Die magische „4“

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Die magische „4“
Metzingers schon frühe Vorliebe für Mathematik, seine Nähe zu wissenschaftlichen,
philosphischen und esoterischen Themen im Rahmen der Groupe de Puteaux, bzw.
der Section d’Or, mit den Mitgliedern verschiedenster Aszendenz geistiger
Spekulation wie Marcel Duchamp, Kupka, Delaunay oder Princet, stellt sich
unweigerlich die Frage, ob über die „natürliche“ Herkunft und ihre Evolution ins
Übersinnliche jener „4“ in zwei Zeichnungen, drei Gemälden unserer Coureurs
cyclistes, der „IIII“ in L’Horologe, einer“ 24“ am Kragen des Schachspielenden
Soldaten der Sammlung Shapiro von 1915/16, einer Turmuhr-Zeigerstellung im
Gemälde Paysage von 1912 (Robbins/Moser Abb.125) schliesslich der „4“ in La
Loterie foraine von 1925 (mit 2, 7 und 8) und besonders prominent in La Jongleuse
1926, die Punkte auf Dominos und Würfeln (etwa in Femme nue allongée mit vier
Citrusfrüchten, vier Buchbänden und zwei Würfelseiten) lediglich eine Marotte oder
Gewohnheit darstellte, oder tiefere Bezüge ausdrücken wollte.
Die Vier ist die am ausgiebigsten mit Bedeutungsinhalten befrachtete Zahl seit der
vier Elementenlehre des Empedokles, der Zahlemmystik des Pythagoras, der
hebräischen und christlichen Exegetik, der mittelalterlichen Alchemie, der Allegoristik,
der Pysiognomik, der Harmonienlehre, der Musik und Gestaltphilosophie. Auch
Geometrie, Arithmetik, Physik, Astronomie und Kalendarik auf der einen und
Mythologie, Kabbala, Kosmologie und Symboldeutung auf der anderen Seite geben
der Vier einen unübersehbaren Vorrang. Schon der Universalgelehrte Heinrich
Cornelius von Nettesheim (1486-1535) listet in seiner „Leiter der Zahl Vier“ 31
Kategorien von naturgesetzlichen, menschlichen, himmlischen, unterweltlichen und
geistigen Bezügen mit je vierfachen Unterordnungen auf1. Die Vier hat
kulturübergreifend auf allen Kontinenten die verschiedensten physiologischen,
magischen, moralischen Symbolgehalte. Ihre mathematische Symmetrie, ihr
Assoziationsreichtum trotz Einfachheit und Naturevidenz ist anderen Zahlen
überlegen und macht sie zur Kardinalchiffre der Religionen und Philosophien.
Das Aufkommen der Spekulationen um die vierte Dimension seit dem Ende des
19.Jahrhunderts ist somit nicht eine Neuheit der theoretischen Forschung, sondern
eher eine Fortsetzung und Krönung geistiger Exerzitien seit den Anfängen der
Beschäftigung des Menschen mit seinem Sein und seiner Existenz.
Metzingers wohl mehr synthetisches denn analytisches Denken konnte aus den
multiplen Herkünften seines Wissens schöpfen und seine Vier aus mehreren
Assoziations- Quellen kombinieren, ob nun bewusst oder instinktiv sei dahingestellt,
weil für einen Künstler weniger relevant.
1Heinrich
Cornelius von Nettesheim, De occulta philosophia 1509 2.Buch, 7.Kapitel
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