Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung HISTORISCHE ENTWICKLUNG..................................................................................................................... 3 QUETELET (1835:“SOZIALE PHYSIK“)................................................................................................................. 3 COMTE, AUGUST ................................................................................................................................................. 3 LE PLAY .............................................................................................................................................................. 3 SOZIALE DATEN ................................................................................................................................................ 3 DEFINITION ......................................................................................................................................................... 3 PROBLEME .......................................................................................................................................................... 3 BEURTEILUNGSKRITERIEN .................................................................................................................................. 3 FORSCHUNGSABLAUF..................................................................................................................................... 4 PHASE 1: PROBLEMBENENNUNG ......................................................................................................................... 4 Exkurs: Theorien ........................................................................................................................................... 4 Kriterien: ....................................................................................................................................................... 4 Arten: ............................................................................................................................................................. 4 PHASE 2: OPERATIONALISIERUNG ....................................................................................................................... 5 Exkurs: Hypothesen ....................................................................................................................................... 5 PHASE 3: FORSCHUNGSDESIGN ........................................................................................................................... 6 PHASE 4: GÜTEKRITERIEN UND PRETEST ............................................................................................................ 7 Reliabilität und Validität ............................................................................................................................... 7 Verständlichkeit von Fragen ......................................................................................................................... 7 Klarheit von Kategorien ................................................................................................................................ 8 ZUSAMMENFASSUNG........................................................................................................................................... 8 DIE BEOBACHTUNG ......................................................................................................................................... 8 DEFINITION ......................................................................................................................................................... 8 GESCHICHTE ....................................................................................................................................................... 9 Exkurs: Quantitative Sozialforschung ........................................................................................................... 9 Kritikpunkte: ................................................................................................................................................ 10 Exkurs: Qualitative Sozialforschung ........................................................................................................... 10 ANWENDUNGSGEBIETE ..................................................................................................................................... 11 BESTANDTEILE DER BEOBACHTUNG ................................................................................................................. 11 Beobachtungsfeld ........................................................................................................................................ 11 Beobachtungseinheiten ................................................................................................................................ 11 Beobachter................................................................................................................................................... 12 Beobachtete ................................................................................................................................................. 12 FORMEN DER BEOBACHTUNG............................................................................................................................ 12 Selbstbeobachtung versus Fremdbeobachtung ............................................................................................ 12 Strukturiert versus unstrukturiert ................................................................................................................ 12 Verdeckt versus offen ................................................................................................................................... 13 Passiv teilnehmend versus aktiv teilnehmend .............................................................................................. 13 Klassifikation ............................................................................................................................................... 14 DIE QUALITATIV TEILNEHMENDE BEOBACHTUNG ............................................................................................. 14 Merkmale des Forschungsablaufs ............................................................................................................... 14 Forschungsablauf ........................................................................................................................................ 14 Feldzugang .................................................................................................................................................. 14 Rollendefinition bzw. Rollenwahl ................................................................................................................ 15 Datenerhebung und Auswertung ................................................................................................................. 15 Feldrückzug ................................................................................................................................................. 16 Anwendungsgebiete ..................................................................................................................................... 16 PROBLEME WISSENSCHAFTLICHER BEOBACHTUNG ........................................................................................... 16 Selektive Wahrnehmung .............................................................................................................................. 16 Teilnahme des Beobachters im Feld ............................................................................................................ 16 Forschungsethische Fragen ........................................................................................................................ 16 DIE BEFRAGUNG ............................................................................................................................................. 17 ALLTÄGLICHE UND WISSENSCHAFTLICHE BEFRAGUNG..................................................................................... 17 Stimulus-Response-Modelle......................................................................................................................... 17 Stimulus-Person-Response .......................................................................................................................... 17 1 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Sprache als Störfaktor ................................................................................................................................. 17 Normensyndrome ......................................................................................................................................... 18 Verbindliche und unverbindliche Antworten ............................................................................................... 18 Artefakte ...................................................................................................................................................... 18 Asymmetrische Motivation .......................................................................................................................... 18 FORMEN DER BEFRAGUNG ................................................................................................................................ 19 Wenig strukturiert bis stark strukturiert ...................................................................................................... 19 Mündlich – schriftlich .................................................................................................................................. 20 Interviewerverhalten: weich, hart, neutral .................................................................................................. 20 Schriftliche Befragung ................................................................................................................................. 20 Telefoninterviews ......................................................................................................................................... 