Frühe Philosophie Chinas

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Frühe Philosophie Chinas
Inhalt
Einleitung .............................................................................................. Seite 2
Grundlagen und Überblick .................................................................... Seite 2
Die frühen Staatsphilosophen................................................................ Seite 4
Konfuzianer ........................................................................................... Seite 4
Daoisten ................................................................................................. Seite 7
Mohisten ................................................................................................ Seite 9
Legisten ............................................................................................... Seite 10
Yang Zhu ............................................................................................. Seite 11
Dialektiker oder Sophisten .................................................................. Seite 11
Einleitung
Dieser Text soll einen Einblick in die frühe chinesische Philosophie, das heißt von den
Ursprüngen bis hin zur Han-Zeit, geben. Der Text kann und soll nur als Einführung dienen
und geht nicht in die Tiefe. Für ein tieferes Verständnis seien die im Kapitel „Quellen“
verzeichneten Werke empfohlen.
Der Text stammt von Stefan Franck und wurde im Winter 2003/2004 geschrieben. Korrekturen und Verbesserungen sind willkommen und können per E-Mail an [email protected]
gerichtet werden.
Es gibt keine Garantie auf Vollständigkeit oder Richtigkeit der hier gegebenen Informationen.
Grundlagen und Überblick
Das Philsophieren in China steht in einer anderen Tradition als im Westens. Die chinesische
Philosophie bezieht sich hauptsächlich auf die Kunst des Regierens, und davon werden ethische und erkenntnistheoretische Themen abgeleitet. Im Gegensatz zur westlichen ist die
chinesische Philosophie nicht abstrakt sondern bezieht sich meistens auf reale Situationen.
Die frühe Philosophie fällt in eine Zeit, in dem das Reich zerfallen war. Viele größere und
kleinere Staaten kämpften um die Vorherrschaft, die nur noch formal in den Händen der Zhou
lag. Unter diesen Kämpfen hatte vor allem das einfache Volk zu leiden. So sind die zentralen
Fragestellungen in der Philosophie einerseits, wie man seinen Staat so regiert, dass man Erfolg hat und das Reich vereinen kann, und andererseits, wie man seinen Staat so regiert, dass
das Volk am wenigsten zu erdulden hat.
Ein weiterer Unterschied zwischen westlicher und chinesischer Philosophie liegt darin, dass
letztere Vieldeutigkeiten nicht als Nachteil sieht, sondern oft sogar beabsichtigt. Die
Schriftzeichen selbst erzeugen auch immer zusätzlich zu ihrer Bedeutung durch ihren
piktografischen Ursprung, Bilder im Kopf des Lesers. So kann man in dem Schriftzeichen für
Himmel (Tian 天) die „Große Eins“ (Da Yi 大一) bzw. große Einheit finden, und das
Schriftzeichen von der Lebenskraft Qi (氣) ruft das Bild von Atem (气) über Reispflanzen (米)
hervor.
Die Chinesische Weltanschauung besteht aus einem engen Geflecht miteinander in Beziehung
stehender Embleme. Diese Embleme sind Kategorien, zumeist fünf an der Zahl, in die die
wahrnehmbare Welt eingeteilt wird, und über deren Beziehungen man sie wechselseitig
beeinflussen kann. Grundlage dieser Kategorien sind die fünf Wandlungsphasen Holz, Feuer,
Erde, Metall, Wasser. Diese werden wegen ihrer Namen auch mit dem Wort „Element“ übersetzt. Obwohl sie wie die Elemente der griechischen Weltanschauung Grundsubstanz aller Dinge sind, so sind sie vom Konzept her doch völlig verschieden, weil sie sich
beständig verändern und eigentlich nur Zustände einer übergeordneten Essenz sind. Daher
wird hier durchgängig die Bezeichnung Wandlungsphase, die dieses Konzept beschreibt, benutzt.
Alle Naturphänomene und Dinge der Welt gehören nach alter chinesischer Vorstellung zu
einer dieser Kategorien, einige Beispiele findet man in Tabelle 1.
Die fünf Wandlungsphasen werden vom Taiji, dem äußersten Extrem, hervorgebracht. Was
das Taiji genau ist, wagt keiner der Philosophen zu definieren, man könnte aber sagen, dass es
eine Art Uräther ist, der alles durchdringt und alles hervorgebracht hat. Dazu hat er sich zunächst in die sich ergänzenden Kräfte Yin und Yang gespalten, die dann wiederum die fünf
Wandlungsphasen hervorbrachten. Sie alle sind nur unterschiedliche Zustände der gleichen
Grundsubstanz und erzeugen durch ihre Vermischung alle Wesen und alle Dinge. Dabei sind
sie keineswegs statisch, sondern gehen beständig ineinander über: Das Holz dient dem Feuer
als Nahrung, das Feuer zerfällt zu Asche (Erde), in der Erde ruht das Metall, das man
verflüssigen kann (Wasser), und durch das Wasser können Pflanzen wachsen (Holz).
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Diese Abfolge zeigt sich am deutlichsten im ständigen Wechsel der Jahreszeiten. Da das
Feuer sowohl für den Süden steht als auch von aufsteigend Wesensart ist, sind alte chinesische Landkarten im Vergleich zu westlichen um 180 Grad gedreht: Der Süden liegt oben, der
Westen rechts, der Süden unten und der Osten links.
Die Welt ist spontan entstanden, ohne das eine rational treibende Kraft sie geschaffen hätte,
wie die christliche Mystik vorgibt. Dem christlichen Gott am nächsten kommt der Himmel,
der als göttliches Wesen verehrt wird. Aber wiederum sind es nur Ähnlichkeiten und keineswegs eine Übereinstimmung. Der Himmel hat nie vollständig die Wesenszüge einer
menschenähnlichen Gottheit angenommen, sondern ist mehr ein abstraktes Konzept geblieben.
Zwar hat er durchaus menschliche Züge, er ist mitleidig, er hört und sieht was auf der Welt
vor sich geht usw., aber er wird nie zum liebenden Vater, wie man ihn aus dem Christentum
kennt. Der Himmel gleicht einem Naturgesetz, aber dem einer beseelten, mitfühlenden Natur.
