17. 10. 2006: Badische Zeitung Das Ohr ist für die leisen Töne gemacht. „Musik machen und Musik hören“: Vortrag von Bernhard Richter in Neuenburg informierte rundum Neuenburg am Rhein. Der Vortrag „Musik machen und Musik hören“ mit Bernhard Richter, Arzt für Phoniatrie, vom Freiburger Institut für Musikermedizin, den die Jugendmusikschule Markgräflerland und der MB Kulturverein im Stadthaus initiiert hatten, war nicht nur ausgesprochen unterhaltend. Er war auch überaus informativ, was Hörschäden und die Auswirkungen von zu lauter Musik auf die Gesundheit angeht. Richter arbeitete mit vielen Hörbeispielen und demonstrierte so unmittelbar die Grenzen „gesunden Hörens“. Das Ohr selbst, so erklärte er, ist für leise Töne gemacht, denn es hat eine „Alarmfunktion“ und soll aus diesem Grund geringste Töne wahrnehmen können. Richter: „Wir lernen nicht mehr leise zu hören, denn wir sind einer konstanten Dauerbeschallung ausgesetzt.“ Als angenehm empfanden es auch die Zuhörer, Impressionen einer Schweizer Kuhwiese wahrzunehmen . Ein vorbeibrausender Motorradfahrer, der für sich gesehen das Motorradgeräusch liebt, wurde als störend empfunden. „Lärm kann also sehr individuell wahrgenommen werden – was den einen stört ist für den anderen völlig okay“, so Richter. Schwerhörigkeit ist mittlerweile eine Volkskrankheit. 14 Millionen Menschen leiden in Deutschland daran, nur eine Million trägt ein Hörgerät. Tinnitus ist eine weitere Krankheit, die vornehmlich in Stresssituationen auftritt. Bereits viele Kinder und Jugendliche leiden unter Hörverlust, aber auch Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen, weil sie zu lange und vor allem zu oft laute Musik hören. Nach Disco oder Rockkonzert braucht das Ohr rund zehn Stunden, um sich zu regenerieren. „Auch Musiker in großen Orchestern, wenn sie zum Beispiel neben der Pauke sitzen, sind von Hörschwierigkeiten betroffen, wenn sie keine Schutzmaßnahmen ergreifen“, erklärte der Professor. Hörschutz sei sehr wichtig – auch in Berufen, die viel mit Lärm zu tun haben. Anhand des berühmten Beispiels des zum Schluss tauben Komponisten Beethoven erläuterte Richter, wie sich ein konstanter Hörverlust zeigt und welche sozialen Folgen er beim betroffenen Menschen hat: Zunächst zeigt sich ein Frequenz- und Dynamikverlust, der über Lautheits- in Phasenverlust mündet. Zum Schluss nimmt der Betroffene nur noch wahr, dass sein Gegenüber spricht, kann aber nur noch dumpfe Laute wahrnehmen. Soziale Isolation und Verzweiflung sind oft die Folge. „Blindheit trennt von den Sachen, Taubheit von den Menschen“, fasste Richter zusammen. Als Tipp für alle gab er Paracelsus Ausspruch „Die Dosis macht das Gift“ mit auf den Weg. Sich daran gewöhnen, auch mal etwas leise zu hören und dem Ohr Ruhepausen gönnen sowie Dauerbeschallung zu begrenzen und Kinder nicht vor einen lauten Fernseher zu setzen, das sei ein guter Weg, sich die Hörfähigkeit lange zu erhalten.