Biographie Angiolo Mazzoni Dal Grande

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„ Bauforschung am Postgebäude von Angiolo Mazzoni in Littoria / Latina “
Vortrag Koldewey-Gesellschaft, Breslau am 25.Mai 2006, Redezeit 15-20 min.
(Anlass):

Wenn eine Universität ins Ausland geht, um dort eine Lehrveranstaltung
abzuhalten, braucht es dafür immer auch einen äußeren Anlass, der das
Programm zusätzlich interessant macht und dem Unternehmen eine größere
inhaltliche Tiefe verleit.

Im vorliegenden Fall war es mit Prof. Claudio Greco die Università Tor Vergata in
Rom, die der TU Wien im Jahr 2003 eine Kooperation anbot und das Thema gleich
mitbrachte: Das Postgebäude in Latina des Architekten Angiolo Mazzoni sowie
eine aktuelle Diskussion um die Nutzung und Restaurierung des Gebäudes vor
dem Hintergrund der Fragen nach der Bedeutung des Bauwerks für die Geschichte
der Stadt und der Gesellschaft, Fragen, die in Latina „Littoria“, der ersten
faschistischen Neugründung in der pontinischen Ebene mit seiner heute wieder
rechts-konservativen Stadtregierung bezogen auf ein zentrales öffentliches
Gebäude der „ersten Stunde“ eine besondere Brisanz versprachen.

Schnell wurde klar, dass die von Lokal-Politikern lautstark vorgetragene Forderung
einer originalgetreuen Rekonstruktion des mehrfach stark veränderten Baus
getreu dem Ruf „Come era, dove era“ mangels vorliegender Bauuntersuchungen
nicht wirklich mit heutigen Maßstäben der Denkmalpflege in Einklang zu bringen
war. Und so schien es angebracht, diese Lücke durch ein vertiefendes Studium
von Bauwerk und Quellen im Sinne einer notwendigen Grundlagenarbeit zu
schließen, um danach – auf der Basis gesicherter Gebäudekenntnisse - konkrete
Nutzungs- und Umbauvorschläge zu entwickeln mit dem Anspruch, Lehre und
Wirklichkeit miteinander zu verknüpfen , etwas im „realen Leben“ zu bewirken.
FOLIE Zu Beginn einige Aspekte der Zeitgeschichte welche im Zusammenhang
mit meinem Thema von Bedeutung sind:

Der politische Moment: Die Bauzeit der Post von Littoria zwischen 1932 und 1934
fällt mitten in das „Ventennio“ des italienischen Faschismus. Seit dem Marsch
Mussolinis auf Rom von 1922 sind 10 Jahre vergangen, das Regime hat sich auf
allen gesellschaftlichen Ebenen etabliert und sitzt fest im politischen Sattel. Große
städtebauliche- und Architektur-Wettbewerbe wie jene für das Foro Mussolini /
Foro Italico (1927-1932) oder für den Palazzo del Littorio (1.Phase 1933/34) an
der quer durch das antike römische Forum geschlagenen Via del Impero sind
bereits gelaufen oder stehen bevor. Das ambitionierte Projekt der Trockenlegung
der südlich von Rom gelegenen pontinischen Sümpfe mit seinen
Neustadtgründungen soll einer tief greifenden Umformung eines Teils der
italienischen Gesellschaft hin zu einer nach faschistischen Maßstäben agrarisch
organisierten Landbevölkerung Vorschub leisten. In diesem Prozess, zu dem
meine Vorrednerin uns gerade einen umfassenden Überblick gegeben hat, spielt
Littoria, als erste Neustadtgründung eine Vorreiterrolle.

