Lama Tenpa Gyaltsen, Die drei Yanas Das folgende Transkript von Lama Tengyals Kurs über die 3 Yanas vom 27. bis 29.11.98 entstand im April 2002. Hanna Hündorf basierte ihren Kurs zum gleichen Thema auf diese Belehrungen, und fertigte das hier vorliegende Transkript zu diesem Zweck an. Auch die Teilnehmer des Hinayana Studienkurses fanden es sehr hilfreich als Ergänzung zu ihren Studien, und so möchten wir es hier einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Guten Abend, und willkommen zu unserem Wochenendkurs. Heute freue ich mich, mit all meinen Dharmafreunden mein Wissen über Buddhadharma zu teilen. Wir haben eine sehr schöne Gelegenheit, an diesem Wochenende über Dharma zu sprechen. Ich freue mich besonders, weil ich mich daran erinnere, wie ich vor langer Zeit, 1980, nach Rumtek kam, um meine buddhistischen Studien zu beginnen. Dort traf ich den 16. Karmapa zum ersten Mal. Ich kam mit 14 oder 15 anderen Studenten nach Rumtek, wovon fünf oder sechs Rinpoches waren, und etwa 10 gewöhnliche Mönche. Karmapa rief uns in seine privaten Gemächer und sagte zu uns: &dbquo;Jetzt beginnt das Institut in Rumtek, und ihr müsst ein Versprechen ablegen. Euer Studium ist nicht nur ein gewöhnliches Studium, sondern etwas sehr Besonderes. Wenn ihr in der Zukunft dieses 11jährige Programm abgeschlossen habt, müsst ihr ein Drei-Jahres-Retreat machen und anschließend in die Welt hinausgehen und lehren, um meine Linie und den Dharma zu erhalten.“ Ich dachte: &dbquo;Ohhh! 11 Jahre und dann noch das Retreat, das sind 15 Jahre, und ich soll mich noch darüber hinaus verpflichten...“ ich schaute auch meine Freunde an, und wir dachten, &dbquo;so ein Versprechen können wir nicht ablegen, das ist zu lang.“ Karmapa sagte noch einmal, &dbquo;egal wie lang die Zeit ist, ihr müsst dieses Versprechen ablegen, und wenn ihr es erst im nächsten Leben einlösen könnt. Ihr müsst diese Verpflichtung, dieses Wunschgebet machen, die Linie zu erhalten und Dharma zu lehren, überall auf der Welt, nicht nur in Tibet, müssen wir den Dharma mit anderen teilen.“ Also sagte ich: &dbquo;OK“. Karmapa ist wie ein Buddha für mich, und alle schauten zu, also sagte ich &dbquo;Ja“. Egal was geschieht, wir sagten, &dbquo;Ja, das werden wir tun, wir werden unsere Studien fortsetzen und Retreat machen und anschließend den Dharma mit anderen Teilen um die Linie zu erhalten.“. Im nächsten Jahr verschied Karmapa unglücklicherweise, und es folgte eine sehr, sehr schwere Zeit. Irgendwie überlebten wir und es ging irgendwie immer weiter, aber mehrere Male war ich kurz davor, alles hinzuwerfen. Das Studium war sehr schwer, und ich musste morgens um vier Uhr aufstehen. Außerdem waren all meine Klassenkameraden sehr fortgeschritten, viele von ihnen waren Rinpoches: Pönlop Rinpoche, Nyenpa Rinpoche, Drupön Rinpoche, die alle schon vorher viel gelernt hatten. Ich fiel in die letzte Kategorie und musste dennoch mit ihnen debattieren. Oft dachte ich, &dbquo;das schaffe ich nicht, ich kehre zurück ins gewöhnliche Leben und schließe mich meinen Brüdern an, mache das gleiche wie sie.“ Besonders Pönlop Rinpoche sagte immer wieder &dbquo;nein, nein, bleib hier, wir helfen dir auch.“ Von den 15 Studenten, haben es fünf Freunde nicht geschafft und sind vorher abgegangen. Es blieben also noch fünf Rinpoches und fünf Mönche. Schließlich machten wir Ende 1990 unseren Abschluss. Es war immer noch eine schwere Zeit, aber ich hatte die Gelegenheit, ins Retreat zu gehen. Um ehrlich zu sein, erlangte ich während dieses Retreats keine Verwirklichung, keine volle Erleuchtung, aber ich war voller Selbstvertrauen, denn ich hatte Karmapas Wunsch erfüllt. Ich hatte mein Versprechen gehalten, obwohl es mir zu Beginn sehr lang erschien, aber die Zeit ging irgendwie schnell vorbei. Ich ging dann gleich in den Westen, denn auch dies war in Karmapas Wunsch enthalten. Ich teile jetzt also mein Wissen über den Buddhismus mit euch, aber ihr solltet nicht erwarten, dass ich jedes Detail der buddhistischen Sichtweise kenne. Ich weiß ein wenig, und ich halte damit mein Versprechen zu meinen Lehrern. Ich diene der Linie und erfülle mein Versprechen, und das ist ein Grund warum ich heute sehr glücklich bin. Viele Leute fragen mich nun, wieso ich dann ausgerechnet nach Deutschland, nach Hamburg kam. Als mein Drei-Jahres-Retreat fast zu Ende war, überlegte ich: &dbquo;Jetzt habe ich also das Retreat abgeschlossen, und jetzt werde ich mein ganzes Leben dem Dienst an der Linie und dem Dharma widmen. Ich werde tun, was immer nötig ist. Zu dieser Zeit, schrieben viele an mich: &dbquo;Wir brauchen deine Hilfe, wir bauen hier Karmapas Zentrum, ein buddhistisches Zentrum auf.“ Diese Briefe kamen aus Amerika, Kanada und sogar aus Taiwan. Auch die Klöster, zum Beispiel Rumtek baten mich, zurückzukehren und dort zu lehren. Aber dann kam wieder diese Rosi Findeisen, sie schrieb so viele Briefe wir kannten uns sehr gut aus Rumtek - kam und sagte: &dbquo;Wir brauchen dich in Hamburg.“ Ich bekam also all diese Briefe und war verwirrt. Ich hatte mich entschieden, meine Zeit der Lehre des Dharma zu widmen. Aber wem sollte ich jetzt zusagen? Ich wollte am liebsten zu allen &dbquo;Ja“ sagen. Schließlich fiel mir ein: &dbquo;Dies ist die Zeit, den Lehrer zu fragen! Das ist doch die Aufgabe des Lehrers, und ich habe ja einen Lehrer.“ Als mein Lehrer dann kam, und ich fragte ihn, wie ich mich entscheiden sollte. Er sagte: &dbquo;sag einfach ja.“ Ich wand ein &dbquo;ich kann nicht zu allen ja sagen.“ Er erwiderte: &dbquo;Du bist sehr kleingeistig. Wenn du Ja zu Amerika sagst, dann sagst du ja zu allen. Denn alle wollen den Dharma und die Linie erhalten. Sie wollen alle das Gleiche.“ &dbquo;Das stimmt natürlich“, meinte ich, &dbquo;aber relativ gesehen kann ich nicht zu allen ja sagen. Wenn ich ja zu Amerika sage, dann entscheide ich mich damit gegen Deutschland.“ &dbquo;Na gut,“ sagte mein Lehrer, &dbquo;geh nach Deutschland. Dies ist die Zeit für dich nach Deutschland zu gehen, und zwar für ein Jahr.“ Ich kam also für ein Jahr hierher. Im Juni dieses Jahres, als das Jahr schon um war, begegnete ich ihm in Kanada und fragte ihn: &dbquo;letztes Jahr sagtest du mir, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen, was soll ich jetzt tun?“ Er sagte: &dbquo;Geh zurück nach Deutschland.“ So kommt es, dass ich in Deutschland bin. Das war also meine Geschichte. Jetzt kommen wir zum Thema dieses Wochenendes. Es ist ein recht schwieriges, tiefgründiges Thema. Ich habe auch einige Zweifel, weil mein Englisch nicht so gut ist, aber auf diese Weise können wir direkt kommunizieren. Außerdem weiß ich auch nicht alles. Dies ist ein sehr großes Thema, der gesamte Dharma ist darin enthalten. Dies würde viele Jahre Studium benötigen, also können wir nicht alles an einem Wochenende durchnehmen. Ich versuche also die Bedeutung zusammenfassen, was bedeutet ‚Drei Yanas’? Ein Dharmakurs ist nicht wie ein akademischer Vortrag, wo Sprecher und Zuhörer sehr weit voneinander entfernt sind. Bei einem DharmaGespräch sind wir Freunde, wir unterhalten uns miteinander. Wir sollten uns offen fühlen, ein direkter Kontakt. Das bedeutet Dharma, Kommunikation. Wenn wir diese Einstellung von Dharmafreund haben, dann entsteht viel Raum, in wir uns begegnen können. Dieses Wochenende geht es also um Buddhadharma. Bevor wir mit den Einzelheiten beginnen, müssen wir uns fragen: &dbquo;was ist Buddha-Dharma, was ist Buddhismus?“ Wir wissen dies natürlich schon, aber wir sollten uns selbst immer wieder diese Frage stellen. Sonst denken wir, es ist etwas gegen meine Gewohnheiten, Glauben, Kultur - es ist etwas aus dem Osten, sehr alt. Aber wir sollten herausfinden, was es wirklich bedeutet, für uns, heute. Darauf können wir dann unser Studium und unsere Praxis aufbauen. Dharma ist ein Wort aus dem Sanskrit. Wir könnten also denken, dies ist eine indische, asiatische Religion, nicht unsere. Dabei konzentrieren wir uns auf den Behälter, nicht den Inhalt. Dharma hat 10 verschieden Bedeutungen. Wenn wir fragen, was ist Dharma? Es ist alles. Hier sprechen wir deshalb von Buddhadharma. Dies ist eine dieser 10 Bedeutungen: Die Lehren des Buddha Sakyamuni. Diese Lehre zielt darauf hin, völlig frei von Samsaras Leiden, Verwirrungen und Angst zu sein. Nicht nur das, sondern Dharma führt uns zur letztendlichen Frucht, der letztendlichen Furchtlosigkeit, die jenseits aller Angst liegt. Auf tibetisch heißt Buddhismus ‚nangpa’. Wörtlich ‘Insider’ oder ‚innerlich’. Worin? In unserem Haus? Unserm Körper? Nein, in unserem Geist. Wir betrachten, untersuchen unseren eigenen Geist. Buddhismus ist also nicht nur eine Frage des Glaubens, sondern der Anwendung. Der Dalai Lama nennt es deshalb nicht Religion, sondern Wissenschaft des Geistes, innere Wissenschaft. Wir müssen nichts glauben, sondern mit unserem Geist arbeiten, so wie er ist, unserem positiven, negativen, verwirrten oder reinen Geist, und mit der wahren Natur unseres Geistes. Das ist Buddhismus. Warum ist Buddhismus eine innere Wissenschaft? Warum suchen wir nur im Inneren, warum forschen wir nicht auch im Äußeren? Weil unser einziges Ziel Glück ist, die Überwindung des Leidens. Der ganze Sinn unseres Lebens ist, Frieden zu erlangen und frei von Leiden zu sein. Gemäß des Buddhismus können wir diesen immerwährenden Frieden nur in uns finden, die Überwindung des Leidens liegt bei uns, in unserem Geist. Unser Ziel ist die Überwindung von Leiden und Angst und der Ursachen des Leidens und der Angst. Wir müssen also an die Wurzel gehen. Diese sucht man besser innen als außen. Tatsächlich suchen wir von morgens früh bis abends spät nach etwas, ob wir religiös sind oder nicht, theistisch oder atheistisch, schlau oder dumm, gebildet oder ungebildet, jung oder alt, wir sind immerzu beschäftigt, auf der Suche nach etwas: Glück, Freisein von Angst und Leiden. Dies ist nicht nur das Problem von Buddhisten, von Tibetern, von religiösen Menschen, sondern allgemeingültig. Dies hat der Buddha freundlicherweise aufgezeigt. Er hat nicht nur selbst Befreiung erlangt, sondern zeigte uns den Weg, und der führt nach innen. Deshalb heißt dieser Begriff auf tibetisch ‚innen’ oder ‚innerlich’. In der Sicht des Buddhismus ist der Geist also wichtiger als körperliche, materielle Dinge. Natürliche sind diese auch wichtig, aber sie sind die sekundären Bedingungen, nicht die Haupt-Ursache. Die Wurzel oder Haupt-Ursache ist der Geist. Zum Beispiel Glück und innerer Frieden, diese hängen nicht nur vom eigenen Geist ab, sondern auch von den äußeren Bedingungen. Wenn wir aber mit dem Geist umgehen können, dann ist es leicht, mit den Bedingungen fertig zu werden. Der Geist ist der Fahrer. Normalerweise denken wir, der Körper ist das Wichtigste, der König. Wenn ich nur gesund, jung und schön bin, dann ist alles andere einfach. Wir verwenden so viel Zeit und Geld auf unseren Körper, aber das Ergebnis ist meist nur eine Verschlechterung. Als nächstes kommt die Rede, Ausdrucksweise, aber wir kümmern uns nicht um den Geist. Niemand kann ihn sehen, also ist er nicht wichtig. Deshalb wandern wir immer noch in Samsara herum.. Im Buddhismus denken wir anders herum. Der Geist ist der Fahrer. Wenn wir den Geist ändern, ändern sich Körper und Rede mit ihm. Buddha sagte: &dbquo;Du bist dein eigener Lehrer, du bist dein eigener Herr, dein eigener Schützer.