schöpfung, evolution und offenbarung nach den kappadozischen

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SCHÖPFUNG, EVOLUTION UND OFFENBARUNG NACH DEN
KAPPADOZISCHEN KIRCHENVÄTERN
Einleitung
Unter den Theologen und Biologen ist die Meinung weitverbreitet,
dass der Begriff „Schöpfung“ mit keiner Evolutionstheorie vereinbar sei.
Dabei ist charakteristisch, dass, obwohl sich die Meinung der Biologen
nicht auf rein wissenschaftliche Gegebenheiten stützt, sondern eine im
wesentlichen von philosophischen Voraussetzungen bestimmte
Interpretation ist, die entsprechende Meinung der Theologen wissenschaftlich gesehen - völlig willkürlich ist, da sie nicht auf
naturwissenschaftlichen Argumenten, sondern nur auf biblischen Zitaten
und theologischen Argumenten basiert! Was uns jedoch hier interessiert,
ist nicht der biologische, sondern der theologische Aspekt des Themas.
Eine im obenerwähnten Sinn angestellte theologische Betrachtung des
Verhältnisses Schöpfung - Evolution, scheint zwar recht christlich und
traditionell zu sein, doch hat sie im wesentlichen die scholastische
Methode des Mittelalters aufgegriffen und dazu geführt, dass sich die
Theologie von der altkirchlichen patristischen Überlieferung entfernte.
Nach der Scholastik gab es eine einheitliche Methode, mit der man
versuchte, sowohl die geschaffene als auch die ungeschaffene göttliche
Realität zu erkennen. Der ontologische Unterschied zwischen
Geschaffenem und Ungeschaffenem, der die fundamentale Voraussetzung
für die genannte Theologie besonders der Ostkirchenväter ist, spielte für
die theologische und philosophische Erkenntnistheorie der Scholastiker
keine Rolle, weil Gott und Welt für sie etwas Einheitliches darstellten.
Die Scholastiker gingen entweder von der Philosophie und der
Naturwissenschaft aus, um zu einer Erkenntnis Gottes zu gelangen, wie
z.B. Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae oder Barlaam von
Kalabrien in seiner Polemik gegen Gregorios Palamas -, oder aber von
bestimmten Bibelstellen, um die geschaffene Realität erkennen zu können
- wie z.B. im Fall der Verurteilung von Galileo Galilei. Mit dieser
erkenntnistheoretischen Methode versuchten sie also, anhand
philosophischer
und
naturwissenschaftlicher
Argumente
die
theologischen Probleme zu lösen, und umgekehrt wollten sie, mit Hilfe
theologischer Argumente, Antworten auf wissenschaftliche und
philosophische Fragen geben. Nachdem sich die naturwissenschaftliche
Forschung selbständig gemacht hatte und sich ungehindert entwickeln
konnte, war es doch unvermeidlich, dass die scholastische Methode zum
Zusammenstoß von Glauben und Wissen - oder anders gesagt - von
Theologie und Naturwissenschaft führen mußte.
Für die alten Kirchenväter sind Gott und die Welt keineswegs
etwas Einheitliches, sondern es gibt vielmehr eine der Wesenheit nach
unüberbrückbare Kluft zwischen Gott und der Welt: Gott ist
ungeschaffen; die Welt aber ist geschaffen. Dieser ontologische
Unterschied von Geschaffenem und Ungeschaffenem kann nicht durch
eine einheitliche Methode überwunden und zu einer erkenntnistheoretischen Annäherung gebracht werden. Aus diesem Grund
verwenden besonders die östlichen Kirchenväter zwei verschiedene
Methoden: das Geschaffene wird durch die naturwissenschaftliche
Forschung erkannt, das Ungeschaffene durch die Offenbarung und die
persönliche Erfahrung.1 Im Denken der Kirchenväter wird deshalb auch
genau entschieden zwischen dem Schöpfer und dem Schöpfungsakt.
Dieser ist für sie ein Gegenstand der Naturwissenschaft, jener eine
Angelegenheit der Offenbarung und des Glaubens.2
a. Das Beispiel der zwei kappadozischen Brüdern
Ein typisches Beispiel für diese theologische Denkweise sind die
zwei kappadozischen Brüder, Basilius der Große und Gregor von Nyssa.
Sie vermeiden in ihrem Werk Hexaemeron, in dem sie sich mit der
Schöpfung beschäftigen, die Bibelauslegung dem Buchstaben nach und
stützen sich stattdessen auf die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Zeit.
Auf diese Weise vereinbaren sie Theologie und Wissenschaft miteinander
- trotz des unterschiedlichen Ansatzes, nach dem derselbe Gegenstand
jeweils von ihnen angegangen wird - und stellen sie in einen
harmonischen und funktionalen Zusammenhang zueinander. Damit
können sie der theologischen Botschaft der Bibel, dass Gott die Welt aus
dem Nichts allein durch seine Willensenergie geschaffen hat, besser und
erfolgreicher dienen. Was aber die Art und Weise der Erschaffung der
Welt anbetrifft, hat für sie die Forschung und Wissenschaft und nicht die
Bibel das erste Wort. Wie Basilius der Große sehr deutlich sagt, hat der
Bericht in Genesis viel Sachen verschwiegen, damit unser Verstand es zu
finden sich übe.3 Auch wenn wir, so sagt er weiter, die Schöpfungsweise
aller wunderbaren Werke der Welt durch die wissenschaftliche Forschung
Zu diesem Thema siehe auch N. Matsoukas, „Ἐπιστημονικὰ, φιλοσοφικὰ καὶ θεολογικὰ στοιχεῖα
τῆς Ἑξαημέρου τοῦ Μ. Βασιλείου“, in: Τόμος ἑόρτιος χιλιοστῆς ἑξακοσιοστῆς ἐπετείου Μεγάλου
Βασιλείου (379-1979), Thessaloniki 1981, S. 75 ff.