FOLIE Der kunst- und architekturgeschichtliche Moment: Anders als in NaziDeutschland erfolgt die Einfluchtung der architektonischen Produktion auf die
Vorgaben der Machthaber in Italien sehr viel langsamer. Anfang der 30er-Jahre
noch herrscht hier der so genannte Pluralismus der Stile, in dem die Scuola
Romana, der Klassizismus des Novecento, Razionalismus und Moderne sowie mit
Sant`Elia, Boccioni und Marinetti der italienische Futurismus um die Gunst des
Duce buhlen. Mazzonis Postgebäude in Littoria spielt für die weitere Entwicklung
des Futurismus eine herausragende Rolle, als doch Marinetti dieses kurz nach
seiner Eröffnung Ende 1932 in dem berühmt gewordenen Artikel „Ritmo eroico“ zu
einem wahrhaft futuristischen Bauwerk erklärt und so die Eingliederung Mazzonis
- als damals einzigen bauenden Architekten - in die futuristische Bewegung
vorbereitet (1933). Mazzonis Postgebäude in Littoria und Sabaudia werden in der
Folge zu Vorzeigebauwerken der Bewegung, Mazzoni selbst innerhalb dieser zu
einem Mann der vordersten Linie.

FOLIE Das architektonische Werk: vielen unter Ihnen müsste ich den Architekten
Mazzoni wohl nicht vorstellen, und doch will ich seine Schaffenszeit der
Vollständigkeit halber kurz beleuchten. Geboren 1894 tritt Mazzoni nach
vollendetem Architektur- und Ingenieursstudium 27-jährig in die Bauabteilung der
des italienischen Eisenbahn- und Post-Ministeriums ein, innerhalb dessen er bis zu
seinem Ausschluss aus dem Staatsdienst 1945 – erlitten wegen eben jener
Tätigkeit in einer Organisation des faschistischen Staates - eine steile Karriere
absolviert. Er selbst zeichnet verantwortlich für nicht weniger als 22 realisierte
Postgebäude, 10 verwirklichte Bahnhofsprojekte - der bekannteste unter ihnen
Roma Termini- und mindestens 11 weitere Bauten aus dem Bereich des „Ministero
delle Communicazioni“ in ganz Italien. Die Durchsicht der Bauten macht schnell
einen anfangs virtuos vorgeführten Eklektizismus in der Entwurfshaltung deutlich,
für den Mazzoni zu allen Zeiten scharf kritisiert worden ist. Ab 1933 jedoch zeigen
seine Gebäude eine immer durchgängigere, moderne Sprache, die sein
gesteigertes Durchsetzungsvermögen gegenüber Auftraggebern, kommunalen
Baukommissionen und anderen einflussreichen Kreisen belegt.
FOLIE Die Baugeschichte des Postamtes in Littoria
(1932 Der Ursprungsbau)

Nach Mussolinis Entscheidung vom April 1932, eine bestehende Siedlung zur
ersten Agrargemeinde des Agro Pontino mit Namen Littoria auszubauen, vergehen
nur ca. 6 Monate bis zur Eröffnung von Stadt und Postamt zum 10.Jahrestag im
Oktober. Mazzonis Aufgabe besteht in Littoria erstmals darin, ein Gebäude für
eine noch nicht existente Stadtstruktur zu entwerfen, die in ihrer Gesamtheit in
Planung und Ausführung einem bis dato völlig unbekannten Architekten, Oriolo
Frezzotti, übergeben wird. Der dem Postamt zugewiesene Bauplatz liegt innerhalb
der neuen Stadtstruktur geradezu versteckt im Rücken der rechteckigen Piazza
del Littorio, fast ohne jede Beziehung zu den anderen öffentlichen Gebäude der
Stadt, jedoch in einem eigenen Platz-ähnlichen Bereich.