“ Damit unser Geist also zu unserer Zuflucht, unserem Schützer wird, müssen wir ihn trainieren. Dies ist nicht unmöglich. Manchmal ist es schwerer, den Körper zu trainieren, er hat so viele Einschränkungen. Der Geist ist leichter, er ist nicht so festgelegt. Aber es gibt da viele Aspekte, nicht nur einen großen Klumpen ‘Geist’. Es gibt den gedanklichen und nichtgedanklichen und den reinen und unreinen Aspekt. Unser Geist ist nicht durch und durch rein oder unrein, klar oder verwirrt. Ein Teil unseres Geistes sind die Kleshas, aber die andere Seite ist ursprüngliche Reinheit. Manchmal ist unser Geist nicht im Gleichgewicht, dann ist da kein Raum zum Atmen. Daran können wir erkennen, dass der Geist diese verschiedenen Aspekte hat. Wir wissen also, dass wir an den Kleshas arbeiten können, weil der reine Aspekt des Geistes auch existiert. Sobald wir die unreinen Aspekte des Geistes reduzieren, einschmelzen, transformieren, kann die reine Natur des Geistes leuchten. Dieser Teil ist bereits erleuchtet. In uns ist bereits Freiheit, immerwährender Frieden und Glück. Dies nennen wir manchmal auch Buddhanatur. Der Zweck jeder buddhistischen Meditation ist genau das, die Umwandlung der negativen Aspekte und das Freilegen der reinen Natur. Wenn wir wütend sind, erscheint alles als dunkel und hässlich, selbst ein Altar sieht hässlich aus. Wenn wir glücklich sind, dann sieht alles schön aus, dieser Raum wird ein reines Land. Mit unserem Geist arbeiten ist also Buddha-Dharma. Es muss nicht aus dem Osten kommen, aus Tibet oder Indien. Der Behälter kann aus dem Osten kommen, aber der Inhalt ist die Arbeit mit unserem eigenen Geist. Diesen Inhalt können wir auch in unserer eigenen Religion finden, in unserer eigenen Kultur, unserem eigenen Geist. Aber wir müssen ehrlich sein. Normalerweise sagt unser Ego: Ich bin Buddhist, Ich bin Mahayana Anhänger, usw. In Tibet sagen wir, es gibt vier Kombinationen von nicht-buddhistisch und buddhistisch. Manche sagen sie sind Buddhisten, und sind es auch, so wie der Dalai Lama. Dann sind da solche, die sagen sie sind Buddhisten, sind es aber nicht wirklich, ihren Anschauungen und Verhalten nach. Dann sind da solche, die nennen sich nicht Buddhisten, sind es aber. Wenn wir also Buddhisten werden wollen, überlegen, Zuflucht zu nehmen, dann sollten wir genau wissen, was damit gemeint ist. Innerhalb der Lehren Buddhas gibt es 84 000 verschiedene Belehrungen, Gegenmittel gegen die verschiedenen Kleshas, störenden Gefühle. Wenn wir diese zusammenfassen, dann kann man sie in die drei Yanas zusammenfassen. Und die Kleshas kann man in die drei Wurzelgifte zusammenfassen, Verlangen, Abneigung und Unwissenheit. Diese drei sind unsere Feinde, unsere Räuber. Für Anfänger, neue Leute sind diese drei Feinde, aber wenn wir wirklich praktizieren, werden sie zu Freunden, es kommt auf die Ebene an, auf der wir uns befinden. Um diese drei Geistesgifte zu transformieren, brauchen wir die drei Yanas. Jetzt kann man beobachten, dass wir sagen: &dbquo;Oh nein, ich will nicht Hinayana sein.“ Gut, wenn wir nur zwei Feinde hätten, dann könnten wir ohne Hinayana auskommen. Aber von den drei Geistesgiften konzentriert sich das Hinayana auf Begierde. Im Hinayana ist man der Ansicht, dass von diesen drei Giften Begierde das schlimmste ist. Im Mahayana sagt man, Begierde ist nicht so schlimm, manchmal brauchen wir sie, um Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Hier ist Hass ist das schlimmste, man arbeitet hauptsächlich mit Hass oder Abneigung. Im Vajrayana sagt dann dann, sowohl Begierde als auch Abneigung beruhen auf Unwissenheit. Man sollte tiefer gehen, und mit dieser Ebene, der Unwissenheit arbeiten. Wir können die drei Kleshas also überwinden oder transformieren, es ist gar nicht schwer, denn dazu gibt es die drei Yanas. Sie haben alle einen anderen Schwerpunkt. Es gibt also diese drei verschiedenen Schwerpunkte, außerdem gibt es unterschiede in der Vorgehensweise oder der eigentlichen Umwandlung, und in der philosophischen Sichtweise. Nun sollten wir auch sitzen. Wir müssen lernen wie man sitzt, nicht nur wie man lernt. In dieser Sitzung sollten wir uns auf gar nichts konzentrieren, nichts visualisieren. wir meditieren auf nichts, also meditiert nicht! Unser Geist ist jetzt müde vom Zuhören, alles aufzunehmen, uns zu fragen ob es logisch ist oder nicht, wir waren 2 Stunden sehr beschäftigt. Er braucht eine Ruhepause. Wir sollten den Geist also einfach ruhen lassen. Aber wir sollten auch nicht abgelenkt sein. Probiert es mal aus: nicht abgelenkt sein, nicht meditieren. (Gong) Wir benutzen diese Gelegenheit für Dharma: Dieser Tag ist ein wundervoller Tag für uns. Wir sammeln viel Verdienst an. Das, was wir eigentlich Freizeit nennen, ist nur rumhängen, reden, Spaß haben. Wozu ist das Wochenende eigentlich da? Zum praktizieren! Die Woche über haben wir so wenig Zeit dazu. Wir widmen diesen Verdienst jetzt allen Wesen. Nicht nur unsern Freunden, sondern allen Wesen. Feinde, Freunde, Mutter, Vater. Wir sollten dabei nicht denken, ich verliere jetzt meinen Verdienst, wenn ich ihn weggebe! Dies ist ein sehr gerissenes Geschäft: Wir geben unseren Verdienst weg, und damit gewinnen wir am allermeisten. Samstag 15 Uhr Gestern sprachen wir darüber, was Buddhismus eigentlich ist. Um dies nicht zu vergessen, fassen wir es noch einmal zusammen. Buddhismus ist die reine Lehre, der reine Pfad, die reine innere Wissenschaft. Vergleicht dies aber auch mit Büchern, darin steht vielleicht auch etwas anderes. Dies ist jetzt meine Ansicht. Natürlich basiere ich dies auch auf das, was ich von meinen Lehrern gehört habe, ich habe auch den Dalai Lama zitiert. Aber es ist nur eine bestimmte Ansichtsweise, und ihr solltet die mit anderen vergleichen. Jetzt gehen wir mehr ins Detail: Im Allgemeinen gibt es im Buddhismus die drei Yanas. Wie können wir jetzt die gesamte Lehre Buddhas verstehen? Der Buddhismus ist jetzt sehr verstreut, also denken manche, die reine Lehre finden wir nur in Sri Lanka, andere denken in Thailand, anderer denken in Tibet. Auch hierbei hilft diese Einteilung in drei Yanas. Wir sollten sie sehr gut verstehen, um die Verschiedenheiten zu verstehen. Sonst können sie uns widersprüchlich erscheinen, wir denken dass eine bestimmte Praxis dem Buddhismus widerspricht. Wie wir gestern schon sagten, ist Buddhismus die reine Lehre des Geistes, und dabei arbeiten wir mit all den verschiedenen gestörten Geisteszuständen. Diese lassen sich in die drei Geistesgifte einteilen. Um diese drei Gifte zu bekämpfen, haben wir drei Gegenmittel. Hinayana beschäftigt sich vor allem mit Begierde, deshalb ist die wichtigste Praxis Entsagung. Mahayana beschäftigt sich mit Abneigung, deshalb ist die Hauptpraxis Liebe und Mitgefühl. Vajrayana beschäftigt sich mit der Wurzel dieser beiden Gifte, der Unwissenheit. Man kann diese drei Yanas auch noch weiter zusammenfassen: Eigentlich gibt es nur Hinayana und Mahayana. Das Mahayana kann man noch unterteilen in das allgemeine und spezielle Mahayana. Sonst können wir die Idee bekommen, Vajrayana sei etwas anderes, getrennt von Mahayana. Es ist aber ein Teil des Mahayana. Jetzt sollten wir uns den Begriff Hinayana anschauen. Dies ist wieder ein Sanskrit Wort: 'Hina' bedeutet geringer oder kleiner. 'Maha' bedeutet groß. Dann denken wir sofort, dies bezieht sich auf die Qualität, das Hinayana ist weniger wert, ist dem Mahayana qualitativ unterlegen. Dann wollen wir nicht zum Hinayana gehören, dem schlechteren, sondern zum großen, guten Fahrzeug. Dies ist aber nicht so gemeint. Das ‚klein’ ist im Vergleich gemeint, man könnte es mehr als Stufe oder Ebene ansehen. Hinayana ist die erste Stufe. Von dort aus kann man weiter steigen. Im Tibetischen sagt man tekpa chungwa, manchmal auch tekpa menpa: niedrigeres Fahrzeug. Auch hier könnten wir denken, niedrig ist etwas negatives. Aber wenn wir ein Haus bauen, dann ist das Fundament ja auch niedriger als die Mauern. Trotzdem sagen wir nicht, das Fundament ist weniger wert als die Mauern. Deshalb sagen viele Lehrer im englischen jetzt gern ‚basic, fundamental’, also grundlegendes Fahrzeug. Damit drückt man besser die Wertschätzung des Hinayana aus. Hinayana ist also die Grundlage für Mahayana, für Vajrayana. Wir brauchen ein Fundament für die Mauern, für das Dach. Ohne Fundament können wir keine Mauern und erst recht kein Dach bauen. Wir brauchen das Verständnis der Grundlagen des Hinayana, wenn wir Mahayana oder Vajrayana praktizieren wollen. Was ist nun der Inhalt des Hinayana? Was hat der Buddha in diesem Fahrzeug gelehrt? Ursache und Wirkung von Samsara und Ursache und Wirkung von Nirvana. Diese nennt man auch die vier edlen Wahrheiten. Die sind sehr allgemein, das verstehen wir jetzt. Die ersten beiden, die Wahrheit des Leidens und der Ursachen sind Ursache und Wirkung von Samsara. Die nächsten beiden, die Wahrheit der Beendigung und des Pfades sind Ursache und Wirkung von Nirvana. Wie werden diese 4 edlen Wahrheiten im Hinayana integriert und praktiziert? Die Hauptpraxis im Hinayana ist die Disziplin der Entsagung. Diese hängt völlig davon ab, dass wir erkennen, dass Samsara Leiden ist, und vergänglich. Um die Hinayana Sichtweise jetzt wirklich richtig zu verstehen, müssen wir uns klar werden, was Entsagung wirklich bedeutet. Das zweite, was wir verstehen müssen ist, was gemeint ist wenn gesagt wird, Samsara ist nichts als Leiden. Wenn wir dies verstanden haben, dann verstehen wir wirklich, was Hinayana ist, und darauf können wir dann unser Verständnis des Mahayana und Vajrayana aufbauen. Entsagung - kennt ihr alle dieses Wort? Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob dieses Wort wirklich eine gute Übersetzung ist. Der Grund dafür ist, wenn ich das Wort benutze, dann ist die Reaktion sehr negativ: ‚ich muss alles aufgeben, ob ich will oder nicht.’ Auf Tibetisch ist es ‚nge jung’, dies ist ein sehr positives Wort, es gibt uns sehr viel Raum. Natürlich entsagen wir etwas, aber wie - darin liegt der Unterschied. Müssen wir uns bewusst entscheiden, etwas aufzugeben, oder geschieht es ganz von allein? Wenn unsere Mutter uns sagt: &dbquo;geh’ dort nicht hin“, dann folgen die Kinder zwar aus Gehorsam, aber im Geheimen wollen sie nur noch mehr in diese Richtung gehen. Wenn unsere Entsagung so funktioniert, dass wir etwas aufgeben, weil wir nun einmal Buddhisten sind, aber unser Geist nicht wirklich einsieht, warum man es aufgeben soll - diese Art von Entsagung wird nie gelingen. Eines Tages werden wir zurückfallen. Das sehen wir auch heute in den Klöstern: Die Mönche wurden von ihren Eltern ins Kloster gebracht, und wenn sie älter sind, dann geben sie ihre Roben auf. Entsagung muss also von uns selbst kommen. Entsagung ist das Gegenmittel für Begierde. Um Begierde zu durchtrennen, müssen wir Entsagung praktizieren. Gleichzeitig mit der Begierde müssen wir auch die Angst durchtrennen. Wenn wir Begierde und Angst durchtrennen können, dann ist es wahrhaftige Entsagung. Ich gebe oft ein Beispiel, welches für mich sehr hilfreich ist. Kleine Kinder haben ein Kuscheltier und hängen sehr daran. Wenn sie älter werden, dann müssen sie sich nicht dazu zwingen, dieses Kuscheltier aufzugeben, sondern verlieren ganz von allein das Interesse. Sie haben keine Angst, es aufzugeben. Wir können auch das Leben des historischen Buddha betrachten. Er wurde als Prinz geboren, und unglücklicherweise starb seine Mutter sieben Tage nach seiner Geburt. Er hatte natürlich viele Kindermädchen, und als er noch sehr klein war, tauchten viele außergewöhnliche Zeichen auf. Der Vater wollte wissen, was diese Zeichen bedeuten, und die Wahrsager sagten ihm: &dbquo;Dein Sohn wird entweder ein großer Weltherrscher oder ein Buddha.“ Der König wollte natürlich nicht, dass sein Sohn ein großer Heiliger, ein Rishi wird. Er fragte die Wahrsager, wie er den Sohn daran hindern könnte. Sie rieten ihm, den Sohn vom Anblick des Leidens, Krankheit, Alter und Tod zu beschützen. Dies arrangierte der König dann so, dass der Buddha nur von wunderschönen, jungen Menschen umgeben war. Er war also nur von Luxus umgeben, und als er älter wurde, verlor er den Geschmack daran, und wollte etwas Interessantes erleben. Er wollte ausgehen! Er fuhr also mit seinem Diener aus und sah die Zeichen von Krankheit, Alter, Tod... und als viertes einen Meditierenden, einen Maharishi. Er hatte also etwas Neues gelernt, und entwickelte tiefe Entsagung. Manchmal denke ich - das sind natürlich nur meine eigenen Gedanken - der König und die Wahrsager machten einen großen Fehler. Wenn ich der König gewesen wäre, hätte ich meinen Sohn auf die Strasse geschickt, damit er dort als Bettler lebt und sich nichts sehnlicher wünscht, als ein König zu sein. Ich benutze jetzt weiter das alte Wort ‚Entsagung’, auch wenn ich der Übersetzung nicht traue, aber ihr kennt jetzt die Bedeutung. Um wirklich authentische Entsagung zu entwickeln, braucht man ein gewisses Verständnis. Es gibt verschiedene Arten, etwas aufzugeben: entweder sehen wir, dass etwas völlig sinnlos ist. Oder wir erkennen, das etwas zu Leiden führt. Wenn keine dieser beiden Arten von Einsicht da ist, und wir etwas nur unter Druck aufgeben, dann ist die Entsagung sehr begrenzt. Wenn wir nur etwas nicht tun, weil die Leute sagen, &dbquo;Das darfst du nicht als Buddhist“, dann ist das nicht wirklich Entsagung. Es gibt da ein gutes Beispiel: Heutzutage gibt es viele Drogen. Die ganze Gesellschaft, Ärzte und Regierung, versuchen diese Leute daran zu hindern, Drogen zu nehmen. Aber sie reagieren nicht auf den Druck, dadurch wollen sie die Drogen nur noch mehr. Aber wenn sie selbst zu der Einsicht kommen, dass die Drogen zu Leiden führen, oder dass sie völlig sinnlos sind, dann wird es ihnen möglich sein, sie aufzugeben. Um diese echte, wahrhaftige Entsagung zu entwickeln, müssen wir also verstehen, dass Samsara aus Leiden besteht und vergänglich ist. Niemand mag dieses Thema. Leiden! &dbquo;Oh Nein!“ Viele beschweren sich über den Buddhismus, weil er immer über Leiden spricht: &dbquo;Ich habe schon genug Leiden, ich will nicht noch mehr.“ Wir müssen uns aber anschauen, was hier gemeint ist. Natürlich sprach der Buddha in seiner ersten Lehrrede über Leiden. Aber er sagte nie, dass wir leiden sollten. Er sagte, &dbquo;erkennt das Leiden, seht das Leiden, versteht das Leiden“. Es ist ein Unterschied, ob man sich dem Leiden unterzieht, oder ob man es versteht. Natürlich erkennen alle Leiden, deshalb wollen wir es ja auch loswerden. Dieses einfache Verständnis reicht aber nicht aus. Deshalb lehrte der Buddha auch die drei Arten von Leiden. Nur das Leiden des Leidens zu verstehen, reicht nicht aus. Wir müssen die subtile Ebene verstehen, das Alles-durchdringende Leiden. Wir sehen, dass alle Wesen, egal ob sie reich oder arm sind, gebildet oder nicht, religiös oder nicht, das Leiden loswerden wollen. Jetzt ist aber die Frage, ob wir deshalb das Leiden verleugnen wollen, oder es genau betrachten. Das Leiden zu verleugnen, scheint für eine Weile Erleichterung zu verschaffen, aber es ist so, als ob man versucht, ein Feuer mit Zeitungspapier abzudecken. Wie lange wird der Effekt dauern? Verleugnen bringt also keine dauerhafte Erleichterung, wir sollten uns des Leidens bewusst sein. Das wird am Anfang zwar vielleicht etwas unangenehm sein, aber wir werden das Feuer anschauen, und es mit Wasser löschen, oder das Holz herausnehmen. Wir werden die Wurzel erkennen, und sie beseitigen. Der Buddha sagte: &dbquo;Erkenne das Leiden, gib seine Ursache auf.“ Das bedeutet, wenn wir Leiden überwinden wollen, dann müssen wir seine Wurzel überwinden. Deshalb lehrte der Buddha die zweite edle Wahrheit der Ursachen. Jetzt wissen wir also dass es wichtig ist, Leiden zu erkennen. Wollen wir es verleugnen, oder erkennen? Dies hat der Buddha gelehrt, aber wir sollten das auch mit unserer Erfahrung vergleichen: ist Verleugnen hilfreich oder Erkennen? Wir sollten tiefer gehen: was ist Leiden? Darüber lehrte der Buddha, es ist nicht nur das Leiden des Leidens, sondern auch das Alles-durchdringende Leiden. Was ist das Alles-durchdringende Leiden? Es entsteht aus Angst, grundlegender Angst. Wenn wir diese Angst überwinden können, dann ist Leiden nicht mehr da. Jetzt schauen wir uns das gewöhnliche, vermeintliche Glück an: auch dieses Glück enthält das Alles-durchdringende Leiden, denn es ist noch Angst darin enthalten: die Angst es zu verlieren, und dem zu begegnen, was wir nicht mögen. Diese Angst ist die gleiche, ob wir ein König sind oder ein Bettler. Der König will seine Position nicht verlieren, und auch der Bettler will seine Position nicht verlieren! Diese grundlegende Angst ist die gleiche für alle Wesen. Uns dieser grundlegenden Angst gewahr zu sein, ist sehr hilfreich. Diese grundlegende Angst ist nicht so schlecht, wie wir denken. Sie ist eine große Güte, ein Schutz. Die Angst vor Leiden rettet unser Leben. Sie führt uns zum Dharma! Angst verursacht Probleme, und ist auch ein unangenehmes Gefühl. Aber dieses unangenehme Gefühl kann uns vor sehr viel mehr Leiden bewahren. Wenn wir Angst haben, von einer Klippe zu springen, dann ist das vielleicht ein unangenehmes Gefühl, aber das bewahrt uns vor den Schmerzen, wenn wir springen und uns alle Knochen brechen. Dieses Leiden ist also sehr hilfreich (suffering is great!) Aufgrund dieses Leidens kann ich praktizieren, aufgrund von Leiden reduziere ich mein Ego, meinen Stolz, Arroganz. Wenn wir Leiden also nicht nur als etwas negatives sehen, dann verstehen wir besser, was der Buddha gemeint hat als er sagte, wir sollten das Leiden verstehen. Diese grundlegende Angst ist also hilfreich. Aber was negativ ist, ist die Angst vor der Angst. Wir mögen die grundlegende Angst nicht, und haben Angst davor, darauf bauen wir mehr Angst auf, und so entstehen imaginäre Ängste, die Angst wird zum Monster. Diese Art von Angst wird dann Mara genannt. Jetzt machen wir eine kleine Pause, bevor wir meditieren. Wie der große Gampopa sagte, wenn wir Studium, Nachdenken und Meditation nebeneinander praktizieren, dann wird unsere Praxis des Dharma fehlerlos sein. Wenn wir Studium und Praxis trennen, dann wird der Dharma korrumpiert. Wir beginnen mit der 9-fachen Reinigung des Atems. Dann konzentrieren wir uns auf den Atem: ein-aus ein-aus. Wir sind uns einfach des Atems gewahr, offen und entspannt, mit leerem Geist. Das bedeutet, ohne Konzepte oder Vorstellungen wie unser Atem sein sollte, wie das Gewahrsein sein sollte, einfach nur betrachten. Samstag, 20 Uhr Heute nachmittag haben wir über das Konzept des Leidens gesprochen. Die Hauptpraxis des Hinayana ist Disziplin oder Entsagung. Diese Entsagung beruht ganz und gar auf dem Verständnis, dass Samsara Leiden und Vergänglichkeit ist. Hier ist es auch wieder so, das Wort hört sich nicht gut an, wir möchten darüber nichts hören. Aber tatsächlich ist Vergänglichkeit etwas recht positives. Es richtet sich gegen die Vorstellung des Ego, aber das ist ja eigentlich ganz in Ordnung! Warum mögen wir dieses Wort nicht? Weil wir nur einen Aspekt von Vergänglichkeit sehen: Zerstörung, Zusammenbruch, Sterben, Katastrophe, Verbrennen..... Aber die Definition von Vergänglichkeit in den Sutras ist 1. Entstehen, Geburt oder Wachstum, 2. Verweilen und 3. Vergehen. Wir sollten also unsere Betrachtung nicht so einseitig ausrichten. Wenn wir nur eine Seite kennen, dann wissen wir gar nichts! Unsere Tendenz ist, zu sagen: &dbquo;ich weiß alles“, aber tatsächlich wissen wir gar nichts. Erst wenn wir beide Seiten kennen, können wir sagen, dass wir etwas darüber wissen, egal welches Gebiet es ist. Was ist also vergänglich? Wenn etwas nicht vergänglich wäre, müsste es ja unvergänglich sein. Das Verständnis von Vergänglichkeit gibt uns sehr viel Raum für Veränderung. Veränderung oder Veränderlichkeit wäre eigentlich ein besseres Wort dafür, nicht so negativ besetzt. Buddha lehrte: &dbquo;Alles Zusammengesetzte ist vergänglich“ oder veränderlich. Wir mögen Vergänglichkeit, wenn etwas schlecht läuft, wir wünschen uns, dass es sich verändert. Zum Beispiel, wenn wir hungrig sind: Wenn Hunger unveränderlich wäre, müssten wir immer hungrig bleiben. Aber wenn die Dinge gut laufen, dann fängt das Ego an, Spielchen zu spielen. Wir möchten nicht, dass es sich verändert. Natürlich wird die Realität sich verändern, und dann schmerzt unser Ego. Wenn wir diese Realität erkennen, dann entsteht mehr Raum und weniger Verletzung. Wir sind verletzt, weil sich unser Ego nicht von Angenehmem trennen will. Wir halten daran fest, und wollen keine Veränderung. Wir müssen lernen, zu akzeptieren. Darüber gibt es eine Geschichte aus den Sutras. Ein Vater und seine Tochter gingen zum Buddha. Der Vater beschwert sich beim Buddha: &dbquo;Lehre doch nicht immer über Vergänglichkeit, dies tut weh!