2
Zu den Voraussetzungen und Konsequenzen der einheitlichen Methode der Scholastik und der
doppelten Methode der Ostkirchenväter siehe N. Matsoukas, Δογματική καί Συμβολική θεολογία Α΄
(Εἰσαγωγή στή θεολογική γνωσιολογία), Thessaloniki 1985, S. 137 ff.
3
Siehe Homilia in Hexaemeron 2, 3, PG 29, 33 C: „Εἰπών, “Ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ Θεὸς τὸν οὐρανὸν
καὶ τὴν γῆν”, πολλὰ ἀπεσιώπησεν, ὕδωρ, ἀέρα, πῦρ, τὰ ἐκ τούτων ἀπογεννώμενα πάθη· ἃ πάντα
μὲν ὡς συμπληρωτικὰ τοῦ κόσμου συνυπέστη τῷ παντὶ δηλονότι· παρέλιπε δὲ ἡ ἱστορία, τὸν
ἡμέτερον νοῦν γυμνάζουσα πρὸς ἐντρέχειαν, ἐξ ὀλίγων ἀφορμῶν παρεχομένη ἐπιλογίζεσθαι τὰ
λειπόμενα.“
1
erkennen, vermindert sich dadurch unsere Bewunderung für die
Herrlichkeit der Schöpfung nicht; wenn wir sie aber nicht finden, dann ist
der einfache Glaube stärker als alle Beweise.4 Auch Gregor von Nyssa
betont, dass das, was er über die Schöpfungsweise der Welt sagt, nur eine
Verstandesangelegenheit sei und nicht eine „exegetische Lehre“ oder ein
„Dogma“.5
Bedeutsam ist, dass die beiden kappadozischen Brüder für ihre Zeit
ein recht „modernes“ Verständnis der Schöpfung haben. Sie verstehen die
Schöpfung nicht nur mutatis mutandis im Sinne einer Evolution, sondern
sie nehmen auch die Entstehung des Lebens aus anorganischer Materie
an. Hier müssen wir jedoch, um jegliches Mißverständnis zu vermeiden,
ausdrücklich unterstreichen, dass die Evolution, wie sie die beiden
kappadozischen Kirchenväter verstehen, weder Voraussetzung noch
Inhalt für die darwinische oder die neudarwinische Evolutionstheorie ist;
diese stützt sich ja hauptsächlich auf die experimentale Forschung.
Trotzdem können wir nicht übersehen, dass das Evolutionsverständnis
dieser beiden Kirchenväter mit der modernen Evolutionstheorie große
Ähnlichkeit hat.6 Dies ist umso erstaunlicher, wenn wir bedenken, dass,
obwohl die Kirchenväter in einer Zeit lebten, die ein statisches und
geschlossenes Weltbild kannte, sie ein Weltverständnis hatten, welches,
bedingt von der schöpferischen und zusammenhaltenden Energie Gottes,
ganz und gar dynamisch war.
1. Der Entwicklungsvorgang der Schöpfung nach Basilius dem Grossen
Mehr analytisch gesehen, greift Basilius in seinen Homilien zum
Hexaemeron Aspekte auf, die mit dem fundamentalen Prinzip der
Evolutionstheorie gut verglichen werden können. Alles, so sagt er, was
nach der Schöpfung der formlosen Materie gemacht und gestaltet wurde,
entstand durch die „Samenkräfte“, die der Schöpfer in die Materie
hineingelegt hatte und die auf den „göttlichen Befehl“ warteten, damit die
„Schwangerschaft“ der Schöpfung vollendet werden konnte.7 Basilius
verwendet das Bild „Geburtswehen“ und „Schwangerschaft“ sehr oft in
Siehe Homilia in Hexaemeron 1, 10, PG 29, 25 A: „Οὐ γὰρ ἐλαττοῦται ἡ ἐπὶ τοῖς μέγιστοις
ἔκπληξις, ἐπειδὰν ὁ τρόπος καθ’ ὃν γίνεταί τι τῶν παραδόξων ἐξερευθῇ· εἰ δὲ μή, ἀλλὰ τό γε
ἁπλοῦν τῆς πίστεως ἰσχυρότερον ἔστω τῶν λογικῶν ἀποδείξεων.“
5
Siehe In Hexaemeron, PG 44, 68 C: „Οὐ γὰρ δόγμα τὸν λόγον ποιούμεθα, ὥστε ἀφορμὴν δοῦναι
τοῖς διαβάλλουσιν, ἀλλ’ ὁμολογοῦμεν ἐκγυμνάζειν μόνον ἑαυτῶν τὴν διάνοιαν, τοῖς προκειμένοις
νοήμασιν, οὐ διδασκαλίαν ἐξηγητικὴν τοῖς ἐφεξῆς ἀποτίθεσθαι.“
6
Siehe auch Ν. Matsoukas, „Ἐπιστημονικά, φιλοσοφικὰ καὶ θεολογικὰ στοιχεῖα τῆς Ἑξαημέρου τοῦ
Μ. Βασιλείου“, a.a.O., S. 75.
