Thorsten Steinbrinker Grundschule Pye Thema der Unterrichtseinheit: Hebel Thema der Unterrichtsstunde: Nussknacker, Kapselheber und Schubkarre: Einfache Hebel erleichtern die Arbeit (einarmiger Hebel). Stundenziel: Die Schüler1 sollen durch die Durchführung verschiedener Versuche, die Funktionsweise und die damit einhergehende Arbeitserleichterung von (einseitigen) Hebeln erkennen und begrifflich korrekt erklären können. Teilziele: Die Schüler sollen: 1. eigene Hypothesen über die Funktion eines (einarmigen) Hebels anstellen und verbalisieren können, 2. Versuchsanordnungen selbstständig aufbauen, durchführen und dokumentieren, 3. die Ergebnisse verbalisieren und mit ihren Hypothesen vergleichen, 4. eine Legende übertragen und ihre Zeichnungen mit entsprechenden Symbolen beschriften. Gliederung der Unterrichtseinheit: 1. Stunde: Nussknacker, Kapselheber und Schubkarre: Einfache Hebel erleichtern die Arbeit (einarmige Hebel) 2. + 3. Stunde: Wie wiegt man ein Mammut? (Zweiarmige Hebel) 4. + 5. Stunde: Angelrute, Pinzette und Hammer. (Hebel der dritten Klasse) 6. + 7. Stunde: Was Bagger und Nagelzange verbindet (Mehrfache Hebel) 8. Stunde: Wiederholung: Stationsarbeit zum Thema Hebel 1 Benennt sowohl weibliche als auch männliche Schüler. Literatur: Einsiedler, W.: Arbeitsformen im modernen Sachunterricht der Grundschule. Donauwörth 1978. Elschenbroich, D.: Weltwunder – Kinder als Naturforscher. München 2005. Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (Hrsg.): Perspektivrahmen Sachunterricht. Bad Heilbrunn 2002. Macaulay, D./Ardley, N.: Mammut-Buch der Technik. Nürnberg 1989. Mayer, W. G.: Der Sachunterricht. Teil II. Heinsberg 1993. Möller, K.: Technische Bildung im Sachunterricht der Grundschule. In: Duncker, L./Popp, W. (Hrsg.): Kind und Sache. Zur pädagogischen Grundlegung des Sachunterrichts. Weinheim 1994, S. 225-242. Müller, H. J./Wittkowske, S.: Kind und Technik. In: Grundschulunterricht 4/2005, München 2005, S. 2/3. Nieders. Kultusministerium (Hrsg.): Rahmenrichtlinien für die Grundschule. Sachunterricht. Schroedel, Hannover 1982. Ragaller, Sabine: Sachunterricht. Donauwörth 2001. Spreckelsen, K.: Wie Grundschulkinder physikalische Phänomene verstehen. In: Grundschule 10/1997, Braunschweig 1997, S. 18/19. Steinbrinker, Thorsten: Formen des Experimentierens im Sachunterricht – erprobt im Rahmen der Unterrichtseinheit „Luft“ in einem 3. Schuljahr. Osnabrück 2005, S. 14/15. Thiel, H. P.: Erklär mir die Technik. Lexikon. München 1975. Ullrich, H./Klante, D.: Technik im Unterricht der Grundschule. Villingen 1994, S. 55-65. Internetadressen: <http://iva.uni-ulm.de/physik/vorlesung/mechanik/node8.html> am 17.09.2005 <http://www.wikipedia.org/wiki/Hebelgesetz> am 17.09.2005 2 2 Sachanalyse Der Hebel gehört, zusammen mit der Rolle, der schiefen Ebene, der Schraube u. a. in die Gruppe der einfachen Maschinen, im Sinne der Mechanik. Diese Zuordnung geht bereits auf Archimedes (ca. 250 v. Chr.) zurück und hat bis heute Bestand.2 Der Begriff „Hebel“ lässt sich auf den Wortstamm „heben“ zurückführen. Bedingt durch die Notwendigkeit schwere, die menschliche Muskelkraft übersteigende Lasten zu heben und zu bewegen, kam es schon früh zur Erfindung des Hebels durch den vorgeschichtlichen Mensch, indem