“ Die Tochter sagt: &dbquo;ich finde Vergänglichkeit gut, dadurch kann ich erwachsen werden. Sonst müsste ich ein Kind bleiben, könnte keine Ausbildung machen“. Deshalb sagte der Buddha: Der beste Gedanke ist der Gedanke der Vergänglichkeit, der Veränderung. Warum sagt er das? Wir sollten uns dies in großen Buchstaben aufschreiben und an unsere Tür hängen und beobachten, ob es uns hilft oder nicht. Vergänglichkeit ist die erste Tür zur korrekten Sichtweise. Wenn wir Vergänglichkeit gut verstehen, dann verstehen wir Karma, dann verstehen wir Leerheit. Wie hilft uns Vergänglichkeit, Leerheit zu verstehen? Nagarjuna sagte: Wenn man Entstehen versteht, versteht man Zerstörung. Wenn man diese beiden versteht, versteht man Vergänglichkeit. Wenn man Vergänglichkeit versteht, dann nähert man sich dem Verständnis der Leerheit. Vergänglichkeit ist die erste Stufe oder das Tor zur buddhistischen Sichtweise. Dann haben wir Ursache und Wirkung, die Bedeutung von Karma. Wenn wir Vergänglichkeit verstehen, verstehen wir auch Ursache und Wirkung. Karma ist nichts anderes als Veränderung. Ursache und Wirkung sind zwei verschiedene Momente der Veränderung. Jedes Resultat, jede Auswirkung hat eine Ursache. Ohne Ursache, ist nichts möglich. Alles was existiert, entsteht aufgrund eine Ursache. Dieser Moment hat den vergangenen Moment zur Ursache. Manchmal ist es deshalb sehr witzig für mich, wenn Leute fragen &dbquo;Glaubst du an Karma?“ und manche sagen, &dbquo;nein ich glaube nicht daran“. Dies ist komisch für uns. Wenn man einen Apfelkern pflanzt, dann entsteht daraus ein Apfelbaum. Das glauben diese Leute auch, aber sie sagen, sie glauben nicht an Karma. Ein Mangokern kann keinen Apfelbaum hervorbringen. Der Kern hat ein bestimmtes Potential, eine bestimmte Ursache hervorzubringen. Das ist genauso mit karmischen Samen. Aber in dem Samen ist keine 100%ge Garantie enthalten, dass daraus auch ein Baum entstehen wird. Sonst wäre unser Bemühen ganz unnötig, wenn Karma bedeuten würde, dass alles schon festgelegt ist. Wir brauchen die richtige Ursache, aber auch die notwendigen Bedingungen, damit die Frucht heranreift, die Wirkung eintritt. Genauso haben wir das Karma, etwas Bestimmtes zu werden, aber dies ist nicht 100% garantiert. Sonst läge kein Sinn darin, zu praktizieren, es wäre nicht nötig zu studieren oder zu arbeiten. Das Karma würde alle Wirkungen produzieren. Wenn feststände, dass wir am 1. Dezember 1999 Erleuchtung erlangen würden, dann wäre es egal was wir täten. Oder wenn wir an diesem Tag in die Hölle eingehen würden, auch dann könnten wir nichts tun, um es zu verhindern. Dies ist aber nicht der Fall. Es ist nicht nur unlogisch, es widerspricht der direkten Erfahrung. 50 % sind Potential, und 50 % sind Bedingungen. Aufgrund dessen wir können die Auswirkung beeinflussen, das Potential in den Samen töten oder transformieren. Wir sehen also, dass Vergänglichkeit uns hilft, Karma zu verstehen. Karma ist ein sehr wichtiges Thema im Buddhismus. Dieser Begriff ‘Karma’ wird auch auf verschieden Weise erklärt, in verschiedenen Schulen, in verschiedenen Religionen. Deshalb wird dieser Begriff in verschiedenen Büchern auch verschieden erklärt. In der buddhistischen Sicht bedeutet der Begriff ‘Ursache und Wirkung’. Dies ist eine Art, die verschiedenen Yanas aufzuteilen. Aber es gibt viele andere, zum Beispiel anhand der verschiedenen Sichtweisen und in bezug auf die Motivation. Ich gebe euch mal eine kleine Liste der Philosophie - meine Sicht ist: Buddha lehrte nie Philosophie, er lehrte nur Dharma. Manche stimmen damit nicht überein. Philosophie sind nur Gedanken, Konzepte, nicht die Herzebene. Ohne Herz nützen die besten Gedanken nichts. Buddha ging von Mensch zu Mensch, sah was sie brauchten und lehrte, was für sie nützlich war, ganz einfach. Aber erst später, nach dem Scheiden des Buddha, entstand Philosophie. Manche sagten: Buddha lehrte mich dies, also glaube ich nur dies. Jemand anders sagte, nein er hat etwas anderes gelehrt und glaubt nur dies. Solche Mensche meinen, er habe nur für sie gelehrt. Auf diese Weise entstanden die verschiedenen Lehrmeinungen. Die meisten berufen sich auf Nagarjuna. Dies ist allerdings nicht nur seine eigene Idee, sondern er klassifizierte die Lehren Buddhas, und fand logische Beweise für die verschiedenen Sichtweisen. Er sagte nie, &dbquo;dies ist wahr, weil der Buddha es gesagt hat“, sondern er bewies etwas auf logische Weise, und am Ende zitierte er den Buddha. Durch die Philosophie von Nagarjuna können wir jedoch die Lehren Buddhas verstehen. Die Lehre Buddhas ist so unermesslich, wir wissen sonst nicht, wie wir alles einordnen sollen. Ohne die Hilfe der Philosophie können wir die Tiefe der Lehre nicht ergründen. Es nützt nichts, einfach zu warten, bis man es eines Tages von selbst versteht, wie in einem japanischen Koan. Wir könnten unser ganzes Leben mit Warten verbringen. Wir könnten denken, &dbquo;warum hat Nagarjuna so viele Probleme verursacht. Die Lehre Buddhas ist doch so einfach und direkt, und er hat sie so kompliziert gemacht“. Aber tatsächlich war es sehr gütig von ihm, uns einen Zugang zu schaffen. Wir brauchen beides - Philosophie oder Studium und Praxis. Wir sollten diese beiden verbinden. Im Westen ist es sehr getrennt, die akademische Ebene auf der Uni, die praktische Ebene im Dharmazentrum. Hier sagen wir, wir wollen gar nicht studieren, wir machen nur Pujas. Auf der Uni ist es umgekehrt, die Akademiker denken oft, Praxis sei unnötig. Heute verbessert sich dies. Zum Beispiel David Jackson an der Hamburger Uni, er ist ein guter Gelehrter und auch ein Praktizierender, ich respektiere ihn sehr. Oder Jeffrey Hopkins in Amerika usw. Es gibt in den Geschichten auch Gegenbeispiele: König Indrabodhi brauchte nie zu studieren, und brauchte nur eine einzige Meditationssitzung um Erleuchtung zu erlangen. Dies bedeutet aber, dass er schon sehr weit war, aus früheren Leben. Für die meisten von uns ist es aber so, dass wir noch ein Stück Weg vor uns haben, und wir beides verbinden müssen. Deshalb sagen wir, dass es im Buddhismus 4 verschiedene Schulen gibt. Hier sind nicht die 4 Schulen des tibetischen Buddhismus gemeint, sondern die vier Lehrmeinungen oder philosophischen Sichtweisen. Zwei davon gehören zum Hinayana und zwei zum Mahayana. Die ersten beiden sind Vaibashika und Sautrantika, die beiden Mahayana Schulen sind Chittamatra und Madhyamaka. Die Vertreter der Hinayana Lehrmeinungen werden auch Materialisten oder Vertreter wahrer Existenz genannt. Im Buddhismus spricht man von den zwei Wahrheiten: der relativen und der absoluten Wahrheit. Alles was nicht wirklich existiert, nicht wahrhaft existent ist, nennt man relative Wahrheit. Und was wahr und wirklich existent ist, das nennt man letztendliche Wahrheit. Die Art der Analyse auf der ‚Suche nach Letztendlichkeit’ ist jedoch verschieden. Gemäß der Vaibashika Schule, ist die grobe Ebene, alles was wir durch unsere gewöhnliche Wahrnehmung erfassen können, teilbar, wir können es in kleinere Bestandteile zerlegen. Diese Ebene nennt man relative Ebene. Wenn man diese Analyse immer weiter betreibt, bis man auf einer sehr subtilen Ebene ankommt, dann stößt man auf kleinste, unteilbare Teilchen. Diese sind wahrhaft existent, und das ist die letztendliche Wahrheit. Dies ist sehr ähnliche der atomaren Sichtweise der Griechen, vor der modernen Physik. Auf der nicht-materiellen Ebene kann man das Bewusstsein in Momente aufteilen. Auch dort gibt es einen kleinsten, unteilbaren Moment, der die letztendliche Ebene darstellt. Dieser kleinste Moment ist frei von Konzepten und Gedanken. Diese Sichtweise wird aber vom Chittamatra und Madhyamaka widerlegt. Sie sagen, diese kleinsten Teilchen und Momente sind noch nicht das Letztendliche. Chittamatra sagt, alle äußeren Dinge sind relativ, nur die subtilste Ebene des Geistes ist letztendlich. Madhyamaka sagt, selbst diese feinste Ebene des Geistes ist relativ, die letztendliche Wahrheit ist Leerheit. Es ist aber nicht wichtig, dies heute zu verstehen, dies war nur eine kurze Übersicht über die Lehrmeinungen. Wenn ihr euch dafür interessiert, können wir darüber eine Klasse einrichten, ich interessiere mich sehr dafür, es gibt viele ausführliche Debatten zu diesem Thema. Hier nennen wir uns Anhänger des Vajrayana oder Mahayana, aber wir sollten uns anschauen, was in dieser Hinayana Sichtweise hilfreich ist. Zum Beispiel, wie Wahrnehmung möglich ist, wie ein materielles Objekt mit dem Geist Kontakt machen kann, und wie es dann von direkter Wahrnehmung zu gedanklichen Konzepten wird. Im Vajrayana sprechen wir viel von den fünf Buddhafamilien oder den fünf Weisheiten. Dazu müssen wir mehr über Bewusstsein wissen. Unser gewöhnliches Bewusstsein muss in Weisheit verwandelt werden. Dazu müssen wir erst einmal verstehen, dass unser Geist nicht ein einzelnes, unteilbares Gebilde ist. Laut der Vaibashika Sichtweise haben wir 6 Bewusstseine, die 5 Sinnesbewusstseine und das Geistbewusstsein. Dieses Geistbewußtsein kann man noch aufteilen in das Klesha- oder verblendete Bewusstsein und das Alaya oder All-Basis Bewusstsein, so dass insgesamt 8 Bewusstseine gezählt werden. Auf der Vajrayana Ebene arbeiten wir mit dem Modell der 8 Bewusstseine, die in die 5 Arten von Weisheit verwandelt werden. Eine Vaibashika Sichtweise ist sehr hilfreich für Mahamudra, Dzogchen oder tantrische Praktizierende: Es wird gesagt, dass zwischen zwei Gedanken eine nicht-gedankliche Erfahrung wahrgenommen werden kann. Milarepa sagte: &dbquo;Zwischen zwei Gedanken, da ist eine Chance, nicht-konzeptuelle Weisheit zu erfahren“. Für uns ist dies sehr schwierig, denn die Gedanken sind so schnell, dass wir uns dies gar nicht vorstellen können. Dafür ist die Sichtweise des Hinayana hilfreich. Wenn wir diesen Moment erhaschen können, dann können wir zwischen zwei Gedanken Erleuchtung erlangen. Wenn wir genug Glück haben, erhaschen wir dies 'Rigpa' im Dzogchen oder 'gewöhnlicher Geist' im Mahamudra. Auch ‘Anfänger Geist’ im Zen ist ein Synonym. Wie hilft uns die Vaibashika Sichtweise? In der Wahrnehmung ist es so, wenn das Objekt und die dominante Bedingung, die Sinnesfähigkeit, zusammentreffen, dann findet Wahrnehmung statt. Zunächst ist das Sinnesbewusstsein, welches das Objekt wahrnimmt, nicht-konzeptuell. Dann, der erste Moment des Geistbewusstseins ist auch nicht-konzeptuell. Dann, Selbst-Bewusstheit ist auch noch nicht-konzeptuell. Erst im vierten Schritt kommen die Gedanken: &dbquo;dies ist weiß, Papier“ etc. Es ist also ein ziemlicher Prozess, bevor der erste Gedanke aufkommt. Aber es geschieht alles so schnell, dass wir denken, das Augenbewusstsein ist dasjenige, dass auch die Benennungen vornimmt. – Womit beginnt das Konzept? Mit dem Ego? Mit dem sechsten, dem Geistbewusstsein. Das ist, wenn wir nur 6 Bewusstseine zählen. Dieses hat aber viele Unterkategorien. Der erste nicht-konzeptuelle Moment des mentalen Bewusstseins und die Selbst-Bewusstheit gehören auch in diesen Bereich, genau wie die Konzepte. Dadurch verstehen wir auch, wenn wir unseren Geist zähmen