22 STRUKTURIERTE – UNSTRUKTURIERTE INTERVIEWS ................................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. Offene Konzepte.............................................................................................. Error! Bookmark not defined. Befragung in Gruppen ................................................................................................................................. 21 Leitfaden-Befragungen ................................................................................................................................ 22 Narratives Interview .................................................................................................................................... 21 Befragung mit Fragebogen .......................................................................................................................... 22 STANDARDISIERTES UND NICHT-STANDARDISIERTER FRAGEBOGEN ................................................................. 23 Offene und geschlossene Fragen ................................................................................................................. 23 Direkte und indirekte Fragen ...................................................................................................................... 24 Fragen nach unterschiedlicher Zentralität von Meinungen ........................................................................ 24 FRAGENFORMULIERUNG – FAUSTREGELN ......................................................................................................... 25 FRAGEBOGENSTRATEGIE ................................................................................................................................... 25 Evaluierung des Fragebogens ..................................................................................................................... 26 DAS EXPERIMENT ........................................................................................................................................... 26 GRUNDBEDINGUNGEN ....................................................................................................................................... 27 VERSCHIEDENE ARTEN VON EXPERIMENTEN .................................................................................................... 27 Labor- und Feldexperiment ......................................................................................................................... 27 Projektives Experiment und ex-post-facto-Verfahren .................................................................................. 27 Simultan- und sukzessives Experiment ........................................................................................................ 27 Simulation und Planspiel ............................................................................................................................. 28 KONTROLLE VON EXPERIMENTEN ..................................................................................................................... 28 Technik der Kontrolle .................................................................................................................................. 28 Probleme der Kontrolle ............................................................................................................................... 29 EINWÄNDE GEGEN DAS SOZIALWISSENSCHAFTLICHE EXPERIMENT................................................................... 29 Self-fulfilling und Self-destroying prophecy ................................................................................................ 29 Selektivität des Experiments ........................................................................................................................ 29 Ethnische Vorbehalte ................................................................................................................................... 29 DIE INHALTSANALYSE.................................................................................................................................. 29 GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG ..................................................................................................................... 30 DIE DESKRIPITVE INHALTSANALYSE ................................................................................................................. 30 DIE INFERENTIELLE INHALTSANALYSE ............................................................................................................. 31 DIE KOMMUNIKATIVE INHALTSANALYSE .......................................................................................................... 31 DIE QUALITATIVE INHALTSANALYSE ................................................................................................................ 31 DER FORSCHUNGSABLAUF ................................................................................................................................ 32 Qualitative Analyseverfahren ...................................................................................................................... 32 VERLÄßLICHKEIT UND GÜLTIGKEIT .................................................................................................................. 33 AUSWERTUNG DER ERHOBENEN DATEN ............................................................................................... 33 GRUNDLAGEN ................................................................................................................................................... 33 Skalierungsverfahren ................................................................................................................................... 33 AUFBEREITUNG DER ERHOBENEN DATEN ......................................................................................................... 34 ANALYSE DER AUFBEREITETEN DATEN ............................................................................................................. 34 AUSWERTUNG ................................................................................................................................................... 35 Beschreibende Auswertungen ...................................................................................................................... 35 Analytische Verfahren ................................................................................................................................. 35 Auswertung mehrerer Merkmale im Zusammenhang .................................................................................. 35 2 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Historische Entwicklung Quetelet (1835:“Soziale Physik“) Wollte die Abhängigkeit des Menschen von verschiedenen Faktoren mit statistischen Mitteln beweisen zb Zusammenhänge zwischen Körpergröße, Fruchtbarkeit, Anzahl der Eheschließungen, intellektuellen Fähigkeiten etc. Comte, August Hat erstmals den Begriff „Soziologie“ verwendet, betrachtete die Soziologie aber auch als eine Art Naturwissenschaft. Stellte die Behauptung auf, Empirie ohne Theorie sei unmöglich. Le Play Vorläufer der Zeitstudien über Menschen und Familien. Hat als erster die Bedeutung biographischer Details erkannt und wollte zu individuellen Fällen möglichst viele Details sammeln und in Monographien verwerten. Hat die Familie als elementare soziale Einheit betrachtet und drei Kategorien von Gesellschaften identifiziert: Einfache und glückliche Komplizierte, aber immer noch einigermaßen glückliche Komplizierte und leidige Soziale Daten Definition Systematisch erhobene Aspekte der sozialen Wirklichkeit Probleme Publizistische Verkürzung: nur Daten, nicht aber die dahinterstehende Theorie und Methode werden veröffentlicht Mißbrauch: alte Daten werden als neue ausgegeben etc. Beurteilungskriterien Nicht nur die Daten alleine, sondern auch Hinweise über ihre Entstehung, die Methode der Erhebung etc. sind von Bedeutung: Ziel der Erhebung Auftraggeber Theoretische Grundannahmen Operationalisierung Zusammenhang der Daten Entdeckungszusammenhang: Ziel, Motivation, Auftrag 3 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Begründungszusammenhang: Forschungsregeln, Instrumente, Datenverarbeitung Verwertungszusammenhang: Publikation, Pressebericht, oder unveröffentlichte Handlungsanweisungen für Betriebe Forschungsablauf Phase 1: Problembenennung Soziale Probleme werden als wissenschaftliche Fragestellung formuliert welchen Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit will man untersuchen, welchen Zeitraum, welche Gruppen von Menschen und wie definiert man sie, welche geographischen Gebiete, Langzeitstudie oder Momentaufnahme, umfassende Untersuchung oder Einzelfragen, welche weiteren Zusammenhänge, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen bereits vor.... Wichtige Punkte: Abgrenzung des Problems Nachweis der Erklärungsbedürftigkeit Nachweis des Bedarfs einer empirischen Untersuchung Erstellung einer Hypothese Theorien werden gebildet und aus ihnen Hypothesen abgeleitet. Exkurs: Theorien Funktionen: Hypothesenerzeugungsfunktion Forschungserzeugungsfunktion Datenerzeugungsfunktion Hilfshypothesenerzeugungsfunktion. Kriterien: Theorie muss eine logische Form haben, die sie als empirische Theorie kennzeichnet. Muss empirisch überprüfbar sein Neue Theorie muss gegenüber alter Theorie neue Probleme und Aspekte erklären Arten: Beobachtung empirischer Regelmäßigkeiten: oft nur deskriptiv, ohne theoretische Erklärung Entwicklung von ad-hoc-Theorien: eingegrenzte zeit-räumliche Aussagen; zb Marktforschung Theorien mittlerer Reichweite: überwiegend bei Grundlagenforschung 4 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Theorien höherer Komplexität je höher der Abstraktionsgrad, desto schwieriger ist die Überprüfung von Hypothesen durch Methoden der empirischen Sozialforschung Phase 2: Operationalisierung Unter Operationalisierung versteht man, daß den theoretischen Begriffen der Hypothesen konkrete Merkmale zugeordnet werden um sie meßbar zu machen. Man legt also fest, welche Daten erhoben werden müssen, um die Hypothese zu