Die Steigerung der Arbeitsproduktivität junger Unternehmen durch Professionalisierung ihres Personalmanagements Der Status Quo Dass Mitarbeiter heute die wichtigste Ressource in der Wirtschaft sind, ist weithin bekannt und wird oft beschworen. Merkwürdig ist nur, dass – trotz aller offiziellen diesbezüglichen Bekundungen – das Personalmanagement in vielen Unternehmen nur wenig ernst genommen wird! Zwar gibt es i. d. R. auch in jungen Unternehmen eine Personalabteilung oder wenigstens einen „Personalreferenten“, „Personalleiter“ oder „Human Resources Manager“; dieser gehört jedoch nur selten dem Führungsteam an. Vielmehr ist er häufig eine Art besserer (schließlich hat er ja studiert!) Verwalter, der außerdem noch Seminare buchen und Kündigungsgespräche führen darf. Was stimmt da nicht? Vielleicht hat es ja etwas damit zu tun dass der „Personaler“ (wie auch immer er sich nennen darf) i. d. R. als letzter an Bord geholt wird – falls überhaupt. Wenn ein Unternehmen wächst, können die Gründer sich schon bald nicht mehr um alles kümmern: Für die Technik wird dann ein Ingenieur eingestellt, für das Marketing ein Marketing-Fachmann, für die Finanzen ein Controller etc. Diese haben alle ihre Fachgebiete und um das Personal kümmern sie sich sowieso, schließlich sind sie ja Führungskräfte. Wozu also extra einen Spezialisten für Human Resources einstellen? Zumal zu befürchten ist, dass der einem mit so lästigen Dingen wie Mitarbeitergesprächen, Beurteilungsrunden, Potenzialanalysen oder systematischer Personalentwicklung kommen wird… …andererseits muss so mancher CEO / Geschäftsführer / Head of … zugeben, dass z.B. die Rekrutierung neuer Mitarbeiter immer schwieriger wird. Die Gründungseuphorie und damit auch die Aussicht auf das große, schnelle Geld sind einer Ernüchterung gewichen. Die Vergütung spricht nicht mehr für sich, und innovative Incentives locken bzw. halten auch nicht mehr jeden. Es ist nicht mehr ganz so „hip“, für ein junges Unternehmen zu arbeiten. So mancher hat mittlerweile auch die Erfahrung gemacht, dass Entlassungen ganz schön auf die Stimmung drücken. Irgendwie ist seither die Luft raus. Sogar Arbeitszeitregelungen und Überstundenvergütungen sind plötzlich ein Thema! Und in einigen Unternehmen haben die Mitarbeiter sogar einen Betriebsrat gewählt. Wenn das so weitergeht… Fehler #1: Unklarheit im Hinblick auf Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Standards Häufig zeichnet sich das Personalmanagement in jungen Unternehmen eher durch kreatives Chaos als durch klare Strukturen und Prozesse aus. Aufgaben werden nicht unbedingt systematisch verteilt; häufig herrscht das Prinzip „jeder macht ein bisschen was“. Anfangs funktioniert das zwar i. d. R. recht gut, doch mit wachsender Mitarbeiterzahl wachsen auch die Probleme. Das sieht dann so aus, dass personalwirtschaftliche Aufgaben (die über die obligatorischen Aufgaben der Personalverwaltung hinausgehen) entweder gar nicht erledigt werden, weil sich niemand für sie zuständig fühlt, oder aber es arbeiten gleich mehrere Leute an ein und derselben Sache – und dies nach unterschiedlichen Maßstäben. Von einer Gleichbehandlung aller Mitarbeiter ist man Meilen entfernt. Ärger und Frust sind da vorprogrammiert, könnten jedoch weitgehend vermieden werden, wenn die Führungskräfte kapieren würden, dass Strukturen und Standards nicht nur negativ sind; Handlungsrahmen geben schließlich auch Sicherheit! Ein „Mehr“ an Klarheit im Hinblick auf Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Standards würde Fehler, Redundanzen und Ungleichbehandlung success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 1 genauso verringern wie die damit verbundene Unzufriedenheit – auf der Seite der „Ausführenden“ genauso wie bei den Mitarbeitern. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 2 Fehler #2: „Karotten“ statt ernst gemeinter Partizipation Seit die Hoffnung auf das schnelle, große Geld verschwunden ist, ist es auch nicht mehr so leicht, Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten. Die Motivierung durch Aktien bzw. Stock Options, der ein Menschenbild zugrunde liegt, das auf Faulheit und Belohnung aufsetzt, funktioniert nicht mehr. Man darf gespannt sein auf die nächste „Karotte“, die den Mitarbeitern vor die Nase gehängt wird! Doch es geht auch billiger: Mit dem Abbau demotivierender Momente in der Organisation. Dazu gehören z.B. die ernst gemeinte Einbindung in Entscheidungsprozesse, Feedbackgespräche und Mitarbeiterbefragungen – deren Ergebnisse dann aber auch umgesetzt werden müssen. Fehler #3: Vergütungssysteme ohne ertragsabhängige Komponenten Ein Problem mancher Unternehmen ist, dass die vorhandenen Vergütungssysteme keine ertragsabhängigen Komponenten enthalten. Dadurch können Umsatzeinbußen nicht wirkungsvoll und für die Mitarbeiter nachvollziehbar abgefangen werden. Gehaltskürzungen, die von den Mitarbeitern nicht verstanden werden und den durchaus verständlichen Reflex der Besitzstandswahrung auslösen, stoßen jedoch auf wenig Akzeptanz. Fehler #4: Mangelnde Offenheit in der Kommunikation Laufen die Geschäfte schlechter als erwartet, informiert die Geschäftsführung die Mitarbeiter häufig nicht offen über die Entwicklung, Chancen und Risiken der aktuellen Situation. Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln, die Stimmung im Unternehmen verschlechtert sich zunehmend, und gute Mitarbeiter beginnen, sich nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen. Sie sind auch die ersten, die aufgrund ihrer Fähigkeiten einen neuen Job finden. Die schwächeren Mitarbeiter verbleiben im Unternehmen. Fehler #5: Aktionismus und operative Hektik statt langfristiger Zielorientierung Allzu oft verliert die Geschäftsleitung in schwierigen Situationen selbst ihre Ziele aus den Augen und verliert sich in kurzfristigem Aktionismus. Bei rückläufiger Auftragslage wird schon bald das übliche Register „Personalabbau“ gezogen. Dabei geht Know-how verloren, Investitionen in die Mitarbeiter können sich nicht mehr bezahlt machen, und die Produktivität und Loyalität der „Hinterbliebenen“ sinkt. „Sanftere“ Maßnahmen wie Out- und NewPlacement könnten dies weitgehend verhindern; sie wären nicht nur politisch bzw. moralisch korrekt, sondern auch wirtschaftlich notwendig. Interessant ist außerdem, dass bei schlechter Auftragslage häufig für weniger Arbeit mehr Arbeitszeit verbraucht wird. Grund: Obwohl die Auftragslage sogar Raum und Zeit für pro-aktive Verbesserungen ließe, herrscht operative Hektik weil aufgrund der Unsicherheit und „Ziellosigkeit“ der Geschäftsleitung ständig Prioritäten geändert werden. Den Mitarbeitern fehlen dadurch motivierende Ziele. Die Stimmung im Unternehmen wird diffus negativ. Es beginnt eine Abwärtsspirale… Die unzureichende Produktivität der zwischenmenschlichen Beziehungen wird so zur größten Wachstumsbarriere! Soweit müsste es allerdings nicht kommen: Mit einem professionellen Personalmanagement könnte die Entwicklung wesentlich stabiler verlaufen und die Arbeitsproduktivität gesteigert werden! success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 3 Fragt sich nur, wie ein professionelles Personalmanagement aussehen könnte!? Ein professionelles Personalmanagement sollte sowohl gedankenvoll als auch tatenreich sein, d.h. es sollte pro-aktiv Strategien und Maßnahmen planen, und diese anschließend auch tatsächlich umsetzen. Die Praxis sieht jedoch häufig anders aus – auch in den etablierten Unternehmen. Statt eines gedankenvollen und tatenreichen strategischen Personalmanagements sind die folgenden drei „Varianten“ von Personalmanagement weit verbreitet: (1) Reaktives Personalmanagement = tatenarm und gedankenarm Die Personalabteilung konzentriert sich auf administrative Aufgaben wie das Anfertigen von Statistiken und die Sicherstellung einer rechtzeitigen und korrekten Gehaltsabrechnung. Außerdem werden dem Management unangenehme Tätigkeiten wie das Aussprechen von Abmahnungen und Kündigungen abgenommen. (2) Aktionistisches Personalmanagement = tatenreich aber gedankenarm Die Personalabteilung nimmt dankbar Vorgaben, Ideen, Anstöße (z.B. für ein neues Vergütungsmodell) aus dem Management oder von Unternehmensberatern auf. Sie ist mit der Implementierung von „Quick-Fix-Programmen“ beschäftigt. Hier ist die Personalfunktion zum Erfüllungsgehilfen für „dies und das“ mutiert. (3) Konzeptionistisches Personalmanagement = gedankenreich aber tatenarm Hier ist die Personalabteilung hauptsächlich mit dem Erstellen von Konzepten zu grundsätzlichen personalwirtschaftlichen Fragen sowie deren „Veröffentlichung“ in Hochglanzbroschüren (zur Legitimation der eigenen Existenzberechtigung) beschäftigt, die aber leider weder Mitarbeiter noch Führungskräfte zur Kenntnis nehmen, da die Realität mangels Umsetzung der Konzepte nicht mit der Theorie übereinstimmt. Kurz: personalpolitische Sandkastenspiele, die unter den Mitarbeitern allenfalls Ironie hervorrufen! Die Folgen dieser drei weit verbreiteten Formen der Personalarbeit: Motivationsverlust durch Vertrauensverlust. Sinkende Leistungsbereitschaft und Loyalität durch fehlende Glaubwürdigkeit. Vermehrte Fehlerhäufigkeit, sinkende Produktivität, steigende Unzufriedenheit. Verlust von Know-How durch aktionistisch durchgeführte Entlassungen. Höhere Ausgaben für Wiedereinstellungen und Einarbeitung. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 4 Was aber wäre die Alternative? (4) Strategisches Personalmanagement = gedankenreich und tatenreich Die Personalabteilung generiert Ideen und Konzepte, die sie dann operationalisiert und umsetzt. Die Personalfunktion beschränkt sich nicht nur darauf, bereits bestehende Probleme zu beschreiben; vielmehr plant sie pro-aktiv Strategien, Ressourcen und Maßnahmen, setzt diese um und bewertet ihren Erfolg. Professionelles Personalmanagement ist also… 1. strategisch, systematisch und pro-aktiv… …d.h. systematisch in die Unternehmensstrategie integriert, gedankenreich und umsetzungsstark. Human Resources ist „Business Partner“ der Geschäftsleitung, was eine entsprechende Kompetenz über den reinen Personalbereich hinaus voraussetzt, aber auch mit entsprechender Richtlinienkompetenz und Entscheidungsbefugnis einhergehen muss. Die Personalabteilung ist also alles andere als eine devote Dienerin! 2. werteorientiert… …d.h. konsequent an den Unternehmenswerten bzw. einem Unternehmensleitbild und den dort formulierten Zukunftsvisionen, Werten, Zielen und gewünschten Verhaltensweisen ausgerichtet. Human Resources als eine Art „Leitstern“, der über den dynamischen Zielen und den Turbulenzen der Märkte richtungsweisend wirkt. 3. integrativ… …d.h. die Interessen der Unternehmensführung und der Mitarbeiter werden gleichermaßen berücksichtigt und ein Ausgleich angestrebt. Möglichkeiten zur Integration der Mitarbeiterinteressen liegen insbesondere in einer angemessenen Partizipation an Entscheidungsprozessen, einer Erhöhung der Arbeitszeitautonomie sowie einem situativen Führungsstil, der durch ein positives, den Menschen als grundsätzlich leistungswillig verstehendes Menschenbild geprägt ist. Hinzukommen müssen Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation und der Kooperation und damit eines positiven Arbeitsklimas, eine an den individuellen Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeiter orientierte sukzessive Erweiterung von Aufgabeninhalten, sowie der Abbau bürokratischer Strukturen mit oftmals künstlichen Über- und Unterordnungsverhältnissen. 