7
Siehe Homilia in Hexaemeron 2, 3; PG 29, 36 Β: „Ὠδίνουσα (d.h. die Erde) μὲν τὴν πάντων γέννησιν
διὰ τὴν ἐναποτεθεῖσαν αὐτῇ παρὰ τοῦ δημιουργοῦ δύναμιν, ἀναμένουσα δὲ τοὺς καθήκοντας
χρόνους, ἵνα τῷ θείῳ κελεύσματι προαγάγῃ ἑαυτῆς εἰς φανερὸν τὰ κυήματα.“ Siehe auch N.
Matsoukas, a.a.O., S. 79.
4
seinen Homilien zum Hexaemeron8, um den Evolutionsverlauf der
Schöpfung - von den Samenkräften, die vom Schöpfer in die Welt
hineingelegt wurden, bis zum Erscheinen der vollkommenen Geschöpfe zu beschreiben. Der „göttliche Befehl“ steht für die Funktion des Mannes
und des Geburtshelfers.
Als der schöpferische Befehl von Gott erging - sagt Basilius in
charakteristischer Weise -, dass das Wasser Getier und Vögel
hervorbringe, bekam es sofort belebende Fähigkeit und brachte die ersten
Wesen aller Gattungen hervor. Die Flüsse, die Seen und das Meer wurden
wirkkräftig und zeugungsfähig, so dass in ihnen eigene Gattungen
entstehen konnten. Auch das Wasser des Schlammes und der Sümpfe
blieb nicht „untätig“ und „teilnahmslos“ an der Vollendung der
Schöpfung. Alles Wasser „beeilte“ sich, den schöpferischen Befehl
Gottes zu erfüllen.9 Diese belebende Fähigkeit hatte das Wasser aber
nicht aus sich selbst; es bekam sie vielmehr durch die schöpferische
Gegenwart und Energie des HL Geistes.10 Nicht nur der Vater und der
Sohn, sondern auch der Hl. Geist hat nach Basilius an der Vollendung der
Schöpfung teilgenommen: der Vater als die uranfängliche, der Sohn als
die schöpferische und der Hl. Geist als die vollbringende Ursache der
Schöpfung.11 Der vollendende Charakter des Hl. Geistes bei der
Schöpfung geht nach Basilius aus Gen 1,2 hervor: „Und der Geist Gottes
schwebte über dem Wasser“. Das heißt für ihn, dass der Hl. Geist durch
seine belebende Energie das Wasser erwärmte und belebte, wie die Henne
ihre Eier.12 Die Entstehung des Lebens aus dem Wasser ist also ein
Resultat des göttlichen Schöpfungsbefehls einerseits und der genetischen
Fähigkeit andererseits, die durch die Energie des Hl. Geistes in das
Wasser hineingegeben wurde.
Das, was Basilius über die Entstehung des Lebens aus dem Wasser
sagt, gilt auch für die Entstehung des Lebens aus der Erde. Obwohl die
Erde am Anfang, als der „göttliche Befehl“ für die Keimung an sie
erging, „eiskalt“ und „unfruchtbar“ war, fing sie sogleich an, zu kreisen
und sich „zur Ergiebigkeit“ zu bewegen.13 Sie begann nach den
Naturgesetzen zu keimen und, nachdem sie alle Wachstumsstufen
durchlaufen hatte, brachte sie die Pflanzenwelt hervor.14 Mit anderen
Worten: die Erde blieb nicht unbeweglich und untätig vor dem göttlichen
Siehe a.a.O. 2, 3, PG 29, 36 B; 5, 2, PG 29, 97 B; 7, 1, PG 29, 148 Β.
Siehe a.a.O. 7, 1, PG 29, 148 B.
10
Siehe a.a.O. 2, 6, PG 29, 44 BC.
11
Siehe De Spiritu Sancto 38, PG 32, 136 BC. Vgl. Homilia in Hexaemeron 3, 4, PG 29, 64 A. Siehe
auch G. D. Martzelos, Οὐσία καὶ ἐνέργειαι τοῦ Θεοῦ κατὰ τὸν Μέγαν Βασίλειον. Συμβολὴ εἰς τὴν
ἱστορικοδογματικὴν διερεύνησιν τῆς περὶ οὐσίας καὶ ἐνεργειῶν τοῦ Θεοῦ διδασκαλίας τῆς
'Ορθοδόξου 'Εκκλησίας, Thessaloniki 1984, S. ll0 ff.
12
Siehe Homilia in Hexaemeron 2, 6, PG 29, 41 C – 44 C.
13
Siehe a.a.O. 5, 2, PG 29, 97 B.
14
Siehe a.a.O. 5, 5, PG 29, 204 C – 105 A.
8
9
Befehl, sondern sie beteiligte sich an der Entstehung des Lebens. Ihr
Beitrag zur Entstehung der Pflanzenwelt zeigt sich also darin, dass sie
alles, was sie „unter dem Herzen trug“, nach der gebührenden Frist ans
Licht brachte.15 Freilich vermochte die Erde diesen Beitrag nicht aus ihrer
eigenen genetischen Fähigkeit zu leisten, sondern diese lag in der Kraft,
die sie von Gott zusammen mit der Äußerung seines Schöpfungswillens
als Mitgift bekommen hatte. Diese Kraft wurde für die Erde zu einem
Naturgesetz, das bis zum Ende der Welt Geltung haben wird.16
Auf dieselbe Weise erklärt Basilius auch die Schöpfung der Tiere.