Er vergibt sein Mandat an den tugendhaftesten Herrscher, der mit der Unterstützung des Himmels das Reich regieren wird.
Im folgenden werden die einzelnen Philosophieschulen vorgestellt. Die wichtigsten unter ihnen sind die der Konfuzianer und die der Daoisten. Die Konfuzianer sehen sich selbst als
Übermittler der Weisheit des Altertums, insbesondere der Zhou-Zeit. Man kann sie mit Recht
als Traditionalisten einstufen. Sie bildeten die Grundlage der Ethik und des Systems von
Tugenden. Die Daoisten dagegen sind Mystiker, die auf der Suche nach dem Naturzustand
sind. Ihr wesentliches Prinzip ist das Nicht-Handeln, womit allerdings nicht Untätigkeit gemeint ist, sondern kein Handeln gegen den Naturzustand. Das Handeln wird von ihnen als
rationale Aktion des Menschen gesehen, der damit eine Verbesserung seiner Situation anstrebt. Damit implizit ist auch der Selbstnutz eingeschlossen, sowie die fehlende Übereinstimmung mit dem Dao, dem höchsten Prinzip. Nur wer in Harmonie mit dem Dao handelt, und
damit sein eigenes Selbst aufgibt, wirkt durch Nicht-Handeln.
Von wesentlichem Einfluss auf die Staatsführung waren die Legisten. Ihre Lehre beschränkt
sich fast vollständig auf die Staatsführung, wobei sie das Prinzip von Belohnung und Strafe
Holz (木)
Feuer (火)
Erde (土)
Metall (金) Wasser (水)
Krumm und
Brennend
Das Hervor- Sich fügend
Benetzend
Wesensart
gerade
heiß und auf- bringen und und verän- und herabsinsteigend
Säen
dernd
kend
曲直
炎上
爰稼
从革
润下
Osten
Süden
Mitte
Westen
Norden
Himmelsrichtung
Frühling
Sommer
Spätsommer
Herbst
Winter
Jahreszeit
Grün
Rot
Gelb
Weiß
Schwarz
Farbe
Jupiter
Mars
Saturn
Venus
Merkur
Planet
Sauer
Bitter
Süß
Scharf
Salzig
Geschmack
Töne
Jue 角
Zhi 徵
Gong 宫
Shang 商
Yu 羽
Weizen
Bohnen
Weiße Hirse
Ölsamen
Gelbe Hirse
Nahrungspflanze
Schaf
Huhn
Rind
Hund
Schwein
Haustiere
Geschuppte
Gefiederte
Nackte
Behaarte
Gepanzerte
Tierarten
Muskeln
Haar
Fleisch
Knochen
Haut
Körperteile
Leber
Herz
Milz
Lunge
Niere
Organe (Songzeit)
Milz
Lunge
Herz
Leber
Niere
Organe (Liji)
Seele
Geist
Vernunft
Sinnlichkeit Lebensgeist
Intellekt
Geruchssinn Gesichtssinn
Tastsinn
Geschmack
Gehör
Sinne
Freude
Heiterkeit
Begierde
Zorn
Kummer
Gefühle
Wohlwollen Schicklichkeit
Treue
Gerechtigkeit
Weisheit
Tugenden
Tabelle 1: Übersicht über die Kategorien der fünf Wandlungsphasen (五行)
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als Lösung sehen. Gutes Verhalten soll belohnt werden, schlechtes bestraft. Damit werden die
Einwohner dazu erzogen, sich richtig zu verhalten und der Staat aufblühen.
Die Mehisten propagierten eine soziale und utilitaristische Philosophie. Ihr Idealzustand war
die Zeit der primitiven Zivilisation. Die Dialektiker bzw. Sophisten setzten sich vor allem mit
logischen Betrachtungen und sprachlichen Spielereien auseinander.
Weiterhin gibt es noch verschiedene andere Schulen, die in diesem Text nicht ausführlich
oder gar nicht besprochen werden. So gibt es Naturphilosophen, die Schule des Yang Zhu,
Staatsphilosophen, Eklektiker, usw.
Die frühen Staatsphilosophen
Die frühen Staatsphilosophen waren alle Staatsmänner, die noch vor der Entstehung der unterschiedlichen Schulen ihre Gedanken festhielten. Viel von ihrem Vordenken findet sich im
Konfuzianismus wieder, der sich selbst als Übermittler der alten Lehren auffasst.
Der erste von ihnen war Yu Xiong, der Berater des Zhou-Königs Wen Wang war. Ob die ihm
zugeschriebenen Texte echt sind, ist zweifelhaft. Er beschrieb zum ersten Mal die Beziehungen (insbesondere die Beziehung Fürst und Untertan) zwischen den Menschen, die später im
Konfuzianismus übernommen wurden. Nach Yu Xiong werden diese Beziehungen von Himmel und Erde hervorgebracht, liegen also in der Natur nicht nur der Menschen, sondern der
ganzen Welt. Die Beziehung zwischen Fürst und Untertan fordert vom Volk, dass es treu und
loyal ist, und vom Fürsten, dass er sie behütet und ihnen sowohl Glück als auch ein langes
Leben verschafft. Dabei steht der Fürst weit über den Untertanen. Menschen lassen sich anhand ihrer Taten in Kategorien einteilen.
Guan Zhang bzw. Yi Wu (ca. 715 – 645 v. Chr.) war ein großer Kriegsfürst, über den ein
Werk verfasst wurde, in dem auch seine Philosophie zum Ausdruck kommt. Der Text ist
höchstwahrscheinlich nicht von ihm selbst geschrieben worden. Das Werk zielt zu einem
guten Teil auf ökonomische Fragestellungen ab, und begründet dies mit der Tatsache, dass es
die höchste Aufgabe des Fürsten sei, den Wohlstand des Volkes zu fördern. Denn wenn die
Speicher voll sind, dann sind die Menschen tugendhaft. Der Wohlstand schließt den Luxus
nicht mit ein, diesen wies Guan Zhang als kontraproduktiv zurück. Zu den Tugenden zählt er
Sitte, Rechtschaffenheit, Reinheit und Scham. Tugendhaftes Verhalten und Opfer stimmen die
Geister und Ahnen ruhig, die auf das Schicksal der Menschen Einfluss nehmen können.
