Thema der Woche 12 Vermächtnisse des Propheten Muhammad (S) als religiös-ethische Wegweisungen 1: "Der Neid" Elsayed Elshahed - Kairo/Wien Sozialpsychologische und gesellschaftsethische sowie rein theologische Aspekte enthält der folgende Hadith (Aussage) des Propheten Muhammad (S): Abu Zarr Al-Ghifari (r) sagte: "Mein Herzensfreund (s. A. s.) empfahl mir, die folgenden guten Eigenschaften anzueignen: 1. Er empfahl mir, nicht neidisch auf die übergeordneten Menschen, sondern Gott dankend auf die Untergeordneten zu schauen. 2. Er empfahl mir, die Armen zu lieben und hilfsbereit in ihrer Nähe zu bleiben. 3. Er empfahl mir, die Beziehung zu meinen Blutsverwandten stets fürsorglich zu pflegen (silat ar-rahim). 4. Er empfahl mir, aus Ehrfurcht vor Allah stets Zivilcourage zu zeigen, auch wenn ich dafür kritisiert oder getadelt werden sollte. 5. Er empfahl mir, die Wahrheit stets zu sagen, auch wenn sie für mich bittere Folgen haben sollte. 6. Er empfahl mir, möglichst oft den folgenden Satz zu wiederholen: "Allein durch Allah sind Macht und Kraft zu erlangen (la hawla wala quwata illa billah)". Denn dieser Satz ist ein paradiesischer Schatz" (s. Tabarani, Ibn Hibban und Imam Ahmad). Wir werden diese sechs Vermächtnisse des Propheten Muhammad (S) in mehreren Folgen zusammenfassend behandeln: Neid (hasad) um Vermögen, Position oder Gesundheit und sonstiges ist bekanntlich einer der gefährlichsten Charakterzüge eines Menschen. Er ist nicht nur einer der Hauptursachen für die meisten Kriege und Gesellschaftskonflikte, sondern ebenso eine Ursache für individuelle Persönlichkeitsstörungen, sprich: chronisch tief sitzende psychische Unzufriedenheit. Daher gebietet Allah uns in Sure 113/1u.5, IHN um Beistand gegen Neider zu bitten. Dort heißt es: "Sprich: Ich ersuche um Beistand des Herrn des anbrechenden Morgenlichts vor dem Übel Seiner Geschöpfe, …und vor dem Übel des Neiders, der dem Neid verfällt". Das prophetische Gegenkonzept empfiehlt, anstelle neidisch auf diejenigen zu sein, die mehr haben, dankbar dafür zu sein, dass man mehr als viele andere Menschen besitzt. Dafür soll man Gott dankbar sein. Neid ist hingegen erlaubt, wenn es sich um Wissen, Religiosität oder Menschlichkeit handelt. Dafür gibt es im Arabischen einen anderen Ausdruck, nämlich "Ghibta", bei der man sich in Bezug auf die o. g. guten Charakterzügen wünscht, davon gleich viel wie der andere oder sogar noch mehr zu besitzen. E. Elshahed Thema der Woche 13 Vermächtnisse des Propheten Muhammad (S) als religiös-ethische Wegweisungen 2 "Die Nähe zu den Armen und Hilfsbedürftigen" Elsayed Elshahed - Kairo/Wien 2. Die Nähe zu den Armen und Hilfsbedürftigen ist ein Zeichen des aufrichtigen Glaubens. Die Vernachlässigung der Armen ist dagegen ein Zeichen der Heuchelei und Verleugnung des wahren Glaubens. In Sura 107 (al-ma`un) heißt es: "Erkennst du denjenigen, der den Jüngsten Tag leugnet? Er ist derjenige, der den Waisen unrecht tut. Und der nicht dazu anhält, den Bedürftigen (miskin) zu speisen. Wehe den Betenden, die den eigentlichen Sinn Ihrer Gebete nicht wahrnehmen. Und nur heucheln und Hilfeleistung verweigern". In diesem Zusammenhang richtete der Prophet Muhammad (S) an Allah (T), in einem authentischen Hadith das folgende Bittgebet: "Oh, Allah! Lasse mich als Bedürftiger leben und lasse mich als Bedürftiger sterben und lasse mich unter den Bedürftigen im Jenseits vor dir stehen". In einem anderen unbestrittenen Hadith (muttafaqun `alaih) berichtete Sahl Ibn Sa`d (R) vom Propheten Muhammad (S) folgendes: " Derjenige, der eine Witwe oder einen Bedürftigen