Gleichzeitig mit dem Schöpfungsbefehl „Die Erde bringe hervor
lebendiges Getier“17 hat Gott der Erde die entsprechende genetische
Fähigkeit, Tiere zu erzeugen, gegeben. Diese Fähigkeit wurde für die
Erde zu einem Naturgesetz, durch welches das Werk des Schöpfers
überdauern wird.18 Auch heutzutage, sagt Basilius, indem er auf die
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit hinweist, sieht man
nicht nur Insekten, sondern auch Mäuse und Frösche lebendig aus der
Erde hervorgehen. In Theben Ägyptens ist die Erde nach einem
Platzregen mit Feldmäusen voll bedeckt. Außer diesen Tieren würden
auch die Aale aus nichts anderem als aus Schlamm erzeugt; denn sie
entstünden weder aus einem Ei, noch würden sie auf irgendeine andere
Weise gezeugt, sondern sie kämen direkt aus der Erde hervor.19 Trotz der
Unrichtigkeit ist diese Behauptung für unser Thema von Bedeutung.
Denn, obwohl Basilius sich diese Meinung theologisch hätte zunutze
machen können, um die unmittelbare göttliche Schöpfung der Aale,
Insekten, Mäuse und Frösche aus dem Nichts zu erklären, übernimmt er
die wissenschaftliche Auffassung seiner Zeit und führt ihre Entstehung
auf die genetische Fähigkeit der Erde zurück.20 So etwas würde ein
moderner Theologe nicht unbedingt wagen. Für Basilius gab es allerdings
keine Probleme, denn seiner Meinung nach vermindert die Entdeckung
der Schöpfungsweise der Welt die Bewunderung für den Schöpfer nicht,
sondern ganz im Gegenteil wird sie dadurch nur noch vergrößert.21
Basilius sieht alles in unmittelbarer Abhängigkeit zur schöpferischen und
15
Siehe a.a.O. 2, 3, PG 29, 36 B.
Siehe a.a.O. 8, 1, PG 29, 164 CD: „Οὔτε γὰρ ὅτε ἤκουσεν ἡ γῆ, βλαστησάτω βοτάνην χόρτου καὶ
ξύλον κάρπιμον, κεκρυμμένον ἔχουσα τὸν χόρτον ἐξήνεγκεν· οὐδὲ τὸν φοίνικα, ἢ τὴν δρῦν, ἢ τὴν
κυππάρυσσον κάτω που ἐν ταῖς λαγόσιν ἑαυτῆς ἀποκεκρυμμένα ἀνῆκε πρὸς τὴν ἐπιφάνειαν· ἀλλ' ὁ
θεῖος λόγος φύσις ἐστὶ τῶν γινομένων. Βλαστησάτω ἡ γῆ· οὐχ ὅπερ ἔχει προβαλλέτω, ἀλλ' ὃ μὴ
ἔχει κτησάσθω, Θεοῦ δωρουμένου τῆς ἐνεργείας τὴν δύναμιν.“ Siehe auch a.a.O. 5, 1, PG 29, 96 A:
„Ἡ γὰρ τότε φωνὴ καὶ τὸ πρῶτον ἐκεῖνο πρόσταγμα, οἷον νόμος τις ἐγένετο φύσεως, καὶ
ἐναπέμεινε τῇ γῇ, τὴν τοῦ γεννᾶν αὐτῇ καὶ καρποφορεῖν δύναμιν εἰς τὸ ἑξῆς παρεχόμενος.“
17
Gen 1,24.
18
Siehe a.a.O. 8, 1, PG 29, 164 CD; 9, 2, PG 29, 189 C.
19
Siehe a.a.O. 9, 2, PG 29, 189 C – 192 A.
20
Siehe auch N. Matsoukas, Ἱστορία τῆς Φιλοσοφίας, Thessaloniki 1981, S. 268.
21
Siehe a.a.O. 1, 10, PG 29, 25 A; 7, PG 29, 17 B.
16
zusammenhaltenden Energie Gottes.22 Er versteht diese Energie aber
nicht im Sinne einer unmittelbaren und kontinuierlichen Intervention
Gottes in die Welt, sondern als Fortsetzung seines uranfänglichen
schöpferischen Befehls.23
2. Der Entwicklungsvorgang der Schöpfung nach Gregor von
Nyssa
Auf ähnliche und vielleicht noch bahnbrechendere Aspekte greift
der Bruder des Basilius, Gregor von Nyssa, auf die Entwicklungsweise
der Schöpfung zurück. In seinem Werk Hexaemeron sagt er, Gott habe
die Ursachen, Gründe und Kräfte aller Geschöpfe ohne Unterschied „auf
einmal“, d.h. „massenhaft und im Handumdrehen“, in die Schöpfung
hineinlegt, und zwar gleichzeitig mit dem uranfänglichen Ausdruck
seines schöpferischen Willens.24 Die Erschaffung und Vollendung der
verschiedenen Geschöpfe wurde aber in einer bestimmten Zeitdauer und
nach der notwendigen Reihenfolge und Ordnung der Natur vollbracht.25
Mit anderen Worten wurde die Welt nach Gregor von Nyssa nicht durch
die Erschaffung vollendeter Geschöpfe gemacht, sondern die Geschöpfe
wurden von Gott zunächst in Form von Keimen in die Welt hineingelegt,
so dass sie allmählich, d.h. einem Entwicklungsverlauf und der notwendigen Naturordnung entsprechend, vollendet wurden und schließlich als
„sehr gut“ erkannt werden konnten. Die Schöpfung ist demnach ein
Siehe a.a.O. 1, 9, PG 29, 24 B: „...πάντα ὁμοῦ συγκρατεῖσθαι ὁμολογεῖν τῇ δυνάμει τοῦ
κτίσαντος“; 2, PG 29, 8 C; De Spiritu Sancto 19, PG 32, 100 D – 101 C. Siehe auch G. D. Martzelos,
a.a.O., S. 92 ff.
