Blütenpracht mit Tücken Pro Jahr rund 40.000 Anrufe wegen Verdacht auf Vergiftung – R+V-Infocenter empfiehlt: Kinder frühzeitig aufklären Wiesbaden, 7. März 2001. Frühlingszeit ist Pflanzzeit - doch die bunte Pracht täuscht manchmal darüber hinweg, dass von den verlockenden Blüten und Beeren für Kinder auch Risiken ausgehen können. Rund 40.000 Anrufe wegen Verdacht auf eine Pflanzenvergiftung gehen jährlich bei den deutschen GiftnotrufZentralen und anderen Stellen ein. Besonders gefährdet sind Kleinkinder bis etwa sechs Jahre: Ihre große Neugier und ihr noch nicht voll ausgeprägter Geschmackssinn lässt sie auch bittere Beeren vertilgen. Außerdem reichen bei Kindern geringere Mengen aus als bei Erwachsenen, um Vergiftungserscheinungen auftreten zu lassen. Das R+V-Infocenter für Sicherheit und Vorsorge rät daher, bei der Auswahl der Pflanzen Vorsicht walten zu lassen und Kinder frühzeitig über mögliche Gefahren aufzuklären. „Niemand würde eine Dose mit einem Schädlingsbekämpfungsmittel oder ähnlichen Giften offen stehen lassen, wenn Kinder im Hause sind. Aber in Blumentöpfen, auf dem Balkon oder im Garten wimmelt es von Pflanzen mit ähnlich giftigen Substanzen“, sagt Rita Jakli vom Wiesbadener R+V-Infocenter. Eisenhut, Herbstzeitlose, Eibe, Goldregen, Rizinus, Seidelbast und der Trompetenbaum sind Beispiele für ebenso beliebte wie gefährliche Gartenpflanzen. Ebenfalls giftig sind das Alpenveilchen, Efeu, Feuerbohne, Kirschlorbeer, Korallenkirsche, Maiglöckchen, Oleander und der rote Fingerhut. „Nur wenige Menschen wissen, wie Pflanzen wirken – und wie nützlich oder gefährlich sie sein können“, nennt Rita Jakli einen der wichtigsten Gründe für die hohe Zahl der Giftnotrufe. Die gefährlichsten Pflanzen Die Statistik der Vergiftungen von Kindern durch Giftpflanzen führt der leuchtend gelb blühende Goldregen an. Alle Teile des bis zu fünf Meter hohen Strauches sind giftig, vor allem der Samen. Etwa 30 Minuten bis eine Stunde nach dem Verzehr kann es zu Erbrechen, Übelkeit, Schwitzen und Blässe kommen, in Extremfällen auch zu Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen und Kreislaufversagen. Die giftigste Pflanze in unseren Gärten ist der blaue Eisenhut, mit dessen Extrakten in der Antike Giftmorde verübt wurden. Schon beim Pflücken kann das Gift durch die Haut eindringen und Hautentzündungen und gravierende Vergiftungen hervorrufen. In schweren Fällen sind Herzrhythmusstörungen, Lähmungen oder sogar der Tod durch Atemlähmung oder Kreislaufversagen die Folge. Hochgiftig ist auch die spät blühende Herbstzeitlose, die ab August Gärten und Wiesen mit ihren lilarosafarbenen Blüten ziert. Zwei bis sechs Stunden nach dem Verzehr kann es zu Brennen im Mund, Schluckbeschwerden, Erbrechen und Durchfall kommen. Herzrasen, Krampfanfälle und Tod durch Atemlähmung sind möglich. 2 Tödlich können auch die wie Beeren aussehenden Samenkapseln und Nadeln der in Gärten und Anlagen weit verbreiteten Eibe sein. Werden sie zerbissen, kann es nach etwa einer Stunde zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen. Auch Bewusstlosigkeit und Herzrasen können auftreten. Tipps im Falle einer Vergiftung Die häufigsten Vergiftungssymptome nach dem Verzehr von Pflanzen sind Erbrechen, starke Bauchschmerzen, Durchfall oder Schwindelgefühl. Das R+V-Infocenter für Sicherheit und Vorsorge rät bei Verdacht auf eine Pflanzenvergiftung: • Rufen Sie sofort bei einer Giftnotruf-Zentrale an, oder alarmieren Sie den Notarzt. Legen Sie die Telefonnummern der GiftnotrufZentralen vorsorglich in die Nähe des Telefons. Eine kostenlose Liste mit den Nummern der Giftnotruf-Zentralen kann beim R+VInfocenter für Sicherheit und Vorsorge unter Telefon 06172/902224 oder Fax 06172/902219 angefordert werden. • Schildern Sie möglichst genau die Symptome der Vergiftung und die vermutete Ursache. • Führen Sie keine eigenmächtigen Hilfsmaßnahmen ohne ärztliche Rücksprache durch. Sie könnten das Kind unnötig gefährden und sogar Folgeschäden verursachen. So können beispielsweise Kohletabletten oder Erbrochenes in die Lunge geraten und zum Ersticken führen. • Entfernen Sie die Reste der Pflanzenteile oder Beeren aus dem Mund des Kindes, und spülen sie ihn mit Wasser, Tee oder Limonade aus. • Geben Sie ihm anschließend viel zu trinken, bis der Arzt eintrifft. Dafür eignet sich am besten verdünnter Fruchtsaft oder lauwarmes Wasser (auf keinen Fall Milch, denn diese fördert die Aufnahme fettlöslicher Gifte). 