(PP ergänzen) FOLIE Nach einem ersten, im Mazzoni-Archiv des MART erhaltenen
Vorentwurf, der volumetrisch äußerst reduziert seine Vorbilder in ländlichen
Typologien zu suchen scheint – der Bau erscheint wie ein 2-geschossiges
Bauernhaus mit flach geneigtem Dach und inszenierter Freitreppe zum
Obergeschoss – gerät der zweite, FOLIE realisierte Entwurf deutlich expressiver.
In ihm beginnen sich eine ganze Reihe von Elementen, an erster Stelle der hohe
Uhrenturm und der runde Treppenturm, aus dem streng begrenzten Volumen der
ersten Fassung herauszuschälen und durch Proportion, Ausrichtung und
Materialität zueinander in Beziehung zu treten. Während die für Mazzoni typische,
handwerkliche Verwendung des Backsteins für alle Außenwandflächen die
Anlehnung der Architektur an die neue ländliche Siedlung sucht und die aus
Travertin bestehenden Türportale, Fensterrahmungen, Sockel und Treppenanlagen
den Bau nobilitieren, stehen im Gegensatz dazu die aus einer neuartigen
technischen Metall-Legierung („Anticorodal“) gefertigten, ausbauchenden und die
Fensterachsen fassadenhoch zusammenfassenden Schutzgitter zur
Mückenabwehr, die dem Gebäude einen geradezu industriellen Ausdruck verleihen
und es zugleich um seinen menschlichen Maßstab bringen. Und eben diese
Anleihen an eine Maschinenästhetik sowie die bewusste Kombination heterogener
Materialien, die sich im Inneren des Baues in gesteigerter Form fortsetzt, sind
wohl ausschlaggebend für die euphorische Stellungnahme Marinettis, welcher in
dem Bau den „heroischen Rhythmus futuristischer Architektur“ erkennen wollte.
(1934 Erweiterungsbau)

Doch soll das hochgelobte, in in- und ausländischen Zeitschriften publizierte
Bauwerk in seiner Ursprungsform nicht von langer Dauer sein. Schon ein Jahr
später, 1933, beschließt die Staatsführung, Littoria zur Hauptstadt einer neu
geschaffenen Provinz zu machen, mit der Folge radikal veränderter
administrativer Anforderungen an das nunmehr viel zu kleine urbane Zentrum.
Frezzottis daraufhin einsetzende Stadt-Umplanungen sehen eine Aufwertung der
bisherigen orthogonal zum Hauptplatz stehenden sekundären Straßenachsen vor,
in deren Folge sich Mazzonis Postgebäude stärker als zuvor im Fokus
städtebaulicher Sichtweisen wiederfindet. FOLIE Mazzoni erhält den Auftrag für
die Erweiterung des Postamtes im Frühjahr 1934 und ein erhaltener Briefwechsel
sowie eine ganze Reihe von Planungsvarianten zeugen von den harten
Auseinandersetzungen des Architekten mit den neuen Vorgaben von Stadtplanung
und Baukommission. So wird denn ein erster vom Ministerium bestätigter Entwurf,
welcher einen zum ersten parallel gestellten zweiten Baukörper vorsieht und
ersteren nur durch eine leichte Brücke erschließt, im Mai 34 zurückgewiesen, mit
der expliziten Aufforderung, den Anbau in der Achse des Viale Principessa di
Piemonte zu positionieren. 4 weitere in der Folge erarbeitete Grundriss-Varianten
mit orthogonal zum Altbau gedrehtem Zubau belegen die Suche Mazzonis nach
einem möglichst sensiblen Anschluß der beiden Baukörper, in 2 Varianten
realisiert durch eine kleine zwischengeschaltete Piazzetta. In den Briefen aus jener
Zeit spiegelt sich auch die offensichtlich erbittert geführte Diskussion um die so
emblematischen Mückengitter, die – vom Architekten in jedweder Form gewollt
und mit cleveren Argumenten gestützt – von den öffentlichen Stellen schließlich
unter Verweis auf den - angeblich - errungenen Sieg über die Malariafliege
verhindert werden. FOLIE Eine Folge von 4 Axonometrien spiegelt den Stand der
Diskussion im Juli 1934 wieder, als nunmehr klar ist, dass Zubau und Altbau
direkt angeschlossen werden und die den Gesamtbau vereinheitlichend
umschließenden „Zanzariere“ nur noch wie in einem letzten Aufflackern dieser
zunächst so erfolgreichen Idee in einer letzten Variante präsentiert werden. FOLIE
Und doch weisst das ausgeführte Bauwerk zu dieser letzten Variante die meisten
Parallelen auf: denkt man sich die Mückengitter weg, entsprechen sich
Entwurfshypothese und Erweiterungsbau in fast allen Einzelheiten. Weder das
Zusammenspiel von Alt und Neu FOLIE
noch die unter äußerem Druck
herbeigeführte städtebauliche Lösung wirken jedoch überzeugend: Der neue
Baukörper ragt wie ein Kirchenschiff viel zu lang und gleichförmig in den
Stadtraum, ohne Eingang und Hauptfassade im Westen wendet er sich
keineswegs dem Viale zu, sondern stößt, einem Schwert gleich, in diesen hinein.