Yan Ying, auch Ping Zhong genannt, lebte im 6. Jahrhundert vor Christus und wird als eine
Person von herausragendem Charakter gerühmt. Seine Aussprüche sind im Yan Zi Chun Qiu
zusammengestellt. Darin zeigt sich eine recht mystische Sicht der Welt, in der das Handeln
des Fürsten direkt auf die Natur zurück wirkt. Unter einem tugendhaften Herrscher werden
also auch reiche Ernten eingefahren, nicht nur weil er die Voraussetzungen für die Bauern
schafft, sondern auch weil das Wetter günstig ist. Der Herrscher soll dabei dem Volke dienen.
Nach Yan Yings Auffassung ist Handeln dem Beten und Opfern vorzuziehen, wobei jede
Handlung vom Maßhalten bestimmt sein soll. Als Tugenden führt er Wohlwollen, Gerechtigkeit und Sitte an.
Zi Chan (581 – 521 v. Chr.) führte die Tugend als Grundlage des Staates ein. Er war allerdings beim Volk höchst unbeliebt, und sein Hang zur Mystik unterscheidet ihn von den
Konfuzianern.
Konfuzianer
Konfuzius wurde 551 v. Chr. im Staat Lu geboren. Er floh von dort 517 v. Chr. nach Qi, in
dem Herzog Jing herrschte. Auch hier wurden im keine wichtigen Beamtenposten gegeben,
und so zog er schließlich 13 Jahre auf Wanderschaft durch die Länder. 484 v. Chr. kehrte er
nach Lu zurück und verstarb dort im Jahr 479 v. Chr. in einem Alter von 72 Jahren. Seiner
großen Schülerschaft (bis zu 3000 folgten ihm) kann man entnehmen, dass er ein sehr
charismatischer Mensch gewesen sein muss. Seine Schüler dürften auch die meisten Werke
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verfasst haben, die ihm zugeschrieben werden. Diese Bücher von oder über ihn sind: Lunyu,
Liji, Jiayu und Kongzi Jiyu. Außerdem ist er der Verfasser des Chunqiu, einem Geschichtswerk über die nach diesem Buch benannte Frühlings- und Herbstperiode (770 v. Chr. – ca.
480 v. Chr.)
Konfuzius sah sich selbst nicht als Gründer einer neuen Schule, sondern als Überlieferer alten
Wissens. Der Himmel, der bis zu dieser Zeit immer weiter personifiziert worden war und
damit einer monotheistischen Gottheit immer mehr glich, wurde von Konfuzius wieder zu der
abstrakten Naturgewalt gemacht, die zwar rational aber nicht menschlich handelt. Der Himmel erteilt sein Mandat dem hervorragendsten Menschen, der damit die Herrschaft über China
gewinnen muss. Dieser in China fest verankerte Glaube führt zu der nachträglichen
Rechtfertigung des Erfolgreichen, denn im Erfolg zeigt sich das Mandat des Himmels und
dient als ethische Rechtfertigung des Sieges. Die Menschen erwerben sich ihr Schicksal durch
ihre eigenen Taten. Dieses Schicksal ist zwar unausweichlich, kann aber eben durch das
menschliche Handeln zum Guten oder Schlechten gewendet werden. Daher ist diese
Schicksalshörigkeit nicht fatalistisch. Wenn man nun trotz gutem Handelns ein schlechtes
Schicksal gewärtigt, so kann dies als Bewährungsprobe aufgefasst werden, die dem Menschen
auferlegt wurde.
Nach Konfuzius sind alle Menschen von Geburt her gleich, werden aber innerhalb kurzer Zeit
von ihrer Umwelt zu Individuen geprägt. Nur wenige Menschen lieben die Tugenden, da
diese die völlige Selbstaufopferung erfordern. Die Tugenden sind bei Konfuzius noch nicht
klar definiert, es treten in unterschiedlichen Zusammenstellungen Sittlichkeit, Weisheit,
Höflichkeit, Milde, Wahrhaftigkeit, Ernst und Güte auf, sie alle charakterisieren den „feinen“,
gebildeten Menschen. Dessen Idealbild ist der sogenannte „Edle“.
Die Wichtigste aller Eigenschaften ist die Wissbegier und damit verbunden das Lernen, wobei
als Stoff nur die alten Klassiker in Frage kommen. An zweiter Stelle steht die Sittlichkeit,
deren höchster Ausdruck die Musik ist.
In der Welt wirken nach Konfuzius die fünf Beziehungen: Zwischen Herrscher und Untertan,
zwischen Vater und Sohn, zwischen älterem und jüngerem Bruder, zwischen Mann und Frau
und schließlich zwischen zwei Freunden. Diese Beziehungen sind hierarchisch aufgebaut,
wobei die Rigidität der Hierarchie von der ersten zur letzten Beziehung abnimmt. Konfuzius
propagierte eine streng patriarchalische Weltsicht, in der sich alle Beziehungen prinzipiell
entsprechen. Will man also über ein Reich herrschen, muss man zunächst seine Familie ordnen können.
Der Herrscher wirkt vor allem durch sein Vorbild. Ist er selbst ein „Heiliger“, so werden seine
Minister Edle sein, die Beamten immerhin noch tugendhaft und das Volk befriedet. Einem
weisen Herrscher strömt das Volk zu, sodass er nicht einmal Kriege führen muss, um sein
Reich zu vergrößern. Dennoch gehört das Militär neben dem Vertrauen und der Volkswohlfahrt zu den wichtigsten Säulen des Staates.