überprüfen. Gegenstandsbenennung am besten nicht nur verbal, sondern auch durch Skizzen etc. beobachtbare Erscheinungen, abstrakte Vorstellungen und Elemente werden in einen Zusammenhang gebracht. Mittel dazu: Klassifikation: eine bestimmte Anzahl von Merkmalen wird zusammengefaßt Typologie: ordnen eine Vielzahl von Erscheinungen in überschaubare Gruppen und machen diese Gruppen dadurch voneinander unterscheidbar Max Webers Idealtypen Klassifikationen und Typologien müssen folgenden Kriterien genügen: Eindeutigkeit: jedem Objekt des Forschungsgegenstandes kann genau eine Ausprägung zugeordnet werden Ausschließlichkeit: jedem Objekt kann nur eine Merkmalsausprägung zugeordnet werden Vollständigkeit: innerhalb des Forschungsgegenstandes können alle Merkmalsausprägungen zugeordnet werden. Begriffsdefinition was bedeutet ein bestimmter Begriff, welche Dimensionen umfasst er und welche sind für die Forschung relevant? Exkurs: Hypothesen Eine Aussage, keine Frage, kein Befehl etc Enthält mindestens zwei semantisch gehaltvolle Begriffe Begriffe sind durch einen logischen Operator verbunden (wenn-dann) Die Aussage ist nicht tautologisch Die Aussage ist widerspruchsfrei Die empirischen Geltungsbedingungen sind implizit oder explizit aufgezählt Die Begriffe sind operationalisierbar Die Aussage ist falsifizierbar Bezieht sich nicht unbedingt auf eine einzelne Frage, sondern meist auf einen ganzen Fragenkomplex 1) eine widerspruchsfreie, allgemeine Hypothese wird formuliert 2) Situationsbedingungen werden bestimmt und ausgewählt 5 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung 3) Hypothese wird mit der sozialen Realität konfrontiert. Gelangt man zu negativen Ergebnissen, gilt die Hypothese als falsifiziert. Eine Hypothese bewährt sich so lange, bis sie falsifiziert wird. Sie kann also niemals endgültig verifiziert, sondern nur irgendwann endgültig falsifiziert werden. (siehe Nationalökonomie) Operationalisierbarkeit: der optimale Weg zur Widerlegung der Hypothese mit empirischen Mitteln. relevante Begriffe sind exakt zu definieren (zB: was ist Lebensglück: Reichtum, Zufriedenheit mit dem Job, erfüllte Partnerschaft...) Begriffe müssen in Forschungsvorgänge übersetzt werden. Variablen: von einer Eigenschaft sind mehrere Ausprägungen vorhanden Dichotome Variablen (ja/nein...) Diskrete Variablen nur wenige unterschiedliche Ausprägungen möglich Kontinuierliche Variablen jeder beliebige Wert aus einer Menge von reellen Zahlen ist möglich Manifeste Variablen: direkt beobachtbar Latente Variablen: nicht beobachtbar Indikatoren sind jene Merkmale, an denen sich Ausprägungen der verschiedenen Variablen erkennen lassen (zb. Variable = Geschlecht Indikatoren = Geschlechtsmerkmale) Phase 3: Forschungsdesign Die Art und Weise, wie theoretische Hypothesen durch den Einsatz von Forschungsinstrumenten überprüft werden pragmatischer Aspekt der Methodologie Das Forschungsdesign ist stark abhängig von Problem- und Gegenstandsbenennung Schwierigkeit des Feldzugangs Komplexität der Hypothesen Dem Grundtypen der Forschung: ob es sich um qualitative, explorative oder quantitative, repräsentative Forschung handelt (wissenschaftliche Grundlagenforschung oder praktischer Bedarfsforschung) Grundlagenforschung: Gewinnung allgemeiner Erkenntnis Umfassende Erhebung Kombinierter Einsatz von Methoden Langzeitforschung Bedarfsforschung: Gewinnung strategischer Erkenntnis Erhebung eingegrenzter Daten Einzelner Einsatz von Methoden Momentaufnahmen durch punktuelle Erhebung Methoden: 1) Beobachtung: ist an Raum und Zeit des Verhaltens gebunden 6 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung 2) Befragung: Lösung von Raum und Zeit ist möglich, z.B. Zeitzeugen 3) Experiment: Beobachtung von Verhalten im Labor, im Gegensatz zu 1) und 2), die das Verhalten in natürlichem Umfeld erforschen 4) Inhaltsanalyse: Produkte menschlicher Tätigkeiten werden erforscht, zb Bauten, Texte, Bilder, Filme, Kleidung.... Der Forschungsablauf an sich ist immer auch selbst Teil des zu erforschenden Gegenstandes, die involvierten Personen werden durch die Forschung in irgend einer Weise beeinflußt, so gibt es zb das Phänomen der sozial erwünschten Antworten bei Befragungen. Der Forschungsprozeß muß daher unbedingt nachvollziehbar gemacht werden, alle noch so unwichtig erscheinenden Details sollten aufgezeichnet werden. Man entscheidet sich also für eine bestimmte Methode, zb. eine Befragung und beginnt dann, ein geeignetes Instrument zu entwickeln, zb. einen Fragebogen. Dabei ist auf folgende Gesichtspunkte zu achten: Angemessenheit des Instruments (zb. ein Fragebogen muß einfache und fehlerfreie Erhebung ermöglichen) Berücksichtigung anderer Untersuchungen (Vergleichbarkeit!!!) EDV-Instrumente: SPSS SAS BMDP Phase 4: Gütekriterien und Pretest Der Pretest simuliert die eigentliche Erhebung und dient dazu, Probleme bei der Erhebung oder bezüglich der ausgewählten Stichprobe zu identifizieren und zu beseitigen. Im Pretest wird das Instrument auf seine Tauglichkeit geprüft. Bei der Durchführung und der Auswertung des Pretests ist auf vier wesentliche Punkte zu achten: Reliabilität und Validität Reliabilität ist das Ausmaß, in dem die Anwendung eines Instrumentes bei wiederholten Datenerhebungen und denselben Probanden das gleiche Ergebnis erzielt. Validität gibt an, inwieweit ein Instrument wirklich die Variable mißt, die es zu messen vorgibt. Verständlichkeit von Fragen Sprachliche Verständlichkeit bedeutet, daß das Sprachniveau dem der Befragen entspricht. So sollten zum Beispiel Fachausdrücke vermieden werden. Die inhaltliche Verständlichkeit bedeutet, daß mehrdeutige Ausdrücke und Redewendungen vermieden werden sollten, sodaß eine Frage nicht falsch interpretiert werden kann. Überprüft werden kann die inhaltliche Verständlichkeit im Pretest durch 7 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Kontrollfragen, die denselben Sachverhalt in anderen Worten noch einmal oder aber das genaue Gegenteil abfragen. Klarheit von Kategorien Auch Antwortkategorien müssen verständlich formuliert werden, darüber hinaus müssen sie aber noch andere Anforderungen erfüllen: Eindeutigkeit Ausschließlichkeit Vollständigkeit jede mögliche Antwort muß ausschließlich einer Kategorie zugeordnet werden können die Kategorien schließen sich gegenseitig aus, sie überdecken sich nicht alle Antwortmöglichkeiten müssen in den Kategorien vorhanden sein Die Anzahl und Art der Kategorien hängt davon ab, wie differenziert eine Frage erforscht werden soll. Offene Fragen Stellen einen erheblichen Mehraufwand dar. Die Antworten auf offene Fragen müssen alle notiert werden, bei der Auswertung müssen dann im Nachhinein Kategorien geschaffen werden, um die Antworten einordnen zu können. Außerdem ist die Bereitschaft, auf kategorisierte Fragen durch einfaches Ankreuzen zu antworten, deutlich höher. Zusammenfassung Empirische Sozialforschung ist von folgenden Bedingungen abhängig: 1) 2) 3) 4) 5) von der wissenschaftlichen Qualität der theoretischen Annahmen von der Angemessneheit der Forschungsmethoden vom Zugang zum Objekt von materiellen Bedingungen von der systematischen Kontrolle des Forschungsablaufes Die Beobachtung Definition Beobachtung ist das systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens. Im Gegensatz zum alltäglichen Beobachten muß die wissenschaftliche Beobachtung nach systematischen Regeln durchgeführt werden. Die Beobachtung dient also zur Erfassung und Deutung sozialen Handelns, ist aber gleichzeitig selbst soziales Handeln. 8 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Geschichte 18.Jhd. „Social Surveys“ Haushaltsbudgets und Lebenssituation der ärmeren Bevölkerungsschichten wurden erhoben Beobachtung wird kombiniert mit verschiedensten anderen Instrumenten. Bsp.: - Friedrich Engels 1845: „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“. - Paul Göhre 1890: Teilnehmend beobachtende Studie über die Mentalität von Industriearbeitern - Charles Booth 1889-91: untersuchte soziale Probleme durch teilnehmende Beobachtung, Befragung und Dokumentenanalyse Anfang 20.Jhd. Entwicklung der unstrukturierten Feldbeobachtung durch die Chicagoer Schule bevorzugten qualitativteilnehmende Beobachtung Bsp.: - Street Corner Society - The Gang - Middletown-Studie 40er/50er Verwertungsaspekte und quantitative Verfahren werden zunehmend wichtiger Verfechter: Paul Lazarsfeld nach WWII Beobachtung verliert zugunsten der Befragung zunehmend an Gewicht Anfang 80er vor allem qualitativ-teilnehmende Beobachtung kommt wieder mehr Bedeutung zu Postulat der Offenheit. Prominentester Vertreter in der Gegenwart ist Roland Girtler: Studien der Polizei, der Obdachlosen... Girtler, Roland Der Adler und die drei Punkte 1983 Girtler, Roland [Hrsg.] Alltag der Armut 1983 Girtler, Roland Die feinen Leute 1989, 1994 Girtler, Roland [Hrsg.] Die Letzten der Verbannten 1997 Girtler, Roland Polizei-Alltag 1980 Girtler, Roland Randkulturen 1995 Girtler, Roland Schmuggler 1992 Girtler, Roland Sommergetreide 1996 Girtler, Roland Der Strich 1985 Girtler, Roland Vagabunden in der Großstadt 1980 Exkurs: Quantitative Sozialforschung Bezieht sich hauptsächlich auf Kritischen Rationalismus Sir Karl Poppers: Werturteilsfreiheit wissenschaftlicher Aussagen Trennung von Entdeckungs- und Begründungszusammenhang Theorieprüfung 9 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Soziale Realität kann mittels kontrollierter Methoden erfaßt und interpretiert werden die gesammelten Daten müssen den Kriterien der Reliabilität, der Validität und der Repräsentativität entsprechen und müssen intersubjektiv prüfbar sein. Quantitative Beobachtungen sind in hohem Maße strukturiert, theoriegeleitet und kontrolliert; Datensammlung und Auswertung fallen meist sowohl zeitlich als auch personell auseinander. Kritikpunkte: Stark begrenzter Erfahrungsbereich durch Theorien Primat der Methode vor dem Forschungsgegenstand Durch Standardiesierung und Quantifizierung werden Scheinobjektivitäten erzeugt Exkurs: Qualitative Sozialforschung Beruft sich auf das interpretative Paradigma von Wilson, die Hermeneutik und die Phänomenologie. Zentrale Annahme: soziale Akteure schreiben Objekten Bedeutungen zu, verhalten sich nicht nach starren Regeln, sondern interpretieren soziale Situationen und konstruieren so soziale Wirklichkeit. Gegenstand der Forschung sind diese Interpretationsprozesse, die interpretativ zu erforschen sind. Forschungsprinzipien: Offenheit Prozeßcharakter Reflexivität Explikation Kommunikation Problemorientierung keine standardisierten Verfahren, Forschungsablauf wird vom Forschungsgegenstand bestimmt der Akt des Forschens ist selbst ein Kommunikationsprozeß zwischen Forscher und VP Begriffe und Hypothesen werden im Lauf des Forschungsprozesses formuliert, modifiziert und verallgemeinert. Wahl der Methoden, der VPs und die Thesenformulierung erfolgen also nicht voneinander getrennt. Vorwissen muß offengelegt werden, Forschungsschritte müssen beschrieben werden um Interpretationen nachvollziehbar zu gestalten Forschung ist ein kommunikativer Prozeß ein kritisches und praktisches Erkenntnisziel wird verfolgt und nicht ein theorieprüfendes Es wird also auf vorab konstruierte Beobachtungsschemata verzichtet, der Forscher nimmt an der Lebenswelt der VP teil. Dadurch stellt sich die Frage nach dem Feldzugang, den Teilnehmerrollen und dem Verhältnis von Teilnahme und Distanz. Außerdem sind die Rollen des Forschers und die des Beobachters nicht mehr getrennt, es handelt sich um ein und dieselbe Person. 