4. konsistent und konsequent… …d.h. konsistente Handlungsmuster unterstützen das Erreichen der Unternehmensziele. Alle personalwirtschaftlichen Aktivitäten sind aufeinander abgestimmt und tragen zum Erreichen der Unternehmensziele bei. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 5 success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 6 Ziel eines professionellen Personalmanagements Ziel eines professionellen Personalmanagements ist die Verbesserung des Unternehmenserfolgs durch Steigerung der Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter, die als temporäre „Geschäftspartner“ betrachtet werden. Nach dem bekannten Wissenschaftler Leo Nefiodow wird die Arbeitsproduktivität grundsätzlich nur von drei Faktoren bestimmt: 1. Arbeitsteilung 2. Zusammenarbeit 3. Einsatzbereitschaft Arbeitsteilung ist unumgänglich, wenn eine Aufgabe nicht von einer Person allein bewältigt werden kann. Die damit verbundene Spezialisierung erfordert die Aneignung der zur Durchführung der jeweiligen Teilaufgabe notwendigen Fach- und Methodenkompetenz. Wird eine Aufgabe arbeitsteilig erledigt, müssen die Einzelbeiträge durch Zusammenarbeit zum gewünschten Gesamtwerk zusammengeführt werden. Der zweite Faktor, der die Arbeitsproduktivität bestimmt, heißt deshalb Kooperationsfähigkeit. Um eine hohe Produktivität zu erreichen, genügt es aber nicht, dass die Arbeitsteilung gut organisiert ist und die Mitarbeiter das notwendige Spezialwissen haben und kooperativ sind. Sie müssen auch bereit sein, diese Fähigkeiten einzusetzen. Einsatzbereitschaft ist daher die dritte Säule der Arbeitsproduktivität. Um die Produktivität der menschlichen Arbeit zu steigern, versucht ein professionelles Personalmanagement demzufolge diese drei Größen zu optimieren: Fach- und Methodenkompetenz Kooperationsfähigkeit Einsatzbereitschaft Arbeitsteilung / Spezialisierung ist ein Bereich, den wir gut beherrschen. Das Spektrum an Methoden und Werkzeugen zur arbeitsteiligen Organisation von Arbeitsprozessen und die Vermittlung des entsprechenden Fachwissens ist groß: Es reicht von Lean Management über TQM und Workflow-Systemen bis hin zum Profit Center. Die Produktivitätssteigerungen, die damit erzielt werden können, sind groß, haben jedoch volkswirtschaftlich betrachtet den Nachteil, dass sie zur Einsparung von Arbeitsplätzen führen. Unabhängig davon laufen die Methoden zur Steigerung der Fach- und Methodenkompetenz ins Leere, wenn die anderen beiden Faktoren nicht hinzukommen: Was nützt der beste Fachmann, wenn er permanent im Clinch mit seinen Kollegen liegt und frustriert ist? Zwischen der Fachkompetenz und den anderen beiden Produktivitätsfaktoren Kooperationsfähigkeit und Einsatzbereitschaft besteht darüber hinaus ein wesentlicher Unterschied: Fachkompetenz ist eine kognitive Fähigkeit, die notfalls auch eingekauft werden kann (z.B. bei Unternehmensberatern). Kooperationsfähigkeit und Einsatzbereitschaft hingegen sind keine kognitiven, sondern psychosoziale und ethische Fähigkeiten. Bei ihnen geht es nicht um logisches Denken, sondern um die Qualität des Verhaltens. Im Gegensatz zur Fachkompetenz kann man Kooperationsfähigkeit und Einsatzbereitschaft nicht von außen einkaufen. Jedes Unternehmen muss sie selbst entwickeln. Und um sie zu entwickeln, muss man die Herzen der Mitarbeiter gewinnen – so schwülstig das auch immer klingen mag. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 7 Wie aber kann man die Herzen der Mitarbeiter gewinnen? Unter anderem durch die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen eines professionellen Personalmanagements (die jedoch einen entsprechenden Wirkungshorizont benötigen!). Bausteine eines professionellen Personalmanagements (1) Implementierung eines Unternehmensleitbilds zur Veränderung der Unternehmenskultur Unternehmenskultur – was ist das? Unter Unternehmenskultur versteht man die Summe aller Überzeugungen und Einstellungen, Wertvorstellungen und Regeln eines Unternehmens. Diese Grundhaltungen bestimmen das Leistungsverhalten der Mitarbeiter, ihr Verhalten gegenüber Kunden und Kollegen, die Kommunikation und Zusammenarbeit – kurz: den Erfolg. Unternehmenskultur ist der eigene Stil eines Unternehmens. Er zeigt sich im Gerüst der geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die das Verhalten im Unternehmen bestimmen und nach dem die Beziehungen intern sowie mit Kunden und Geschäftspartnern ablaufen. Es ist eben ein Unterschied, ob das ungeschriebene Gesetz „Wer arbeitet, darf auch mal Fehler machen“ oder „Wer nichts macht, macht schon mal nichts falsch“ lautet! Solche „Gesetze“ hängen natürlich nicht im Foyer oder über dem Kaffeeautomaten. Oft sind sie sogar den Mitarbeitern, die sie beherzigen, kaum bewusst. Am besten spüren sie neue Mitarbeiter, die gegenüber den atmosphärischen Besonderheiten eines Unternehmens noch nicht betriebsblind sind. Schriftstücke wie Memos, Projektberichte und Arbeitsanweisungen lassen einiges von der Kultur eines Unternehmens erahnen, ebenso der Ablauf von Bewerbungsverfahren. Auch Architektur und Einrichtung erzählen eine eigene Kulturgeschichte: Wie stark sind hierarchische