23
Siehe Homilia in Hexaemeron 9, 2, PG 29, 189 BC: „Νόησον ῥῆμα Θεοῦ διὰ τῆς κτίσεως τρέχον,
καὶ τότε ἀρξάμενον καὶ μέχρι νῦν ἐνεργοῦν, καὶ εἰς τέλος διεξιόν, ἕως ἂν ὁ κόσμος συμπληρωθῇ.
Ὡς γὰρ ἡ σφαῖρα, ἐπειδὰν ὑπό τινος ἀπωσθῇ, εἶτα πρανοῦς τινος λάβηται, ὑπό τε τῆς οἰκείας
κατασκευῆς καὶ τῆς ἐπιτηδειότητος τοῦ χωρίου φέρεται πρὸς τὸ κάταντες, οὐ πρότερον ἱσταμένη,
πρὶν ἄν τι τῶν ἰσοπέδων αὐτὴν ὑποδέξηται· οὕτως ἡ φύσις τῶν ὄντων, ἑνὶ προστάγματι κινηθεῖσα,
τὴν ἐν τῇ γενέσει καὶ φθορᾷ κτίσιν ὁμαλῶς διεξέρχεται, τὰς τῶν γενῶν ἀκολουθίας δι’ ὁμοιότητος
ἀποσώζουσα, ἕως ἂν πρὸς αὐτὸ καταντήσῃ τὸ τέλος.“ Vgl. a.a.O., 5, 10, PG 29, 116 D. Siehe auch J.
Callahan, „Greek Philosophy and the Cappadocian Cosmology“, in: Dumbarton Oaks Papers 12
(1985), S. 35.
24
Siehe In Hexaemeron, PG 44, 72 B: „... πάντων τῶν ὄντων τὰς ἀφορμὰς καὶ τὰς αἰτίας καὶ τὰς
δυνάμεις συλλήβδην ὁ Θεὸς ἐν ἀκαρεῖ κατεβάλλετο, καὶ ἐν τῇ πρώτῃ τοῦ θελήματος ὁρμῇ ἡ
ἑκάστου τῶν ὄντων οὐσία συνέδραμεν, οὐρανός, αἰθήρ, ἀστέρες, πῦρ, ἀήρ, θάλασσα, γῆ, ζῷον (sic),
φυτά“; 72 D – 73 A: „... ἀθρόως ἐν τῇ μιᾷ ῥοπῇ τοῦ θείου θελήματος ἀδιακρίτως τοῦ παντὸς
ὑποστάντος“. Ähnliche Ansichten wie die obenerwähnten des Gregor von Nyssa über die Schöpfung
der Welt teilt auch der hl. Augustin im Westen. Siehe z.B. De Genesi ad Litteram VII, XXVIII, 41, PL
34, 371; V, XXIII, 45, PL 34, 338; IV, 11, PL 34, 325; 9, PL 34, 324; IX, XVII, 32, PL 34, 406; De
Trinitate III, IX, 16, PL 42, 878; VIII, 13, PL 42, 876. Zu der Lehre des hl. Augustin über die
Schöpfung der Welt siehe auch den sehr bedeutungsvollen Artikel von E. Portalié, „Augustin (Saint)“,
in: Dictionnaire de Théologie Catholique 1, 2, Kol. 2349 ff.
25
Siehe a.a.O., PG 44, 72 BC: „Τῇ δὲ συγκαταβληθείσῃ δυνάμει τε καὶ σοφίᾳ πρὸς τὴν τελείωσιν
ἑκάστου τῶν μορίων τοῦ κόσμου εἱρμός τις ἀναγκαῖος κατά τινα τάξιν ἐπηκολούθησεν...“. Vgl.
a.a.O., PG 44, 113 BC, 120 Β.