er einen schweren Stein mit Hilfe eines leichteren Steins und eines Astes zu bewegen in der Lage war z.B. zum Verschließen seiner Höhle. „Ein Hebel ist ein […] Kraftübertragungssystem, bei dem Ursache und Wirkung (Kraft und Last) in einer Ebene, aber nicht auf einer Linie, liegen. Es ist in der Regel ein um eine Achse drehbarer, meist starrer, stabförmiger Körper, an dem ein Gleichgewicht herrscht, wenn die Summe der (Dreh-) Momente aller an ihm angreifender Kräfte null ist. Das (Dreh-) Moment ist immer dann ungleich null, wenn Kräfte so auf einen Körper wirken, dass eine Drehbewegung beschleunigt wird.“3 „Der Physiker sagt: Arbeit ist Kraft mal Weg“4, d. h. ein Hebel ist ein Kraftwandler. Der Mensch hat durch den Hebel ausschließlich einen mechanischen Vorteil, durch dem ihm Arbeit erleichtert wird, jedoch nicht erspart wird. Die eingesparte Kraft geht also zu Lasten des Weges und die zu verrichtende Arbeit bleibt die gleiche, wird aber körpergerechter verteilt. Man unterscheidet folgende verschiedene Arten von Hebeln: Den EINARMIGEN HEBEL (vgl. Methodische Überlegungen): „Der Drehpunkt befindet sich an einem Ende der Stange, und die Kraft wirkt auf das andere Ende ein. Die Last liegt dazwischen. Bei diesen einarmigen Hebeln, ist die Kraft weiter vom Drehpunkt entfernt als die Last. Aus diesem Grund ist der Lastweg kleiner als der Kraftweg. Dafür kann aber die eingesetzte Kraft kleiner sein. Je näher sich die Last am Drehpunkt befindet, umso mehr vergrößert sich die Kraft und umso leichter fällt es diese Last zu heben. Ein einarmiger Hebel dieser Art vergrößert stets den Kraftweg und verringert den Lastweg.“5 In der Prüfungsstunde werden die Schubkarre und der Kapselheber als Beispiele für das Anwendungsprinzip eines einarmigen Hebels untersucht, ebenso der Nussknacker, bei dem es sich um einen einarmigen Hebel, bestehend aus einem Hebelpaar, dessen gemeinsamer Druckpunkt im Scharnier liegt, handelt. Den ZWEIARMIGEN HEBEL: Sein Drehpunkt befindet sich stets zwischen Kraft und Last. Beispiele sind eine Wippe, eine Schere, ein Spaten. Weitere EINARMIGE HEBEL: Ihr Drehpunkt liegt auch am Ende eines Hebels, jedoch ist ihre Stellung zwischen Last und Kraft vertauscht, wie z. B. bei der Pinzette oder der Angelrute. 2 Vgl. http://iva.uni-ulm.de/physik/vorlesung/mechanik/node8.html. http://www.wikipedia.org/wiki/Hebelgesetz. 4 Macaulay/Ardley 1989, S. 9. 5 ebda., S. 20. 3 3 In den folgenden Unterrichtsstunden werden die beiden letztgenannten Hebelarten behandelt werden. 3 Didaktische Überlegungen In den RRL ist die Behandlung des Themas „Hebel“ nicht explizit vorgesehen. Eine Annäherung an diesen Inhalt ist unter dem Lernfeld: „Mensch und Natur/Mensch und Technik“ 6 zu sehen. Die Themen „Wir bauen“7 und „Wir untersuchen Gebrauchsgegenstände und Werkstoffe“8 greifen jedoch zu kurz: Sie verlangen keine gedankliche Durchdringung von Funktionszusammenhängen und sind entsprechend für die Jahrgangsstufe 1 und 2 vorgesehen. Jedoch ist in den RRL zu lesen, dass die „Aufteilung [des Themenkanon und der Zusatzangebote] nicht als starre Abgrenzung verstanden werden“ darf.9 Ich halte die Behandlung diese Themas aus folgenden Gründen für sinnvoll: In ihrer Lebenswelt nutzen die Schüler täglich technische Gegenstände