wollen, dann ist es dieser konzeptuelle Aspekt, den wir trainieren. Dies hat nichts mit dem Objekt zu tun, und auch nicht mit der direkten geistigen Wahrnehmung, die ist rein. Wir erkennen also die Gedanken, die Dinge beurteilen, gut oder schlecht finden. Das ist das gestörte, verblendete oder Klesha Bewusstsein. So beginnen die Emotionen. Daraufhin sammeln wir Karma an, welches im All-Basis Bewusstsein angesammelt wird, Eindrücke hinterlässt. Jetzt haben wir viel mehr die Gelegenheit, die nicht-konzeptuelle Weisheit in den Zwischenräumen zu sehen. Etwas, was wir in der Meditation lernen, ist nicht mit unseren Gedanken den fünf Sinnes-Bewusstseinen zu folgen. Der 7. Karmapa sagte: Die Wahrnehmung der fünf Sinnes-Bewusstseine ist wie ein Stummer. Das sechste, Geistbewusstsein ist wie ein Blinder, der ständig spricht. Dies ist ein sehr gutes Beispiel. Die Sinne nehmen alles wahr, aber können nichts darüber sagen. Das Geistbewusstsein macht all die Unterscheidungen, hat aber nichts wahrgenommen. Ich glaube, wir hören hier lieber auf, ich möchte gerne die Hinayana Sichtweise beenden, aber es gibt dort so viel zu sagen. Ein wichtiges Thema ist auch noch das Verhalten. Das Verhalten des Hinayana ist das Beste, wir sollten es auch im Mahayana und Vajrayana kopieren. Es wird gesagt, wenn wir Vajrayana Praktizierende sein wollen, dann sollte unser körperliches Verhalten dem Hinayana entsprechen. Aber der Geist, die Einstellung, die Motivation, das Herz sollte Mahayana sein, und die Praxis Vajrayana. Das müssen wir lernen. Erst dann werden wir wirklich wahrhaftige Vajrayana Praktizierende. Das ist auch ein Grund, warum es das Geheime Yana genannt wird. Unsere Praxis findet im geheimen statt. Aber heutzutage ist oft das Gegenteil der Fall. Pönlop Rinpoche hat deshalb eine sehr gute Idee, bevor seine Schüler Vajrayana praktizieren, sollen sie erst ein grundlegendes Verständnis der drei Yanas erwerben. Manche Leute fragen: &dbquo;wie kann ich Hinayana, Mahayana und Vajrayana gleichzeitig praktizieren?“ Die meisten würden antworten, &dbquo;das geht nicht“. Aber wenn wir es so anschauen, geht es doch: Das Verhalten ist Hinayana, die Motivation ist Mahayana und die geheime Praxis ist Vajrayana. Dann können wir alle drei gleichzeitig praktizieren - kein Problem! Wir können das auch selbst für uns entscheiden, das ist jetzt, was mein Lehrer mich gelehrt hat und was meine eigene Erfahrung ist, aber wir können sehen, was für eine Art von Praktizierender wir sein wollen. Das Verhalten des Hinayana, des grundlegenden Fahrzeugs ist sehr wichtig, darauf werden wir morgen noch eingehen, bevor wir uns mit Leerheit befassen. Heute leider keine Meditation, es tut mir leid - ich habe mein Samaya gebrochen, gestern habe ich noch gesagt, dass wir am Ende jeder Sitzung meditieren, und jetzt... Es gibt im Tibetischen ein Sprichwort, wörtlich: &dbquo;Obwohl es widersprüchlich ist, ist es notwendig.“ Sinngemäß so etwas wie &dbquo;Notwendigkeit ist wichtiger als das Prinzip“ Sonntag, 10 Uhr: Guten Morgen. Gestern sind wir die wichtigsten Begriffe und Praxis des Hinayana durchgegangen. Heute sprechen wir über Mahayana. Es gibt das besondere und allgemeine Mahayana. Vajrayana ist nichts anderes als Mahayana. Manche denken, tibetischer Buddhismus ist kein Mahayana. Bevor wir damit beginnen, fehlt aber noch das Hinayana Verhalten. Tatsächlich ist das Verhalten des Hinayana das tiefgründigste und hilfreichste Verhalten für einen Praktizierenden. Das Verhalten eines Yogi oder das Mahayana-Verhalten ist erst dann angebracht, wenn wir diese Stufe erreicht haben. Solange wir noch praktizieren, sollten wir das Verhalten des Hinayana ausüben. Das Verhalten des Hinayana ist frei von den zwei Extremen. Manchmal denken wir, Hinayana Verhalten ist sehr asketisch, sehr eingeengt. Deshalb sollten wir wissen, dass der Buddha gelehrt hat, dass dieses Verhalten frei von beiden Extremen ist. Zum Beispiel nimmt man als Mönch ein Gelübde, nur durch Betteln zu leben. Aber wenn es nötig ist für uns oder andere, wenn es nicht anders geht, dann sollten wir nicht zu krampfhaft daran festhalten, dann können wir auch unser eigenes Essen verzehren. Zu Buddhas Zeiten war es kein Problem, aber später wurde es manchmal schwierig. Ein Grund für diese Regel ist Genügsamkeit. Wenn wir ein Buch haben, dann sollten wir damit zufrieden sein, und nicht denken &dbquo;ich will auch noch dieses und jenes“. Oder ein Meditationskissen ist genug, wir sollten nicht ständig ein neues begehren und darum bitten. Ein Grund ist also, die Anhaftung zu durchtrennen. Wenn wir keine Anhaftung mehr haben, dann sind wir genügsam. Dann lassen wir uns von äußeren materiellen Dingen nicht mehr gefangen nehmen, sondern beschäftigen uns mehr mit inneren Werten, und leben äußerlich genügsam. Der Buddha sagte &dbquo;Genügsamkeit ist der größte Reichtum“. Wenn wir Genügsamkeit besitzen, dann sind wir immer reich, egal wie viel oder wenig materiellen Reichtum wir haben. Wenn wir nicht genügsam sind, dann sind wir immer noch arm, egal wie viel wir besitzen. Das andere Extrem wäre Askese. Falls ein Nutzen darin liegt, eine Notwendigkeit besteht, dann können wir uns harten Bedingungen aussetzen. Aber wenn es nicht nötig ist, nicht sinnvoll, nicht angemessen, dann sollten wir es nicht tun. Zum Beispiel gibt es in Indien eine Unterabteilung der Hindus, die Jains, die Buddha als zu extrem erklärte. Sie werden auch ‘die Nackten’ genannt, weil sie ohne Kleidung leben müssen. Buddha sagte, dies ist nicht nötig. Die Jains wissen, dass Stehlen etwas Negatives ist. Sie sagen aber, dass das Stehlen von der Hand verursacht wird. Also bestrafen sie die Hand indem sie sie verbrennen oder ihren Dreizack hindurchstechen, um die Sünde des Stehlens zu reinigen. Im Buddhismus wird dies nicht als sinnvoll angesehen. Die Definition des Stehlens ist, nichts zu nehmen, was uns nicht gegeben wurde. Aber die Jains fassen dies so streng auf, dass sie auch in der Wildnis lieber verdursten als Wasser trinken, welches ihnen nicht gegeben wurde, auch wenn es niemand anderem gehört. Dies meint der Buddha mit Askese: unnötiges, unangemessenes Verhalten. Auch Lügen wird von beiden als negativ angesehen, aber die Jains sagen, die Zunge muss bestraft werden, um das schlechte Karma des Lügens zu reinigen. Im buddhistischen Verhalten, muss man nicht deine Hand oder Zunge bestrafen, sondern mit dem Geist arbeiten. Wir lernen das Verhalten des mittleren Wegs. Der Jainismus hat ansonsten eine sehr tiefgründige Philosophie, die dem Buddhismus sehr nahe steht, aber das Verhalten ist sehr anders. Also, jetzt wenden wir uns dem zweiten Teil zu: Wie kann unser Herz, unsere Motivation dem Mahayana entsprechen? Mahayana beginnt, wenn wir Bodhichitta entwickeln. Die Praxis des allgemeinen und besonderen Mahayana beruht vollkommen auf Bodhichitta. Und die Entwicklung des Bodhichitta ist nur möglich, wenn man ein Verständnis von Leerheit besitzt. Wenn wir tiefer gehen wollen, wenn unsere Bodhichitta Motivation tief sein soll, dann brauchen wir das Verständnis von Leerheit, (Sanskrit) sunyata, (Tibetisch) tongpanyi. Ohne dieses Verständnis haben wir zwar eine gute Motivation, eine selbstlose, altruistische Einstellung, aber dies wird sehr oberflächlich sein. Ihr wisst natürlich alle, was Bodhichitta ist, aber ich werde euch noch einmal erinnern. Wieder ist es ein Sanskrit Wort: Bodhi-chitta. Zwei Silben. ‚Bodhi’ ist Erleuchtung. ‚Chitta’ ist Geist oder Herz. Also übersetzen wir es als Erleuchtungsgeist oder erleuchtetes Herz. Was bedeutet dies? Wir treffen die ehrliche Entscheidung, aus tiefstem Herzen: &dbquo;Ich will allen fühlenden Wesen helfen.“ Wir weiten unseren Geist. Wir haben bereits eine kleine, enge Version dieses Erleuchtungsgeistes, vielleicht auf einige Freunde beschränkt. Unser Territorium. Dieses Herz, dieses Konzept müssen wir ausweiten. Wir beten, &dbquo;Möge ich Erleuchtung erlangen, um ALLEN fühlenden Wesen zu helfen“, nicht nur meinen Freunden, meiner Familie. Das nennen wir Bodhichitta. Bodhichitta ist auch nicht nur der Wunsch, es muss ganz ehrlich sein und von Herzen kommen, aus echter Liebe und echtem Mitgefühl erwachsen. Ohne Liebe und Mitgefühl können wir kein Bodhichitta entwickeln, dann ist es nur ein Lippenbekenntnis. Jemand, der Bodhichitta in seinem Herzen entwickelt hat, wird Bodhisattva genannt. (Tib. Jangchub Sempa) Ich möchte noch klarstellen, was wirklich gemeint ist, wenn wir die Worte ‘Liebe’ und ‘Mitgefühl’ verwenden. Einerseits wissen wir es natürlich, aber es gibt da auch Missverständnisse. ‘Liebe’ und ‘Anhaftung’ werden oft verwechselt oder sind untrennbar miteinander verbunden. Das Gleiche gilt für ‘Mitgefühl’ und ‚Mitleid’. Ich habe viele Leute getroffen, die sagen, die Praxis von Liebe und Mitgefühl tut mir nicht gut, es tut so weh. Das bedeutet, wir haben reine Liebe und Mitgefühl, aber in Verbindung mit Anhaftung. Was uns Schmerzen bereitet, ist nicht die Liebe, sondern die Anhaftung. Die Anhaftung ist wie ein Knoten. Wenn wir diesen durchschneiden, dann fühlen wir Schmerz. Anhaftung ist keine Liebe, aber für Anfänger, für alle die noch samsarische Wesen sind, ist Liebe immer von Anhaftung begleitet. Wenn wir jetzt von Mitgefühl sprechen: manche Leute sagen: &dbquo;Ach, der Ärmste“, sie haben Mitleid. Dies ist nicht wirkliches Mitgefühl, sondern Arroganz. Wir sagen, &dbquo;Der Ärmste, ich bin froh, dass es mir oder den Meinen nicht so schlecht geht..“ Das Leiden berührt nicht wirklich unser Herz, es kommt nicht aus Liebe. Nur wenn das Gefühl von Herzen kommt, ohne Angst, ist es wirklich Mitgefühl. Mit dieser Art von wahrer Liebe und Mitgefühl als Basis verpflichten wir uns von Herzen, treffen eine Entscheidung: &dbquo;Ich möchte allen fühlenden Wesen helfen.“ Das nennen wir Bodhichitta. Wenn wir dieses Bodhichitta in unserem Herzen haben, nicht nur in unserem Ego, dann werden wir Bodhisattvas genannt. Wisst ihr was &dbquo;Sattva“ bedeutet? &dbquo;Held oder Heldin!“ Ein Bodhisattva ist ein wahrer Held, eine wahre Heldin. Was damit gemeint ist, ist jemand, der sich nicht entmutigen lässt, von keinerlei Umständen. Ein Bodhisattva hat drei Arten von Heldenhaftigkeit: Er lässt sich nicht von der Anzahl, der Zeit und der Schwierigkeit entmutigen. Manchmal wird uns klar, wie viele Wesen es tatsächlich gibt, allein in Hamburg - und wir können nicht mal unseren eigenen Eltern helfen, wie sollten wir dann allen fühlenden Wesen helfen? Manchmal fühlen wir, wir sind nur ein gewöhnlicher Mensch, wir machen uns klein, wir können nicht so ein grenzenloses Versprechen ablegen. Ein Bodhisattva sagt: &dbquo;Egal wie viele es sind, ich will allen Wesen helfen.“ Er oder sie lässt sich nicht von der Menge entmutigen - im Gegenteil, je mehr Wesen es gibt, desto mehr freuen sie sich: &dbquo;noch mehr Wesen, denen ich helfen kann!