Ein grundlegendes Prinzip ist die „Richtigstellung der Namen“. Wenn die Bezeichnungen
nicht festgelegt sind, so kann man nicht klar reden. Wenn man nicht klar reden kann, so entsteht Verwirrung und Chaos. Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Herrschers,
dafür zu sorgen, dass alle Begriffe richtig definiert sind. Das betrifft sowohl die Philosophie,
als auch die Bezeichnungen für Ämter und den Wortlaut in Erlässen und Gesetzen.
Die wichtigsten Jünger des Konfuzius werden auch die zehn Weisen genannt. Es sind Yan
Hui (der Lieblingsjünger des Konfuzius, der noch vor ihm verstarb), Zi Lu, Zi Gong, Zi Xia,
Zi Zhang, You Ruo, Zi Yu und Zu You. Keiner von ihnen veränderte oder erweiterte die Lehre
des Konfuzius wesentlich.
Ceng Zi, der Sohn von einem der Schüler des Konfuzius, soll das Xiao Jing, das Buch von
der kindlichen Pietät verfasst, haben. Er selbst war vorbildlich in dieser Tugend. In seinem
Werk tritt die Pietät über alle anderen Tugenden, insbesondere muss das Kind auf die eigene
körperliche Unversehrtheit achten, um seinen Eltern möglichst lange dienen zu können. Das
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Kind wird im Extremfall nicht als eigenständiges Wesen angesehen, sondern nur als Fortsetzung der Eltern.
Außerdem führte Ceng Zi einen Teil der Yin-Yang-Schulen in den Konfuzianismus ein. So
leitete er die Tugend von diesen sich ergänzenden Prinzipen ab, und unterteilte auch die Wesen der Welt, insbesondere die Tiere, in Yin und Yang. Allein der Mensch ist eine Vermischung von beiden, und dient mit dieser Sonderstellung als Mittler zwischen dem Himmel
(Yang) und der Erde (Yin). Dieses Welt- und Selbstverständnis des Menschen blieb in der
chinesischen Philosophie lange erhalten.
Neben Ceng Zi tat sich Zi Si, ein Enkel des Konfuzius, hervor. Von ihm stammen einige
Werke, erhalten sind das Da Xue, das vielleicht auch von Ceng Zi stammen könnte, und das
Zhong Yong. In ersterem wird das Prinzip des Patriarchats und damit die Vorbildswirkung des
Kaisers und die Gelehrsamkeit, die der Unterscheidung der Dinge entspricht, propagiert. Das
Zhong Yong ist zwar ein sehr auf Intuition gegründetes Werk, aber doch klarer aufgebaut als
das Da Xue. Tugend ist es danach, wenn man auf dem mittleren Weg geht. Vollkommenheit
hat der Himmel, der Mensch kann nur danach streben. Auch das Zhong Yong führt einige
mystische Elemente in den Konfuzianismus ein.
In der folgenden Zeit wurde diese Philosophie um Naturphilosophisches (Yin, Yang, die fünf
Wandlungsphasen und Spekulationen darüber), ethische Kategorien (gewöhnliche Menschen,
Gelehrte, Edle, Weise und Heilige) erweitert. Außerdem wurden die Sitten kodifiziert, also
die Musik, die Ehe, die Opferriten, usw.
Der zweite Heilige nach Konfuzius ist Menzius. Sein echter Name war Ke, daher wird er
auch Meng Ke genannt, zudem sind Zi Ju und Zi Yu gebräuchlich. Er lebte von 372 v. Chr. bis
289 v. Chr. und stammte wie Konfuzius aus dem Staat Lu. Auch er hatte zeit seines Lebens
nur wenig Einfluss, obwohl er bei verschiedenen Fürsten diente. Sein Werk umfasst sieben
Bücher, wobei zwischenzeitlich vier weitere, wahrscheinlich gefälschte, existierten. Die Texte
wurden von seinen Schülern geschrieben und von ihm selbst korrigiert.
Nach Menzius ist der Mensch grundsätzlich gut. Dem Menschen sind bestimmte Eigenschaften, wie z.B. Mitleid und Sympathie angeboren, aus denen sich dann die Tugenden (in diesem
Falle das Wohlwollen) ableiten. Diese angeborenen Fähigkeiten werden aber durch das Leben
in der Welt ausgelaugt. Zwar regenerieren sie sich nachts im Schlafe wieder, doch auch das
reicht nicht aus, sie müssen also trainiert werden. Sein größter Widersacher in dieser Auffassung der Welt war Gao Zi, der im Menschen sowohl die Anlagen zum Guten wie zum Bösen
fand.
In der Führung des Staates war Menzius eher Aristokrat als Royalist, denn er stellte das Volk
(und damit waren nur die edlen Familien gemeint) über den Herrscher. Er rechtfertigte auch
den Tyrannenmord. Die Grundlage des Staates blieb bei ihm das Wohlwollen des Herrschers.
Dazu müssen die Bauern entlastet werden, so empfiehlt Menzius das Neunfelder-System, bei
dem acht Familien jeweils ihre eigenen Felder und gemeinsam ein neuntes, staatliches bestellen. Der Ertrag dieses neunten Feldes wird als Steuer einbehalten. Einen Angriffskrieg verurteilt Menzius, und im Verteidigungsfall hält er es für besser, sich den Frieden zu erkaufen. Ist
dies aber nicht möglich, so sollte man bis zuletzt kämpfen.
Mit Mystik hat Menzius nicht viel zu tun. Er akzeptiert die Geister als dem Himmel
untergeordnete Wesenheiten, geht aber nicht näher auf sie ein. Die Lebenskraft Qi ist seiner
Meinung nach Grundlage aller Aktivität und muss wie der Charakter trainiert werden.
Im 3. Jh. v. Chr. lebte Xun Zi, der auch Kuang, Qing oder Sun Zi genannt wurde. Er hatte
einen starken Einfluss auf die Überlieferung der Klassiker und hat mit deren Kommentierung
auf den Konfuzianismus mehr Einfluss als Menzius ausgeübt.