10 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Anwendungsgebiete Es kann sinnlich wahrnehmbares Verhalten erfaßt werden, also auch komplexe Vorgänge wie zB. Interaktionsmuster und Gruppenbildungsprozesse erforscht werden. Beobachtung unbekannter Kulturen Ethnologie Erforschung von Subkulturen Verhalten von Kindern, psychisch Kranken... Verhalten in geschlossenen Anstalten, Gefängnissen... Beobachtung hat aber im Vergleich zur Befragung heute nur geringe Bedeutung. Gründe dafür sind: Verlangen eine intensive Forschungspraxis Stellen hohe fachliche und soziale Anforderungen an Forscher Ermöglichen nur geringe Anzahl an VP Bestandteile der Beobachtung Beobachtungsfeld = der räumliche und/oder soziale Bereich, in dem die Beobachtung stattfinden soll wo, wann und unter welchen Bedingungen wird beobachtet? Eine quantitative Beobachtung setzt die Definition des Beobachtungsfeldes voraus, eine qualitative nicht. Wann findet das soziale Verhalten statt? Wo findet es statt? Wer nimmt daran teil? Gibt es typische Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster der Gruppe? Wie kann man sich Zugang zu dem Feld verschaffen? Laborbeobachtung: Bedingungen werden künstlich festgelegt. Feldbeobachtung: untersucht soziales Verhalten in natürlicher Umwelt unter normalen Bedingungen, die nicht extra verändert werden. Beobachtungseinheiten = jener Teilbereich sozialen Geschehens, der konkreter Gegenstand der Beobachtung sein soll wer und was wird wann beobachtet? Quantitative Beobachtung reduktionistische Definition: Verhalten wird zeitlich in möglichst kurze Einheiten zerlegt, zb. Interaktionsanalyse: Beobachtungseinheit ist jeweils ein Satz Qualitative Beobachtung oft Situationen als Beobachtungseinheit, die dann in Teilsituationen zerlegt werden können 11 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Beobachter Besonders wichtig ist, welchen Beobachterstatus er einnimmt, das heißt inwiefern er am Geschehen teilnimmt, ob er sich als Forscher zu erkennen gibt oder nicht wie verhält sich der Forscher gegenüber dem Feld? Bei quantitativen Beobachtungen nimmt der Forscher meist nur die Rolle der Beobachters ein, nimmt also nur in geringem Maß am sozialen Geschehen teil. Forscher und Beobachter können bzw. sollten verschiedene Personen sein. Qualitative Beobachtungen betonen hingegen die Teilnehmerrolle, der Forscher muß also in hohem Maße am Geschehen teilnehmen, daher müssen Forscher und Beobachter auch ein und dieselbe Person sein. Beobachtete Wissen die Beobachteten, daß oder zu welchem Zweck sie beobachtet werden? Beobachter kann seine Rolle offenlegen oder sich tarnen, er kann die VPs über den Zweck der Beobachtung informieren oder sie im Unklaren lassen oder sie falsch informieren. Formen der Beobachtung Selbstbeobachtung versus Fremdbeobachtung Strukturiert versus unstrukturiert Strukturiert: basiert auf einem vorab erstellten Beobachtungsschema, konkrete Forschungshypothesen werden benötigt, es werden trennscharfe Beobachtungskategorien gebildet und in Pretests überprüft. Vorteile: leicht zu quantifizieren, kontrollieren und vergleichen Beobachtung durch andere Beobachter wiederholbar zeitgleiche Aufzeichnung möglich Nachteile: fraglich, ob Kategorien wirklich so trennscharf sind nicht durch Kategorien abgedeckte Verhaltensweisen werden nicht erfaßt Ethnozentrismus Interpretation auf Basis seiner eigenen Erfahrungen Unstrukturiert: es liegen keine Beobachtungsschemata zugrunde, sondern nur ein Leitfaden. Dadurch wird Flexibilität und Offenheit garantiert, es werden also keine Hypothesen überprüft, sondern erst welche gebildet. Der Forschungsverlauf wird durch die Ereignisse im Feld bestimmt. In Protokollen werden relevante Beobachtungen festgehalten, wie zB. Girtler: Teilnehmer an der sozialen Situation Durchführung der sozialen Situation die determinierenden Normen 12 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Regelmäßigkeit der sozialen Situation Reaktionen der Teilnehmer, wenn sie den an sei gerichteten Erwartungen nicht entsprechen Unterschied zwischen Behauptetem und Getanem Die Aufzeichnung des Beobachteten kann immer erst im Nachhinein erfolgen, es sollte aber nicht zuviel Zeit vergehen. Wenn möglich, sollten schon während der Beobachtung kurze Notizen gemacht werden. Verdeckt versus offen wissen die VP, daß sie beobachtet werden oder nicht? Personen sollen durch die Beobachtung möglichst wenig beeinflußt werden und sich möglichst natürlich verhalten. Verdeckte Beobachtungen werden aber nur in solchen Feldern angewandt, in denen eine offene nicht möglich wäre, weil zb. im Fall einer offenen Beobachtung das Verhalten überhaupt nicht gezeigt würde oder wenn das Feld eine Beobachtung nicht zuließe. Die Durchführung verdeckter Beobachtungen ist aus ethischen Gründen bedenklich, weil dabei vom Forscher ein Vertrauensverhältnis zur VP aufgebaut und mißbraucht wird. Bei einer offenen Beobachtung kommt es anfangs meist zu Mißtrauen und Verhaltensänderungen, die aber nach einiger Zeit verschwinden (zb. Kameras bei Big Brother). Der Grad der Offenheit kann variieren, so kann die VG beispielsweise wissen, daß sie beobachtet wird, ohne aber den Grund bzw. die Forschungsfrage zu kennen. Passiv teilnehmend versus aktiv teilnehmend Passiv: Forscher beschränkt sich darauf, nur zu beobachten. Kommt zB. bei Interaktionsanalysen im Labor vor. Passiv teilnehmende Beobachter können sich nicht in die Lebenswelt der Beobachteten hineinversetzen, dafür sind diese Beobachtungen leichter intersubjektiv nachprüfbar. Es besteht aber die Gefahr des Ethnozentrismus. Aktiv: Der Forscher nimmt am Alltag der Beobachteten teil und pflegt zu ihnen mitunter intensiven Kontakt. Er übernimmt also eine Rolle in der Welt der Beobachteten. Es gibt mehrere Stufen der aktiven Teilnahme: Beobachter als Teilnehmer Forscher ist überwiegend Beobachter, verrichtet aber kleine Tätigkeiten um sich ins Feld zu integrieren, zb. Verkleidung als Krankenpfleger... die Beobachtung wird aber offen durchgeführt!! Teilnehmer als Beobachter Forscher ist in erster Linie Teilnehmer und nur in zweiter Linie Beobachter. Auch hier findet die Beobachtung offen statt. völlige Identifikation mit dem Feld der Forscher tarnt sich als Mitglied der zu beobachtenden Gruppe, wirkt also bei sozialen Situationen aktiv mit. Der Forscher kann sich dadurch voll in die Lebenswelt der Gruppe einfühlen, muß aber über ein hohes Maß an Empathie verfügen. Aus dieser Methode können sich methodische 13 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung und ethische Probleme ergeben; außerdem kann es zu einer Überidentifikation des Forschers mit dem Feld kommen “going native“ Klassifikation Es ergeben sich durch die Kombination der genannten Möglichkeiten 8 mögliche Formen: 1) strukturiert, verdeckt, passiv teilnehmend 2) strukturiert, verdeckt, aktiv teilnehmend 3) strukturiert, offen, passiv teilnehmend 4) strukturiert, offen, aktiv teilnehmend 5) unstrukturiert, verdeckt, passiv teilnehmend 6) unstrukturiert, verdeckt, aktiv teilnehmend 7) unstrukturiert, offen, passiv teilnehmend 8) unstrukturiert, offen, aktiv teilnehmend Die qualitativ teilnehmende Beobachtung im Idealfall unstrukturiert, offen, aktiv teilnehmend Merkmale des Forschungsablaufs Offen-reflexiver Ablauf Nicht linear, sondern reflexiv und rückkoppelnd Intensive Feldarbeit Wechsel zwischen Datenerhebung und Auswertung Direktes Verhältnis zwischen Forscher und Feld Forschungsablauf Es werden vorab keine Hypothesen und Theorien formuliert, sie werden erst im Forschungsprozeß formuliert, modifiziert und verallgemeinert. Daher wird auch nicht zwischen Erhebungs- und Begründungszusammenhang unterschieden, Hypothesengenerierung und –überprüfung erfolgen in einem Wechselspiel über die gesamte Forschungsdauer hinweg. Dem Ablauf liegt auch kein vorab entwickeltes Beobachtungsschema zugrunde. Feldzugang In welchem Feld, mit welchem Zugang, mit Hilfe welcher Kontaktperson? Zuerst müssen Informationen gesammelt werden über: Verhältnis zu andern sozialen Feldern Räumliche Ausdehnung Zahl Typisierung Organisationsgrad der Gruppe 14 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Kommunikationskanäle und –muster Verschieden Ausgangspunkte nach Girtler: Unvorbereitet Vom Forscher initiierte Kontaktaufnahme Formale Erlaubnis Berufliche Eingliederung Auftrag bzw. Bitte Die Art des Feldes bestimmt die möglichen Zugänge und die Wahl der Kontaktpersonen: Offenes Feld Biergarten, Volksfest... Halboffenes Feld Geschlossenes Feld Uni, Sportverein... Kloster, Gefängnis... Wahl der Teilnehmerrolle prägt den Feldzugang entscheidend Kontaktperson formale Erlaubnis Rollendefinition bzw. Rollenwahl Probleme: Teilnehmerrollen müssen so flexibel sein, daß der Forscher im Feld agieren und reagieren kann Die Rollen müssen dem Feld entsprechen bzw. bereits im Feld angelegt sein, damit das Feld durch die Beobachtung nicht verändert wird Es muß überlegt werden, ob die Forscherrolle offengelegt wird