13. Erfurter Tage des Arbeitsrechts Veranstaltungsbericht vom 06

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13. Erfurter Tage des Arbeitsrechts
Veranstaltungsbericht vom 06. und 07. September 2013
Die "13. Erfurter Tage des Arbeitsrechts“ waren erneut mit hochkarätigen Referenten
besetzt. Frau Anke Berger, Richterin des 2. Senats des BAG, Prof. Dr. Gregor Thüsing,
Universität Bonn, Prof. Dr. Rolf Bietmann, Direktor des Erfurter Instituts für Personalmanagement und Personalrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht, Prof. Dr. Claudia
Schubert, Freie Universität Berlin, und Dr. Jochen Sievers, Vorsitzender Richter am LAG
Köln, sorgten mit ihrem jeweils exzellenten Vortragsstil zu aktuellen arbeitsrechtlichen
Themen für eine lebhafte Fachtagung der Erfurter Gesellschaft zur Pflege des Arbeits- und
Wirtschaftsrechts am Sitz des BAG.
Der Vorsitzende der Gesellschaft, Prof. Dr. Bietmann, eröffnete die Veranstaltung mit einem
Blick auf arbeitsrechtlich relevante Aussagen in den Wahlprogrammen der politischen
Parteien zur Bundestagswahl. Er merkte an, dass der in der auslaufenden Legislaturperiode
feststellbare gesetzgeberische Stillstand, der zu beachtlicher Rechtsunsicherheit auch in der
Rechtsprechung des BAG geführt habe, beendet werden müsse.
Im Anschluss referierte Prof. Dr. Schubert zum Thema "Arbeitnehmerschutz für GmbHGeschäftsführer - mit Blick auf Antidiskriminierungsrecht und Rechtswegfragen“. Sie
erläuterte das bisherige rechtliche Verständnis zur Rechtsstellung von GmbH-Geschäftsführern und sprach die Unterscheidung von Anstellungsverhältnis und Organstellung an. In
dem Zusammenhang wies sie auf eine sich ändernde Rechtsprechung des EuGH hin.
Besonders bemerkenswert sei die Rechtssache „Danosa“. In dem Fall habe der EuGH
entschieden, dass Geschäftsführer i.S.d. Unionsrechts auch Arbeitnehmer sein können1. Der
unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff i.S.v. Art. 45/157 AEUV werde durch den EuGH
jedenfalls weiter ausgelegt als es die Arbeitsgerichte in Deutschland bislang praktizierten.
Dies habe zur Folge, dass nach dem unionsrechtlichen Verständnis sowohl Fremd- wie
Minderheitsgesellschafter in der Rolle des Geschäftsführers Arbeitnehmer sein könnten.
Einstufungskriterien seien hierfür bestehende Weisungsrechte anderer Organe oder
Berichtspflichten der Geschäftsführer gegenüber Organen. Aufgrund des Einflusses
europäischer Regelungen zum Arbeitnehmerschutz auf das nationale Recht entstehe damit
ein uneinheitlicher Arbeitnehmerbegriff im nationalen Bereich. Folge sei, dass nationale
Arbeitnehmerschutzgesetze mit Bezug zum unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im
1
EuGH v. 11.11.2010 C-232/09.
1
Gegensatz zur bisherigen nationalen Rechtsprechung auf Geschäftsführer anzuwenden
seien. In dem Zusammenhang widmete sich Schubert dem Schutz der Geschäftsführer vor
Benachteiligungen gemäß AGG sowie Rechtswegfragen bei der Vertretung von Geschäftsführern. Ihr vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH konzipierter Vortrag gab einen spannenden Einblick in die sich verändernde juristische Würdigung des
Arbeitnehmerschutzes für GmbH-Geschäftsführer.
Prof. Dr. Bietmann wiederum referierte über aktuelle Entscheidungen des BAG zum kirchlichen Arbeitsrecht. Er erläuterte insbesondere die Entscheidung des BAG zu "Loyalitätspflichten" im kirchlichen Dienst. Das BAG, so Bietmann, akzeptiere in seiner Entscheidung
die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auch in Bezug auf Loyalitätspflichten kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um dann jedoch in einer eigenen fast
schon moralisch wirkenden Bewertung zu dem Schluss zu gelangen, dass abweichend vom
kirchlichen Selbstverständnis eine auf die Verletzung von Loyalitätspflichten beruhende
Kündigung gleichwohl unter bestimmten Lebensvoraussetzungen unverhältnismäßig sein
könne. Bietmann vertrat die Ansicht, dass insoweit der Spagat zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und dem kündigungsschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
argumentativ nicht gelungen sei.
Besondere Aufmerksamkeit hat das BAG mit seiner Entscheidung zum Streikrecht im kirchlichen Dienst gefunden. Danach akzeptierte das BAG den von den Kirchen entwickelten
"Dritten Weg" zur Regulierung von Arbeitsbedingungen, der im kirchlichen Dienst an die
Stelle von Tarifverträgen trete. Allerdings sei ein solcher Weg nur dann verfassungskonform,
wenn den über Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionen, mithin auch den Gewerkschaften,
ein Betätigungsrecht in den Kommissionen des "Dritten Weges" zugesichert werde.