FOLIE
Die Innenräume dagegen können – ganz der gestalterischen Freiheit des
Architekten anheimgestellt – in Form und Materialität im Stil der ersten Bauphase
gestaltet werden. Sie zeigen eine ungewöhnliche, für Mazzonis Interieurs typische
Mischung aus traditionell wirkenden, verklinkerten Wandflächen, in die scheinbar
zwanglos Rundbogenöffnungen neben geraden, schlitzartigen Fensterausschnitten
stehen. Ergänzt werden sie um Tischplatten aus schwarzem Granit, verzinkten
Lampeneinfassungen und Handläufen auf dunklen Holztüren.
(1942/43)
Adaptierungen bei Kriegsende

FOLIE
Abgesehen von baulich geringfügigen, inhaltlich jedoch bedeutsamen
Veränderungen des Bauwerks gegen Kriegsende – für das Jahr 1942 entnimmt
man den Archivmaterialien die Planung für einen 33 mal wiederholten Schriftzug
„Vincere“ (Siegen!), welcher auf dem Treppenrundturm der Nordfassade appliziert
wird, 1943 dann aber erfolgt die Demontage der „Fasci littori“, Insignien der
Macht einer nunmehr gestürzten politischen Klasse – und größere bauliche
Umgestaltungen stellen sich erst wieder mit den Ereignissen der 60er Jahre ein.
(1964 Erweiterung und Zerstörung)

FOLIE
In das Jahr 1964 datiert schließlich die letzte umfassende Umgestaltung
des Postgebäudes in Littoria, nunmehr Latina. Der Druck einer rasch wachsenden
Mittelstadt zwingt abermals – wie schon 30 Jahre zuvor - zu einer
Volumenverdopplung des Bauwerks. Der Umstrukturierung der inneren Abläufe
des Postamtes fallen dabei nicht nur sämtliche Interieurs der 30er Jahre zum
Opfer. Das von Mazzoni selbst noch beim Bau der Phase 2 vehement verteidigte
Ursprungs-Bauwerk wird jetzt – in vollständiger Ignoranz seiner Geschichte –
nahezu gänzlich ausradiert und durch einen funktionalen Zweckbau im Stile einer
unambitionierten Nachkriegsarchitektur ersetzt. Der Bau eines Tiefgeschosses
macht dabei auch im Erdreich „tabula rasa“, eine Zufahrt zu demselben verändert
zusätzlich die bis dahin ohnehin nicht sonderlich spannende Südfassade des
Erweiterungsbaus. Von dem futuristischen Vorzeigebauwerk des Jahres 1932
bleibt nicht mehr bestehen, als die stark plastisch ausgeformte und nun als
Schaufront inszenierte Nordfassade, die für den überdimensionierten Neubau an
städtebaulich ungelöster Stelle bis heute als Haupteingangsfront fungiert.
(2004 Bauaufnahme und Bauforschung)