“ Zweitens ist die Zeit: Wir können uns denken, wie lange es dauern wird, bis alle diese Wesen letztendliche Erleuchtung erlangt haben! Viele, viele Kalpas. Wir denken, &dbquo;so lange kann ich nicht warten, ich will schneller vorankommen, soviel Geduld habe ich nicht“. Aber Bodhisattvas lassen sich nicht davon entmutigen, sie stellen sogar ihre eigene Erleuchtung zurück. Sie machen freiwillig die schlechte Arbeit. Drittens lassen sie sich auch von der Schwierigkeit nicht entmutigen. Manchmal müssen Bodhisattvas ihren Kopf weggeben. Es gibt viele solche Geschichten, zum Beispiel gab Nagarjuna seinen Kopf. Andere werden um ihre Augen gebeten, und geben diese her. Dies ist für uns unvorstellbar. Aber für sie ist es anders, es macht sie glücklich, so etwas zu tun. Wenn diese drei Arten von Mut da sind, dann sind sie wahre Bodhisattvas oder Helden. Um zu einem solchen großen Helden zu werden, brauchen wir das Wissen oder die Weisheit der Leerheit. Bodhichitta beruht ganz und gar auf einem Verständnis der Leerheit. Buddha gab die drei Lehrzyklen, die drei Dharmachakras. Leerheit lehrte er bei der zweiten Drehung des Rades, auf dem Geierhügel Rajgir in Indien. Was Buddha dort lehrte, war Prajnaparamita oder ‚Große Mutter’. Das ist gleichbedeutend mit Leerheit. Buddhas Lehren kann man in letzendliche oder explizite und hinführende oder implizite Lehren einteilen. Die Lehren über Leerheit sind letztendliche oder explizite Lehren. Implizit sind die Lehren des stufenweisen Weges. Man kann auch sagen er lehrte drei Türen zur Befreiung. Die Basis ist Leerheit, der Weg ist Freiheit von Merkmalen und das Resultat ist Nicht-Begehren. Die Basis ist hier am wichtigsten. Leerheit ist ein wichtiges Thema. Was ist Leerheit? Darüber sollten wir nachdenken. Leer-heit. Wenn etwas leer ist, dann gibt uns das ein Gefühl von Unsicherheit, wie freier Fall. Hier ist nicht diese Art von Leerheit gemeint, wie ein leeres Haus, eine leere Tasse oder der leere Raum. In der buddhistischen Sicht ist alles, von der subtilen Form bis hin zum Bewusstsein, Samsara bis Nirvana, sowie alle Wesen, leer. Nicht nur Leiden, alle Emotionen, selbst das Glück ist leer. Alle Phänomene sind leer. Es gibt jetzt viele Arten, zu beschreiben, was darunter zu verstehen ist. Wir sollten fragen: leer wovon? Diese Tasse zum Beispiel ist leer von Wasser, leer von Elefanten, leer von vielen Dingen. Wovon sind alle Dinge also leer? Zunächst einmal von dem, was wir als wahrhaft existentes Selbst annehmen. Außerdem leer von Unterscheidung, Unterteilung, Trennung. Wir können sehen, wie wir alles aufteilen. Unsere Unwissenheit beginnt damit, dass wir uns weigern, Leerheit zu erkennen. Rigpa wird Marigpa. Dann teilen wir die Realität fälschlicherweise in viele Kategorien, obwohl in der Leerheit keine Unterscheidungen und Trennungen vorhanden sind. Aufgrund von Unwissenheit teilen wir die Realität zunächst einmal in ‚ich’ und ‚andere’. Dann kommt ‚meins’ und ‚deins’. Dann ‚gut’ und ‚schlecht’, ‚Subjekt’ und ‚Objekt’, ‚Geburt’ und ‚Tod’, ‚Leiden’ und ‚Glück’, ‚hoch’ und ‚niedrig’ - all diese Unterscheidungen. Und was kommt dabei heraus? Angst. In der Realität ist alles frei von Unterteilung, von Trennung. Viele sagen, wenn sie von Leerheit hören, dann haben sie ein Gefühl von Unsicherheit. Wenn man aber tatsächlich Leerheit versteht, dann entseht ein Gefühl von Sicherheit - &dbquo;Oh wow“. Das beste Dana, das beste Geschenk ist Furchtlosigkeit. Und Furchtlosigkeit ist die Lehre der Leerheit. Wie ich auch gestern schon sagte, wenn wir Vergänglichkeit und Karma verstehen, dann hilft uns das beim Verständnis von Leerheit. Leerheit bedeutet nicht ein Nichts, sondern leer von Trennung. Wenn wir verstehen, dass alles leer von Getrenntheit ist, dann ist alles miteinander verbunden. Auf der groben und der subtilen Ebene ist alles miteinander verbunden. Das nennen wir auch Tendrel oder Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit. Dies ist gleichbedeutend mit Leerheit - Leerheit bedeutet frei von Trennung, das heißt alles existiert in gegenseitiger Abhängigkeit. Zum Beispiel dieses Stück Papier: Wann ist sein ‚Geburtstag’? Man könnte sagen, als es in der Fabrik hergestellt wurde. Aber bedeutet das, es kommt aus dem Nichts? In gewisser Weise haben wir diese Vorstellung, wenn wir sagen, etwas ist neu entstanden. Aber dieses Papier kommt nicht von Nirgendwo. Das Papier besteht aus Holz, und auch dieses Holz stammt aus einem Wald. Bevor der Wald da war, war da Regen und Mineralien in der Erde... wir können also nicht wirklich einen ‚Geburtstag’ finden. Es ist keine wirkliche Trennung da. Das ist abhängiges Entstehen. Das gleiche gilt für unsere gewöhnliche Vorstellung von Geburt und Tod. Wir denken, wenn wir geboren werden, kommen wir von nirgendwo her, und wenn wir sterben, hören wir auf, zu existieren. Diese Sicht wird im Buddhismus nicht akzeptiert. Deshalb haben wir oft Angst vor dem Tod, denn wenn wir sterben, wissen wir nicht, was mit uns passieren wird, wir fürchten, dass wir zu Nichts werden. Wenn wir wissen, dass etwas anderes geschehen wird, dass wir nicht wirklich sterben, sondern uns nur in etwas anderes verwandeln, dann ist keine Angst mehr da. Im Buddhismus gibt es deshalb keine wirkliche Geburt und keinen Tod. Es gibt kein Kommen und kein Gehen. Wenn wir es genau betrachten, gibt es kein Kommen und Gehen. Das ist auch nur ein Konzept. Wenn etwas kommt, denken wir es kommt von nirgendwo. Genauso wenig verschwindet etwas nirgendwo hin. Wenn wir dies verstehen, verlieren wir unsere Angst. Und das beste Geschenk ist Furchtlosigkeit. Ein Beispiel hier: Leerheit bedeutet leer von Unterscheidung, gut und schlecht, hinderlich und förderlich. Wenn ihr nur eine einfache Frage stellt, &dbquo;Ist Wind hinderlich oder förderlich?“ dann ist die Antwort: &dbquo;Es kommt drauf an“. Wind an sich ist weder hinderlich noch förderlich. Also seht ihr, dass der Wind selbst leer davon ist, hinderlich oder förderlich zu sein. Es hängt von etwas anderem ab. Wie ist es nun im Bezug auf Feuer. Ist Wind hinderlich oder förderlich für Feuer? Das hängt immer noch davon ab, ob das Feuer groß oder klein ist. Wenn das Feuer groß ist, wie ein brennender Wald, dann wird der Wind es anfachen. Wenn das Feuer klein ist, wie eine Butterlampe oder Kerze, wird der gleiche Wind es ausblasen. Ohne Feuer ist der Wind rein, frei davon ein Hindernis oder eine Unterstützung zu sein. Es kann zu beidem werden. So hat Nagarjuna gesagt: &dbquo;Aufgrund von Leerheit ist alles möglich. Ohne Leerheit ist nichts möglich“. Noch ein Beispiel: Alkohol oder Bier. Ist Bier an sich negativ oder positiv? Das Gleiche gilt: es kommt darauf an. Selbst der Buddha hat beides gelehrt. In den ersten Lehrzyklen, in den Lehren der vier edlen Wahrheiten hat er gesagt, dass Alkohol völlig negativ ist. &dbquo;Wenn ihr auch nur einen Tropfen Alkohol trinkt“, sagte er, &dbquo;dann akzeptiere ich euch nicht als meine Schüler“. Am Ende, in den Vajrayana Belehrungen sagte er, &dbquo;wenn ihr den Alkohol nicht trinkt, dann akzeptiere ich euch nicht in meinem Mandala“. Auf diese Weise werden wir verwirrt: Der Buddha ist ein echter Lügner - er hat sich selbst völlig widersprochen. Wenn wir es genau betrachten, zeigt er uns nur, dass Alkohol an sich rein ist, reines Licht, nicht gut oder schlecht. Es kommt darauf an, wer ihn benutzt. Für mich ist Alkohol etwas sehr schlechtes, er könnte mein ganzes Leben ruinieren. Für Naropa, Tilopa, Milarepa, Marpa, ist er ein Mittel zur Erleuchtung. Es ist Leerheit. Leerheit müssen wir also unter diesem Aspekt verstehen. Dann wird Leerheit unseren Geist öffnen. Dann können wir auch alle Lehren Buddhas zusammenbringen, wenn wir die Natur gegenseitiger Abhängigkeit verstehen. Das könnte man in noch viel mehr Detail besprechen, aber wir haben leider nicht so viel Zeit. Vielleicht können wir das ein andermal nachholen. Einerseits sollten wir Leerheit so verstehen - im Westen gibt es da ein grundlegendes Missverständnis, das auf der Übersetzung beruht. Wir benutzen die wörtliche Übersetzung des Sanskrit Wortes ‚sunya’. Wörtlich bedeutet ‚sunya’ Null. Wenn wir eine Null zeichnen, dann hat das zwei völlig verschiedene Bedeutungen, je nachdem ob wir sie mit östlicher oder westlicher Mentalität betrachten. Wenn wir im Westen die Null sehen, dann haben wir versagt. Eine Null im Examen bedeutet, wir haben gar nichts erreicht. Deshalb denken wir, Leerheit wäre Nihilismus. Andererseits können wir diese Null als die Vollkommenheit sehen, alles ist in dieser Null vollständig enthalten. So sollten wir es verstehen, alles ist in Leerheit bereits enthalten. Dies ist jetzt eine sehr knappe, verallgemeinerte Vorstellung von Leerheit. Aber das Verständnis von Leerheit hilft uns sehr, Bodhichitta zu entwickeln. Warum können wir unsere Bodhichitta-Motivation nicht ausweiten, warum bleibt sie immer so begrenzt? Aufgrund der Vorstellung von Getrenntheit, von unserer eigenen Beschränkung, unseren Grenzen. Das Verständnis von Leerheit durchschneidet diese Begrenzungen, wir verspüren Einheit, Gleichheit. Wenn wir diese Vorstellung von Einheit und Gleichheit haben, dann kann unsere Bodhichitta strahlen. Wo ist mein Territorium, wo ist deins? Wo ist die Grenze? Da ist keine Grenze, es ist ein Land. Klingt gut, nicht? Wir brauchen keine Pässe, keine Visa, keine Armee, es ist ein Land ohne Grenze. Wenn wir diese Gleichheit, Einheit, Leerheit verstehen, dann gibt es keinen Grund, warum unser Mitgefühl begrenzt sein sollte. Unser Bodhichitta, unsere Liebe und unser Mitgefühl werden grenzenlos. Hier hören wir jetzt auf, und machen mit dem Vajrayana Pfad weiter. Wir haben jetzt die Grundlage, dann wird es leicht sein, Vajrayana zu erklären. Wir sitzen ein wenig, einfach entspannen... Wir ruhen in einem Zustand der Leerheit. Sonntag, 15 Uhr Ich werde jetzt eine gewisse Vorstellung oder kleine Hinweise geben, was Vajrayana ist, die Sichtweise und Praxis. Ich werde nicht sehr ins Detail gehen. Ich bin sicher, dass ihr sehr glücklich seid, dass ich jetzt über Vajrayana sprechen werde. Wie ich schon vorher sagte, um ein authentischer, wahrer Buddhist zu sein, sollte unser äußeres Verhalten dem Hinayana entsprechen. Unsere Einstellung, unser Herz sollte das des Mahayana sein. Unsere geheime Praxis sollte die des Vajrayana sein. Dann sind wir ein totaler, vollkommener Buddhist. Wir haben nichts übersprungen. Ich hoffe also, dass dieser Wochenendkurs von Nutzen ist, obwohl er so kurz ist. Diese Informationen sind sehr wichtig und könnten von großem Nutzen für uns sein, deshalb freue ich mich auch sehr, dass ich sie mit euch allen teilen konnte. Vielleicht könnt ihr euch immer wieder die Kassetten anhören, das wird helfen. Oft fragen mich die Leute: &dbquo;Wie kann ich alle drei Yanas praktizieren, ohne etwas auszulassen?