Unterschiede, wie wichtig Repräsentation und Bedürfnisse der Mitarbeiter? Am meisten erfährt man jedoch in Krisenzeiten: Herrscht Verschleierung oder Offenheit, wird der Druck von oben nach untern weitergegeben, zeigen sich die Mitarbeiter solidarisch? Die Unternehmenskultur wird beeinflusst von der Organisationsform, der Größe und Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens, seiner Tradition und Geschichte – und vor allem von den Menschen, die im Unternehmen die maßgeblichen Entscheidungen treffen. Dies gilt besonders in kleineren Unternehmen. Hier wird die Unternehmenskultur manchmal sogar vom Charakter und Führungsstil einer einzigen Person geprägt. Warum aber nun ein Leitbild? Die Dynamik in der Wirtschaft wächst. Unter dem enormen Druck ergreifen viele Führungskräfte nur die dringlichsten Maßnahmen. Statt Ursachen zu kurieren, werden Symptome bekämpft. Was häufig fehlt, ist der Überbau, die verbindende Klammer aller Aktivitäten: Worum geht es eigentlich? Wozu machen wir das? Wofür stehen wir? Wo wollen wir hin? Das Unternehmensleitbild ist diese fehlende Klammer: Es fasst in Worte, wofür ein Unternehmen steht und fördert damit die Motivation der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit den Unternehmenszielen. Und es trägt durch seine klaren Aussagen dazu bei, die Flut der alltäglich unter Zeitdruck anstehenden Entscheidungen zu bewältigen. Vor allem aber success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 8 bietet ein Leitbild Orientierung in Zeiten der Veränderung, indem es eine grobe Zielrichtung, die große Linie, eben das, worauf es ankommt, vorgibt. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 9 Fehlt ein Leitbild, greifen Strategien häufig zu kurz, weil sie kulturelle Fragen nicht beachten. Ein Beispiel: Ein typisches strategisches Ziel vieler Banken verlangt von den Vertriebsmitarbeitern, Kunden aktiv auf bestimmte Produkte anzusprechen und nicht mehr nur zu warten, bis diese von sich aus Beratungsbedarf anmelden. Diese Verhaltensänderung soll i. d. R. mit Trainings herbeigeführt werden. Die Wirkung dieser Maßnahmen wird jedoch dadurch eingeschränkt oder sogar aufgehoben, dass in vielen Banken die (ungeschriebene) Regel gilt: „Wer Kunden offensiv anspricht, arbeitet wie die Drückerkolonnen eines Direktvertriebs – das entspricht nicht unserem seriösen Image. Schließlich sind wir eine diskrete Branche.“ Diese Überzeugungen sind so tief verwurzelt, dass mit weiteren Trainingsmaßnahmen dagegen nicht anzukommen ist. In diesem Fall muss sich etwas auf der Ebene der Einstellungen verändern, die im Kern eine Unternehmenskultur ausmachen. Genauso wie die Strategieentwicklung ist es eine unternehmerische Entscheidung, die Kultur zu verändern! Leider ist die Sache nicht ganz so einfach, denn in jedem Unternehmen gibt es viele individuelle Wertvorstellungen und Visionen, die es zu verschmelzen gilt. Und zwar so, dass alle das Ergebnis als verbindliche Richtschnur für ihr tägliches Handeln akzeptieren. Da hilft es nicht viel, wenn sich der Chef im Urlaub eben mal hinsetzt und etwas zu Papier bringt. Ein Leitbild ist ein komplexes Gebilde, das die vielfältigen Möglichkeiten, die in einem Unternehmen stecken, beschreibt. Es lenkt den Blick über die heute erlebte Realität hinaus, um diese verändern zu können. Quasi eine Vision, die schon heute Basis des Handelns ist. Ein gutes Leitbild gibt konkrete Antworten auf die Fragen, die ein Unternehmen im Innersten zusammen halten: Wer sind wir? Woher kommen wir, und wo wollen wir hin? Was können wir? Was tun wir, wie tun wir es und mit wem? Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass ein Leitbild auch erheblichen Schaden anrichten kann, nämlich dann, wenn man es nicht ernst damit meint. Verkündet die Führung ein Leitbild ohne vorherige Diskussion, werden die Mitarbeiter das Ergebnis kaum akzeptieren. Nicht gelebte Werte sind der Auftakt für eine Abwärtsspirale: Sie machen Unternehmen unglaubwürdig und im schlimmsten Fall lächerlich. Und sie schaden der Motivation der Mitarbeiter. Deshalb kann nur davor gewarnt werden, ein Leitbild lediglich zur Außendarstellung und ohne Beteiligung der Mitarbeiter einzuführen. Allerdings schützt auch ein im Dialog mit den Mitarbeitern eingeführtes Leitbild nicht 100%ig vor Fehlern und Führungsschwächen. Jedes Leitbild kann umgangen und missachtet werden. Aber ohne Leitbild wissen die Mitarbeiter von vorneherein nicht, wo die Reise hingehen soll! Die Einführung eines Leitbilds Der Leitbild-Prozess wird von der Geschäftsführung initiiert, als Projekt organisiert und von den Mitarbeitern getragen. Am Anfang steht die Formulierung einer Zielsetzung bzw. eines groben Leitbildentwurfes. Bei der darauf folgenden Ist-Analyse ermittelt das Projektteam den bisher gelebten „Stil“ („Was gefällt mir? Womit habe ich Probleme? Was verstehe ich nicht? Was vermisse ich?