oder ganz bzw. teilweise verdeckt bleibt Das Verhältnis zwischen Forscher- und Teilnehmerrolle (Distanz und Teilnahme) muß geklärt werden Die Vorteile bei Offenlegung der Forscherrolle sind, daß dadurch ein gleichberechtigtes soziales Verhältnis zum Feld aufgebaut werden kann und dadurch dem Forscher ein unkomplizierter Aufenthalt im und ein problemloser Rückzug aus dem Feld ermöglicht wird. Vor allem aber besteht nicht die Gefahr, entdeckt zu werden. Datenerhebung und Auswertung Beobachtungen werden im Nachhinein protokolliert, die Verwendung eines Aufnahmegerätes ist nicht möglich, da dadurch die Natürlichkeit der Situation gestört würde. Außer dem Protokoll sollte noch ein Forschungstagebuch geführt werden, in dem persönliche Eindrücke, Widersprüche usw. notiert werden. Die Protokolle sollten möglichst sofort nach der Beobachtung erstellt werden: Teilnehmer an der sozialen Situation Durchführung der sozialen Situation die determinierenden Normen 15 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Regelmäßigkeit der sozialen Situation Reaktionen der Teilnehmer, wenn sie den an sie gerichteten Erwartungen nicht entsprechen Reaktionen auf außergewöhnliche Situationen Unterschied zwischen Behauptetem und Getanem Die Auswertung erfolgt mittels qualitativer Instrumente wie zB. der objektiven Hermeneutik oder der qualitativen Inhaltsanalyse. Es werden aber schon während der Feldarbeit erste Interpretationen vorgenommen. Im Forschungsverlauf werden Hypothesen formuliert, mit Interpretationen verknüpft und zunehmend verallgemeinert. Standardisierte Auswertungsmethoden gibt es keine. Feldrückzug Die während des Forschungsablaufes geknüpften sozialen Kontakte müssen irgendwie wieder aufgelöst werden. Anwendungsgebiete Erforschung komplexer sozialer Systeme Probleme wissenschaftlicher Beobachtung Selektive Wahrnehmung Der Beobachter kann immer nur einen bestimmten Ausschnitt der Realität wahrnehmen. Erfahrung, vorhergehende Untersuchungen, eigene Vorstellungen und Vorurteile beeinflussen die subjektive Wahrnehmung. Teilnahme des Beobachters im Feld Feldeintritt, Rollenwahl, Kontakte zu Schlüsselpersonen können die Selektivität der Wahrnehmung noch verstärken. Außerdem ergibt sich durch die Teilnahme ein Dilemma aus Identifikation und Distanz „going native“. Inwiefern dies wirklich ein Problem darstellt, hängt davon ab, ob die Beobachtung quantitativ oder qualitativ angelegt wurde, es besteht aber immer die Gefahr, in die Rolle eines Sozialarbeiters abzurutschen und zu tief in die Probleme des Feldes verstrickt zu werden. Forschungsethische Fragen Forschungsprozeß: Es können Eigenbestimmungsrechte verletzt werden, wenn die Teilnahme nicht freiwillig ist oder die Beobachtung verdeckt erfolgt. Aber auch die Manipulation bzw. bewußte Herbeiführung bestimmter Situationen ist ethisch bedenklich. Nicht zuletzt ist der Ethnozentrismus zu erwähnen, der nicht nur zu verzerrten Wahrnehmungen führt, sondern auch die Lebenswelt des Feldes verändert. 16 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Die Befragung Alltägliche und wissenschaftliche Befragung Sozialer Vorgang, mindestens 2 Personen stehen zueinander in Beziehung Befragungen sind immer zielgerichtet, verfolgen ein Interesse Mittel zur Befragung: Sprache Umwelt: Räumlichkeiten, anwesende Personen, Zeitdruck oder nicht... Das Merkmal der wissenschaftlichen Befragung ist die theoriegeleitete Kontrolle der gesamten Befragung. Durch Kontrolle kann der Einsatz der Befragung als wissenschaftliche Methode gewährleistet werden und es kann festgestellt werden, inwiefern die Bedingungen, unter denen die Befragung stattgefunden hat, die Ergebnisse beeinflußt haben. Eine vollständige Kontrolle ist aber nie möglich, da nie die gesamte Umwelt beobachtet werden kann. Es kann auch nicht vermieden werden, daß der Interviewer das Verhalten des Befragten in irgendeiner Weise beeinflußt. Um diese Störfaktoren möglichst gering zu halten, gibt es mehrere Ansätze: Stimulus-Response-Modelle Es wird davon ausgegangen, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Reiz (der Frage) und der Reaktion (der Antwort) gibt. Besonderer Wert wird daher auf die richtige Formulierung der Fragen und den Aufbau des Fragebogens gelegt. Stimulus-Person-Response Die Reaktion bezieht sich nicht nur auf die Frage, sondern auch auf die gesamte Situation. Eine große Rolle spielt dabei die Person des Interviewers, da sich der Befragt überlegt, was der Interviewer von ihm erwarten könnte. Aber auch die äußeren Umstände können die Ántworten beeinflussen, zb. Wenn jemand in Eile ist... Die gesamte Situation des Interviews muß also kontrolliert werden: wo, wann, in welcher Umgebung, in welcher Atmosphäre... wird befragt? Beobachtungen über das Verhalten des Befragten sollen protokolliert werden. Sprache als Störfaktor Jeder Mensch erwirbt im Lauf der Sozialisation eine eigene Sprachcodierung, das heißt, daß ein und dasselbe Wort für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Es gibt keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob der Befragte eine Frage auch wirklich so versteht, wie sie gemeint war, bzw. ob umgekehrt der Interviewer die Antwort richtig versteht. Auf jeden Fall muß darauf geachtet werden, daß die Sprache der zu befragenden Gruppe angepaßt ist, es müssen also der Bildungsstand, die Herkunft, die soziale Lage und die Erfahrung beachtet werden, man muß überlegen, ob es in der Gruppe einen spezifischen Sprachcode gibt. 17 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Normensyndrome Gesamtgesellschaftliche Normen Gruppenspezifische Normen Interviewspezifische Normen Antworten richten sich häufig nach diesen Normen und nicht nach der Realität zB. sozial erwünschte Antworten bei sensiblen Themen (Kirchenbesuch, Ausländer...) Bsp.: Wenn ein Raucher sich an einen Nichtrauchertisch setzt, was würden Sie tun? Antwort: Ihn höflich darauf aufmerksam machen und dann Sanktionen ergreifen. tatsächlich sagt aber niemand etwas. Verbindliche und unverbindliche Antworten Bezeichnet den Zusammenhang zwischen Antwort und tatsächlichem Verhalten. Je allgemeiner die Fragen gestellt werden, desto unverbindlicher fallen die Antworten aus, desto weniger fühlen sich die Befragten betroffen. Der Grad der Betroffenheit kann aber weder vorausgesagt noch völlig geklärt werden. Zentralität bedeutet den Grad der Betroffenheit und den Bezug zu existentiellen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen. Je höher der Grad der Zentralität, desto wahrscheinlicher ist auch die Übereinstimmung zwischen Antwort und tatsächlichem Verhalten. Artefakte Die durch das Instrument provozierte oder eingeschränkte Meinungsäußerung wenn Begriffe verwendet werden, die der Befragte nicht versteht, hypothetische Situationen abgefragt werden, für die die Erfahrung fehlt... Ein gewisses Maß an Künstlichkeit weisen alle Befragungen auf, es geht darum, diese Künstlichkeit zu kontrollieren. Auch bei geschlossenen Fragen können Artefakte auftreten, zb. ist es gesellschaftlich erwünscht, auf alle Fragen eine Meinung zu haben. In der Realität haben aber viele Menschen zu vielen Themen überhaupt keine Meinung bzw. wollen diese nicht preisgeben. In Umfragen wird aber die Kategorie „Keine Antwort“ relativ selten benutzt. Asymmetrische Motivation Der Interviewer hat immer eine höhere Motivation, Antworten zu erhalten als der Befragte, Antworten zu geben. Je größer der Unterschied der Motivation, desto geringer ist die Gemeinsamkeit der Kommunikation, desto selektiver die Antworten. Das heißt, daß wirklich nur auf die gestellten Fragen geantwortet wird. Bei größerer Gemeinsamkeit der Kommunikation wird auch der Antwortspielraum größer, die Antworten detaillierter. 18 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Formen der Befragung Instrumentalisten: Hauptaugenmerk auf Perfektionierung des Instruments Fragebogen, sorgfältiger Auswahl und differenzierter Auswertung Interaktionisten: Sinn von Gesprächen kann nur im Zusammenhang erfaßt werden Typ I mündlich, wenig strukturiert. Typ III mündlich, teilstrukturiert Typ V mündlich, stark strukturiert informelles Gespräch Experteninterview Gruppendiskussion Leitfadengespräch Intensivinterview Gruppenbefragung Expertenbefragung Einzelinterview telefonische Befragung Gruppeninterview Panelbefragung TypII schriftlich, wenig struktriert Typ IV schriftlich, teilstrukturiert Typ VI schriftlich, stark strukturiert informelle Anfrage bei Zielgruppen Expertenbefragung postalische Befragung persönliche Verteilung und Abholung gemeinsames Ausfüllen von Fragebögen Panelbefragung Typ VII mündlich und schriftlich kombiniert, stark strukturiert telefonische Ankündigung des Versandes von Fragebögen Versand oder Überbringung der schriftlichen Fragebögen telefonische Kontrolle, evtl. telefonische Ergänzungsbefragung Wenig strukturiert bis stark strukturiert Es gibt kein Interview, das gar nicht strukturiert ist. Beim wenig strukturierten Interview arbeitet der Forscher ohne Fragebogen, die Kontrolle liegt ganz bei ihm. Er hat großen Spielraum, kann die Formulierung der Fragen individuell anpassen und nach Bedarf vertiefen. Interviewer hat zwar ein Ziel, hört aber in erster Linie zu, nimmt Hinweise des Befragten auf und verfolgt ein Gespräch. Das Ziel ist es, Meinungsstrukturen zu erforschen. Bei teilstrukturierten Befragungen werden Fragen vorformuliert, die Reihenfolge bleibt aber offen. Dazu wird ein Gesprächsleitfaden benutzt. Für stark strukturierte Interviews müssen vorher Fragebögen konstruiert werden, der Spielraum des Interviewers muß stark eingeschränkt werden. Während der Erhebung lassen sich daher Fehler im Fragebogen kaum mehr korrigieren. Der Fragebogen legt die Anzahl, den Inhalt, die sprachliche Formulierung und die Reihenfolge der Fragen fest. Die Dauer des Interviews muß auf die Aufnahmefähigkeit und die Geduld der Befragten abgestimmt sein, max. 30 bis 60 Minuten sind möglich. Stark strukturierten Befragungen müssen immer wenig oder teilstrukturierte vorausgehen. 