Er geht davon aus, dass der Mensch von Natur aus böse ist, und das alles Gute an ihm künstlich geschaffen wird. Jeder hat die Möglichkeit, sich zum Guten zu entwickeln, aber nur wenige die Kraft dazu. Durch Übung der Tugenden, insbesondere der Sitte, erlangt man die
Unterstützung von Schutzgeistern. Dadurch werden Taten von Erfolg gekrönt und man er6
langt Ruhm. Der Himmel steht zwar über den Geistern, ist aber völlig unpersonifiziert und
wirkt wie ein Naturgesetz.
Nach Xun Zi ist das Studium nicht nur die Grundlage für Weisheit, sondern vor allem auch
für die Aktion. Es sollte aber immer auf der Grundlage der Klassiker erfolgen, da die Sinne
täuschen und eigenes Denken in die Irre führen kann. Diskussionen sind hilfreich, dürfen aber
nicht wie bei den Sophisten übertrieben werden. Grundlage jeden Gesprächs ist die
Richtigstellung der Namen, ohne die keine klare Verständigung möglich ist.
Der Staat sollte von einem einzelnen, starken Fürsten geführt werden, der dem Volk in einem
gewissen Rahmen dienen muss. Der Krieg ist zwar ein wichtiges Mittel der Politik, von
Kriegslisten ist indes Abstand zu nehmen, weil sie nicht tugendhaft sind.
Xun Zi war auch ein großer Kritiker der anderen Philosophie-Schulen.
Abschließender Überblick: Der Konfuzianismus beruft sich auf die Weisheit der alten Zeit,
die in den fünf Klassikern (Shi Jing – Buch der Lieder, Shu Jing – Buch der Geschichte, Li Ji
– Buch der Riten, Yi Jing – Buch der Wandlungen und Chun Qiu – Frühlings- und HerbstAnnalen) fixiert ist. Der sog. „Edle“ zeichnet sich durch seine Tugendhaftigkeit aus. Die
Kardinaltugenden sind Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Sitte, Weisheit und Treue. Die Pietät
(Treue) und die Gelehrsamkeit (Weisheit) sollten gesondert erwähnt werden. Ein Herrscher,
der diese Tugenden in sich vereint, wird dem Volk als Vorbild dienen und damit den Staat
ordnen. Mystik und Erkenntnistheorie sind nur Randthemen im Konfuzianismus.
Neben den Klassikern sind die vier Bücher (Da Xue – Große Lehre, Zhong Yong – Doktrin
der Mitte, Lun Yu – Gespräche und Menzius) Grundkanon des Konfuzianismus.
Daoismus
Der Daoismus behauptet von sich selbst, auf Huang Di zurück zu gehen, den mystischen gelben Herrscher. Er wird oft „zitiert“, und es existieren auch einige Werke, die angeblich von
ihm stammen. Die Echtheit ist in beiden Fällen zweifelhaft. Das erste daoistische Werk ist das
Yin Fu Jing, das Buch von Harmonie und Unsichtbarem, das im 8. Jh. wiederentdeckt wurde.
In diesem Text wird eine spontane Naturkraft, die die Welt hervorbrachte, postuliert. Es werden auch die Grundlagen von Yin und Yang, den fünf Wandlungsphasen (in diesem Buch als
„Räuber“ bezeichnet) und das Verhältnis von Himmel, Erde und Mensch erklärt.
Das erste große Werk des Daoismus ist das Dao De Jing von Lao Zi. Über den Autor ist nur
wenig bekannt, er hieß auch Li Er, Bo Yang oder (Lao) Dan und diente eine Zeit lang als
Staatsarchivar. Er hat wahrscheinlich kurz nach Konfuzius, also im 5. Jh. v. Chr., gelebt. Der
Legende nach verließ er China auf einem Ochsen reitend nach Westen, und wurde von einer
Grenzwache aufgehalten, die ihn bat, sein Wissen zurück zu lassen. Daraufhin schrieb er dem
Mann einen Text von etwa 10.000 Zeichen– das Dao De Jing – auf, bevor er endgültig verschwand.
Im Dao De Jing wird das Dao als die Grundsubstanz des Seins und das De als dessen Wirkung beschrieben. Das Dao ist unbeschreibbar, und Lao Zi versucht, sich ihm mit Negierungen anzunähern, also Beschreibungen, was das Dao nicht ist. Allerdings kann man einiges
über seine Wirkung sagen: So wirkte es vor dem Anfang der Welt und war in Ruhe. Als es in
Bewegung kam, brachte es die Welt hervor, seine fortgesetzte Bewegung erhält diese. Es ist
somit die Mutter aller Dinge, woher es selbst kommt, lässt sich nicht sagen. Damit ist das Dao
ein transzendentes, aber nicht personifiziertes Sein. Dem Himmel kommt im Vergleich zu
ihm nur eine untergeordnete Rolle zu: Zwar wirkt er ähnlich wie beim Konfuzinaismus, aber
er selbst wurde vom Dao hervorgebracht und seine Wirkung wird von diesem höchsten Prinzip bestimmt.
Der Mensch soll versuchen, im Einklang mit dem Dao zu handeln. Dieser Weg ist zwar
prinzipiell leicht und eben, aber dennoch irren die Menschen meist auf Nebenwegen umher.
Daher wurden die Tugenden erfunden, um die Menschen den Weg zum guten Handeln zu
weisen. Diese sind aber etwas Künstliches und stehen nicht im Einklang mit dem Dao, son7
dern können nur als Näherung dienen. Daher sind sie nur Augenwischerei, die vermieden
werden muss. Am schlimmsten sind die Riten, die von den Konfuzianern so in Ehren gehalten
werden. Der Daoismus möchte die Menschen in einen Urzustand bedürfnisloser Unwissenheit
überführen, in dem sämtliche Institutionen, Vorbilder und Morallehren geltungslos sind. Den
Wissenden wird das Handeln verboten, der Kaiser selbst übt das Nicht-Handeln. Damit ist der
Daoismus in einem gewissen Grade anarchistisch. Dem gemäß ist auch der Krieg
verdammenswert und nur im Notfall darf man sich verteidigen.