und Produkte, „deren Herstellung und Wirkweisen Ihnen oft unbekannt sind. Die Nutzung geht häufig einher mit [einem] Mangel an primären Erfahrungen mit Werkzeugen“10 und anderen mechanischen Gerätschaften. Und dies, obgleich Kinder bereits sehr früh ein großes Interesse an allem Gebauten, Geformten, Konstruierten und deren Wirkungen haben.11 Dieses Interesse der Schüler ernst zu nehmen und zu fördern, im Zusammenkommen von technischen Schlussfolgerungen und der symbolischen Sprache (vgl. Teilziel 4), muss pädagogischer Auftrag sein. Ähnlich argumentiert der Perspektivrahmen in seiner „Technischen Perspektive“, dass „grundlegende technische Funktions- und Handlungszusammenhänge“ von den Schülern verstanden werden müssen um „eine humane und zukunftsfähige Technik mitdenken, mitverantworten und mitgestalten zu können“ 12 Hierin ist auch die von den RRL geforderte Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung sowie die Zugänglichkeit zum Thema zu sehen. Exemplarisch für den technischen Bereich des Sachunterrichts wird in dieser Stunde ein technisches Prinzip behandelt, dass bewusst auf den einseitigen Hebel reduziert ist. Aufbauend auf den notwendigen festzuhaltenden Wissensbesitz (vgl. Stundenziel), ist in den folgenden Stunden der Unterrichtseinheit die Beschäftigung mit weiteren Hebelarten sinnvoll möglich. 3.1 Medienanalyse Die verwendeten Medien sind den Schülern aus ihrer unmittelbaren Lebenswelt vertraut. Walnuss und Nussknacker kennen sie aus dem heimischen Haushalt, Kapselheber und Getränkeflaschen nutzen sie 6 RRL, 1982, S. 20. Ebda. 8 Ebda. 9 Ebda., S. 17. 10 Müller/Wittkowske 2005, S. 2. 11 Vgl. ebda. 12 Perspektivrahmen Sachunterricht 2002, S. 8. 7 4 täglich in der Schule, um ihr Pausengetränk zu öffnen (und wenden hierbei das Funktionsprinzip des einseitigen Hebels an). Die abgesägten Kapselheber erzeugen vermutlich zunächst eine kognitive Dissonanz, aus der heraus die eigenständige gedankliche Konstruktion, dass ein Hebel mit zunehmendem Weg (zunehmender Länge) die Arbeit entsprechend erleichtert, gebildet werden kann. Die Plastikwanne (Leihgabe Medienzentrum Osnabrück) mit Rollen entspricht dem Modell einer Schubkarre. Ich ziehe sie einer tatsächlichen Schubkarre vor, da die Länge der Hebel (des Kraftarms), durch leichtes Auswechseln, variierbar ist. 4. Methodische Überlegungen Nach der Begrüßung der Klasse bitte ich die Schüler in den Sitzkreis. Als stummen Impuls lege ich einige Walnüsse in die Mitte. Hiervon ausgehend werden die Schüler vermutlich schnell auf den arbeitserleichternden Nussknacker zu sprechen kommen. In einem gelenkten Unterrichtsgespräch haben die Schüler die Möglichkeit ihre Vorerfahrungen einzubringen und erste Hypothesen zur Funktionsweise des Nussknackers einzubringen. Evtl. bringt bereits an dieser Stelle ein Schüler den Begriff „Hebel“ ein. Darüber hinaus sollen die Schüler auch Hypothesen zu möglichen Ergebnissen äußern, um sie in der Auswertungsphase aufzugreifen und mit den tatsächlichen Ergebnissen zu vergleichen. Die Ankündigung der folgenden Gruppenarbeit zur selbstständigen Versuchsdurchführung liefert die weitere Transparenz der Stunde. Die Versuchsdurchführung, deren genaue Beobachtung, zeichnerische und schriftliche Fixierung ist entsprechend