Photon würde bei Rückwärtsstreuung seine Wellenlänge verdoppeln. Dies zeigt schon, dass die nichtrelativistische Behandlung hier nicht angemessen wäre; nach den nichtrelativistischen Stoßgesetzen bleibt ein Teilchen, das ein massengleiches zentral stößt, einfach liegen, was für ein Photon natürlich unmöglich ist. Nach dieser Theorie muss die Streuung mit dem Auftreten schneller gestoßener Elektronen verbunden sein. Bothe und Geiger konnten durch Koinzidenzmessungen von Photonen und Elektronen die Gleichzeitigkeit von Streuung und Erzeugung schneller Elektronen nachweisen. Energie, Impuls und Richtung dieser Elektronen entsprachen ebenfalls genau der Theorie. Der Compton-Effekt beweist also überzeugend die Richtigkeit der Photonenvorstellung und die Gültigkeit von Energieund Impulssatz bei der Wechselwirkung zwischen Materie und Strahlung. Bei niederfrequenten Photonen muss man anders rechnen, weil für sie fast alle Elektronen schnell sind. Beim Stoß mit einem Elektron ändert sich ihre Frequenz relativ um Δν/ν ≈ 2ve /c. Die Elektronen des intergalaktischen Plasmas mit etwa 107 K sollen nach Seldowitsch und Sunjajew so die leichte Anisotropie der 3 KUrstrahlung erzeugen, die der Satellit COBE (Cosmic Background Explorer) 1993 entdeckt hat (Abschn. 11.2.6 und Aufgabe 13.1.5). Beispiel . . . Warum wird bei sichtbarem Licht keine Compton-Wellenlängenänderung des Streulichtes beobachtet? Natürlich werden auch sichtbare Photonen an Elektronen gestreut. Die maximale λ-Änderung dabei (für 180◦ -Streuung) ist die doppelte Compton-Wellenlänge, also 0,048 Å, d. h. nur etwa 10−5 der einfallenden Wellenlänge. Die mechanische Analogie ist die eines sehr leichten Teilchens, das beim Stoß mit einem sehr schweren ohne merkliche Impulsänderung zurückprallt. Das gilt für freie Elektronen. Bei Atomelektronen nimmt das ganze Atom den Impuls auf, und Δλ/λ ist noch etwa 104 -mal kleiner. Dieser winzige Rückstoß ist aber die Ursache der Lichtkräfte aus Abschn. 14.7. 13.1.4 Rückstoß bei der γ -Emission; Mößbauer-Effekt Wenn ein Atom ein Photon emittiert, muss dessen Impuls h/λ durch einen entgegengesetzt gleichen Rückstoßimpuls ausgeglichen werden, den das Atom aufnimmt. Im Sichtbaren und UV ist dieser Rückstoß sehr klein und hat erst bei vielen Emissionsprozessen einen merkbaren Einfluss, der bei der Laserkühlung (Abschn. 14.7) ausgenutzt wird. Anders im Bereich der γ-Strahlung, die von angeregten Kernen emittiert wird. Ihre typische Energie-Größenordnung ist E ≈ 1 MeV = 1,6 · 10−13 J. Der entsprechende Impuls p = hν/c = E/c ≈ 10−21 kg m/s ist schon imstande, einen Kern mit erheblicher Geschwindigkeit wegzuschleudern. Die kinetische Energie, die der Kern so aufnimmt, nämlich 681 13. Teilchen, Wellen, mikroskopische Physik 682 Synchronisation schwingende Detektor Quelle Vibrator Vielkanalanalysator (γ-Spektrometer) 1 Relative Zählrate h Δν = −E Kern = − E2 h 2 ν2 = − , 2Mc2 2Mc2 d. h. Generator Absorber 0,9 0,8 ⫺4 ⫺2 0 2 4 Geschwindigkeit der Quelle [mm/s] Abb. 13.4. Einfaches Mößbauer-Experiment. Je nach der Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Absorber, hier realisiert durch Vibration der Quelle, ist die (oft durch Kühlung rückstoßfrei gemachte) Absorption verschieden stark. Der mit dem Generator synchronisierte Vielkanal-Analysator ordnet die Zählimpulse in die der jeweiligen Geschwindigkeit entsprechenden Kanäle ein. Unten: 14 keV-Linie von 57 Fe, eine besonders schmale Linie 1 E Kern = p2 /(2M) = E 2 /(2Mc2 ) (M: Kernmasse), geht dem γ-Quant verloren. Dessen Frequenz erniedrigt sich um einen entsprechenden Betrag Δν, der bestimmt ist durch Dieser Effekt heißt Mößbauer-Effekt. Er wurde von Rudolf Mößbauer 1958 im Rahmen seiner Doktorarbeit entdeckt (Nobelpreis 1961). hν Δν . =− ν 2Mc2 (13.8) Da Mc2 für Kerne mehrere GeV beträgt, ist die relative Verstimmung der γ-Frequenz nicht sehr groß (weniger als 10−3 ). Die typischen γ-Linien sind aber so scharf, dass trotzdem eine bedeutsame Konsequenz eintritt: Damit ein anderer identischer Kern das γ-Quant absorbieren kann, muss seine Frequenz in eine Absorptionslinie fallen, die identisch ist mit der Emissionslinie, wie sie ohne Rückstoß läge. Die Verstimmung durch den Rückstoß reicht aus, um diese ,,Resonanzabsorption“ unmöglich zu machen. Nun gelingt es aber, den Rückstoß zunichte zu machen, und zwar dadurch, dass man das γ-strahlende Atom in das Kristallgitter eines festen Körpers einbaut. Dieses besitzt – ganz ähnlich wie ein einzelnes Atom – diskrete Energiezustände, die verschiedenen