Jedes (rationale) Handeln, das einem Ziel folgt, greift in den Lauf des Dao ein. Der Daoist
strebt aber ein naturgemäßes Handeln im Einklang mit dem Dao an, das aufgrund seiner
fehlenden Zielgerichtetheit als Nicht-Handeln bezeichnet wird. Dieses Nicht-Handeln kann
aber durchaus aktiv sein. Gleichfalls ist Wissen mit dem gelehrten Wissen und Nicht-Wissen
mit dem intuitiven Verständnis des Dao gleichzusetzen, und nicht mit Dummheit.
Die Pflege des Dao ist auch immer Selbstpflege, denn der Mensch ist selbst aus dem Dao
hervorgegangen. Umgekehrt erlangt man durch die Pflege des Dao übernatürliche Kräfte.
Diese Themen sind im Dao De Jing nur angerissen, bilden aber die Grundlage für die späteren
mystischen Blüten, die der Daoismus trieb.
Die im Buch von Lie Zi gesammelte Lehre ist wohl das Produkt einer ganzen Schulrichtung.
Lie Zi lebte ca. von 440 v. Chr. bis ca. 370 v. Chr. und wurde auch Yu Kou genannt. Er hatte
wahrscheinlich Zeit seines Lebens kein Amt inne.
In diesem Werk wird die Weltschöpfung, die im Dao De Jing nur angedeutet wurde, genauer
erklärt. Zunächst existiert demnach eine homogene Kraft, das Dao. Diese wird weder vom
Werden noch vom Vergehen berührt, und kann daher durch seine Bewegung Yin und Yang
und schließlich die fünf Wandlungsphasen hervorbringen. Durch eine Trennung der schweren
und leichten Stoffe entstehen Himmel und Erde – ein Vorgang der dem Absetzen von
aufgewirbeltem Staub in der Luft gleicht. Die Welt ist in ständiger Bewegung. Auch der Tod
ist kein Ende, sondern eine Umwandlung in ein anderes Dasein. Dieser beständige Wandel
gleicht einem Schicksalsrad, das sich immer weiter dreht. Der Mensch kann sein Schicksal
nicht beeinflussen oder gar verändern. Damit ist Lie Zi der erste echte Fatalist unter den
Philosophen Chinas.
Diese Kreisbewegung findet sich auch in seiner Vorstellung von der Evolution wieder, in der
sich die Wesen vorwärts bis hin zum Menschen, und dann wieder zurück zur Pflanze entwickeln. Der Mensch ist als Vermischung von Himmel und Erde die höchste Stufe der Evolution.
Die Tugenden sind Lie Zi kein vollständiges Gräuel, aber er verurteilt die Freude und
Selbstgefälligkeit, die ein tugendhafter Mensch aufweisen kann. Der Mensch lebt auf der
Welt immer als Räuber, der sich ständig der ihm dargebotenen Dinge bedient, ohne dass sie
ihm gehören.
In seinem Werk werden auch einige mystische Aspekte eingeführt, diese dürften aber
nachträgliche Einfügungen von Schülern sein.
Der große Schöpfer des Daoismus nach Lao Zi ist Zhuang Zi, dessen Werk, das Nan Hua
Zhen Jing, einen er besten Stile hat und diese Philosophie mit vielen Gleichnissen erklärt.
Zhuang Zi wurde auch Zhuang Zhou oder Zi Xiu genannt, manchmal auch nach seiner Herkunft Nan Hua Zi. Er wurde ca. 380 v. Chr. geboren und starb ungefähr 300 v. Chr. Ein Teil
des Nan Hua Zhen Jing stammt wohl von seinen Schülern, der Hauptteil dürfte von einer Person sein, die entweder auch ein Schüler war, der seine Lehre aufschrieb, oder aber Zhuang Zi
selbst.
Nach Zhuang Zi lässt sich das Dao nicht beschreiben, weil alle menschlichen Begriffe relativ
sind. Das Dao ist aber absolut und entzieht sich damit der Beschreibung. Außerdem erzeugt
diese Realität Widersprüche, die letztlich nur Täuschung sind. Man kann sich nicht mal sicher
sein, ob wir diese Welt nicht nur träumen. Die einzige sichere Wahrheit ist die Einheit des
Dao, in dem sich alle Widersprüche auflösen.
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Unverdorbenheit von der Welt ist der Tugend vorzuziehen, denn die Tugend gleicht einer
Verstümmelung des Leibes. Glück entsteht nur durch Loslassen, nie durch Ansammeln. Um
in den Einklang mit dem Dao zu kommen, muss man sich selbst aufgeben. Zhuang Zi reißt
einige Meditations- und Atemtechniken an, die die Vereinigung mit dem Dao ermöglichen
sollen. Damit können auch magische Kräfte errungen werden, bis hin zum Abstreifen des
menschlichen Leibes und dem Weiterleben als reine geistige Existenz.
In das Werk von Guang Zi wurden später einige daoistische Kapitel eingeschmuggelt, die
sicherlich nicht von ihm stammen. In ihnen wird dargelegt, dass die Begierden das Dao aus
den Herzen der Menschen vertreiben.
Das wissenschaftlichste Werk des frühen Daoismus ist von Wen Zi oder auch Xin Yan, der
völlig auf Dialoge und Allegorien verzichtet. Angeblich lebte Wen Zi zur Zeit des Konfuzius
oder des Lao Zi, was aber eher unwahrscheinlich ist.
Bei ihm nimmt das Dao die Form einer alles erschaffenden und alles durchdringenden Substanz an, einem Uräther nicht unähnlich. Sein Wesen ist es, klein zu beginnen und Größe zu
erreichen. Der Mensch sollte also versuchen, sich selbst klein zu machen, um damit wahre
Größe zu erlangen. Ursprünglich ist der Mensch reines Dao und in völliger Harmonie mit
ihm. Durch den Kontakt mit der Welt wird er aber verschmutzt. Daher muss er sich selbst
pflegen und höher schätzen als die Welt. Diese Pflege sollte für den Körper und in nur geringem Maße für den Geist ausgeführt werden.