22
dynamischer Entwicklungsverlauf der Ursachen und Kräfte der
Geschöpfe bis hin zu ihrer vollendeten und vollkommenen Gestalt. Wie
Gregor von Nyssa mit Hilfe der aristotelischen Metaphysik richtig
bemerkt, ist die Schöpfung der „einzelnen“ Wesen eine dauerhafte und
unverbrüchliche Bewegung vom „Sein der Möglichkeit nach“ zum „Sein
der Wirklichkeit nach“.26 Sehr charakteristisch für diesen
Entwicklungsverlauf der Schöpfung ist auch, was Gregor von Nyssa über
die Schöpfung des Lichtes und der Sterne sagt. Das Licht wurde laut der
Bibel am ersten Schöpfungstag geschaffen, während Sonne, Mond und
die anderen Sterne erst am vierten Tag erschaffen wurden. Das gibt
Gregor die Möglichkeit, den Entwicklungsverlauf zu beschreiben, nach
dem diese Gestirne erschaffen wurden. Am Anfang, so sagt er, trat die
ganze Kraft des Lichtes zusammen und brachte nach dem
Schöpfungsbefehl Gottes das Licht des ersten Tages hervor. Allmählich,
d.h. innerhalb von drei Tagen, ließen sich die Lichtteilchen von den
anderen fremdartigen Teilchen scheiden, und diejenigen, die für die
Schöpfung der Sonne geeignet waren, traten zusammen und bildeten die
Sonne. Dasselbe geschah auch bei der Schöpfung des Mondes und der
Sterne: sie alle wurden durch das Zusammenfallen der entsprechenden
Lichtteilchen gebildet. Bei der Schöpfung am ersten Tag wurden also
diejenigen Ursachen in das Licht hineingelegt, die es ermöglichten, dass
die Schöpfung der Sonne, des Mondes und der Sterne in drei Tagen
vollbracht werden konnte.27 Für Gregor von Nyssa werden alle
Geschöpfe diesem Verlauf entsprechend geschaffen: sie werden „auf
einmal“ mit dem uranfänglichen Schwung des schöpferischen Willens
Gottes „materiell“ angelegt; die Erschaffung jedes einzelnen Geschöpfs
wird aber in der erforderlichen Zeitdauer und der Ordnung und
Reihenfolge ihrer Natur entsprechend vollendet.28
Auch der Mensch wurde, wie aus dem Werk Gregors von Nyssa
Über die Schöpfung des Menschen deutlich wird, in die Schöpfung als
„Keimmöglichkeit“ eingepflanzt. In der Bibel wird bekanntlich von der
Schöpfung des Menschen zweimal geredet. Am Anfang wird gesagt, dass
„Gott den Menschen schuf“29, während danach erläutert wird, dass „Gott
ihn als Mann und Weib erschuf“.30 Das bedeutet nach Gregor von Nyssa,
Siehe a.a.O., PG 44, 77 D: „Γέγραπται γὰρ ὅτι “Ἡ δὲ γῆ ἦν ἀόρατος καὶ ἀκατασκεύαστος” ὡς ἐκ
τούτου δῆλον εἶναι ὅτι τῇ μὲν δυνάμει τὰ πάντα ἦν ἐν πρώτῃ τοῦ Θεοῦ περὶ τὴν κτίσιν ὁρμῇ,
οἱονεὶ σπερματικῆς τινος δυνάμεως πρὸς τὴν τοῦ παντὸς γένεσιν καταβληθείσης, ἐνεργείᾳ δὲ τὰ
καθ’ ἕκαστον οὕπω ἦν“; 80 Β: „… ἐνεργείᾳ μὲν οὕπω ἦν· ἐν μόνῃ δὲ τῇ δυνάμει τὸ εἶναι εἶχε.“
27
Siehe a.a.O., PG 44, 116 ABC, 120ΑΒ.
28
Siehe a.a.O., PG 44, 120 Β: „… εἰ πάντων κατὰ τὸ ἀθρόον παρὰ τῆς τοῦ Δημιουργοῦ δυνάμεως
ὑλικῶς προκαταβεβλημένων πρὸς τὴν τῶν ὄντων σύστασιν, ἡ μερικὴ τῶν ἐν τῷ κόσμῳ τεθεωρημένων
ἀνάδειξις, τάξει τινὶ φυσικῇ καὶ ἀκολουθίᾳ ἐν ῥητῷ διαστήματι ἐτελειώθη“; vgl. auch a.a.O., PG
44, 113 BC.
29
Gen 1,27.
30
Siehe Gen 1,27; 2,18-22.
26
dass, wenn in der Hl. Schrift steht, „Gott schuf den Menschen“, mit dieser
Formulierung die ganze menschliche Natur und nicht nur Adam gemeint
ist. Der Mensch, um den es hier geht, ist also nicht der konkrete Mensch,
sondern der Mensch schlechthin. Der Bezug auf die allgemeine
menschliche Natur bedeutet, dass die ganze Menschheit beim göttlichen
Plan und seiner Verwirklichung in der Schöpfung dieses ersten Menschen, d.h. in einem Körper, miteingeschlossen war. Die Unterscheidung
der Geschlechter in Mann und Frau erfolgte erst später - damit die
menschliche Gattung durch die Ehe fortbestehen und durch den Tod auf
Grund des Sündenfalls nicht vernichtet werde.31
Manche Forscher sind der Meinung, dass Gregor von Nyssa wegen
der platonischen Einflüsse, die auf sein theologisches Denken einwirkten,
in diesem Punkt von zwei Schöpfungen spricht, d.h. von der denkbaren
und urgeschichtlichen und von der wahrnehmbaren und geschichtlichen.32
Sie haben jedoch nicht bemerkt, dass er sowohl in seinem Werk Über die
Schöpfung des Menschen als auch im Hexaemeron immer zunächst von
den ersten „Ursachen und Gründen“ spricht, die „auf einmal“ und
„massenhaft“ in die Schöpfung hineingelegt wurden, und erst
anschließend auf den Schöpfungsverlauf der ganzen Welt und der
menschlichen Natur bis zur Erschaffung und Vollendung der einzelnen
Geschöpfe zu sprechen kommt. Im Hexaemeron bezieht sich der
Entwicklungsvorgang nur auf die Schöpfung der Welt, wohingegen er in
seinem Werk Über die Schöpfung des Menschen auch die Erschaffung
des Menschen berücksichtigt. Gleich wie die Schöpfung der Welt „auf
einmal“ und in Keimkräften und -gründen erschaffen wurde, und sich erst
danach die Verschiedenheit der einzelnen Geschöpfe entwickelt hat, so ist
es auch mit dem Menschen geschehen: zunächst wurde der „universale“
Mensch „auf einmal“ und im Keime erschaffen, und erst danach hat er
sich nach dem Unterschied der Geschlechter als Adam und Eva
entwickelt. Wie also Gregor von Nyssa nicht zwei Schöpfungen der Welt,
d.h. im platonischen Sinne eine denkbare und eine wahrnehmbare
akzeptiert, so haben wir auch keineswegs das Recht, die zwei Erschaffungsweisen des Menschen, von denen er spricht, im platonischen Sinne
zu verstehen.33 Außerdem hat dieser „Urmensch“, wie Gregor von Nyssa
31
Siehe De hominis opificio, 16; PG 44, 185 BCD; 188A-192A. Zu dieser Ansicht Gregors von Nyssa
über die Schöpfung des Menschen vgl. die relativ ähnliche Ansicht Augustins, De Genesi ad Litteram
VI, V, 8, PL 34, 324; VI, 10, PL 34, 343. Seihe auch E. Portalié, a.a.O., Kol. 2353.