FOLIE
Soweit zur Baugeschichte des Postgebäudes in Latina, so weit sie sich aus
den Quellen erschließen lässt. Der eingangs erwähnte Workshop mit Studierenden
der TU Wien setzte an dieser Stelle an und versuchte die Befunde am Bau mit der
Quellenlage abzugleichen. Zurückgreifen konnten wir damals auf einen Großteil
des eben gezeigten Materials, eine italienischen Diplomarbeit zur Baugeschichte
des Postgebäudes, und die im gleichen Zeitraum in Latina gezeigte Ausstellung
„ANGIOLO MAZZONI DEL GRANDE e l`edificio postale di Littoria – Latina“
(24.Okt.-23.Nov.2003). Vor dem Hintergrund des reichhaltig vorhandenen
Grundlagenmaterials, der relativ kleinen Studentengruppe und begrenzten
Zugangsmöglichkeiten zu den nach wie vor intensiv genutzten Innenräumen, bot
sich eine komplette Neuaufnahme des Gebäudes nicht an. Vielmehr wurden ein
Erdgeschoss-Grundriss der erhaltenen Mazzoni-Bauteile und ein Vertikalschnitt der
Bauphase 2 angefertigt, FOLIE
weiters fanden Befundanalysen und
Schadenskartierungen unter anderem auf der Basis photogrammetrisch erstellter
Fassadenansichten von ausgewählten Bereichen statt.
Einige Ergebnissen der Bauuntersuchung:

FOLIE
Erstens:
Die Untersuchung des Ziegel-Mauerweks hat die Nutzung zwei
unterschiedlicher Ziegelformate ergeben: während der konstruktive Kern aus
Ziegeln der Höhe 5cm besteht, zeigen sich bei den dünneren Ziegeln der
Mauersschalen trotz des zeitlich kurzen Abstands der beiden ersten
Hauptbauphasen zueinander mit 27 bzw. 27,5/28cm leicht abweichende
Ziegellängen. Dieser Befund erlaubt die grundsätzliche Unterscheidbarkeit der
beiden Bauphasen und die genaue Definition ihrer Anschlusspunkte, hier
nachgewiesen an einem der beiden letzten Pfeiler der Westfassade des ersten
Baus. FOLIE

.....
Zweitens: FOLIE
Aus dem zitierten Briefwechsel des Jahres 1934 ist bekannt,
dass Mazzoni schließlich auch am Ursprungsgebäude den Rückbau der
Mückenschutzgitter vornehmen muss (im Bild links unten die Montage derselben).
Photos aus der Bauzeit bzw. vor diesem Datum entstandene Bilder zeigen, dass
sich in den großen Leibungen zwischen den Strebepfeilern – eventuell aus
Kostenspargründen und um die Reflektion des Lichtes zu verstärken – kein
Sichtmauerwerk, sondern weiße Putzflächen befanden. Diese waren – wie in einer
motivischen Aufnahme großer Steinquader – mit dem Sicht-Mauerwerk verzahnt.
FOLIE
Die Kombination einer Bauzeichnung der betreffenden Stelle mit einer
Entzerrung des Wandabschnitts ermöglicht es, die unterschiedliche Herkunft der
Ziegel im Grenzbereich nachzuweisen. Da ja die Putzflächen nach Abnahme der
Mückengitter im Jahr 34 nachträglich mit Sicht-Mauerwerk verkleidet werden
mussten, wurden dazu eben jene längeren Ziegel der Bauphase 2 benutzt.

Drittens:
FOLIE
Aus dem Abgleich der Gebäude- und Baudetailmaße geht
hervor, dass sämtliche Wandraster und Öffnungen einem maßlichen Grundmodul
unterliegen und alle Portaltypen und Fenster baugleich ausgeführt wurden. Grund
dafür wird sicher die vom Architekten gewollte Einheitlichkeit der Erscheinung
zwischen der 1. und 2. Bauphase gewesen sein. Aus dieser Erkenntnis lässt sich
die prinzipielle Wiederverwendbarkeit der aufwändigeren Bauteile folgern. FOLIE
Für den konkreten Fall des 1934 von Mazzoni entfernten Westportals (hier gelb
kartiert), dessen Fahnenmastkonstruktion im Dachgesims eine heute noch
sichtbare Aussparung erforderte (im Bild oben rechts sichtbar), FOLIE
kann
daher ein neuerlicher Einbau als Nord- oder Südportal vermutet werden.

