Enuresis, Enkopresis - Klinik und Poliklinik für Kinder

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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Enuresis, Enkopresis
W. v. Suchodoletz
Die Folien zur Vorlesung finden Sie auf unserer Homepage:
http://www.kjp.med.uni-muenchen.de
Schritte der Sauberkeitsentwicklung (1)
1. Blasenkapazität erhöht sich
(2. Lbj.: Wahrnehmung der Blasenfüllung)
2. Willkürliche Kontrolle des Blasenschließmuskels
(entwickelt sich im 3. Lbj.)
3. Willkürliche Kontrolle des Blasenentleerungsreflexes
Schritte der Sauberkeitsentwicklung (2)
Mädchen erlernen Sauberkeit früher als Jungen.
1. Stuhlkontrolle nachts
2. Stuhl- und Urinkontrolle am Tag
3. Urinkontrolle nachts
Empfehlungen zur Sauberkeitserziehung
Largo & Jenni (2005)
Voraussetzung ist, dass der entsprechende Reifegrad erreicht ist.
Beginn der Sauberkeitserziehung, wenn das Kind Stuhl- bzw.
Urinabgang selbst bemerkt und Eigeninitiative zeigt (bestimmtes
Verhalten beim Abgang)
Eigeninitiative ist unabhängig von der Sauberkeitserziehung
frühestens zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat zu
beobachten
Das Kind sollte die Möglichkeit erhalten, Eltern bzw. Geschwister
beim Toilettengang zu beobachten, damit es nachahmen kann.
Enuresis - Definition
unwillkürlicher Urinabgang bei Tag und/oder Nacht
im Verhältnis zum geistigen Entwicklungsstand abnorm
nicht durch eine Epilepsie oder durch eine andere
neurologische bzw. urologische Erkrankung bedingt
Alter des Kindes mindestens 5 Jahre
(bzw. geistiges Entwicklungsalter mind. 4 Jahre)
mindestens 2mal pro Monat auftretend (bis 6. Lbj.)
mindestens 1mal pro Monat auftretend (ab 7. Lbj.)
Enuresis - Einteilung
nach dem Beginn
primäre Enuresis (70-80 %)
sekundäre Enuresis (20-30 %)
(mind. 6 Monate trocken, meist im 5.-7. Lbj. auftretend)
nach der Tageszeit
Enuresis nocturna (80 %)
(Einnässen erfolgt in jedem Schlafstadium)
Enuresis diurna (15 %)
Enuresis nocturna et diurna (5 %)
Enuresis - Harninkontinenz
Enuresis
normale und vollständige Blasenentleerung
am falschen Platz zur falschen Zeit
Harninkontinenz
strukturell, neurogen oder funktionell bedingter
ungewollter Harnabgang bei Blasendysfunktion
Funktionelle Harninkontinenz
(meist tags auftretend)
Idiopathische Dranginkontinenz
genetisch bedingte Instabilität der Blase mit unwillkürlichen
Blasenkontraktionen (ungewollter Harnabgang mit starkem Harndrang,
verminderte Blasenkapazität, Haltemanöver)
Harninkontinenz bei Miktionsaufschub
erlernter Aufschub der Miktion
bes. bei Kindern mit hyperkinetischen oder Verhaltensstörungen
bzw. sehr spielintensiven Kindern
Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
erworbene Störung mit paradoxen Innervationen bei der Blasenentleerung
Seltene Formen
Stressinkontinenz (beim Husten, Niesen u. a.)
Lachinkontinenz (vollständige Entleerung beim Lachen)
Enuresis - Häufigkeit
Im Alter von ca. 4 Jahren sind
etwa 75 % aller Kinder trocken.
Häufigkeit der Enuresis nocturna:
Einschulungsalter ca. 10 %
Jugendliche 1-2 %
Erwachsene ca. 1 %
Jungen/Mädchen = 1,5-2 / 1
Häufigkeit der Enuresis diurna:
Einschulungsalter ca. 2-3 %
Jugendliche 1 %
Enuresis - Häufigkeit
Jungen/Mädchen = 1,5-2 : 1
Häufung in Unterschichtfamilien
Häufung bei Heimkindern
Spontanrückbildung
2. bis 4. Lbj.: 30%
Ab 5. Lbj.: 10-16% pro Jahr
Enuresis – derzeitig angenommene Ursachen
Primäre Enuresis nocturna:
genetisch bedingte Reifungsverzögerung des ZNS
meist autosomal dominanter Erbgang
(1/3 der Väter, 1/5 der Mütter selbst betroffen, sporadisches Auftreten ca. 25 %)
mehrere Genorte
(ENUR1: Chromosom 13q13, ENUR2: Chromosom 12q13 und 24, 4p, 8q, 22q)
bei einigen Kindern zusätzliche Faktoren wie:
vermehrte Urinproduktion
gestörter zirkadianer Rhythmus der ADH-Produktion
(antidiuretisches Hormon)
erschwerte Erweckbarkeit bei normaler Schlafarchitektur
Sekundäre Enuresis:
genetische Disposition mit Aktivierung durch Konflikte
Häufigkeit emotionaler bzw. Verhaltensstörungen
bei Enuresis
Erhöhung um den Faktor 2 bis 4 (= 25 - 50 % auffällig)
Häufiger bei Einnässen am Tage als in der Nacht
Häufiger bei sekundärer als bei primärer Enuresis
(Die Mehrzahl der Kinder mit einer primären monosymptomatischen
Enuresis nocturna ist psychiatrisch unauffällig)
Häufiger bei Harninkontinenz mit Miktionsaufschub und
Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination als bei Dranginkontinenz
Diagnostik bei Enuresis
Enuresis spezifische Anamnese
(Häufigkeit und Zeitpunkt des Einnässens, Beginn, familiäre
Belastung, evtl. Konflikte ….)