“ Oft haben sie die Vorstellung, dass sie um Hinayana zu praktizieren, erst nach Sri Lanka oder Thailand reisen müssen und dort praktizieren. Für die Praxis des Mahayana müssten sie dann nach Japan oder China reisen und dann schließlich nach Tibet, um Vajrayana zu praktizieren. Wir haben solche Ideen, doch tatsächlich können wir alle gleichzeitig praktizieren. Natürlich müssen wir stufenweise vorgehen. Deshalb ist das Thema der drei Yanas auch sehr wichtig. Bevor wir Vajrayana praktizieren können, brauchen wir einige Eigenschaften, die wir vorher entwickeln müssen. Die erste Eigenschaft ist Entsagung. Die Empfehlung ist ja, sich beim äußeren Verhalten nach dem Hinayana zu richten, und da handelt es sich um Entsagung. Zweitens, das Herz sollte das des Mahayana sein, also Bodhichitta. Drittens ist der korrekte Pfad, das richtig Verständnis von Leerheit. Diese drei Dinge sind sehr, sehr notwendig. Wenn diese drei Qualitäten recht stabil sind, dann sind wir bereit, Vajrayana zu praktizieren. Wenn wir dann mit der Vajrayana Praxis beginnen, gibt es noch zusätzliche Vorraussetzungen um als Vajrayana Schüler, im Vajrayana Mandala akzeptiert zu werden. Erstens brauchen wir Hingabe, eine gute Beziehung zwischen Guru und Chela, Schüler. Ohne einen Guru oder Lehrer - hier handelt es sich mehr um einen Guru - können wir nicht ins Vajrayana eintreten. Der Guru, ist sehr, sehr notwendig. Um eine richtige Beziehung zu seinem Guru herzustellen, braucht der Schüler Hingabe. Wenn Hingabe da ist, dann sind wir bereit, in den Vajrayana einzutreten. Die Aufnahme ins Vajrayana geschieht durch Abisheka, eine Einweihung. Man kann kein Vajrayana praktizieren, ohne eine Einweihung erhalten zu haben. Wenn ihr Vajrayana praktizieren wollt, braucht ihr Abisheka. Ohne Abisheka, auch wenn ihr äußerlich die Praxis korrekt verrichtet, dann gebt ihr doch nur vor, Vajrayana zu praktizieren. Abisheka ist also zunächst sehr wichtig. Um Abisheka zu erhalten, müsst ihr euch entscheiden, dass derjenige der das Abisheka erteilt, zu eurem Guru wird. Ihr müsst ihn fragen, ob er euer Guru sein will, und er wird euch akzeptieren, und dann baut ihr eine Guru-Schüler Beziehung durch die Entwicklung von Hingabe auf. Ihr könnt bei jedem Lehrer ein Schüler im Sinne von Student sein, aber ihr könnt nicht bei jedem Lehrer ein Chela (disciple) sein. Ich kann nur der Chela eines Guru werden, für den ich Vertrauen und Hingabe entwickelt habe. Diese Art von Lehrer ist dann wirklich ein Guru, und wir können von ihm Abisheka erhalten. Im Vajrayana ist Hingabe sehr wichtig, also sollten wir uns ansehen, was Hingabe eigentlich ist. Dies ist recht heikel - manchmal können wir uns bewusst entscheiden, Hingabe zum Guru zu entwickeln. Manchmal ist es aber gar keine bewusste Entscheidung, sondern es geschieht einfach, aufgrund unserer Beziehung aus früheren Leben, wir wissen nicht wirklich was es ist, aber etwas geschieht ganz von selbst. Diese Art von Hingabe findet nicht auf der logischen Ebene statt - samsarische Logik ist in diesem Fall nicht gültig. Hingabe bedeutet sich dem Lehrer vollkommen hinzugeben, völlig zu öffnen. Wir wissen manchmal nicht, warum wir uns öffnen, aufgrund unserer Verbindung ist es auf einmal möglich. Manchmal ist es mit einem Entschluss verbunden, wir visualisieren und öffnen uns ganz bewusst. Wenn solche Hingabe vorhanden ist, dann entsteht ein Raum, in dem wir Abisheka von unserem Guru empfangen können. Aber diese Hingabe muss völlig frei von unserem Ego sein. Wenn eine Entscheidung von unserem Ego getroffen wird, dann ist es nicht wirklich Hingabe - dies ist eine große Gefahr. Wir müssen also sehen, ob unser Impuls uns zu öffnen, uns hinzugeben, nicht etwas mit dem Ego zu tun hat. Wenn wir eine solche Entscheidung mit unserem Ego treffen, dann wird die Beziehung mit dem Lehrer nicht funktionieren, und wir werden sehr verletzt werden. Dann sagen wir &dbquo;Ich verliere meinen Glauben, meine Hingabe“ - diese Art von Hingabe ist sehr unstabil. Wenn die Entscheidung oder die Hingabe aus dem Ego kommt, dann nennt man das eine spirituelle Verdauungsstörung. Um Hingabe auf die richtige Weise zu entwickeln, ist es deshalb sehr wichtig, vorher auf dem stufenweisen Weg zu lernen. Im Vajrayana ist die Art, wie wir uns auf den Lehrer beziehen, etwas anders als im Hinayana oder Mahayana. In der Guru-Chela Beziehung im Vajrayana müssen wir Hingabe entwickeln. Manchmal denken wir dann: Wie winzig, wie schlecht ich bin! Wie großartig ist mein Meister! Wir versuchen unsere Hingabe zu entwickeln, indem wir eine riesige Kluft zwischen uns errichten. Dies kommt aus der Einstellung, alles zu vergleichen: &dbquo;Oh, wie winzig ich bin, wie schmutzig ich bin, wie schwach, wie klein - und wie groß, wie mächtig, wie außerordentlich die anderen sind...“, wenn wir eine solche Einstellung haben, dann ist das völlig falsch. Dieses Denksystem funktioniert nicht auf der Vajrayana Ebene. Deshalb ist das Verständnis von Leerheit so notwendig. In den Belehrungen über Leerheit lernen wir: leer von Trennung, leer von Unterscheidung, leer von Unterteilung. Wenn wir also Leerheit verstehen, dann hilft uns das, diese vergleichende Einstellung zu überwinden. Dieses Denksystem des Vergleichens sollten wir also korrigieren. Deshalb nennt man den Guru im Vajrayana auch spirituellen Freund. Er ist nicht nur ein Lehrer, der älter oder mehr erfahren ist als wir, wir betrachten ihn nicht wie unsere Eltern oder unseren Vorgesetzten. Wenn wir in dieser Hinsicht bereit sind, dann können wir Abisheka empfangen. Wenn der Guru Abisheka ausführt, können wir es empfangen und wirklich verdauen. Ansonsten, nur an der Zeremonie teilzunehmen ist keine Garantie, dass wir auch wirklich Abisheka empfangen. Andererseits ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Rituale ausgeführt werden, damit wir Abisheka empfangen. Man weiß nie, auf welche Weise der Guru Abisheka erteilt. Er braucht nicht unbedingt Glocke und Damaru. Wenn wir also diese Beziehung von Hingabe auf richtige Weise entwickelt haben, dann kann Abisheka jederzeit stattfinden. Wie zum Beispiel bei Tilopa und Naropa: Tilopa gab ihm Abisheka, indem er ihm seine Sandale über den Kopf schlug, so dass Naropa ohnmächtig wurde. Als er wieder zu sich kam, hatte er das volle Abisheka empfangen. Man weiß nie, auf welche Weise das Abisheka erteilt wird! In so einem Fall empfängst du es aber tatsächlich! Wenn wir hier von Abisheka sprechen, dann handelt es sich um vier Abishekas. Abisheka bedeutet die Übertragung von Erkenntnis, die Ermächtigung oder Erlaubnis etwas zu praktizieren, und Reinigung. Die erste Einweihung ist die Vasen-Ermächtigung, dann folgt die geheime, die Weisheits- und die Wort- oder Zeichen-Ermächtigung. Diese vier Einweihungen sind notwendig, weil in der Vajrayana Praxis auch verschiedene Stufen praktiziert werden: Die Aufbauphase und die Vollendungsphase. Um die Aufbauphase praktizieren zu können, brauchen wir zunächst die Vasen-Ermächtigung. Um die Vollendungsphase praktizieren zu können, brauchen wir die restlichen drei. Es wird auch noch unterschieden zwischen der gekünstelten Vollendungsphase oder Vollendungsphase mit Anstrengung und der ungekünstelten, ohne Anstrengung. Das zweite und dritte Abisheka ermächtigt uns, die Vollendungsphase mit Anstrengung zu praktizieren, und das letzte, das Zeichen-Abisheka, ermächtigt uns, die Vollendungsphase ohne Anstrengung zu praktizieren. Dies ist jetzt nur sehr knapp, nicht sehr im Detail, da dies nicht spezifisch ein Vajrayana Kurs ist. Es geht hier um die drei Yanas, also behandeln wir Vajrayana nur auf einer sehr groben, oberflächlichen Ebene. Was ist also die Aufbauphase? Es ist der Erschaffungsyoga. Oder wir könnten sagen, es ist reine Konzentration. Durch reine Konzentration können wir unsere drei Körper auf den Pfad bringen. Wir konzentrieren uns auf eine tantrische Gottheit, erschaffen sie in unserer Vorstellung. Die drei Körper sind der äußere, physische Körper, der innere Körper, die Kanäle, und der geheime Körper, die wahre Natur unseres Geistes. Durch unsere Konzentration visualisieren wir unsere drei Körper als die tantrische Gottheit. Und unsere äußere Umgebung visualisieren wir als das Mandala. Um dieses Erschaffungsyoga oder die Aufbauphase praktizieren zu können, ist es sehr wichtig uns darüber klar zu sein, wer wir wirklich sind, auf der absoluten Ebene. Im Vajrayana sagen wir, wir sind tatsächlich bereits erleuchtet. Die wahre Natur unseres Geistes ist bereits erleuchtet, ist bereits Buddha, ist bereits Vajrayogini oder die Weiße Tara. Wir bauen also die Einstellung auf: &dbquo;Ich bin die Weiße Tara“, &dbquo;Ich bin Vajrayogini“. Dies nennt man die Erkenntnis des Selbst oder den Vajra Stolz. Vajra Stolz ist sehr wichtig. Dies ist nicht unser verwirrter, Ego-Stolz. Vajrayana Stolz richtet sich gegen unsere gewöhnlichen weltlichen Konzepte von einer Gottheit als etwas äußeres, jemand über uns an den wir beten, von dem wir Hilfe erbitten. Wenn wir Vajrayana praktizieren, dann visualisieren, manifestieren oder erschaffen wir uns selbst als die Gottheit. Um diesen Vajra Stolz zu entwickeln, ist es sehr wichtig, unsere unreine Wahrnehmung zu verwandeln. Wir haben eine unreine, verblendete oder verwirrte Wahrnehmung, wie schlecht wir sind. Diese Wahrnehmung müssen wir verändern, reinigen oder transformieren, und das tun wir mit Hilfe des Vajra Stolzes. Das heißt, wir visualisieren uns in der Form der Weißen Tara oder Vajrayogini. Um die unreinen Erscheinungen um uns herum zu reinigen, zu transformieren oder zu verwandeln, stellen wir uns vor, dass unsere Umgebung das Mandala ist. Das ist gemeint mit Vajra Stolz. Dies ist unsere Praxis - vielleicht kennt ihr das schon aus eurer Praxis der Vajrayogini, Weißen Tara, Mahakala oder Chenrezig - am Anfang sitzen wir und alles wird Leerheit. Aus der Leerheit visualisieren wir uns selbst als die Gottheit. Auf diese Weise können wir unsere gewöhnlichen Konzepte, unsere Verwirrung reinigen. Was immer sich um uns herum befindet, sollten wir als das Mandala der Gottheit sehen. Und was wir auch tun, wir sollten immer denken: &dbquo;Oh, ich bin die Weiße Tara“. Dies ist hilfreich. Aber wir sollten nicht denken &dbquo;Ich bin die Weiße Tara und ihr seid gewöhnliche Menschen, ich bin die Beste - ihr wisst gar nichts, ich bin die Weiße Tara!“ Dann führt das wieder zu Problemen. Manchmal sagen wir &dbquo;Oh, ich bin ein Praktizierender, fass mich nicht an!