Viertens:
FOLIE
Nach Kenntnis der Quellenlage und Beobachtungen am Bau
lassen sich die Befunde am Nordportal des ersten Postamtes leicht erklären: Die
Einführung der 3-Geschossigkeit in diesem Teil des Bauwerks im Jahre 1964 hatte
die Demontage der alten Fenstergewände aus Travertin (ergänzte Wandflächen
sind Grün kartiert) und den Einbau eines Beton-Sturzes in der Fassadenebene
(blau) zur Folge. Das alte Dachgesims konnte jedoch als das ursprüngliche
Stahlbetonbauteil erhalten bleiben, obwohl es von den neuen Fenstern des 2.
Obergeschosses hinterschnitten wird. FOLIE
Die Rekonstruktion macht den
Urzustand mit den beiden Fenstern im Obergeschoss wieder sichtbar.

Fünftens: FOLIE
Anlass für den Umbau des Südportals zu Fenstern war im Jahre
1964 der Bau einer Kellerzufahrt (rechts im Bild die Situation seit 1934, links die
Analyse). In Blau kartiert sind die in Beton und Stuck ergänzten Bauelemente.
Wegen der für die Standard-Fenster des Obergeschosses vorgegebenen Höhen
mussten die zuvor über dem Portal montierten und eigentlich von ihrer Geometrie
gar nicht passenden Fensterbänke um ca. 30 cm nach unten versetzt werden (in
schwarz gestrichelt ihre alte Lage). Die nach Abriss des Portals frei liegenden
Wandflächen wurden mit wieder verwendetem Ziegelmaterial aus dem Abriss von
Bauphase 1 ergänzt (Grün kartiert). FOLIE
Wie unregelmäßige Anschlüsse des
Kreuzverbandes in Höhe der ehemaligen Portaloberkante zeigen, waren auch die
Pfeilervorderseiten vom Austausch der Ziegelschale betroffen. FOLIE
Detailaufnahmen der Ziegelflächen der hinteren Wandflächen zeigen einmal mehr
die Schwierigkeiten, die die Ausführenden beim Anschluss des zu ergänzenden
Kreuzverbandes an den bestehenden hatten. FOLIE
Im rechten Bild noch einmal
die komplexe Situation an der Kontaktstelle zwischen erster Bauphase (blaue
Ziegel), zweiter Bauphase (rote Ziegel) und den Veränderungen der 60er Jahre,
bei denen Abrissziegel der Phase 1 wiederbenutzt wurden (grün kartiert).

Ich möchte hier nicht weiter auf die andere Einzelergebnisse der Bauaufnahme
eingehen, vielmehr möchte ich die Hauptbauphasen kurz zusammenfassen.
(Zusammenfassung)

FOLIE
1. Bauphase 1932_Von der Bausubstanz des Ursprungsbaus hat sich
lediglich die zusammenhängende Abfolge der Nordfassade mit dem Uhrenturm,
dem Hauptportal und dem runden Treppenturm erhalten, außerdem 2 weitere
Pfeiler der Westfassade und Teile des Dachüberstands. Die ursprüngliche Wirkung
der Fassade aber wurde schon 1934 durch die Entfernung der „Zanzariere“ stark
verändert, Bauphase 1 ist heute reduziert auf eine Schauarchitektur im
städtischen Raum

FOLIE
2. Bauphase 1934_Die Bausubstanz des Erweiterungsbaus ist in seinen
statisch-konstruktiven Teilen vollständig erhalten, einige Fassadenabschnitte sind
allerdings verändert durch den Umbau der beiden Nordportale. Die Architektur
dieser Phase überlebt in der durch Mazzoni nur unter äußerem Druck
verwirklichten Form. Die Innenräume wurden in beiden Geschossen vollständig
verändert, dadurch sind uns keine Ausstattungsdetails erhalten geblieben.