“). Eine solche Bestandsaufnahme ist die Grundlage für den dritten Schritt: die Entwicklung der zukünftigen Unternehmensleitlinien, die möglichst konkret und handlungsorientiert formuliert werden sollten: success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 10 Mission: Prinzipien und Werte: Ziele: Kunden: Mitarbeiter: Produkt: Führung: Kommunikation: wir sind... unsere spezielle Stärke ist... wir stehen für... in 10 Jahren sind wir... unsere Kunden sind..., wir streben an, unsere Kunden zu… wir behandeln unsere Mitarbeiter..., wir schätzen... unsere Produkte sind..., sie unterscheiden sich durch... unser Führungsstil ist… unsere Kommunikation ist gekennzeichnet durch... Ein Beispiel: Wenn in einem Bekleidungsgeschäft auf „Teufel komm raus“ verkauft wird, egal ob dem jeweiligen Kunden das Kleidungsstück steht oder nicht, nimmt die Geschäftsführung – bewusst oder unbewusst in Kauf, mit diesem Verhalten Kunden zu verärgern. Denn spätestens zu Hause – angesichts entsetzter Kommentare der Familie bemerkt der Kunde den Fehlgriff. Er ärgert sich und wird u. U. nie mehr wieder kommen. Will die Geschäftsführung etwas an diesem Verhalten ihrer Mitarbeiter verändern, könnten die folgenden Leitsätze helfen: Uns ist die Kundenbeziehung wichtiger als der kurzfristig zu erzielende Deckungsbeitrag. Unser Wachstum wollen wir primär durch eine langfristige Kundenbindung erreichen. Wir erreichen dies durch eine kompetente und wertschätzend-kritische Beratung. Gegenüber Kundenreklamationen sind wir kulant. Wichtig ist, dass die erwünschten Veränderungen der Unternehmenskultur konsequent in den Instrumenten der Personalarbeit (Personalauswahl, Führungsgrundsätze, Beurteilungssystem, Beförderungsgrundsätze etc.) verankert werden! Dabei ist es wesentlich, dass alle Führungskräfte die neuen Verhaltensmuster nicht nur von den Mitarbeitern einfordern, sondern vor allem selbst vorleben. Was Entscheidungsträger - ganz oben angefangen - glaubwürdig vorleben, setzt sich peu à peu nach unten durch, egal wie gut oder schlecht es ist. Das Sprichwort „Kinder schauen den Eltern nicht auf’s Maul, sondern auf die Hände“ gilt auch für die Mitarbeiterführung. Predigen ist nichts, vorleben alles! (2) Ganzheitliche Personalentwicklung Die Notwendigkeit für eine ganzheitliche Personalentwicklung Im Zeitalter von Mergers & Acquisitions, Unternehmensnetzwerken, Joint Ventures, Shared Services, abteilungsübergreifenden Task Forces etc. sind Beziehungen die wertvollste Ressource von Unternehmen – Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern, Analysten, Politikern, Verbraucherverbänden, zur Kartellbehörde etc. - und auch zu den eigenen Mitarbeitern. Beziehungen, die ihren Wert nur durch kommunikative Pflege erhalten. Engagierte Mitarbeiter legen nicht nur auf Beschäftigung Wert, sondern auch auf die Qualifizierung während der Arbeit. Die Erhöhung der eigenen Beschäftigungsfähigkeit und damit die Steigerung des eigenen Wertes ist ein wesentliches Kriterium für qualifizierte Mitarbeiter, das viele Unternehmen immer noch unterschätzen. Es wird für Unternehmen in Zukunft immer wichtiger werden neben dem Shareholder und Customer Value auch einen Wert für die Mitarbeiter zu generieren. Humankapital muss künftig als Produktionsfaktor und nicht mehr als Kostenfaktor gesehen werden! success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 11 Nach wie vor besteht ein großer Bedarf, Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Kompetenzen weiter zu entwickeln. Die Erwartungen der Kunden sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, gleichzeitig sind die Kunden sensibler geworden. Unprofessionelles Verhalten birgt das Risiko, beim Kunden Negativpunkte zu sammeln. In manchen Unternehmen wurde zudem die Personaldecke immer wieder zu heiß gewaschen mit der Folge, dass die verbliebene kleinere Mannschaft mehr leisten muss. Also Kompensation fehlender Man-Power durch Qualität. Dies ist nur zu bewältigen, wenn sowohl die Fach- als auch die Sozialkompetenz der Mitarbeiter optimiert werden und die Effizienz eines jeden Mitarbeiters dadurch steigt. Aufgaben und Vorgehensweise einer ganzheitlichen Personalentwicklung Die Aufgabe der Personalentwicklung (PE) ist einfach beschrieben: Die Mitarbeiter ihren Stärken und Neigungen entsprechend am dazu passenden Arbeitsplatz einzusetzen. PEMaßnahmen müssen also individuell auf die Fähigkeiten, Interessen und Kenntnisse des einzelnen Mitarbeiters abgestimmt sein. Wie aber konkret vorgehen? 1. Schritt: Kundenerwartungen klären PE ist eine Investition, die sich mittelfristig rechnen sollte. Das funktioniert aber nur dann, wenn sich die Maßnahmen der PE spürbar am (externen und / oder internen) Kunden ausrichten. Die Erwartungen der Kunden an die Mitarbeiter sind es also, die der PE Ziel und Richtung geben. Es ist demzufolge wichtig, die Bedürfnisse der Kunden systematisch zu Papier zu bringen – am besten gemeinsam mit den Mitarbeitern. 2. Schritt: Die aus den Kundenerwartungen resultierenden Kompetenzen definieren Nun gilt es, zu überlegen, welche Kompetenzen die Mitarbeiter mitbringen müssen, um den Erwartungen der Kunden gerecht zu werden. Daraus entsteht ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Kompetenzprofil. 3. Schritt: Ist-Analyse und Festlegung von Maßnahmen Nachdem definiert wurde, welche Kompetenzen die Mitarbeiter brauchen, stellt sich logischerweise die Frage: „Haben sie’s oder haben sie’s nicht oder vielleicht nur zum Teil?“ Dabei gibt es i. d. R. bestimmte zentrale Themen, die für mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens zutreffen. Das Ergebnis lautet: Die Kompetenzen A, B, C sind vorhanden. Diese gilt es zu bewahren. Die Kompetenzen D, E, F sind unzureichend vorhanden und müssen durch geeignete Maßnahmen optimiert werden. Die Bausteine einer ganzheitlichen Personalentwicklung Zunächst etwas Grundsätzliches vorneweg: Menschliches Verhalten entwickelt sich nur in einem Kontext und nicht auf Knopfdruck. PE muss deshalb immer mindestens mittelfristig angelegt sein und braucht Zeit und Konsequenz. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 12 An die eigene Nase fassen Die Führungskräfte – vorneweg die Geschäftsführung – sollte sich selbstkritisch prüfen, inwieweit das eigene Verhalten ein bestimmtes Mitarbeiterverhalten begünstigt. Ein Vorgesetzter der zu seinen Mitarbeitern Sätze sagt wie: „Ich habe Ihnen schon tausendmal gesagt, dass Sie selbständig denken sollen!“ braucht sich nicht zu wundern, wenn seine Mitarbeiter keine Eigenständigkeit entwickeln. Richtlinien und Arbeitsanweisungen prüfen Die Gestaltung und Formulierung von Richtlinien spiegelt den Geist eines Unternehmens wider. Wer z.B. eigenständiges Verhalten entwickeln möchte, darf Arbeitsanweisungen nicht so formulieren, dass jeder Schritt auf atomarer Ebene geregelt ist. Unternehmenskultur (Leitbild) formulieren Gerade dann, wenn sich grundlegende Dinge verändern sollen, ist es wichtig, dass das Neue klar definiert wird. So ist für alle Mitarbeiter nachvollziehbar, in welche Richtung der Weg weist. Bei der Ausarbeitung einer niedergeschriebenen Unternehmenskultur gehören – wie bereits ausführlich beschrieben - möglichst viele Mitarbeiter aller Hierarchieebenen ins Boot. Förderer und Blockierer identifizieren Wenn sich etwas bewegt und verändert, finden sich immer Mitarbeiter, die eine solche Entwicklung begrüßen und aktiv unterstützen. Diese Mitarbeiter sind wichtige Multiplikatoren, die eine positive innere Prozessdynamik schaffen. In der Regel gibt es aber natürlich auch Blockierer. Die Gründe für ein solches Verhalten liegen aber normalerweise nicht in der Böswilligkeit einiger Mitmenschen, sondern sind zumeist Ängste, z.B. dem Neuen nicht gerecht werden zu können, „entmachtet“ zu werden etc. An erster Stelle steht daher immer ein offenes Gespräch verbunden mit der Einladung, ins Boot zu steigen. Andererseits, wer nicht mitfahren möchte, muss seinen Platz am Ufer finden. Prozessgruppen einrichten Ob Arbeits- oder Lenkungsgruppen, Qualitäts- oder sonstige Zirkel, je mehr von innen heraus passiert, desto besser. Wenn deren Aufgaben und Ziele klar beschrieben sind, ist die Angst, dass sich daraus Kaffeekränzchen entwickeln, unberechtigt. Das, was eine solche Gruppe produziert, muss aber auch die reelle Chance haben, umgesetzt zu werden. Andernfalls wird das Vorhaben richtigerweise als Scheinoffensive entlarvt, und man hat mehr Boden verloren als gewonnen. Wichtig ist auch die „Entsorgung“ solcher Gruppen. Mit der Erreichung des Projektziels sollte sich die Gruppe auflösen. Ansonsten entstehen neue inflexible Strukturen. Entlohnungsformen überprüfen Die zu beantwortende Frage lautet: Welche Entlohnungsformen begünstigen die erwünschten Verhaltensweisen? Z.B. wirken sich Einzelprämien mit ziemlicher Sicherheit kontraproduktiv auf das Verhalten im Team aus. Job Enrichtment, Job Enlargement, Job Rotation Stellenbeschreibungen geben auf der einen Seite Handlungssicherheit, andererseits schränken sie Handlungsspielräume ein. Für eine funktionierende innere Dynamik sind möglichst flexible Strukturen vonnöten. Bei näherem Hinsehen kann man eine ganze Reihe von Möglichkeiten erkennen, wie Aufgaben sinnvoll ergänzt und erweitert werden können. Ziel- und Qualifikationsgespräche Regelmäßige Gespräche dienen der Standortbestimmung und Entwicklung der Mitarbeiter. Außerdem haben sie einen nicht zu unterschätzenden Symbolgehalt. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 13 Trainings Wichtige Kompetenzen können in Trainings erworben und / oder ausgebaut werden. Die Trainings müssen sich aber in jedem Fall an einem ganz konkreten Jobproblem orientieren, also zielorientiert sein. Dabei sollte ein Training nicht als singuläre Maßnahme eingesetzt werden, sondern sinnvoll in ein Gesamtkonzept integriert werden. Fachwissen kann auch gut durch interne Multiplikatoren trainiert werden. Das spart Geld und die Transferwirkung ist meist auch höher; außerdem bleiben wichtige Kompetenzen im Unternehmen. Einzel- und Teamcoaching Widerstände, Blockaden und Befürchtungen verschiedenster Couleur verhindern manchmal die Umsetzung der gesteckten Ziele. Coachingmaßnahmen können diese Engpässe bewusst machen und eine Entwicklung wieder in Fluss bringen. Die hier aufgezeigten Komponenten sind Bausteine einer ganzheitlichen PE. Entscheidend ist ihr sinnvolles Zusammenwirken. Einzelmaßnahmen bewirken nur wenig! (3) Strategische Rekrutierung “Wie können wir gute Mitarbeiter finden?” Entscheidend für den Erfolg der Rekrutierung ist primär die Struktur des Bewerberpools. Wer fühlt sich vom Unternehmen so sehr angezogen, dass er sich um eine Stelle bewirbt – vielleicht sogar blind, d.h. ohne dass es eine Stellenausschreibung gab? Die Besten, die Durchschnittlichen oder die Übriggebliebenen? Die Unternehmen, die die Qual der Wahl haben, haben nur noch ein qualitatives Problem. Diese Unternehmen müssen nicht nach Mitarbeitern suchen, sie können Mitarbeiter finden. Die Anzahl und Qualität der Bewerber wird mehr und mehr vom Image eines Unternehmens als Arbeitgeber bestimmt. Aber dieses Image muss von innen heraus kommen. Employer Branding ist mehr als Marketing und Werbung, mehr als das was in Anzeigenkampagnen und Hochglanzbroschüren zu lesen ist. Es ist die Kultur, die jemand spürt, wenn er mit dem Unternehmen zu tun hat. Employer Branding ist ein langfristiger Prozess, der ein konsistentes Verhalten in der Kommunikation nach „drinnen und draußen“ voraussetzt. Um sich selbst als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, müssen Unternehmen die Wertvorstellungen ihrer Ziel-Kandidaten verstehen, und versuchen, diesen zu entsprechen. Es ist deshalb unverzichtbar für Unternehmen, ein Value Statement / Leitbild aufzustellen, das Antworten auf Fragen wie „Wer sind wir? Wofür stehen wir?