19 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Mündlich – schriftlich Bei mündlichen Befragungen bildet der Interviewer einerseits einen Störfaktor, andererseits kann er auch wichtige Kontrollfunktionen ausführen. Beides entfällt bei einer schriftlichen Befragung – es kann also nicht kontrolliert werden, wann, wo, unter welchen Umständen jemand einen Fragebogen ausfüllt. Ob schriftlich oder mündlich befragt wird, hängt vom Forschungsverlauf ab, es sind auch Kombinationen möglich. Interviewerverhalten: weich, hart, neutral Weiches Verhalten: Interviewer verhält sich hauptsächlich passiv und läßt den Befragten den Gesprächsverlauf bestimmen. Dadurch wird hohe Übereinstimmung der Kommunikation erreicht, Betroffenheit und Zentralität der Antworten können abgeschätzt werden. Hartes Verhalten: Eine Art Verhörtechnik, Fragen werden möglichst schnell gestellt. Dadurch wird der Befragte zu spontanen Antworten gezwungen, er kann nicht viel überlegen. Es werden keine Entscheidungsfragen gestellt, die leicht mit Nein beantwortet werden könnten. Neutrales Verhalten: Gefühle und Beziehungen zwischen Interviewer und Proband sollen weitgehend ausgeschaltet werden, durch die Neutralität soll die Vergleichbarkeit der Daten erhöht werden. Wirkliche Neutralität ist aber Fiktion, da sich der Befragte immer Gedanken über den Interviewer, die Situation etc. macht. Der Interviewer soll sich bis zu einem gewissen Grad zurückhalten, aber nicht zu distanziert und steif wirken, er muß aber auf jeden Fall seine Einstellungen zum Thema zu verbergen. Schriftliche Befragung Sind in der Regel billiger als mündliche, können in kürzerer Zeit mit weniger Personalaufwand durchgeführt werden. Der Interviewer als Fehlerquelle und Kontrollinstanz fehlt. Nachteile: Kontrolle der Befragungssituation ist nicht möglich Es können auch andere Personen den Fragebogen ausfüllen bzw. beeinflussen Jede Frage muß verständlich formuliert werden Fragen können gar nicht oder unvollständig ausgefüllt werden Meist erheblicher Ausfall Die schriftliche Befragung eignet sich nicht für die Befragung von Menschen, die schreibungewandt sind, ein niedriges intellektuelles Niveau haben oder wenn die Antwortmotivation sehr gering ist. Sie dient nur zur Erfassung sehr einfacher Fragestellungen, es können auch keine spontanen Antworten erfaßt werden. 20 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Ein Begleitbrief muß die Probanden über das Ziel der Befragung informieren und sie zum Ausfüllen des Bogens motivieren, außerdem muß darauf hingewiesen werden, daß die Befragung anonym erfolgt. Die Rücksendung des Bogens muß möglichst einfach sein, am Besten durch die Beilage eines adressierten und frankierten Kuverts. Der Fragebogen muß leicht auszufüllen sein und darf nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Mündliche Befragung Je geringer die Strukturiertheit, desto eher werden qualitative Aspekte erfaßt, je höher die Strukturiertheit, dest eher werden quantitative Aspekte erfaßt. Experteninterviews (Typ I) Man interviewt Menschen, die mit der zu untersuchenden Gruppe Erfahrung haben, zb. Lehrer, Sozialarbeiter... oder die über einen besonderen Gegenstand besonders gut Bescheid wissen, zb. Ärzte, Manager, aber auch Verbrecher, Drogensüchtige... Befragung in Gruppen Gruppendiskussion: (Typ I) freie Interaktion in einer Gruppe, vom Forscher nur beobachtet oder leicht durch Fragen beeinflußt. Bei heiklen Themen kann es dem Forscher gelingen, Tabus zu brechen und Hemmschwellen abzubauen. Im Unterschied zur Gruppenbefragung beantworten die Teilnehmer nicht nur die Fragen des Forschers, sondern stellen selbst welche. Gruppenbefragung: (Typ III) Fragebögen werden in Gruppen unter Anwesenheit des Forschers ausgefüllt Gruppeninterview: (Typ V) anhand eines Fragebogens werden Fragen in einer Gruppensituation gestellt Narratives Interview (Typ I) Es werden in der Regel weder Fragebogen noch Leitfaden verwendet. Ziel ist das Verstehen, Aufdecken von Sichtweisen und der Erklärungen der Befragten. Ist eigentlich gar kein Interview, da der Forscher lediglich die Anweisung gibt, eine selbst erlebte Geschichte zu erzählen. Unterbrechungen sind dabei nicht erwünscht, erst am Schluß der Erzählung kann der Forscher noch einmal genauer nachfragen. 21 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Narrative Interviews werden nach Möglichkeit auf Video oder Tonband aufgenommen und dann inhaltsanalytisch verarbeitet. Leitfaden-Befragungen (Typ III) Leitfadengespräch: dienen oft zur Hypothesenentwicklung. Der Forscher muß zentrale Fragen im geeigneten Moment stellen können. Wiedergegeben werden die Gespräche mit Hilfe von Notizen, die sich der Interviewer während des Gespräches macht oder durch Tonbandaufzeichnungen. Intensivinterviews: unterscheidet sich vom normalen Leitfadengespräch durch Dauer und Intensität. Wird verwendet, um besondere individuelle Erfahrungen zu erforschen, setzt große Bereitschaft des Befragten voraus. Expertenbefragungen können mündlich und schriftlich mit teilstrukturierten Fragebögen durchgeführt werden Delphi-Methode in jeder Fragerunde werden Ergebnisse, Schätzungen und Widersprüche aus vorhergehenden Runden eingebaut. Jeder Teilnehmer muß seine Aussagen mit denen anderer Teilnehmer vergleichen Befragung mit Fragebogen (Typ V) Am Häufigsten als mündliches Interview anhand eines strukturierten Fragebogens verbreitet. Panel-Befragung: soll Längsschnitte ermöglichen. Eine Gruppe wird immer wieder zum gleichen Thema befragt. Dabei werden vor allem Änderungen von Einstellungen erfaßt. Trenduntersuchungen: es wird ebenfalls dieselbe Fragestellung erhoben, aber nicht mit denselben Personen. Telefoninterviews: Der Großteil der Markt- und Meinungsforschung wird heute telefonisch abgewickelt. Vorteile: Erhöhte Erreichbarkeit Rasche Verarbeitungsmöglichkeit der Daten Rascher Ersatz für Ausfälle. Ermöglicht es, Ergebnisse innerhalb weniger Stunden bereitzustellen, zB. bei Wahlkämpfen Nachteile: Erschwerte Kontrolle der Situation (wer antwortet wirklich) 22 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Erinnerungsstützen durch Vorlagen von Tabellen, Bildern... entfallen Entweder die erste oder die letzte Antwortmöglichkeit wird überdurchschnittlich oft gewählt hoher Grad an Artefakten Nur relativ einfache Fragegegenstände sind möglich Fast nur stark strukturierte Interviews sind möglich Fragebögen müssen besondere Bedingungen erfüllen: Bereitschaft des Gesprächspartner muß geweckt werden Der Interviewer muß befähigt werden, die Aufmerksamkeit des Befragten während der gesamten Dauer zu fesseln Der Bogen muß vom Interviewer leicht zu handhaben sein Dem Befragten muß es leicht gemacht werden, dem Interview zu folgen Standardisierter und nicht-standardisierter Fragebogen Unterscheidung bezieht sich auf die verwendeten Antwortkategorien. Bei nichtstandardisierten Interviews wird entweder gar nicht kategorisiert oder erst im Nachhinein. Beim standardisierten Interview werden die Kategorien vorher festgelegt. Offene und geschlossene Fragen Bei offenen Fragen werden keine Antwortkategorien vorgegeben, die Person kann bzw. muß ihre Antworten selbständig formulieren, der Interviewer muß sie möglichst genau notieren. Die Antworten werden erst bei der Auswertung bestimmten Kategorien zugeordnet. Bei geschlossenen Fragen werden alle möglichen Antwortkategorien vorgelegt, er muß nur mehr die für ihn zutreffende auswählen. Es gibt mehrere Typen von geschlossenen Fragen: Identifikationstyp: wer, wo, wann, wie, welche, wie viele.... Selektionstyp: vorgegebene Alternativen, der Befragte muß eine auswählen. (2 Möglichkeiten Alternativ-Frage; mehrere Mehrfachauswahl-Frage) Skala-Frage: Werte, Meinungen, Gefühle, Handlungen werden anhand ihrer Intensität oder Häufigkeit gemessen Dialog-Frage: Person A sagt dies, Person B sagt jenes. Wem würden Sie zustimmen? Ja-Nein-Typ Bei offenen Fragen muß sich der Befragte selbständig an etwas erinnern, bei geschlossenen muß er nur etwas wiedererkennen. Aus diesem Grund erhält man 23 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung auch auf offene Fragen weniger Antworten als auf geschlossene. Bei geschlossenen Fragen ist allerdings die Gefahr einer Suggestion gegeben. Direkte und indirekte Fragen Bei der indirekten Befragung soll eine Situation geschaffen werden, bei der der Befragte bereit ist, über gefühls- oder wertbeladene Dinge zu sprechen. Auch werden Zusammenhänge erforscht, die dem Befragten selbst oft nicht bewußt sind. Indirekte Fragen werden vor allem beim Intensivinterview verwendet, die Methode basiert auf der Kenntnis von Projektionsprozessen. Assoziationsfragen: Fehler-Auswahl-Methode mit einem Begriff zusammenhängende Vorstellungen sollen ergründet werden wenn Sie das Wort X hören, woran denken Sie dann? der Befragte soll zwischen mehreren Antwortmöglichkeiten eine auswählen, alle Anworten sind aber falsch. Die Richtung des Fehlers spiegelt die Einstellung des Befragten wider. Bsp.: Wie hoch ist der Anteil von Arbeiterkindern unter den Studenten? 