FOLIE
3. Bauphase 1964_Der funktionale Gewerbebau der Phase 3 realisiert
eine Verdoppelung des Gebäudevolumens. Fast ohne jeden Anspruch an
Gestaltung und ohne Rücksicht- oder Bezugnahme auf die Vorgängerarchitektur
und auf städtebauliche Erfordernisse wird er in der Diskussion in Latina als
öffentliches Ärgernis betrachtet.
Abschließend möchte ich – ohne nähere Erläuterung – stellvertretend 2 der
entstandenen Architekturprojekte von Studierenden der TU Wien zeigen, die –
sensibilisiert durch die bauhistorische Auseinandersetzung mit dem MazzoniGebäude – zu unterschiedlichen, in allen Fällen aber sehr inspirierten Entwürfen
gefunden haben.
(Studentenprojekte)

Jan Holubowsky: „MAZZONI 3“, Neubau auf dem Grundriss und im konstruktiven
Raster des ersten Mazzoni-Baus, Rückführung auf originales Volumen und Gestalt
unter Verwendung eines neuen Gebäudeentwurfs, Nutzung des Neubaus als
„Universitäts-Institut für Faschismus-Forschung in der Architektur“

Matthäus Barthofer: „BUILDING IN PROGRESS“, Konzept des allmählichen
Wachsens von Architektur wird in die Zukunft projiziert, der Umbau wird als ein
Prozess der Demontage und stetigen Aneignung der Flächen durch neue Nutzer
angelegt, Entkernung der Schnittstelle mit Gestaltung eines großen
Vortragssaales, Verkleidung des alten Gerüsts nach einem flexiblem
Fassadenschema mit vielen Durchblicken.
2006 (Aktuelle Planung?)