versorgt, gleicht demjenigen, der für die Sache Allahs kämpft. Ich glaube. Er (S) habe gesagt: Dieser gleicht einem, der ununterbrochen betet und ebenso demjenigen, der ununterbrochen fastet". Die Verbindung zwischen dem Gebet einerseits und dem sozialen Verhalten eines Menschen wird in dem o. g. Qur`anvers wie auch in den darauf folgenden zwei Hadithen hervorgehoben. Mehr noch wird die Akzeptanz des allerwichtigsten islamischen Gebots, nämlich das Gebet, seitens Allahs (T) von einigen sozialen Verhaltenswiesen abhängig gemacht. Im zweiten Hadith wird die Fürsorge für einen hilfsbedürftigen Menschen, sei es eine Witwe oder ein anderer hilfsbedürftiger Mensch, wie ein ununterbrochener Gottesdienst bewertet. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass sowohl im Qur`anvers als auch in den zwei erwähnten Hadithen von hilfsbedürftigen Menschen im Allgemeinen und nicht nur von Muslimen die Rede ist. Auch hilfsbedürftige Nichtmuslime haben in einer mehrheitlich islamischen Gesellschaft ein Anrecht auf einen Teil der religiös-sozialen Pflichtabgabe der Muslime (Zakat), wie dies in Sura 9/60 manifestiert ist und damit die Universalität der karitativen Arbeit im Islam unterstreicht. E. Elshahed Thema der Woche 14 Vermächtnisse des Propheten Muhammad (S) als religiös-ethische Wegweisungen 3 "Die Verantwortung für die Blutsverwandten" Elsayed Elshahed - Kairo/Wien Die fürsorgliche Verantwortung für die Blutsverwandten (al-arham), insbesondere Waisen und Frauen hat im Qur`an den zweiten Rang als Gottes Gebot direkt nach der Gottes Ehrfurcht. In Sura 4/1 (an-nisa`) lesen wir: "O Ihr Menschen ehrfürchtet euren Herrn, DER euch allen aus einem einzigen Wesen erschuf, aus dem ER seine Gattin erschaffen hat. Und dann aus beiden ließ ER viele Männer und Frauen entstehen. Erfürchtet Gott, DESSEN Namen ihr euch bei allen Bedürfnissen bedient. Ebenso achtet gut (fürsorglich) auf die Blutsverwandten. Gewiss beobachtet Gott euch sehr genau". Der familiäre Zusammenhalt insbesondere unter den Blutsverwandten genießt in der islamischen Weltanschauung einen besonders hohen Rang. Allein die Bezeichnung der Blutsverwandtschaft als "arham“ (Plural von rahim auf Deutsch "Mutterleib") verdient eine genaue Analyse. "Rahim" ist eine philologische Ableitung aus der arabischen Wurzel "rahima". Aus derselben Wurzel wurde das Wort "rahma = Barmherzigkeit" ebenso wie einer der schönsten Namen bzw. Eigenschaften Gottes "Rahman und Rahim" abgeleitet. In der Eröffnungsformel aller Qur`ansuren, mit Ausnahme der 9. Sura, wurden die aus der Wurzel "rahima" zwei der schönsten Namen Gottes "Arrahman“ und „Arrahim" auserwählt. Diese Eröffnungsformel lautet: "Bismillah arrahman arrahim = Mit dem Namen Allahs des Barmherzigen des Allerbarmenden". Diese philologische Verbindung zwischen "Rahim" im Sinne von Verwandtschaft und "Rahman" im Sinne von Gottes Barmherzigkeit wird u. a. im folgenden Hadith von Abu Huraira (R) dargestellt. Er berichtet, der Gesandte Gottes (S) sagte: "Das Wort "ar-Rahim = die Verwandtschaft" und das Wort "ar-Rahman = die Barmherzigkeit Gottes" haben dieselbe Wurzel. Gott sagte zu dem "Rahim" (Mutterleib): „Wer dir wohlgesinnt ist, dem bin auch ich wohlgesinnt. Und wer sich aber von dir abwendet, von dem werde auch ich mich abwenden". (Buchari). Der diesseitige bzw. gesellschaftliche Aspekt dieses Gebotes wird in einem weiteren Hadith von Anas Ibn Malik (R) unterstrichen. Er berichtet, der Gesandte Gottes habe gesagt: "Wer ein langes und glückliches Leben führen möchte, der pflege ein gutes Verhältnis zu seiner Verwandtschaft". E. Elshahed