Bietmann kritisierte in dem Zusammenhang, dass die Entscheidung des BAG völlig offen
lasse, wie kirchenfremde Koalitionen in ein innerkirchliches Arbeitsrechtsregelungsverfahren
verfassungskonform integriert werden könnten. Der im kirchlichen Bereich praktizierte
Dienstgemeinschaftsgedanke lasse jedenfalls die Einbindung kirchenfremder Organisationen
zur Regelung von Arbeitsbedingungen kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inkonsequent erscheinen.
In seinem Schlussstatement verwies Bietmann auf die bevorstehenden Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts zu beiden Themenbereichen. Man werde sehen, ob sich das
Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlichen Erwägungen der Erfurter Arbeitsrichter anschließen könne.
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Einen umfassenden Einblick in die aktuelle Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zum
Kündigungsschutz gab Berger. Sie beschäftigte sich zunächst mit § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG
und berichtete, der Senat habe entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der
Betriebsgröße im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG mitzuzählen seien. Dies gelte jedenfalls
dann, wenn mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf gedeckt werde2. Dies, so
verfassungskonformen Auslegung des Betriebsbegriffs3.
Berger, sei Ergebnis einer
Arbeitnehmer im Ausland gelegener Betriebe werden hingegen nicht von § 23 Abs. 1 KSchG
umfasst4.
Berger
berichtete
schließlich
von
einer
betriebsbedingten
Kündigung
eines
Leiharbeitnehmers durch den Verleihbetrieb. Der Senat hat in dem Fall mit der Maßgabe
geurteilt, dass in der Regel sämtliche vergleichbaren Leiharbeitnehmer in die Sozialauswahl
nach § 1 Abs. 3 KSchG miteinbezogen werden müssten. Dies gelte auch für die im Einsatz
bei einem Entleiher befindlichen Arbeitnehmer5. Geklärt sei weiter, dass der Arbeitgeber bei
der Fremdvergabe von Tätigkeiten bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern auf die
außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist zurückgreifen könne und diese
trotz Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs nicht für Jahre weitervergüten müsse6.
Dr. Sievers beleuchtete das Befristungsrecht vor dem Hintergrund "der neuesten Tendenzen
aus Erfurt". Insbesondere im Bereich der Sachgrundbefristung seien, so Sievers, durch
europarechtliche Vorgaben und Vorlagen an den EuGH und deren Umsetzung durch das
BAG neue Entwicklungen entstanden. Die „Kücük“-Entscheidung des EuGH habe dazu
geführt, dass die Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung nunmehr in zwei Stufen zu prüfen
sei. Neben der bisherigen Prüfung des Sachgrundes, müsse nunmehr in einem zweiten
Schritt eine Rechtsmissbrauchsprüfung i.S.d. § 242 BGB erfolgen7. Dies führe zu einer
gewissen Rechtsunsicherheit, da Grenzen insoweit nur schwer gezogen werden könnten.
Sievers ging weiter auf einzelne Befristungsgründe ein, u.a. auf die Problematik eines nur
vorübergehenden
Bedarfs
im
Betrieb,
des
gerichtlichen
Vergleichs
und
der
haushaltsrechtlichen Befristung. Er wies darauf hin, dass ein gerichtlicher Vergleich gemäß §
14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht vorliege, wenn dieser nur von den Parteien unterbreitet
werde und das Gericht diesen schlicht feststellt. Erhebliche Diskussionen löste die
BAG v. 24.01.2013 – 2 AZR 140/12.
BAG v. 23.05.2013 – 2 AZR 54/12.
4
BAG v. 26.03.2009 – 2 AZR 883/07.
5
BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 271/12.
6
BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11.
7
BAG v. 18.07.2012 – 7 AZR 443/09.
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Darstellung der sachgrundlosen Befristung aus. Erörtert wurde insbesondere, ob bei
Verlängerung von befristeten Verträgen die Arbeitsbedingungen verändert werden dürfen.
Prof. Dr. Thüsing sorgte mit einem gewohnt lebhaften Vortrag für angeregten Meinungsaustausch zum Thema der arbeitsgerichtlichen Vertragsgestaltung. Nach Darstellung der
Grundlagen des ABG-Rechts und der Erläuterung einer Vertragsgestaltung mittels des sog.
„Blue-pencil-test“, nahm Thüsing einzelne Vertragsklauseln ins Visier. Betrachtet und
bewertet wurde die aktuelle Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten,
Vertragsstrafen,
Pauschalierung
von
Überstunden,
Rückzahlung
von
Ausbildungs-
vergütungen, Gratifikationen, Ausgleichsklauseln, Dienstwagenregelungen und Regelungen
zum Rückkehrrecht. Auch ging Thüsing auf Grenzen und Reichweite des arbeitgeberseitigen
Direktionsrechts ein. Er warnte schließlich vor der ungeprüften Übernahme von Musterklauseln aus Vertragshandbüchern und verdeutlichte dies anhand zahlreicher Beispiele. Die
sorgfältige Überprüfung derartiger Vertragsmuster sei unerlässlich ist, um Haftungsfallen aus
dem Weg zu gehen.
Die lebhaften Diskussionen der wieder zahlreich erschienen Teilnehmer und die Kompetenz
der Referenten machten die Erfurter Tage erneut zu einem arbeitsrechtlichen Erlebnis. Die
„14. Erfurter Tage des Arbeitsrechts“ finden am 05. und 06. September 2014 mit wiederum
prominenter Besetzung am Sitz des Bundesarbeitsgerichts statt. Nähere Informationen
erhalten Sie über den Link: www.erfurter-arbeitsrechtstage.de
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Bietmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Dr. Andreas Bietmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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