Und wie geht es weiter mit der Angelegenheit des Postgebäudes in Latina? Den
letzten Nachrichten nach zu schließen, ist die Diskussion um eine Umnutzung und
einen Umbau des Bauwerks mit dem Regierungswechsel im April etwas ins
Stocken geraten, mit ungewissem Ausgang... Die TU Wien und die Università Tor
Vergata jedenfalls planen, die Ergebnisse ihres Workshops mit Fachbeiträgen der
Lehrenden und den Studierenden-Projekten im kommenden Jahr in einer
Publikation herauszugeben, um auf diese Weise jedenfalls im Rahmen des
Möglichen einen kleinen Beitrag zu dieser Diskussion zu liefern.
Biographie Angiolo Mazzoni Dal Grande
1894-5-21
Geburt in Bologna
1905
Umzug nach Rom;
Futurismus Marinettis, Künstlerische Werke von Boccioni und Balla;
Architektur J.Hoffmanns (Österreich.Pav. auf der `Esposizione
Internazionale di Belle Arti´, Valle Giulia 1911)
1914
Scuola d`Applicazione per Ingegneri di Roma (Inskription)
Lehrer G.Giovannoni, G.B.Milani, V.Fasolo
1919
Laurea in “Ingegneria Civile” in Rom
1921
Eintritt “Servizio Speciale Lavori Ferrovie dello Stato” in Milano,
später in Bologna
vor 1922
Mitarbeit bei Marcello Piacentini
1922
Laurea in “Architettura” in Bologna
1924
“Servizio Lavori e Costruzioni” in Rom
1932
“Ispettore Capo”
“Commendatore della Corona d`Italia”
Einweihung der Post in Littoria, Bekanntschaft Marinettis
1932-12-19
Artikel Marinettis „Ritmo eroico“ Lob der Architektur Mazzonis
(Veröffentl. in `Gazetta del Popolo´)
1932-12-25
(Veröffentl. in `Futurismo´)
1933-5-14
Anschluß an die futuristische Bewegung
seit 1933
Hrsg. von `Sant`Elia´ und `Artecrazia´ (mit M. Sommenzi)
1933-1935
Post in Sabbaudia (`Emblem´ der futurist. Architektur Mazzonis)
seit 1934
Mitglied im Künstlerrat von `Stile futurista´ und `La Città Nuova´
1934-1-27
Futuristisches Manifest (`Gazzetta del Popolo´)
1934-2-01
Futuristisches Manifest (`Sant`Elia´)
nach 1945
Ausschluß aus dem Staatsdienst
1948
Emigration nach Kolumbien, Lehre an der Universität von Bogota
1963-79
zurückgezogenes Leben in Rom
Bauten und Projekte 1923-1943
1923
Wohnbauten für Eisenbahner, Bologna
1925-1933
Colonia Marina „Il Calambrone“ zw. Pisa und Livorno
1925
Dopolavoro Ferroviario, Rom, Via Bari
1926
Wohnbauten für Eisenbahner, Rom, Via Bari und Via Como
1926-1928
Postgebäude in Nuoro
1926-1929
Postgebäude in Ferrara (Einweihung 1930)
1927
Postgebäude in Novara
1927-1928
Wohnbauten für Eisenbahner, Chiusa
1927-1928
Wohnbauten für Eisenbahner, Meran
1927-1928
Bahnhof in Bozen (Bolzano)
1928-1929
Casa del Fascio in Passirano
1930-1931
Bahnhof am Brenner (1.Phase)
1930-1931
Postgebäude in Bergamo (Einweihung 1932, Anno X)
1930-1931
Postgebäude in La Spezia (Einweihung 1932, Anno X)
1930-1932
Postgebäude in Agrigent
1930-1932
Postgebäude in Grosseto
1930-1933
Postgebäude in Massa
1930-1933
Postgebäude in Gorizia (Projekt seit 1929)
1930-1933
Postgebäude in Varese
1930-1934
Postgebäude in Palermo (Projekt seit 1928)
1930-1934
Postgebäude in Trento (Projekt seit 1929)
1931-1932
2 Projekte für Bahnhof S.M.Novella in Florenz
1932/8-1933/1
3 Projekte Wettbewerb Bahnhof S.M.Novella in Florenz
1932
Postgebäude in Littoria (Latina)
1932
Bahnhof in Littoria (Latina)
1932-1933
Centrale Termica am Bahnhof in Florenz
1932-1934
Postgebäude in Ostia/Lido (1.Projekt 1932)
1933-1934
Cabina Apparati Centrali am Bahnhof in Florenz
1933-1934
Postgebäude in Abetone
1933-1935
Postgebäude in Sabbaudia
1933-1935
Bahnhof in Siena
1933-1937
Bahnhof in Montecatini Terme
1934-1935
Erweiterung des Postgebäudes Littoria (Latina)
1934-1935
1.Erweiterung des Bahnhofs in Littoria (Latina)
1934
Postgebäude in Ragusa (Projekte seit 1926, Realisierung des 4. Entwurfs)
1934
Wettbewerbsprojekt für Bahnhof S.Lucia, Venedig
1934-1936
Bahnhof in Trento
1934-1936
Villino Falcone in Grottaferrata
vor 1935
Sendestation in Fiumicino
1935
Postgebäude in Pontinia (Projekt nicht ausgeführt)
1935
Postgebäude in Pola
1935
Bahnhof in Reggio Emilia
1935-1936
Istituto industriale alla Garbatella, Rom
1935-1937
Postgebäude in Pistoia (erste Studien seit 1932)
1935-1937
1936
1936-1939
Projekt für Bahnhof Milano Porta
Bahnhof am Brenner (2.Phase)
Projekt für Stazione Marittima in Messina (realisiert?)
vor 1937
Centrale Termica Bahnhof S.Lucia in Venedig
1937-1938
Bahnhof in Reggio Calabria
1937-1939
Postgebäude in Messina
1937-1943
Projekte für Bahnhof S.Lucia, Venedig (mit Vallot)
1938-1939
Bahnhof S.M.Novella in Florenz, Sala Informazioni
1936-1939
Projekt für Zentral-Bahnhof in Triest
1939-1943
Bahnhof Roma Termini, Rom (Projekte seit 1937)
1940
2.Erweiterung des Bahnhofs in Littoria (Latina)
1940
Projekt für Bahnhof Roma Trastevere, Rom
Geschichte des Faschismus in Italien
1922
Marsch auf Rom
1936
Mussolini auf dem Gipfel seiner Macht
1942
Internationale Ausstellung in Rom (E42)
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