3 • Zeigen Sie dem Arzt möglichst die ganze Pflanze, von der das Kind gegessen hat. Nur so kann er feststellen, um welches Gift es sich handelt, und gezielte Notfallmaßnahmen ergreifen. Hobbygärtner, die ihren Garten in diesen Wochen bepflanzen, sollten die möglichen Gefahren von giftigen Pflanzen bedenken. Allerdings ist es unter Naturschutzaspekten nicht empfehlenswert, einmal groß gezogene Giftpflanzen mit Stumpf und Stiel radikal auszumerzen. Denn auch giftige Pflanzen spielen im Gleichgewicht der Natur eine wichtige Rolle und sind für viele Tiere und Kleinstlebewesen ausgesprochen nützlich. Verantwortungsbewusst handelt derjenige, der sich selbst kundig macht und Kinder vor gefährlichen Pflanzen warnt. Weitere Informationen über Giftpflanzen Broschüren über Giftpflanzen können gegen eine Gebühr von 3,50 Mark bestellt werden bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung in Marburg, Heinrich-Heine-Str. 44, 35039 Marburg, Telefon 06421/60070 oder für zehn Mark schriftlich beim Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Thielallee 88-92, 14195 Berlin oder per Fax unter 030/84124970. 4 Telefonnummern der Giftnotruf-Zentralen Berlin 030/19240 Bonn 0228/2873211 oder 0228/2873333 Erfurt 0361/730730 Freiburg 0761/19240 Göttingen 0551/19240 oder 0551/383180 Homburg/Saar 06841/19240 Leipzig 0341/9724666 Mainz 06131/19240 oder 06131/232466 München 089/19240 Nürnberg 0911/3982451 5 Verbreitete Giftpflanzen in Haus und Garten Name / Vorkommen Giftige Teile Mögliche Vergiftungserscheinungen Alpenveilchen Topfpflanze Giftig: Knolle Bereits kleine Stückchen der Knolle können Erbrechen und Durchfall verursachen In schweren Fällen auch Krampfanfälle und Lähmungen Efeu Beliebter Kletterstrauch in Haus und Garten Engelstrompete 1-2 m hohe Kübelpflanze mit trichterförmigen Blüten (weiß bis rosa) Feuerbohne Einjährige, windende Pflanze an Spalieren für Balkon und Garten Herkuleskraut Ca. 3 m hohe Staude an Flussufern, in Anlagen und Gärten Kirschlorbeer Bis 2 m hoher, immergrüner Strauch in Anlagen und Gärten Giftig: Beeren und Blätter Magen-DarmBeschwerden Hautallergische Reaktionen möglich Stark giftig: Vorwiegend Blätter und Samen Rasches Auftreten von Hautrötung, Unruhe, Halluzinationen, Durst und Krämpfen Giftig: Unreife, 2-3 Stunden nach Verrohe Bohnen und zehr kann es zu blutigem Blätter Erbrechen und Durchfall, Herzrasen, Kreislaufkollaps und Krampfanfällen kommen (stark abhängig von der Menge der Bohnen) Giftig: Gesamte grüne Pflanze Durch Berührung Blasenbildung auf der Haut („Wiesendermatitis“) wie bei Verbrennungen 1. und 2. Grades (besonders bei Sonnenschein) Giftig: Blätter und Samen Magen-DarmBeschwerden Blausäurevergiftung durch Essen vieler Blätter und zerkauter Samen möglich 6 Korallenkirsche Giftig: Beeren 50 cm hoher Topfpflanze mit kirschgroßen roten, gelben oder violetten Beeren Maiglöckchen Magen-DarmBeschwerden Evtl. Herz-KreislaufBeschwerden Giftig: Gesamte Pflanze einschließlich der Beeren Magen-Darm Beschwerden Oleander Zimmerhohe Kübelpflanze mit immergrünen Blättern und weißen, roten oder rosa Blüten Giftig: Gesamte Pflanze Nach Verzehr eines Blattes Erbrechen, kolikartige Leibschmerzen und Herzrhythmusstörungen Rizinus (Wunderbaum) Stark giftig: Samen Hautausschläge, Erbrechen, blutiger Durchfall, Krämpfe, evtl. Bewusstlosigkeit und Nierenversagen, Tod möglich Giftig: Blätter, Blüten, Samen Magen-DarmBeschwerden In Gärten, Gebüschen und Wäldern Hautausschläge durch Berührung möglich Einjährige Pflanze in Kübeln auf dem Balkon Roter Fingerhut Zweijährige Zierpflanze in Gärten. Im zweiten Jahr bis 1m lange Stengel mit hellen bis lilaroten Blüten Seidelbast Stark giftig: Gesamte Pflanze Bis 120 cm hoher Strauch in Anlagen und Gärten In seltenen Fällen Herzrhythmusstörungen Auch Seh- und Herzrhythmusstörungen sowie Halluzinationen möglich Bei zerbissenen Samen innerhalb von 30 Minuten starke Haut- und Schleimhautreizung, Blasenbildung, starke Kopf- und Leibschmerzen, blutiger Durchfall, bei Kindern Krampfanfälle möglich 7