2%, 12%, 25%, 50%? Informationstest Art und Ausmaß der Informationen, die jemand über etwas besitzt, sind abhängig von seiner Einstellung dazu. Es werden Informationsfragen ohne vorgegebene Antworten gestellt. Bsp.: Wie hoch ist der Anteil von Arbeiterkindern unter den Studenten? Es konnte bisher kaum bewiesen werden, daß indirekte Fragen mehr wahre Antworten generieren als direkte, außerdem ist die Bewertung der Anworten bei indirekten Fragen sehr schwierig. Fragen nach unterschiedlicher Zentralität von Meinungen Diese Antworten sind Indikatoren für Vorurteile, Furcht, Identifikation Beeinflussungsfaktoren des realen Verhaltens. Folgende Faktoren werden unterschieden: Werthaltungen welches sind die vorherrschenden Werte, inwieweit handelt es sich um private oder relativ öffentliche Werte und Normen? Wie spezifisch sind die Werthaltungen und wie klar werden sie definiert? Wie stark werden sie vertreten? Klärung von Gefühlen wie spezifisch sind sie und wie werden sie vertreten? Wie werden sie geäußert? Es besteht ein unerforschter Zusammenhang zwischen 24 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Werten und Gefühlen, Werte können aber meist rational begründet werden, Gefühle nicht. Verhaltensregeln Vergangenes und aktuelles Verhalten ausgegangen wird immer vom aktuellen Verhalten, zukünftiges und vergangenes Verhalten wird daran gemessen. Eigenschaften des Befragten warum, weshalb... sind Sie dieser Ansicht? ethische: was sollte ich tun? praktische: was kann ich tun? Es ist immer schwierig, über seine tiefsten Überzeugungen zu sprechen, deshalb ist man bei Meinungsumfragen auf indirekte Fragen angewiesen. Einstellungsfragen stimme zu/ lehne ab Sonntagsfrage wenn nächsten Sonntag Wahlen wären, wen würden Sie wählen? Bilanzfragen Sind Sie mit irgendwas zufrieden/ nicht zufrieden/ weiß nicht? Glauben Sie, daß der technische Fortschritt nützt/ schadet/ teils, teils/ weiß nicht? es wurde festgestellt, daß es wesentlichen Einfluß auf die Antworten hat, wann solche Fragen im Interview gestellt werden!!! Fragenformulierung – Faustregeln 1. Jede Frage sollte vor der Untersuchung mehrfach vorgetestet werden 2. Fragen sollen einfache Wörter haben, keine Fachausdrücke, keine Fremdwörter, keine Abkürzungen etc. 3. Fragen sollten kurz formuliert werden 4. Fragen sollten konkret sein, keine abstrakten Begriffe enthalten 5. Suggestivfragen sollten vermieden werden 6. Fragen sollten neutral formuliert werden, keine belastenden Worte enthalten Fragen sollten nicht hypothetisch formuliert werden 7. Fragen sollten sich nur auf einen Sachverhalt beziehen 8. Es sollten alle möglichen negativen und positiven Antwortmöglichkeiten vorhanden sein Fragebogenstrategie Fragebogen sind nach logischen und psychologischen Gesichtspunkten zu gestalten. Fragen zum gleichen Themenkreis sollten aufeinander folgen, zuerst sollten allgemeine und dann erst speziellere Fragen gestellt werden. Heikle Fragen sollten 25 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung erst gestellt werden, wenn ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut worden ist, die Fragen am Anfang sollten das Interesse des Befragten wecken. Einleitungsfragen, Aufwärmfragen... Fragen zum Abbau konventioneller Schranken „viele Leute sagen, daß es schlecht für die Kopfhaut ist, wenn man sich zu oft die Haare wäscht. Wie oft waschen Sie sich die Haare?“ Povokatorische Fragen sollen Spontaneität steigern Fragen mit Fallgruben zum Testen von Widersprüchen, Übertreibungen etc. Funktionale Fragen zb. Filterfragen um Personen auszusondern, für die die Fragen nicht relevant sind (haben Sie ein Handy?) Ergänzungsfragen, um zu vervollständigen Evaluierung des Fragebogens Zur Beurteilung der Befragung durch den Interviewer sind zb folgende Fragen wichtig: Welche Fragen haben dem Befragten Schwierigkeiten bereitet? Mußten Sie Fragen wiederholen? Welche Fragen wurden falsch interpretiert? Welche Fragen waren am schwierigsten zu stellen? Gibt es Fragen, die Sie nicht mögen? Gab es Fragen, bei denen der Befragte gern mehr gesagt hätte? Das Experiment Die meisten Forschungsstrategien haben experimentelle Züge. Ein reines Experiment ist eine Untersuchung, bei der ein Höchstmaß an Kontrolle vorliegt, es stellt die strengste Form der Hypothesenüberprüfung dar. Ein Experiment dient immer der Überprüfung von Theorien. Das Experiment ist die wiederholbare Beobachtung unter kontrollierbaren Bedingungen. Dabei werden ein bzw. mehrere unabhängige Variablen so manipuliert, daß ein in einer Hypothese behaupteter Kausalzusammenhang überprüft werden kann. Vorteile: Versuchspersonen und Gegenstände können in einen künstlichen Prozeß eingefügt werden, so können soziale Zusammenhänge unter ständiger Kontrolle dargestellt werden 26 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Extremsituationen können konstruiert und die entsprechenden Hypothesen unter strenger Kontrolle überprüft werden Gilt als sicherste Methode der Sozialforschung, Kausalbeziehungen im Bereich der sozialen Phänomene festzustellen Grundbedingungen 1) die Variablen bzw. Faktoren müssen eindeutig definiert werden, um eine Hypothese formulieren zu können 2) eine Hypothese muß formuliert werden, die einen Zusammenhang zwischen einer UV und einer AV behauptet 3) die zu beobachtenden Variablen müssen von anderen Variablen isoliert werden können 4) die UV muß variierbar sein 5) die Manipulationen müssen wiederholbar sein Verschiedene Arten von Experimenten Labor- und Feldexperiment Laborexperiment: Eine Versuchsgruppe VG und eine Kontrollgruppe KG werden in eine künstliche Situation gebracht. Dann wird beobachtet, ob eine unabhängige Variable UV auch wirklich die ihr zugeschriebene kausale Wirkung auf eine abhängige Variable AV hat. Durch die Konstruktion der künstlichen Situation soll verhindert werden, daß außer der UV kein anderer Faktor wirkt intervenierende Variable. In der KG wird die UV nicht wirksam bzw. nicht variiert Feldexperiment: Der zu untersuchende Gegenstand wird nicht aus seiner natürlichen Umgebung herausgelöst. Projektives Experiment und ex-post-facto-Verfahren Projektive Experimente untersuchen soziale Prozesse. Sie beginnen mit der Einführung eines neuen Reizes und verfolgen den Prozeß bis zu den Auswirkungen. Ex-post-facto-Verfahren untersuchen einen bereits abgeschlossenen sozialen Prozeß, der bis zum angenommenen Auslöser zurückverfolgt wird. Man versucht also, die Ursachen für einen bereits vorliegenden Sachverhalt festzustellen. Dieses Verfahren ist allerdings kein echtes Experiment. Simultan- und sukzessives Experiment Beim Simultanexperiment werden mehrere Gruppen gleichzeitig untersucht bzw. beeinflußt es gibt mindestens eine VG und eine KG 27 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Beim sukzessiven Experiment wird dieselbe Gruppe vor und nach der Reizeinwirkung untersucht VG und KG sind ident Messungen bezüglich Auswirkungen des Zeitfaktors sind möglich. Simulation und Planspiel mathematische Modelle Vorteile: Analyse ist genauer, da Mehrdeutigkeiten verbaler Begriffe ausgeschlossen werden können Fehler, Irrtümer etc. sind schneller erkennbar Nachteile: Nuancen können verloren gehen Komplexität menschlichen Verhaltens kann nur schwer in mathematische Formeln übersetzt werden Simulation: Modell eines bestimmten Systems zb. einer Gruppe wird erstellt. Die wichtigsten Variablen und ihre Interdependenzen sowie das Verhalten der Komponenten sind bekannt. Variablen werden manipuliert und die Einflüsse der Manipulation auf das ganze System überprüft. Daraus werden Schlüsse auf die Realität gezogen. Simulationen ermöglichen die Untersuchung von Hypothesen, die in der Realität nicht untersucht werden könnten, zb. Staaten in Krisensituationen. Die Simulation ist empirisch nicht relevant, man kann mit ihrer Hilfe aber Prüfungshypothesen aufstellen. Simulationen werden hauptsächlich in Politikwissenschaften verwendet. Planspiel: Untersucht das Verhalten der Komponenten. Die Situation wird simuliert, das Verhalten der Akteure aber nicht näher festgelegt, weshalb auch das Mitwirken von Individuen erforderlich ist. Diese übernehmen Rollen und handeln in einer fiktiven Wirklichkeit, dadurch soll vorstellbar werden, wie jemand tatsächlich in einer solchen Situation handeln würde. Es sind keinerlei Handlungsstrategien oder Verhaltensweisen vorgegeben, es fehlt also sowohl die Hypothese als auch der Plan. Kontrolle von Experimenten Technik der Kontrolle 1) Feststellung der bedeutsamen Faktoren 2) Nicht kontrollierbare Faktoren müssen ausgesondert werden 3) A) Kontrolle durch Gleichsetzung von Faktoren VG und KG sollen sich in allen Faktoren völlig gleichen B) Kontrolle durch Herstellung maximaler Zufallsstreuung störende Variablen wirken nach der Wahrscheinlichkeitstheorie auf beide zufällig ausgewählte Gruppen gleich. Die Wahrscheinlichkeiten müssen in den Prüfungshypothesen 28 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung formuliert sein theoretisch zu erwartende durchschnittliche Abweichung, wird aufgrund von angenommenen unendlich vielen Wiederholungen berechnet Probleme der Kontrolle Durch Interdependenz sozialer Faktoren ist es oft nicht möglich, den Wirkungsfaktor vollständig zu isolieren. Ein projektives sukzessives Experiment wird in diesem Fall bevorzugt, da die Gleichsetzung der Faktoren in einer einzigen Gruppe leichter ist. Ein Problem dabei ist aber der zeitliche Abstand, der zwischen den Versuchen liegen muß. Die Mitglieder der Gruppe können inzwischen ihre Gewohnheiten geändert haben oder unkontrollierbaren Einflüssen ausgesetzt gewesen sein. Die Struktur des sozialen Gebildes der Gruppe wird also verändert soziale Dynamik. Einwände gegen das sozialwissenschaftliche Experiment Self-fulfilling und Self-destroying prophecy Handlung wird durch die Voraussage der Hypothese herbeigeführt self-fulfilling Handlung wird durch die Voraussage der Hypothese verhindert self-destroying Oft werden Prognosen mit der Absicht gestellt, daß sie sich allein durch ihre Veröffentlichung selbst zerstören, zb. im Bezug auf Umweltschutz. Im Experiment läßt sich dieser Faktor aber weitgehend ausschließen. Selektivität des Experiments Die soziale Realität wird nur unvollkommen betrachtet, eine im Labor beobachtete Kausalität kommt in der Realität nicht vor. Diese Erkenntnis gibt Anlaß zu weiterer Forschung warum kommt die Kausalität nicht vor? Um diese Frage sinnvoll stellen zu können, muß vorher experimentell festgestellt werden, ob eine Kausalität überhaupt existiert. Ethnische Vorbehalte Es ist ethnisch bedenklich, das Leben von Menschen zu manipulieren. Die Inhaltsanalyse Quantitativ: objektive, systematische und quantitative Beschreibung des manifesten Inhalts von Kommunikation. Es wird von einem manifesten Text auf einen nicht manifesten Kontext geschlossen Qualitativ: Verzichtet teils oder ganz auf Quantifizierung 29 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Orientiert sich an der Alltagskommunikation und deren Deutungen Keine Hypothesen und Variablen werden vorab definiert Datenauswertung: systematische Interpretation Hypothesen werden generiert, nicht falsifiziert Gegenstand sind alle Kommunikationsinhalte, die irgendwie festgehalten wurden: Texte, Filme, Tonaufnahmen, Bilder, Kleidung, Schmuck, Höhlenmalereien... Ein Ziel neben der Beschreibung des Textes ist es, die Zusammenhänge zwischen Sender, Empfänger und Umweltbedingungen zu erforschen: Sender: Empfänger: an wen richtet sich die Aussage und wie wird sie von ihm aufgenommen? Soziale Situation: welche Werte und Normen vertreten die Kommunikanten, welche Handlungsstrukturen liegen der Kommunikation zugrunde? wer sagt etwas in welcher