Körperliche Untersuchung
(insbes. Nieren-Blasen-System, neurologische Untersuchung)
Psychische Untersuchung
(Screening auf emotionale Situation, Verhalten und kognitive
Fähigkeiten)
Urinuntersuchung
Protokoll über das Einnässen für 2 Wochen (Baseline-Status)
Regeln für die Betreuung
von Kindern mit einer Enuresis
Information der Eltern
über die Häufigkeit (reduziert Schuldgefühle und Ärger)
über die hohe Spontanrückbildung (erreicht eine
optimistische Einstellung und Gelassenheit)
über den ungewollten Charakter des Einnässens
(vermeidet Bestrafung)
genaue Instruktionen zu den Behandlungsmaßnahmen
normale tägliche Trinkmenge von mindestens 1 1/2 Liter
regelmäßige Gespräche im Abstand von ca. 14 Tagen
Allgemeine Behandlungsmaßnahmen bei Kindern
mit einer Enuresis
Positive Verstärkung von jedem Schritt
(Loben; Vermeiden von Kritik und Sanktionen)
Kalenderführung durch das Kind
Beteiligung des Kindes an allen Schritten
(z.B. eigenständiges Wechseln der Kleidung und der Bettwäsche)
Flüssigkeitsreduktion abends
(insbes. keine Getränke mit Koffein)
Vor dem Einschlafen zur Toilette schicken
Nächtliches Wecken
(wenn die Eltern selbst ins Bett gehen)
Diese Maßnahmen sind allgemein üblich und plausibel. Die Effektivität ist
aber nicht belegt.
Behandlung der Enuresis nocturna
Voraussetzungen für die Behandlung
Mindestalter von 6 Jahren
keine Windeln
motivierte Kinder und Eltern
Behandlungsverfahren
Weckapparat (Belohnung innerhalb von 3 Min.
nach dem Aufstehen verbessert die Effektivität)
Medikamente (abends)
Trizyklische Antidepressiva (Imipramin)
(Erfolgsrate: 40-60%, Rückfallquote: 50%)
antidiuretisches Hormon (z.B. Desmopressin als
Tablette; bei Nasenspray Gefahr von Nebenwirkungen)
(Erfolgsrate: 10-65%, Rückfallquote: 80%)
Hinweise für Pädagogen
Enuresis nocturna (Landschulheim u. ä.)
Unterbringung des Kindes in einem Einzelzimmer oder
bei einem verständnisvollen Freund …
Mitnehmen von Enuretiker-Bettwäsche, Windeln …
Evtl. mit Eltern vorübergehende Medikation absprechen
Enuresis diurna (in der Schule)
Regelmäßiges Schicken zur Toilette ggf. auch im Unterricht
Abklärung, ob Angst oder Ekel vor Schultoilette besteht
Unaufgeregtes Reagieren bei Einnässen
Verständnis bei Mitschülern wecken
Wechselwäsche im Schrank des Klassenzimmers deponieren
Enkopresis - Symptomatik
wiederholtes, unwillkürliches oder willkürliches Absetzen
von Faeces an ungewöhnlicher Stelle
normale oder annähernd normale Konsistenz der Faeces
mindest 1 x pro Monat auftretend
meist am Tage auftretend
oft kombiniert mit Enuresis
gelegentlich mit Kotschmieren
(in die Umgebung oder an den eigenen Körper)
oder analen Manipulationen einhergehend
häufig begleitende psychiatrische Auffälligkeiten
emotionale Störung
Störung des Sozialverhaltens
Enkopresis - mögliche Ursachen
Konflikte (meist familiär)
Persönlichkeitsbesonderheiten
affektive Unausgeglichenheit
mit niedriger Frustrationstoleranz
passiv-durchsetzungsschwach-depressiv-verträumt
Ausdruck einer Protesthaltung
mit aggressiven Tendenzen
bei sonst sauberen familiären Verhältnissen und Kindern
Lustgewinn beim Kotschmieren
fehlerhafte Sauberkeitserziehung
Überlaufen des Kots bei Kotretention
bei Auseinandersetzungen im Rahmen des Darmtrainings
bei Angst infolge schwieriger Toilettenverhältnisse
bei Analfissuren u. ä. Erkrankungen
Enkopresis
Unterschiede zur Enuresis
5mal seltener als Enuresis
besonders Jungen betroffen
meist sekundäre Form
meist Einkoten am Tage
häufig psychiatrische Auffälligkeiten
gestörtes Familienklima
Enkopresis - Therapie
Regulierung des Stuhlgangs
Verhaltenstherapie
(konsequente Sauberkeitserziehung)
Konfliktbearbeitung
persönlichkeitszentrierte Psychotherapie
Elternberatung/Familientherapie
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