“ Wir haben uns selbst als die Gottheit visualisiert, aber wir sollten dabei nicht vergessen, dass all unsere Freunde genauso sind. Das ist die Entwicklung der reinen Sichtweise: auch die ganze Umgebung wird rein. Dies ist alles noch die Aufbauphase. Wir nennen es reine Sichtweise, denn es ist das Objekt reiner, korrekter Vorstellung. Dies ist noch nicht die endgültige Stufe. Die endgültige Stufe ist die Vollendungsphase. Am Ende lösen wir alles wieder in Leerheit auf und ruhen darin. Die Vollendungsphase ist die eigentliche, endgültige Stufe der Praxis. Aber um unsere gewöhnliche verwirrte Wahrnehmung, die verblendeten Erscheinungen, wirklich zu transformieren, praktizieren wir die Aufbauphase. Diese Aufbauphase, wie man sie am Anfang aufbaut, ist etwas verschieden, je nach dem ob es sich um Kriya Tantra, Upa Tantra, Yoga Tantra oder Anuttara Tantra handelt. In jedem Fall ist das Kreations-Yoga eine Methode, um die unreine Wahrnehmung und unreine Erscheinungen direkt zu reinigen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass auch dies nur eine Methode ist. Wenn wir an der Reinheit festhalten, dann ist das eine weitere Gefahr. Auch diese Vorstellung müssen wir wieder loslassen, und dabei hilft uns die Vollendungsphase. Als erstes müssen wir Unreinheit durchschneiden, aber dann müssen wir auch die Reinheit durchschneiden. Das nächste ist dann die Vollendungsphase. Auch diese ist etwas verschieden in den verschiedenen Tantras. Zum Beispiel, wenn wir die Weiße Tara oder Chenrezig praktizieren, dann erschaffen wir uns selbst als die Gottheit in ihrem Mandala, und am Ende lösen wir alles wieder auf und ruhen darin. Aber in den Tantras des höchsten Yoga gibt es auch eine Unterteilung in die Vollendungsphase mit Anstrengung und ohne Anstrengung. Manchmal nennt man diese auch den Pfad der Methode und den Pfad der Befreiung. Der Pfad der Methode ist die Vollendungsphase mit Anstrengung. Der Pfad der Befreiung ist die Vollendungsphase ohne Anstrengung. Auf dem Weg der Methode, bei der Vollendungsphase mit Anstrengung, arbeiten wir mit unseren Energiekanälen, unserem Prana und unserem Bewusstsein. Durch unsere Anstrengung versuchen wir mit unserem Bewusstsein in unsere Energiekanäle einzutreten, dort zu verweilen und dies dann wieder aufzulösen. Dies nennt man auch die Sechs Yogas von Naropa. In dieser Methode gibt es auch noch die friedvolle und die kraftvolle Variante. Bei der friedvollen Methode verwenden wir nicht so viel Druck, wir arbeiten mehr mit Visualisationen. Wir visualisieren die drei Kanäle und verschiedene Chakras, und visualisieren, wie das Prana hindurchfließt. Bei der kraftvollen Methode halten und kontrollieren wir unser Prana und bringen auch mit körperlichen Yogaübungen das Prana in den Zentralkanal. Darum geht es im Grossen und Ganzen in den Sechs Yogas von Naropa. Die zweite Art ist die Vollendungsphase ohne Anstrengung, der Pfad der Befreiung. Hier brauchen wir keine Anstrengung mehr, weil wir bereits trainiert sind, wir erhalten nur noch unsere Bewusstheit aufrecht, unseren ‚gewöhnlichen Geist’, unseren ‚Anfänger-Geist’. Dann sind wir an einem Punkt jenseits von Meditation angelangt. Wir brauchen nichts mehr, auf das wir meditieren. Wir ruhen einfach nur, total. Wir leben mit dem gewöhnlichen Geist. Das nennt sich auch Mahamudra oder Dzogchen, Maha-ati. Natürlich gibt es auch im Maha-ati verschiedene Körperhaltungen und Blickrichtungen, aber in dieser Vollendungsphase brauchen wir keinerlei Methode mehr, das innere Prana tritt ganz von selbst in den Zentralkanal ein. Heute haben wir also nur einen Überblick gewonnen über die Vajrayanapraxis. Wenn ihr wirklich praktizieren wollt, wenn ihr soweit seid, dann können wir mehr ins Detail gehen. Hiermit hören wir für dies Wochenende auf. Gibt es noch Fragen? Wir hatten kaum Zeit für Fragen, es tut mir leid. Fragen und Antworten – Wie können wir uns auf die Vajrayana Praxis vorbereiten? Zunächst beginnt ihr mit der Shiné Meditation. Gleichzeitig müssen wir ein wenig studieren. Dann müssen wir Schritt für Schritt vorgehen und uns entwickeln. Für Anfänger - und auch für die, die schon länger dabei sind, und kurz vor der Erleuchtung stehen - ist es wichtig, immer wieder mit Shiné zu arbeiten. Dann haben wir eine gute Grundlage, auf der wir aufbauen können. Hier habe ich aber nur einen groben Überblick über den Buddhismus im allgemeinen gegeben, die Tür geöffnet. Dann könnt ihr sehen, auf welcher Stufe ihr seid. Aber wir müssen dabei sehr ehrlich sein - es ist auch eine sehr individuelle Frage. Wenn wir sehr fortgeschritten sind, und immer wieder mit A B C anfangen, dann verschwenden wir unsere Zeit. Wenn wir aber noch ganz am Anfang stehen und nicht das ABC lernen, aber versuchen ganze Briefe zu schreiben, dann verschwenden wir auch unsere Zeit. Dies ist der Stufenweg. Wir müssen uns selbst einschätzen, und es dann auch mit unserem Lehrer besprechen. Wir sollten nicht stolz sein oder uns zu hoch einschätzen. Wenn wir etwas wissen, dann geben wir das zu, und wenn wir etwas nicht wissen, dann geben wir es auch zu. – Wie ist es mit Gefühlen wie Angst und Stolz - ich nehme sie manchmal gar nicht wirklich wahr, sondern verdränge sie eher. Wenn ich es recht verstanden habe, dann hindert dies ja meine Fortschritte auf dem Pfad. Wie kann ich an sie herankommen? Bevor wie mit den Emotionen arbeiten können, ist es sehr wichtig, sie direkt zu erkennen. Und wir sollten nicht erwarten, dass unsere Praxis sofort als ein direktes Gegenmittel für diese Emotionen wirkt. Aber wenn wir die Emotionen erkennen, dann müssen wir herausfinden, welche der Emotionen für mich das größte Problem darstellt. Stolz, Wut, Begierde? Es ist sehr wichtig, dies zuerst zu erkennen. Wenn wir dieses größte Problem identifiziert haben, dann sollte all unsere Praxis auf diese Emotion gerichtet werden, um sie zu verwandeln oder zu reinigen. Es gibt viele Wege, mit Emotionen zu arbeiten - eigentlich fragst du ‚was ist Buddhismus’. Wie man mit Emotionen umgeht ist genau das Thema des gesamten Buddhismus. Es gibt also viele Methoden, mit Emotionen zu arbeiten. Zum Beispiel Wut: zuerst wollen wir von den Bedingungen entkommen. Oder wir könnten unsere Einstellung ändern. Oder wir könnten sie uns nackt ansehen. Das Verdrängen ist auf keinen Fall eine Lösung, sondern wird das Problem nur vergrößern. Aber wie du dann genau damit umgehst, hängt davon ab, auf welcher Stufe du dich befindest, welche Art von Praktizierender du bist. Wenn du ein Hinayana Praktizierender bist, dann wirst du dich von den Bedingungen entfernen, von den Objekten der Emotion. Obwohl die Emotion nicht wirklich von dem Objekt herrührt, sondern aus unserem eigenen Geist, gibt es neben der Ursache auch Bedingungen, und wir schaffen eine kleine Distanz zwischen uns und den Bedingungen. Dann die Einstellung verändern: wenn ihr eher ein Mahayana Praktizierender seid, dann erkennt ihr, dass es nichts mit den äußeren Bedingungen zu tun hat, sondern dass das Problem in mir selbst liegt. Also untersuchen wir: wie sieht es aus, woher kommt es, wir begeben uns wirklich hinein. Wenn wir Vajrayana Praktizierende sind, dann transformieren wir die Emotionen, wir benutzen sie als Treibstoff für unsere Praxis. Wir müssen also sehen, auf welcher Stufe wir uns befinden. Der Buddha sagte auch: &dbquo;aufgeben, ändern, erkennen, die drei.“ Als Anfänger geben wir die Ursachen und Bedingungen auf und denken das Gegenteil, ändern unsere Einstellung ins Gegenteil. Das zweite ist, wirklich zu kennen, auch wenn es schmerzhaft ist, sollten wir in die Dinge eindringen. Dann finden wir heraus, dass Emotionen nur Emotionen sind, dass sie keinen festen Boden haben. Sie sind grundlos, wurzellos und zwecklos! Das ist die Untersuchungsweise der Madhyamikas. Sie sind auch noch heimatlos, sie kommen von nirgendwo, und sind nicht so fest. Das ist die Mahayana Ebene. Drittens, wenn wir recht stark sind, dann können wir sie anstellen, für uns zu arbeiten, unsere Weisheit entwickeln, sie transformieren. Wir untersuchen sie nicht mehr, wie vorher, wo wir untersucht haben, wo sie herkommen usw., sondern betrachten sie direkt. Wir können sie leicht kontrollieren. Dies ist ein gefährlicher Punkt. Wollen wir mit ihnen kämpfen? Wenn wir es direkt mit den Emotionen aufnehmen, dann werden sie uns vielleicht überwältigen. Der Buddha gab dafür ein Beispiel in den Tantras: Wenn ihr eine Schlange fangen wollt, dann müsst ihr wissen, wie ihr sie anpackt, sonst kann sie euch töten. Die Emotionen sind wie Diebe, die unsere Bewusstheit rauben. Wenn wir sehen, dass wir Räuber im Haus haben, werden wir einfach auf sie zugehen, mit ihnen Freundschaft schließen? Vielleicht werden wir sie auf diese Weise bekehren, aber vielleicht werden sie uns auch überwältigen. Das Erkennen ist hierbei das Wichtigste: wenn etwas in unserem Geist erscheint, dann müssen wir genau den Punkt treffen. Wir müssen den Dieb auf frischer Tat ertappen. Wenn die Emotion aber schon seit einiger Zeit da ist, dann müssen wir uns erst daran erinnern, sie zu erkennen. Dann ist die Methode nicht mehr die Beste. Unsere Bewusstheit muss so stark sein, dass wir die Emotionen bemerken, sobald sie im Geist auftauchen. Das ist ein kleines bisschen schwierig! Es kommt darauf an, wie gut unsere Achtsamkeit, unser Gewahrsein ist. Sonst, wenn wir es erst merken, wenn die Emotion schon gar nicht mehr da ist, dann müssen wir uns erst einmal alle Erinnerungen der Vergangenheit wachrufen, und haben noch mehr Probleme als nur diese eine Emotion. Dieses Spiel sollten wir nicht spielen. Manchmal gelingt es uns zwar, die Emotion zu erkennen, aber sie ist so stark, dass wir sie nicht einfach loslassen können. Nur das Erkennen hilft nicht, sie zu überwinden. Dann nehmen wir Zuflucht. Zu was? Zu unserem Atem. In so einem Moment atmen wir tief aus, mit Achtsamkeit. Wenn wir ein paar mal tief ausatmen, dann wird uns das auf jeden Fall helfen. Probiert es mal aus. Wenn es nicht hilft, dann beschwert euch bei mir. Aber Gefühle können doch auch eine Geisteskraft sein, nicht nur ein Geistesgift? Natürlich, nicht alle Emotionen sind Kleshas: Auch Hingabe oder Mitgefühl sind Emotionen. Deshalb wird Klesha auch nicht nur als Gefühl, sondern als störendes oder gestörtes Gefühl übersetzt. Wenn unser Prajna, unsere Weisheit gar nichts mit unserem Gefühl, unserer Hingabe zu tun hat, dann ist sie zu trocken. So, hier hören wir jetzt auf, und ich freue mich sehr, dass wir endlich einen Kurs über die Drei Yanas gemacht haben, kurz bevor Pönlop Rinpoche kommt - dann kann ich ihm sagen, dass wir es zumindest einmal studiert haben! Ich hoffe, es wird euch allen helfen, die Buddhadharma praktizieren wollen. Ich hoffe auch, dass wir dies noch vertiefen können. Wenn ihr wirklich praktizieren wollt, dann empfehle ich euch das Nalandabodhi Studienprogramm, in dem wir diese Themen vertiefen und miteinander besprechen. Jetzt widmen wir den Verdienst den wir während diesem Wochenende angesammelt haben, und widmen ihn allen Wesen, einschließlich unserer Freunde und Feinde, Verwandten und Unbekannten.