Situation und warum? Drei Funktionen der Inhaltsanalyse: Diagnostische: Bedingungen, aus denen der Text hervorgegangen ist Prognostische: zukünftiges Verhalten des Verfassers Kommunikationstheoretische: Zusammenhang zwischen Sender und Empfänger Geschichtliche Entwicklung Die Phase der Intuition bis 1900 Die quantitativ-deskripitve Phase bis ca. 1926 Analyse von Zeitungen nach der Häufigkeit behandelter Themen etc. Reifung zum eigenständigen Erhebungsinstrument bis 1941 durch Auftreten neuer Medien, Analyse der Wirkung von Inhalten anhand der Propaganda im WWII Phase der interdisziplinären Erweiterung 1941 Konferenz über MM in Chicago, Schritt zur qualitativen Analyse Phase der theoretisch-methodischen Fundierung seit 1967 Die deskripitve Inhaltsanalyse Eine quantitative Beschreibung von Texten, im 19. Jhd. wurden Zeitungen auf Themenschwerpunkte hin untersucht. Textanalyse: welche Dimensionen des Textes sind sinnvolle Untersuchungseinheiten? syntaktische Analyse des Textes, rein formal. Zb. bestimmte Worte, Fremdworte, Wortarten, Satzzeichen, Zeitabschnitte bei 30 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Radiosendungen... Bsp. Autorenanalyse: man kann einen Text einem Autor zuordnen, wenn man die Merkmale mit anderen Texten dieses Autors vergleicht. Die semantische Analyse untersucht die Beziehungen zwischen den Zeichen und Objekten im Text. Themenanalyse: Beschreibung eines Inhalts nach Kategorien. Die inferentielle Inhaltsanalyse Inferenz: bestimmte Merkmale des Textes hängen mit bestimmten Merkmalen des Kontextes zusammen gesellschaftliche Verhältnisse werden in Medien widergespiegelt (Repräsentationsmodell) – oder löst erst die Medienberichterstattung diese Verhältnisse aus (Instrumentalmodell)? Bei beiden Modellen muß der tatsächliche Kontext sorgfältig kontrolliert werden, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Man kann also nur von einer Variable auf eine andere schließen, wenn man den Zusammenhang zwischen ihnen kennt und in einer Hypothese ausdrückt. Deduktive Hypothese: man kennt den Zusammenhang zwischen Text und Kontext Induktive Hypothese: wird in der laufenden Untersuchung erst entwickelt, man hat keine Kenntnisse über Zusammenhänge Absolute Inferenz liegt dann vor, wenn eine Variable im Text direkt mit einer Variable im Kontext korrespondiert zb. Propagandaforschung: wird eine Wunderwaffe erwähnt, kann man davon ausgehen, daß tatsächlich eine bestimmte Waffe konstruiert wird. Relationale Inferenz: ein direkter Zusammenhang kann nicht aus den Variablen abgeleitet werden, sondern wird erst durch die Analyse von Merkmalsveränderungen erschlossen vergleichende Inhaltsanalyse. Bsp. Veränderung der Themenauswahl in Zeitungen dokumentieren Wertewandel. Die kommunikative Inhaltsanalyse Der Ablauf realer Kommunikation wird untersucht, nicht nur Texteinheiten, sondern auch Kommunikationsprozesse. Vom Inhalt der Kommunikation soll auf die Absicht des Senders und die Wirkung beim Empfänger geschlossen werden. Dazu wurden zahlreiche Kommunikationsmodelle entwickelt. Mit Hilfe der Bedeutungsanalyse werden Beziehungen zwischen einem Wort und einem damit bezeichneten Objekt sowie mit dem Wort verbunden Gefühle aufgedeckt. Bsp. Interviewanalyse: Beziehungen zwischen dem Inhalt und den Kommunikanden werden untersucht und die Art und Inhalte der Kommunikation wird interpretiert zb. Gruppentherapie Die qualitative Inhaltsanalyse Dient sowohl zur Erhebung neuer Daten wie auch zur Auswertung bereits gewonnener Daten. Die Vorteile dieser Methode sind, daß mit ihr unstrukturiertes 31 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Datenmaterial verarbeitet werden kann, daß auch symbolische Formen der Kommunikation berücksichtigt werden können und daß mit entsprechender Software sehr große Datenmengen bearbeitet werden können. Bei der Auswertung müssen einerseits immer wieder Rückkoppelungen zwischen dem einzelnen Forscher und dem Text stattfinden, um die Richtigkeit der Interpretation zu überprüfen; andererseits müssen die Interpretationen in einer Forschergruppe diskutiert werden. Der Forschungsablauf Vor Beginn der Untersuchung muß geklärt werden, ob induktiv oder deduktiv vorgegangen werden soll. Der erste Schritt der Analyse ist die Festlegung des Analysematerials, das heißt, man entscheidet, welche Texte man untersuchen will: welche Texte sind für die Untersuchung relevant, sind diese Texte zugänglich und existieren solche Texte überhaupt? Im zweiten Schritt wird die zu untersuchende Stichprobe festgelegt, zb. alle Frauenzeitschriften, die von 1950 bis 1970 in Österreich auf dem Markt waren; aus dieser Gesamtstichprobe werden die zu untersuchenden Exemplare ausgewählt. Dabei muß die periodische Erscheinung, Regionalität etc. beachtet werden. Dann werden Zähleinheiten im Text festgelegt: zb. Worte, Wortarten, Artikel... und ein Kategorienschema aufgestellt. Die Kategorien müssen folgenden Anforderungen entsprechen: Kategorien sollen theoretisch abgeleitet sein Soll vollständig sein Kategorien sollen wechselseitig exklusiv sein Kategorien sollen voneinander unabhängig sein Sollen ein einheitliches Klassifikationsprinzip haben zb. Schulbildung: Volksschule, Hauptschule, Matura ist nicht einheitlich!!! Sollen eindeutig definiert sein wenn möglich, eindeutige Definition für jede Kategorie aufstellen, zb. Stadtbewohner = ... Bei der Codierung werden die Texte analysiert und die gefundenen Kategorien in ein Codeblatt eingetragen. Zur Auswertung existiert entsprechende Software. Qualitative Analyseverfahren Es gibt eigentlich keine strikte Trennung zwischen Erhebung und Auswertung In der ersten Phase wird das Material gesichtet, dann erfolgt die Analyse in 9 Schritten: 1. Auswahl des Materials (Interviewpassagen) 2. Analyse der Situation während des Interviews 32 Erstellt von Pia Lichtblau 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Formale Charakterisierung anhand einer Transskription Richtung der Analyse Differenzierung der Fragestellung Analysetechnik Analyseeinheit Analyse des Materials Interpretation Die Analysemethode ist die objektive Hermeneutik, mit der der Interpret die allgemeinen Handlungsregeln und Sinnstrukturen, die einem Text zugrundeliegen, erkennen soll. Verläßlichkeit und Gültigkeit Um die Verläßlichkeit der Meßinstrumente, also des Kategorienschemas, zu prüfen, müssen mehrere Codierer das gleiche Material in die selben Kategorien einordnen können. Die Gültigkeit bezeichnet die Übereinstimmung zwischen dem, was man messen will und dem, was man tatsächlich mißt. Zur Außenvalidierung einer Inhaltsanalyse muß man die Realität mit anderen Mitteln überprüfen. Auswertung der erhobenen Daten Auswertung: alle Arbeiten, die mit der Aufbereitung, Analyse und Interpretation zu tun haben. Grundlagen Skalierungsverfahren Nominalskala: diskontinuierliche Folgen von Tatbeständen werden zahlenmäßig bezeichnet, identische Zahlenwerte bedeuten identische Positionen. Die Zahlenwerte dienen nur der Bezeichnung, nicht der Bewertung. Bsp.: „In welchem Alter sind Sie?“ 1) im erwerbsfähigen 2) im nicht erwerbsfähigen 3) keine Angabe Die zugeordneten Ziffern bezeichnen nur die möglichen Merkmalsausprägungen. Ordinalskala: numerische Aussagen über die Abfolge von Tatbeständen zwischen Extrempunkten. Die zahlenmäßigen Abstände entsprechen aber nicht den tatsächlichen Abständen dieser Eigenschaft. 33 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Bsp.: „Welcher Altersgruppe gehören Sie an?“ 1) bis 18 2) 19 bis 39 3) 40 bis 69 4) 70 oder älter Die Abstände zwischen den einzelnen Kategorien sind nicht gleich groß, es läßt sich nur sagen, daß 4)>3)>2)>1) Intervallskala: numerische Werte von Abständen werden der Reihe nach angegeben. Bsp.: „In welchem Jahr sind Sie geboren?“ Aufbereitung der erhobenen Daten Daten aufzubereiten bedeutet, sie in eine übersichtliche, leicht zu analysierende Form zu bringen, also zb. durch Eingabe der Daten von den Fragebögen in spezielle Computerprogramme. Die Form der Datenaufbereitung und die Art der Auswertungsprogramme müssen bereits bei den Vorbereitungen einer Erhebung bedacht werden. Dateneingabe am Bildschirm Datenbankprogramm Auswertungsprogramm Computerlesbare Fragebögen Nach der Eingabe müssen die Daten geprüft werden, das geschieht einerseits durch eine Sichtung der übersichtlichen Listen, andererseits mit Hilfe von Prüfprogrammen. Eine weitere Kontrollmöglichkeit ist, daß man dieselben Daten von zwei verschiedenen Personen eingeben läßt und dann die Datensätze vergleicht. Sind sie an einer Stelle nicht ident, läßt sich ein Eingabefehler anhand der Fragebögen leicht ausmachen. Analyse der aufbereiteten Daten Bedeutet einerseits die Beschreibung der Daten mit Hilfe der deskriptiven Statistik, aber auch die Überprüfung der Hypothesen mit Hilfe der analytischen Statistik. Wichtige Kriterien für die Auswertung: Das Skalenniveau der Daten nominalskaliert, ratioskaliert.... Die Zahl der Variablen wieviele Variablen miteinander in Verbindung gebracht werden sollen, eindimensional oder mehrdimensional Die Zahl der möglichen Nennungen werden Fragen mit Mehrfachnennungen ausgewertet oder gibt es immer nur eine Antwortmöglichkeit Die Zahl der Verbundenheit von Stichproben Stichproben können miteinander vergleichbar sein. Dann können sie voneinander unabhängig sein oder nicht, wie zb. Befragung derselben Personen in Zeitabständen 34 Erstellt von Pia Lichtblau Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung Auswertung Beschreibende Auswertungen Dienen der Auswertung einzelner Merkmale: Häufigkeiten Mittelwerte Median ... Analytische Verfahren Es kann durch einen Test festgestellt werden, ob es sich bei einem bestimmten Merkmal um eine Normalverteilung handelt oder nicht. Zb. ergibt sich aus den Diplomprüfungsnoten aller Studenten eine Normalverteilung oder nicht? Weiters können Hypothesen geprüft werden. Zb. „Die Berufsverteilung der Väter der Studenten entspricht nicht der der gesamten männlichen Bevölkerung.“ Mit dem Chi-Quadrat-Test kann überprüft werden, ob die Nullhypothese zutrifft oder nicht. Auswertung mehrerer Merkmale im Zusammenhang Kreuztabellen Die einfachste Möglichkeit ist die Gegenüberstellung von zwei dichotomen Variablen zweidimensionale Kreuztabelle 35