“ gibt. Der Rekrutierungserfolg kann gesteigert werden, wenn die allgemein gültigen Regeln des Marketings auch im Personalbereich zur Anwendung kommen: Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Aufstellen einer Mission Aufstellen eines Leitbildes Ein Unternehmen kann nur dann existieren, wenn es Kunden dabei hilft, deren Probleme zu lösen / Ziele zu erreichen. Die Schlüsselfrage ist deshalb: Wofür stehen wir? Die Mission ist die Leitidee für die komplette Kommunikation. Siehe unter „Bausteine eines Professionellen Personalmanagements“ Punkt (1) „Implementierung eines Unternehmensleitbildes“! success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 14 success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 15 Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Definition von Zielgruppen Definition von Zielkandidaten “Ein Hund der mehrere Hasen jagt, fängt am Ende keinen.” (Jägerlatein). Unternehmen, die versuchen, so viele Gruppen wie möglich anzusprechen, sprechen keine Gruppe wirklich an. Der wichtigste Erfolgsfaktor im Marketing ist daher ein klarer Fokus auf Zielgruppen. Wenn Zielgruppen klar definiert sind, hat man die beste Chance, sie zu identifizieren und sie ihren Erwartungen, Interessen und Lebensstilen entsprechend anzusprechen. Um in der Rekrutierung erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus, eine Stellenbeschreibung zu erstellen und die fachlichen Anforderungen zu definieren. Man sollte auch an die Soft Skills denken, die ein Kandidat mitbringen muss, um im neuen Job / in der neuen Umgebung erfolgreich zu sein. Außerdem sollte man überlegen, welchen Background (Ausbildung, Berufserfahrung etc.) er im Idealfall mitbringen sollte. Wenn man das Anforderungsprofil um diese Bausteine ergänzt hat, ist es viel leichter, Kandidaten mit einem passenden Profil zu identifizieren und sie auf eine ihren Erwartungen entsprechende Weise anzusprechen (unter Berücksichtigung ihrer Interessen und ihres Lebensstils etc.). Neben konventionellen Maßnahmen ist es so z.B. denkbar, passende Kandidaten in Chat-Rooms im Internet, in Berufsverbänden, auf Konferenzen, in Seminaren, über die Vergabe von Praktika und Diplomarbeiten etc. zu finden. Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Profilierungs-Marketing Profilierungs-Marketing Eine positive Präsenz in der Presse ist ein überzeugender Grund für Kunden, ein bestimmtes Unternehmen zu bevorzugen. Überzeugende Nutzenargumente erzählen potenziellen Kunden wie sie von den Produkten / Dienstleistungen des Unternehmens profitieren können. Eine positive Präsenz in der Presse (Interviews, Artikel, Vorträge, Presseberichte etc.) im Hinblick darauf, was ein Unternehmen seinen Mitarbeitern bietet, trägt sehr stark zu einer erfolgreichen Rekrutierung bei. Sie sollte daher systematisch stimuliert werden. Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Event-Marketing Event-Marketing In der heutigen auf Events ausgerichteten Gesellschaft ist das Leben vieler Menschen auf das Sammeln besonderer Erfahrungen ausgerichtet. Was „normal“ ist, ist langweilig. Unternehmen sollten daher über attraktive Events für ihre Zielkunden nachdenken. Unternehmen sollten sich auch Events rund um die Rekrutierung von Mitarbeitern überlegen: Tage der offenen Tür, seminar-ähnliche Veranstaltungen mit der Möglichkeit, mehr über die Produkte / Dienstleistungen und / oder die angewandten Technologien zu erfahren, FokusGruppen zur Diskussion von Produkten / Strategien, party-ähnliche Events etc. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 16 Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Mund-zu-Mund-Propaganda Mund-zu-Mund-Propaganda Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste und billigste Form von Marketing. Aber sie hängt nicht vom Zufall ab. Mund-zu-Mund-Propaganda sollte systematisch stimuliert werden: durch eine eindeutige Mission, die klar kommuniziert werden kann, durch Marketing-Allianzen mit anderen Unternehmen mit passenden Produkten / Dienstleistungen, durch entsprechende Broschüren, Vorträge, Interviews etc., und durch die Pflege bestehender Kontakte. Mund-zu-Mund-Propaganda ist auch die beste Form von Personalmarketing. Und auch sie kann systematisch angeregt werden: Durch klare Leitlinien, die auch den „Faktor Mensch“ zum Thema machen, durch attraktive Firmenbroschüren, durch Interviews und Artikel in relevanten Medien, durch Vorträge auf Konferenzen, und durch die „Pflege“ der Mitarbeiter, die bereits an Bord sind. Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Networking Networking „Es ist nicht wichtig, was du weißt, es ist wichtig, wen du kennst!“ Beziehungen sind „key“. Es ist deshalb empfehlenswert, eine Liste von ZielUnternehmen / Ziel-Personen zu erstellen, mit denen man gerne ins Gespräch kommen / kooperieren würde. Um das „Networking“ zu fördern, ist es darüber hinaus empfehlenswert, entsprechende Events zu besuchen, Berufsverbänden beizutreten, eigene Events zu veranstalten etc. Beziehungen sind auch im Bereich der Rekrutierung absolut wichtig. Es ist deshalb empfehlenswert, eine Liste von Ziel-Personen mit Kontakten zu dem Typus von Kandidaten zu erstellen, den man häufig rekrutieren muss. Darüber hinaus ist es u. U. sinnvoll, Konferenzen, Messen und Seminare zu besuchen, auf denen man den Zielkandidaten antreffen kann. Vielleicht macht es sogar Sinn, selbst ein Event zu veranstalten, das für Menschen mit dem Profil des Zielkandidaten von Interesse ist. Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Kundenbetreuung Mitarbeiterbetreuung Viele Unternehmen scheinen darauf fixiert zu sein, Kunden zu „jagen“. Gleichzeitig vernachlässigen sie ihre bereits vorhandenen Kunden, die sich in der Folge mehr und mehr für die Angebote der Konkurrenz öffnen. Es ist deshalb wichtig, den bereits vorhandenen Kunden kontinuierlich Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist für ein Unternehmen wichtig, sich nicht nur auf die Rekrutierung neuer Mitarbeiter zu konzentrieren, sondern auch die anhaltende Zufriedenheit des bereits vorhandenen Teams sicherzustellen. Unternehmen müssen daher mehr über die Wertvorstellungen und Erwartungen ihrer Mitarbeiter in Erfahrung bringen, und versuchen, diesen gerecht zu werden. success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 17 Marketing-Prinzip Übertragen auf Human Resources Marketing-Kampagne Personalmarketing-Kampagne Marketing ist wie Fitness: Es reicht nicht aus, hin und wieder zu laufen und ab und zu etwas Leichtes zu essen. Hier eine Anzeige, dort eine Anzeige – das ist nicht genug. Neben den strategischen Überlegungen des „was“, „für wen“, „wann“ und „wo“ spielt auch das „wie oft“ eine bedeutende Rolle. Eine umfassende Kampagne beinhaltet unterschiedliche Aktivitäten, die miteinander verbunden sind und einander unterstützen. Die Zutaten des Erfolgs im Marketing sind: a) Ein zentrales inhaltliches Konzept mit… b) unterschiedlichen Aktivitäten die parallel nebeneinander laufen und dies... c) über einen längeren Zeitraum hinweg. Im Personalmarketing ist es genauso wichtig wie im „normalen“ Marketing, ein a) Inhaltliches Konzept zu haben (“wer”, “wie”, “wann”, “wo”) und… b) unterschiedliche Maßnahmen (Anzeigen, Website, Jobbörsen, E-Cruiting, Plakate, Agenturen, Headhunters, Jobmessen, Vorträge, Interviews, Artikel, Konferenzen, Events etc.) parallel nebeneinander durchzuführen und dies… c) über einen längeren Zeitraum hinweg. Action Plan zur Steigerung des Rekrutierungserfolgs: 1) Definition des USP (Unique Selling Proposition) im Hinblick auf die Beschäftigung von Mitarbeitern USP = Leitlinien mit Aussagen zu Produkt / Dienstleistungen, Wertvorstellungen, Visionen, Zielen, erwünschten Verhaltensweisen ( Unternehmensleitbild). Schlüsselfrage: Warum sollte jemand gerade für unser Unternehmen arbeiten wollen? (z.B. attraktives Produkt, moderne Technologie, wirtschaftlicher Erfolg, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten, multi-kulturelles Team, ansprechende Firmenkultur etc.) Wenn das Unternehmen selbst keine Antwort auf diese Frage geben kann, wird potenziellen Kandidaten kein Grund gegeben, sich beim Unternehmen zu bewerben!!! 2) Definition eines Anforderungsprofils für jede vakante Stelle Das Anforderungsprofil beinhaltet operationalisierte Aussagen, die erläutern, was mit den einzelnen Anforderungen (z.B. unternehmerisches Denken…) konkret gemeint ist! Schlüsselfrage: Welche fachlichen, methodischen und persönlichen (z.B. Kundenorientierung, Flexibilität, Durchsetzungsfähigkeit...) Fähigkeiten soll der ideale Kandidat mitbringen? 3) Definition des Zielkandidaten für die jeweilige vakante Position Schlüsselfrage: Wie “sieht” der ideale Kandidat für diese Position aus? (Was für einen Background, welche Interessen, welchen Lifestyle hat er?) success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 18 4) Recherche der wichtigsten Erwartungen des Zielkandidaten hinsichtlich einer Beschäftigung Schlüsselfrage: Was erwartet der Zielkandidat von einem Arbeitgeber zur Erfüllung seiner persönlichen Bedürfnisse? 5) Entwicklung eines innovativen “Benefits-Pakets” Schlüsselfrage: Wie können wir die Erwartungen unseres Zielkandidaten besser erfüllen als andere Arbeitgeber? (z.B. durch innovative und flexible Arbeitszeitmodelle, durch die Möglichkeit von Tele-Arbeit, durch konsequent partizipative Führung, durch Anpassung von Stellen an die Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeiter, durch eine offene und aufgeschlossene Unternehmenskultur, durch Job Rotation, durch Einsätze bei ausländischen Tochterunternehmen etc.) 6) Definition der Anwerbestrategie Schlüsselfrage: Wie und wo können wir den gesuchten Zielkandidaten finden? (Welche Medien / Kanäle sollten wir benutzen? Wie sollten wir den Zielkandidaten ansprechen?) 7) Definition der Auswahlstrategie Schlüsselfrage: Wie sollte der Auswahlprozess aussehen, um den Erwartungen des Zielkandidaten gerecht zu werden? (Anzahl an Interviews, Telefon- vs. Gruppen- vs. Einzel-Interview, Telefon- vs. Papier- vs. Online-Screening, Gesprächsführung, Kommunikationsstil in der Korrespondenz mit Kandidaten etc.) Die Unternehmensphilosophie, die man den Bewerbern im Vorstellungsgespräch „verkauft“, sollte sich als glaubwürdig erweisen und in dem Verhalten von Personen, denen eine Vorbild-, Entscheider- und Führungsposition zukommt, widerspiegeln! Die Eignung von Kandidaten sollte systematisch durch biografische und strukturierte Interviews ermittelt werden! 8) Definition des Integrations-Prozesses Schlüsselfrage: Was können wir tun, um den neu eingestellten Mitarbeiter so schnell wie möglich zu integrieren? (z.B. Kontaktpflege auf unterschiedlichsten Wegen zwischen Zusage und erstem Arbeitstag, Hilfe beim Umzug, Mitarbeiterhandbuch, Einführungsveranstaltung am ersten Arbeitstag, Betreuung durch einen “Paten” etc.) success@work - silvia richter-kaupp – luisenstraße 50 – 76137 karlsruhe e-mail: [email protected] – internet: www.successatwork.de Seite 19