Die Wichtigkeit des Menschen rührt daher, dass er Himmel und Erde harmonisieren muss,
also eine kosmische Aufgabe ausführt. Das „beweist“ Wen Zi mit Analogien (Das Aussehen
des Menschen mit rundem Kopf und eckigen Füßen entspricht dem Kosmos, er hat genau so
viele Knochen wie das Jahr Tage, etc.) Bei dieser Aufgabe sind Tugenden keine große Hilfe,
da sie nur entartete Nachfahren des Daos sind. Wer aber wahrhaft gut handelt, der wird auch
in aller Regel Erfolg haben, es gibt nur wenige Ausnahmen.
Abschließender Überblick: Der Daoismus nimmt das Dao als weltschöpfende und alles
durchdringende Kraft, deren Wirken De genannt wird. Handlung in Übereinstimmung mit
diesem Dao heißt im Gegensatz zum zielgerichteten und eigennützigen Handeln „Nicht-Handeln“ (Wu Wei). Analog dazu gibt es auch ein „Nicht-Wissen“, das für intuitive Erkenntnis
des Dao im Gegensatz zu Bücher- und erlerntem Wissen steht.
Das Ziel des Menschen sollte es sein, im Einklang mit dem Dao zu leben, und nicht dem falschen Pfad der Tugenden zu folgen. Das setzt aber die Selbstaufgabe voraus, dafür kann man
aber magische Fähigkeiten erlangen und schließlich die Abhängigkeit von irdischen Einflüssen und damit den eigenen Körper abstreifen. Um dieses Ziels zu erlangen, muss man bestiummte Atem- und Meditationstechniken üben. Damit ist der Daoismus eine sehr mystische
Philosophie.
Außerdem gibt es im Daoismus einige erkenntnistheoretische Überlegungen, die zu dem
Schluss kommen, dass wir unserer Wahrnehmung nicht trauen können. Der Eingang in das
Dao, das frei von irdischen Widersprüchen und Relativitäten ist, wird auch hier als Lösung
hingestellt.
Mohisten
Die Schule der Mohisten (manchmal auch Mehisten) wurde von Mo Di gegründet. Er wurde
kurz nach Konfuzius’ Tod im Staat Lu geboren, sein höchstes Amt war ein Ministerposten im
Staat Song. Das nach ihm benannte Buch Mo Zi ist eine Sammlung von Texten verschiedener
Mohisten. Sie waren zu jener Zeit die größten Widersacher der Konfuzianer. Die Grundlagen
der Erkenntnistheorie und Logik, die später von Daoisten und Sophisten weitergeführt wurden, stammen von ihnen.
Bei Mo Di ist der Himmel ein den Menschen nicht unähnlicher Gott, der dem gütigen
Christengott des neuen Testaments gleicht. Die Welt teilt sich in drei Sphären: Die des Himmels, die der Geister und die der Menschen. Die Geister stehen dem Himmel bei der
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Durchsetzung seines Willens zur Seite, greifen aber nicht beständig in das Leben der Menschen ein. Diese können mit ihren Taten selbst bestimmen, welches Schicksal ihnen zuteil
wird.
Die Gesellschaft soll nach Mo Di streng hierarchisch organisiert werden, mit dem Himmel an
höchster Stelle. Unter diesem regiert ein Kaiser, der aber als Mensch auch fehlbar ist. Die
Beamten müssen nach ihrer Qualifikation ausgewählt werden, und können aus dem einfachen
Volk stammen. Der Volkswohlstand wird durch einigende Liebe und Wohlwollen gehoben,
damit wird auch die Bevölkerungsanzahl erhöht (angesichts der dünnen Besiedlung zu jener
Zeit durchaus wünschenswert) und das Reich verwaltet. Krieg ist nur von Nachteil und sollte
daher tunlichst vermieden werden.
Die Lehre des Modi wird von Religiosität und Utilitarismus geprägt. Bücherweisheit wird
zwar geachtet, aber nicht verehrt.
Die Lehre des Mo Di wurde von seinen Nachfolgern in drei Strömungen aufgespalten, und
erreichte teilweise sakrale Züge. So existierte eine Zeit lang ein höchster Scholar, der
papstähnliche Funktion hatte. Im Laufe der Zeit wurde der Himmel für die Lehre immer
unwichtiger, während die allgemeine Liebe als angeborene Wesenseigenschaft in den Vordergrund trat. Manche Stilrichtungen führten auch die Eigenliebe als Grundkonzept ein.
Mo Dis Nachfolger integrierten Dialektik, Erkenntnistheorie und Naturwissenschaft in seine
Philosophie.
Legisten
Die Legisten sind Staatstheoretiker, die sich fast ausschließlich mit der richtigen Form des
Regierens auseinandersetzen. Ihr Grundprinzip ist das von Belohnung und Strafe: Gutes
Verhalten soll belohnt, schlechtes Verhalten bestraft werden. Damit dieses System funktionieren kann, muss ein kodifiziertes Gesetz vorliegen, das genau festlegt, welches Verhalten welche Konsequenzen nach sich zieht. Dieses Gesetz muss allen bekannt sein, und es steht auch
über dem Herrscher – er selbst kann also bei Fehlverhalten bestraft werden.
Der erste Legist ist angeblich Li Kui, dessen Texte uns nicht überliefert sind. Er ließ in einem
Rechtsstreit, in dem Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten, ein Wettschießen mit dem
Bogen entscheiden. Das kommt einem Gottesurteil gleich.
Der Rechtsgedanke wurde von Shen Dao (4. Jh. v. Chr.) eingeführt. Er ging vom Daoismus
aus, und stand von daher den Tugenden kritisch gegenüber. Allerdings wollte er sie nicht mittels intuitivem Handeln ersetzen, sondern mit Klugheit und Erfahrung. Mit diesen zwei Eigenschaften sollte ein Rechtssystem geschaffen werden.