32
Siehe W. Völker, Gregor von Nyssa als Mystiker, Wiesbaden 1955, S. 60 ff.; E. Moutsoulas, Ἡ
σάρκωσις τοῦ Λόγου καὶ ἡ θέωσις τοῦ ἀνθρώπου κατὰ τὴν διδασκαλίαν Γρηγορίου τοῦ Νύσσης, Athen
1965, S. 63 ff.; Ch. Ν. Boukis, Ἡ οὐσία τῆς θρησκείας κατὰ τοὺς Καππαδόκας Πατέρας, Thessaloniki
1967, S. 35. Vgl. Η. U. von Balthasar, Presence et pensée. Essai sur la philosophie religieuse de
Grégoire de Nysse, Paris 1942, S. 43 ff.
33
Siehe auch N. Matsoukas, „Ἐπιστημονικά, φιλοσοφικὰ καὶ θεολογικὰ στοιχεῖα τῆς Ἑξαημέρου τοῦ
Μ. Βασιλείου“, a.a.O., S. 84 ff., Anm. 47; Ε. Corcini, „Plérôme humain et plérôme cosmique chez
betont, nicht nur Seele und Geist, sondern auch Körper.34 So etwas
könnte kein Platoniker für den „denkbaren“ Menschen annehmen.
b. Theologische und wissenschaftliche Auswertung der
Schöpfungslehre des Basilius und Gregor von Nyssa
Aus all dem, was wir über die Schöpfungsauffassung der beiden
Kappadozier gesagt haben, wird ersichtlich, dass sie die
wissenschaftlichen Auflassungen ihrer Zeit über die Schöpfungsweise der
Welt ausgewertet haben, indem sie sie mit der fundamentalen christlichen
Lehre, der gemäß Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat,
verbunden haben. Es ist deshalb für sie nicht ausreichend, nur auf den
schöpferischen Willen Gottes als Ursache der Schöpfung hinzuweisen.
Etwas Derartiges würde vielleicht einem Theologen unserer Zeit
genügen. Die zwei Kappadozier, besonders aber der hl. Basilius, betonen
immer wieder den Beitrag der Schöpfung zum ganzen
Erschaffungsvorgang, obwohl sie glauben, dass gerade Gott der
Schöpfung die Möglichkeit zu diesem Beitrag gegeben hat.
Hier geht es sozusagen um einen kosmologischen Synergismus.
Aus diesen Gründen ist die kappadozische Entwicklungslehre der
Schöpfungsauffassung der Welt von Gott nicht entgegengesetzt, und
gewiss wird die Offenbarung Gottes in der Welt durch diese
Erschaffungsweise nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: diese
Erschaffungsweise wird für die zwei Kappadozier als eine
Offenbarungsweise Gottes in der Welt verstanden. Wenn die Offenbarung
für sie die außertrinitarische Manifestation Gottes durch seine
Wirkungskräfte in der Welt ist, und wenn die Schöpfung einen Ausdruck
und eine Frucht dieser göttlichen Offenbarung darstellt, ist die
Erschaffungsweise der Welt durch den Entwicklungsvorgang für diese
kappadozischen Kirchenväter die Art und Weise der Offenbarung Gottes
in der Welt.
Infolgedessen stehen die Erschaffung der Welt, die Entwicklung
und die Offenbarung nach den Kappadoziern in keinem dialektischen
Gegensatz, sondern in einem harmonischen und funktioneilen
Zusammenhang mit- und zueinander.
Wie wir gesehen haben, spricht allerdings keiner dieser
Kirchenväter von der Entwicklung der Arten; im Gegenteil: sie stehen
einer solchen Auffassung völlig fremd gegenüber.35 Was aber im
Grégoire de Nysse“, in: Écriture et Culture philosophique dans la penseé de Grégoire de Nysse, hrsg.
von M. Harl, Leiden 1971, S. 122.
34
Siehe a.a.O., PG 44, 145 BC. Siehe auch N. Matsoukas, a.a.O., S. 85, Anm. 47.