Typen von Schwingungen im Gitter entsprechen. Das Gitter kann also bestimmte Energiebeträge aufnehmen, andere nicht. Gehört zu den letzteren der Energiebetrag, den der freie Kern bei der Emission nach den Stoßgesetzen als kinetische Energie aufnehmen müsste, so kann diese Energie von den Nachbaratomen, d. h. von Schwingungen des Gitters nicht aufgenommen werden, sondern nur als kinetische Energie vom ganzen Kristall oder Kristallit. Dessen Masse ist aber im Vergleich zur Masse des Kerns so ungeheuer groß, dass der Kern sich so verhält, als sei er vollkommen starr eingebaut. Damit entfallen alle Effekte, die sonst durch die Rückstoß-Energie bewirkt werden, nämlich Linienverschiebung und -verbreiterung, und es wird eine Linie von außerordentlicher Schärfe emittiert, die von einem gleichartigen Kern, wenn auch er in ein Kristallgitter eingebaut ist, mit gleicher Schärfe (oder Selektivität) absorbiert werden kann1 . Die Spektrallinien im Bereich der γ-Strahlung, die man so erhält – in Emission, wie auch in Absorption –, sind extrem scharf, ihre relative Halbwertsbreite (Δν/ν) kann kleiner als 10−13 sein. Mit gespeicherten Atomen oder Ionen werden heute ähnlich geringe Linienbreiten bei optischen Frequenzen erzielt. Der Rückstoß wird in diesem Fall von der Speicherapparatur aufgenommen, man kann vom optischen Mößbauer-Effekt sprechen. Bewegt man eine solche γ-Strahlenquelle mit einer Geschwindigkeit von nur 3 cm/s (= 10−10 · Lichtgeschwindigkeit) vom Absorber weg oder auf ihn zu (Abb. 13.4), so ist die Frequenz der Strahlung, wenn sie den Absorber erreicht, durch Doppler-Effekt um 10−10 verändert, und sie wird nicht mehr absorbiert. Durch Anwendung verschiedener Geschwindigkeiten lässt sich also die Frequenz der emittierten Spektrallinie (oder auch des Absorptionsgebietes) um winzige Beträge messbar verändern, ohne dass 13.2 Wellen und Teilchen die Linienschärfe verloren geht. Ebenso lassen sich winzige Veränderungen am emittierenden oder am absorbierenden Kern oder am Lichtquant selbst feststellen. Auf diese Weise haben R. V. Pound und G. A. Rebka 1960 gemessen, dass sich die Frequenz eines γ-Lichtquants um den Faktor 5 · 10−15 verringert, wenn es sich im Schwerefeld der Erde um 45 m nach oben bewegt. Es verliert dabei also die Energie hν · 5 · 10−15 . Das ist aber gerade diejenige Arbeit, die geleistet werden muss, um die Masse des Quants (hν/c2 , vgl. (13.4)) im Erdfeld um H = 45 m zu heben: hν gH = hν · 4,9 · 10−15 . c2 Damit ist experimentell bewiesen, dass die Masse eines Lichtquants der Schwere unterliegt. 13.2 Wellen und Teilchen Licht ist zwar Welle, aber auch Teilchen, schloss Einstein aus dem Photoeffekt. Ein Elektron ist ein Teilchen, aber auch eine Welle, vermutete 20 Jahre später de Broglie, und bald wurde dies durch zahlreiche Versuche bestätigt. Dieser Welle–Teilchen-Dualismus liegt der ganzen modernen Physik zugrunde. 13.2.1 Materiewellen In den ersten beiden Jahrzehnten unseres Jahrhunderts wurde klar, dass das ,,klassische“ Bild von den Teilchen als immer weiter verkleinerten Billardkugeln nicht imstande ist, das Verhalten des Atoms zu beschreiben. Schon die Tatsache, dass jedes Atom nur ganz charakteristische Spektrallinien aussendet und absorbiert, an denen man sein Vorhandensein spektralanalytisch nachweisen kann, blieb ungeklärt. Hier halfen die Überlegungen von Planck über die Wärmestrahlung (vgl. Abschn. 11.2.3) und Einstein über den Photoeffekt (vgl. Abschn. 8.1.2) weiter. Das Licht hat außer seinen Welleneigenschaften, die sich in Beugung, Interferenz und Polarisation ausdrücken, auch einen Teilchenaspekt, der besonders bei der Emission und Absorption zur Geltung kommt. Die Lichtwelle regelt die Ausbreitung der Lichtteilchen (Photonen); bei der Wechselwirkung mit Materie können aber immer nur ganze Photonen erzeugt oder vernichtet werden. Warum sollen Objekte, die bisher als Teilchen betrachtet worden waren, nicht gleichzeitig auch Welleneigenschaften haben, fragte Louis de Broglie 1923. Dass man auf diese Welleneigenschaften nicht früher experimentell gestoßen ist, muss an der außerordentlich kleinen Wellenlänge liegen. Wenn die Analogie zwischen Licht und Elektron vollkommen wäre, müssten Frequenz und Energie auch beim Elektron nach der Einstein-Planck-Gleichung E = hν zusammenhängen. Wir können hier noch nicht sagen, mit welcher Phasengeschwindigkeit sich die Materiewellen ausbreiten. Nehmen wir an, sie sei c (was nicht allgemein stimmt, vgl. Abschn. 12.8.2). Dann wäre die Wellenlänge λ = c/ν = ch/E. 683