der Lernebenen nach Bruner von der „enaktiven“- über die „ikonische“- bis zur „symbolischen Ebene“ aufgebaut.13 Nun erhalten die Schüler den Auftrag sich in den bekannten Arbeitsgruppen (s. Situation der Lerngruppe), unter Berücksichtigung evtl. fehlender Schüler, zusammenzufinden. Die Gruppen holen sich selbstständig die zur Versuchsdurchführung notwendigen Materialien von der Fensterbank. Zunächst führen alle Gruppen den Versuch 1 durch: Alle Mitglieder der Gruppe versuchen eine Walnuss nur mit Hilfe Ihrer Hände zu knacken. Anschl. wiederholen sie den Versuch unter Zuhilfenahme eines Nussknackers. Die Schüler müssen genau beobachten wie und warum sich die Nuss mit Hilfe des Nussknackers, im Gegensatz zum Öffnungsversuch per Hand, öffnen lässt und die gewonnenen Erkenntnisse in einer Skizze, sowie einer schriftlichen Form auf ihrem Arbeitsblatt festhalten. Der 2. Versuch soll nur von den Gruppen durchgeführt werden, die bereits vor Ablauf der Bearbeitungszeit mit Versuch 1 fertig geworden sind. Mit einem Kapselheber ohne Kraftarm muss versucht werden eine Getränkeflasche zu öffnen. Das wird den Schülern nicht gelingen. In einem zweiten Schritt sollen die Schüler die Getränkeflasche mit 13 Vgl. In: Mayer 1993, S. 138. 5 einem vollständigen Kapselheber öffnen. Auch diese Versuchsabfolge muss in Bild und Wort auf dem Arbeitsblatt festgehalten werden. Kurz vor Ablauf der Arbeitszeit gebe ich ein akustisches Signal, so dass die Kinder letzte Notizen vornehmen können. Um zu verhindern , dass die Schüler in der folgenden Auswertungsphase abgelenkt sind, räumen sie nun zunächst ihre Arbeitsmaterialien vom Tisch. Die Versuchsergebnisse werden nun von den Gruppen präsentiert. Die anfangs angestellten Vermutungen, wie ein Nussknacker funktioniert, werden mit den neuen Erkenntnissen verglichen. Begriffe die die Schüler für die einzelnen Funktionen des Nussknackers gefunden haben werden mit den korrekten Fachbegriffen (s. Sachanalyse) abgeglichen. Tafelzeichnungen werden mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet. Die Ergebnisse des „Kapselheberversuches“ werden ebenso besprochen und im Tafelbild festgehalten. Die Schüler übertragen die Legende auf ihr Arbeitsblatt und ordnen die entsprechenden Symbole ihrer Zeichnung zu. Um den Lernzuwachs dieser Stunde zu überprüfen, präsentiere ich den Schülern abschließend das Modell einer Schubkarre. Diese wird mit mehreren Tonistern gefüllt. Die Schüler sollen einen Transfer von den Versuchsanordnungen auf diese neue Situation, unter Nutzung der eingeführten Begriffe, vornehmen. In dieser Anwendung und dem Transfer des Stundeninhalts, wird der Lernzuwachs überprüfbar. Als Hausaufgabe gilt es zu überprüfen, wo die Kinder täglich zu Hause (einarmige) Hebel nutzen. Die Bezeichnung „einarmiger Hebel“ wird erst in der nächsten Sachunterrichtsstunde eingeführt. In Abgrenzung zu dem dann behandelten „zweiarmigen Hebel“ ist die Begriffseinführung sinnvoll. Zum jetzigen Zeitpunkt würde die Begriffseinführung eine kognitive Überforderung der Schüler, im Sinne der bereits in den 70er Jahren gemachten Fehler innerhalb des Elementarcurriculum „Sciencs – A Process Approach“14 (SAPA), darstellen. Anlagen: 14 Stundenverlauf Arbeitsblätter Vgl. Ragaller 2001, S. 72. 6