35
Siehe Basilius der Große, Homilia in Hexaemeron 5, 2, PG 29, 97 B: „Καὶ τοῦτό ἐστι τὸ κατὰ
γένος· οὐ γὰρ ἡ προβολὴ καλάμου ἐλαίας ἐστί ποιητική, ἀλλ' ἐκ καλάμου ἕτερος κάλαμος, ἐκ δὲ
τῶν σπερμάτων τὰ συγγενῆ τοῖς καταβληθεῖσιν ἀποβλαστάνει“; 9, 2, PG 29, 189 C: „οὕτω ἡ φύσις
vorliegenden Fall besondere Bedeutung hat, ist, dass sie die Schöpfung in
einem Entwicklungsvorgang vom Keim der Geschöpfe bis zu ihrer
vollkommenen Gestalt verstehen. Dies ist vom apologetischen
Standpunkt aus sehr wichtig, weil es das fundamentale Prinzip der Entwicklungslehre ist. Dass die beiden Kappadozier die Entwicklung der
Arten verneinen, hat hier keine große Bedeutung, denn auch die
Neudarwinisten unserer Zeit nehmen an, dass die Entwicklungslehre eine
jähe und plötzliche Ausnahme der Natur von der Gleichheit der Arten
ist.36
Von besonderem Interesse für die moderne christliche Apologetik
ist die Auffassung des hl. Basilius über die Entstehung des Lebens. Er
nimmt nämlich an, dass es keine klaren Grenzen zwischen der
anorganischen Materie und dem Leben gibt. Für ihn geht das Leben aus
der anorganischen Materie hervor auf Grund der ihr von Gott gegebenen
genetischen Fähigkeit. Das heißt nicht, dass Basilius das fundamentale
Prinzip „omne vivum ex vivo“, das der Biologe L. Pasteur am Anfang
unseres Jahrhunderts formuliert hat, verneint. Er will dieses Prinzip
vielmehr ausweiten, um dadurch den notwendigen Beitrag der anorganischen Materie zur Entstehung des Lebens hervorzuheben.37
Schlussfolgerung
Bei der Durchforschung der obenerwähnten Auffassungen der
beiden Kappadozier hinsichtlich der Schöpfungsweise der Welt ist vor
allem bemerkenswert, dass sie keine Bedenken haben, von der
wissenschaftlichen Erkenntnis ihrer Zeit Gebrauch zu machen. Sie fühlten
sich - besonders Gregor dem Theologen, dem dritten Kappadozier gemäß
- so, als ob sie sich „auf breiten Straßen“ bewegten. Seiner Ansicht nach
kann man ohne Bedenken und Vorbehalte über die Welt oder die Welten,
über die Materie, die Seele, die vernünftigen Wesen usw. nachforschen.
„Denn weder ist es nutzlos, wenn man die Wahrheit dieser Sachen
erreicht hat, noch ist es gefährlich, wenn man sich in dieser Sache geirrt
τῶν ὄντων, ἑνὶ προστάγματι κινηθεῖσα, τὴν ἐν τῇ γενέσει, καὶ φθορᾷ κτίσιν ὁμαλῶς διεξέρχεται,
τὰς τῶν γενῶν ἀκολουθίας δι’ ὁμοιότητος ἀποσῴζουσα, ἕως ἂν πρὸς αὐτὸ καταντήσῃ τὸ τέλος.
Ἵππον γὰρ ἵππου ποιεῖται διάδοχον καὶ λέοντα λέοντος καὶ ἀετὸν ἀετοῦ καὶ ἕκαστον τῶν ζῴων
ταῖς ἐφεξῆς διαδοχαῖς συντηρούμενον μέχρι τῆς συντελείας τοῦ παντὸς παραπέμπει.“ Vgl. Sanctus
Augustinus, De Genesi ad Litteram IX, XVII, 32, PL 34, 406: „Et elementa mundi hujus corporei
habent definitam vim qualitatemque suam, quid unumquodque valeat vel non valeat, quid de quo fieri
possit vel non possit. Ex his velut primordiis rerum, omnia quae gignuntur, suo quoque tempore exortus
processusque sumunt, finesque et decensiones sui cujusque generis. Unde fit ut de grano tritici non
nascatur faba, vel de faba triticum, vel de pecore homo, vel de homine, vel de homine pecus“.
36
Siehe Μ Matsoukas, a.a.O., S. 88.
37
Siehe N. Matsoukas, a.a.O., S. 8l f.
hat“.38 Die beiden kappadozischen Brüder, Basilius der Große und Gregor
von Nyssa, folgen diesem Prinzip und verneinen die Wissenschaft ihrer
Zeit nicht, sondern sie verbinden sie in derart funktioneller Weise mit der
christlichen Theologie, dass sie zu einem Vorbild werden, wie heute ein
Hexaemeron verfaßt werden könnte, d.h. wie Theologie und
wissenschaftliche Erkenntnis in unserer Zeit organisch und funktional
miteinander verbunden werden könnten.
Siehe Oratio XXVII, Theologica prima, 10, PG 36, 25 A: „Εἰ δὲ σὺ... περὶ τὰ σὰ στρέφῃ καὶ
ζητεῖς τὸ ἐν τούτοις φιλότιμον, ἐγώ σοι κἀνταῦθα παρέξομαι πλατείας ὁδούς. Φιλοσόφει μοι περὶ
κόσμου ἢ κόσμων, περὶ ὕλης, περὶ ψυχῆς, περὶ λογικῶν φύσεων βελτιόνων τε καὶ χειρόνων, περὶ
ἀναστάσεως, κρίσεως, ἀνταποδόσεως, Χριστοῦ παθημάτων. Ἐν τούτοις γὰρ καὶ τὸ ἐπιτυγχάνειν οὐκ
ἄχρηστον, καὶ τὸ διαμαρτάνειν ἀκίνδυνον.“
38
Zugehörige Unterlagen
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