Auch noch stark daoistisch geprägt war Shen Buhai (geboren ca. 400 v. Chr.), der die
Staatswohlfahrt auf drei Säulen stellte: Nicht-Handeln, analog zum Daoismus, Recht und
Begünstigung des Ackerbaus. Tatsächlich war die Ernährung des Volkes immer ein Problem,
und die Bauern hatten trotzdem oft die größte Last der Steuern zu tragen.
Der erste reine Legist war Shang Yang, der auch Gongsong Yang und Wei Yang genannt
wurde. Er war Minister in Qin und schuf dort die Basis für dessen Aufstieg zu dem Staat, der
China vereinigen konnte (221 v. Chr.). Sein Ansinnen war es, die Familienordnung aufzubrechen um eine militärisch starke Gesellschaft zu erzeugen.
Er verabscheute die Tugenden und den Pazifismus, seiner Meinung nach sollten die „Bösen“
regieren, da die „Guten“ zu sehr harmonisieren. Als Regierungsmittel wirken Belohnung und
Strafe, wobei auf eine Belohnung neun Strafen kommen. Diese müssen auch für kleinste
Vergehen extrem hart sein, damit niemand es wagt, sich auch nur das Geringste zuschulde
kommen zu lassen. Denn wer vor einem kleinen Vergehen nicht zurückschreckt, der wird im
Laufe der Zeit auch große Verbrechen begehen. Damit praktizierte er eine Politik der Abschreckung. Wie hart Shang Yang durchgriff, zeigt sich darin, dass sich der Legende nach ein
Fluss blutrot färbte, als er an dessen Ufer trat.
Im Staat müssen Ackerbau und Militär am stärksten gefördert werden.
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Han Fei Zi lebte zur Zeit der Blüte des Legismus im 3. Jh., er erlebte noch die Vereinigung
Chinas unter dem legistisch regierenden Kaiser Shi Huang Di, wurde aber trotz der Bewunderung, die ihm zuteil wurde, aus politischen Gründen getötet.
Seine Philosophie ist eigentlich daoistisch, aber zu praktischen Fragen der Staatsverwaltung
durchweg legistisch. Er sieht einen Fürsten an der Spitze des Staates, der selbst nicht handelt
sondern alle Aufgaben an seine Minister delegiert. Werden diese Probleme erfolgreich gelöst,
so erntet der Kaiser den Ruhm, misslingt aber etwas, so muss der ausführende Minister die
Strafe erdulden. Kaiser und Minister sollten im Idealfall in beständiger Angst voreinander
arbeiten. Wichtige Themen für die Regierung sind die Wirtschaft und das Militärwesen.
Die konfuzianische Tugendlehre ist nach Han Fei Zi wirkungslos und soll durch Macht und
Rechtssprechung ersetzt werden. Die Gesetze müssen allgemein bekannt sein und müssen hart
aber gerecht sein – auch Medizin wirkt nur, wenn sie bitter ist. Die von Menzius und den Mohisten propagierte gegenseitige Liebe hält Han Fei Zi für irreal, was er damit begründet, dass
selbst innerhalb einer Familie keine vollkommene Liebe existiert. Es gibt nur wenige gute
Menschen, und es ist effizienter, die vielen Bösen zu maßregeln, als die wenigen Guten zu
fördern.
Yang Zhu
Yang Zhu steht in der Tradition des Daoismus. Allerdings tritt bei ihm das Dao in den
Hintergrund und die Selbstpflege wird das wichtigste Element. Diese Selbstpflege dient nicht
wie bei den meisten Mystikern der Lebensverlängerung oder dem Erringen von magischen
Fähigkeiten – beides lehnt Yang Zhu als irreal ab. Aber die Existenz in dieser Mensch ist per
se schon so schrecklich, dass man sich keinen Genuss verwehren darf, um sie erträglicher zu
machen. Zwar sollte man alle großen Bedürfnisse fahren lassen, da diese nur noch mehr Leid
erzeugen, aber gleichzeitig ist es auch nicht wert, sich in irgend einer Form um die Welt zu
bemühen, oder einen kleinen erreichbaren Genuss auszuschlagen.
Dialektiker oder Sophisten
Sie sind die Logiker Chinas, die sich hauptsächlich mit gedanklichen Experimenten und
Definitionsfragen beschäftigten. Ihre Schwerpunkte waren die vollendete Form der Diskussion, die Schlussfolgerung und Deduktion und die Erkenntnistheorie. Ihr beliebtestes
Gedankenspiel beschäftigte sich mit der Beziehung zwischen Dingen und ihren Eigenschaften. So wurde die Existenz einer Eigenschaft als etwas zu den Dingen Hinzutretendes. Auf
jeden Fall verändert die Eigenschaft das Ding, sodass es mit gleichen Dingen, die diese
Eigenschaft aber nicht explizit aufweisen, nicht mehr vergleichbar ist („Ein weißes Pferd ist
kein Pferd.“)
Vertreter der Sophisten sind: Deng Xi Zi, Yin Wen Zi, Hui Shi und Gong Sun Long, vor allem
die letzten beiden sind berühmt.
Weiterführende Literatur
Literaturauswahl über die chinesische Philosophie:
Forke, Alfred: „Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises“.
Forke, Alfred: „„Geschichte der alten chinesischen Philosophie“.
Fung Yu-Lan: „A History of Chinese Philosophy“.
Geldsetzer, Ludwig und Hong Han-ding: „Grundlagen der chinesischen Philosophie“.
Granet, Marcel: „Das chinesische Denken“.
Auswahl von Übersetzungen:
Biot, Édward (Übersetzer): „Le Tcheou-Li“.
Legge, James (Übersetzer): „The Chinese Classics“.
Wilhelm, Richard (Übersetzer): „I Ging – Das Buch der Wandlungen“.
Watson, Burton (Übersetzer): „Xunzi – Basic Writings“.
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Duyvendak, J. J. L. (Übersetzer): „Tao Tê Ching The Book of the way and its virtue“.
Wilhelm, Richard (Übersetzer): „Dao De King“.
Wilhelm, Richard (Übersetzer): „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“.
Wilhelm, Richard (Übersetzer): „Das Buch vom quellenden Urgrund“.
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