Gift- oder Heilpflanzen? Stephan Th. Waska Bei vielen Pflanzen in unseren Gärten scheiden sich die Geister: So manches Gewächs das zu Zierzwecken gepflanzt wurde, wird vom Fachmann als entweder sehr giftig, wenig giftig oder sogar als Heilpflanze erkannt. Im Prinzip ist jede Heilpflanze mehr oder weniger giftig, denn erst die zur Wirkung kommenden toxischen Inhaltsstoffe lösen in unserem Körper eine heilende Gegenreaktion aus. Auch Lindenblüten- oder Kamillentee kann, in Übermengen genossen, vom Heil- zum Gifttee werden. Schon der berühmte Arzt Theophrastus Bombastus „Paracelsus“ sagte: „All Ding sind Gift, allein die Dosis macht, ob ein Ding giftig oder nicht ist“. Ich will mich nun nicht in medizinische Gebiete weiter vorwagen, sondern einige Pflanzen aufzählen, die gerne im Garten gepflanzt werden, ohne dass sich viele bewusst sind, das es sich dabei um mehr oder weniger giftige Pflanzen handelt. Grundsätzlich braucht man vor diesen Pflanzen keine Angst haben, nur soll darauf geachtet werden, dass speziell Kinder immer neugierig sind und gerne von Früchten naschen. Den Auftakt bildet die giftigste Baumart, die Eibe. In vielen Kulturen galt die Eibe als heiliger Baum, der Unterwelt und den Göttern des Todes geweiht. Eiben erfahren keinen Jahreszeitenwechsel und sind fast unverwüstlich, treiben sie doch auch bei starkem Rückschnitt willig wieder aus schlafenden Augen aus. Dieser heimische Baum wurde schon im Mittelalter fast ausgerottet, da sein Holz ideal zum Bauen von Pfeil und Bogen war. Eibennadeln waren schon im Altertum als Heilmittel aber auch als den Tod herbeibringend bekannt, ist doch die Dosierung extrem schwierig. 50 bis 100 g Nadeln oder Triebe sind für Erwachsene absolut tödlich, oftmals fraßen Nutztiere wie Pferde oder Rinder von Eiben. 100 – 500 g Pflanzenteile führten zum raschen Tod durch Atem- und Herzlähmung. Im September und Oktober reifen an den weiblichen Eiben die fingernagelgroßen, leuchtend roten Scheinbeeren. Das Fruchtfleisch umwächst den erbsengroßen, dunkelbraunen Samen nur unvollständig. Der Samenmantel ist essbar. Er schmeckt süßlich und enthält reichlich Karotene. Der Kern enthält wie die übrigen Pflanzenteile das giftige Taxin, das aber nur bei gründlichem Zerkauen frei wird. Versehentliches Verschlucken bleibt folgenlos. Der ungiftige rote Samenmantel der Eibe wurde früher sogar zur Marmeladeerzeugung verwendet Kaum zum irrtümlichen Verzehr kommen Blätter und Blüten von der blaublühenden Staude Eisenhut (Aconitum), die nicht weniger giftig ist wie die Eibe. Auch ihre Gifte Aconitin und andere führen zu raschem Herzstillstand. Vorsicht ist bei dieser Pflanze nur dann geboten, wenn der Pflanzensaft in offene Wunden gelangt. Die auf kalkhaltigen, feuchten Böden freudig wachsende und blühende Staude hat eine intensive blaue Blütenfarbe und ist schon deshalb eine empfehlenswerte Zierpflanze. In der Sonne und im Halbschatten gedeiht der Eisenhut, wenn er nur genügend Feuchtigkeit hat Schon eher für Kinder verlockend sind die fast schwarzen Früchte des Kirschlorbeers (Prunus laurocerasus). Ähneln sie doch den beliebten Kirschen, Das immergrüne Gehölz ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden und schmückt mit seinen glänzenden Blättern im Sommer und Winter. In meinem Fall habe ich einfach alle „Lorbeerkirschen“ schon bald nach der Blüte entfernt, denn nicht immer kann man hinter jedem Kind aufpassend stehen. Dieser Zierstrauch kann ungeschnitten bleiben, so wie auch in Heckenform geschnitten werden und sieht wesentlich schöner aus als die immer und überall gepflanzten Thujen. Übrigens – auch Thujentriebe sind gering giftig – aber bei dem unangenehmen Geruch wird wohl keiner Naschgelüste haben! Reich blühende Kirschlorbeersträucher sind eine herrliche Zierde im Frühjahr Wesentlich schlimmer sind die linsenähnlichen Früchte des Goldregens (Laburnum watereri). Nach der leuchtend gelben Blüte bilden sich im Sommer erbsenähnliche Schoten, die gerne von Kindern gepflückt und dann gekostet werden. Das in den Samen enthaltene Cytisin verursacht Krämpfe, die durch Atemlähmung zum Tod führen können. Leider mussten in Wiener Parkanlagen alle Laburnum in der Nähe von Kinderspielplätzen entfernt werden, da es immer wieder zu unbeabsichtigten Vergiftungen gekommen war. Trotzdem sollte der Strauch im Garten gepflanzt werden, besonders die Sorte „Vossii“ blüht in langen goldgelben Trauben fast zwei Monate lang. Als Solitärstrauch bringt der Goldregen leuchtende Farbe in den Garten. Die Aufzählung gering oder stark giftiger Pflanzen im Garten ist mehr oder weniger unerschöpflich, sind sich doch auch die Toxikologen (gemeinhin als Giftkundler bekannt) nicht immer einig. So wird der Schwarze Holunder zwischen ungiftig bis leicht giftig beschrieben. Ein von mir geliebtes Erfrischungsgetränk ist der Holunderblütensaft. So bekömmlich der Saft ist, seine Beeren - roh genossen – sind eindeutig giftig und führen im harmlosesten Fall zu sofortigem Erbrechen. In weiterer Folge bei Kindern und sensiblen Personen zu leichten Krämpfen, Magenbeschwerden und Durchfall. Sobald aber die Beeren gekocht sind, zerfällt der Giftstoff Sambunigrin. Wer noch nie Holundersaft, Holundermarmelade und andere aus den Beeren bereitete Köstlichkeiten genossen hat, ist um eine wohlschmeckende Erfahrung ärmer. Besonders reichtragend ist die Holundersorte „Haschberg“ und wird nicht von Vögeln vorzeitig geerntet Wesentlich tragischer sind jedoch die immer wieder vorkommenden Vergiftungen wenn irrtümlich gemeinsam mit Bärlauch auch Maiglöckchentriebe mit geerntet werden. Meiner Erfahrung nach wachsen Beide eigentlich nicht gemeinsam, sind aber doch schon bei einer allfälligen Ernte leicht zu unterscheiden: Maiglöckchenblätter haben eine Stängel, Bärlauchblätter kommen Stängellos aus der Erde. Dass Maiglöckchen auch nicht intensiv knoblauchartig riechen, kann in einer Pflückmischung vielleicht übersehen werden. Das im Maiglöckchen (Convallaria majalis) enthaltene Convallosid führt zu Herzrhythmusstörungen bis zum Herzstillstand. Maiglöckchenpflanzungen an schattigen, feuchten Stellen breiten sich durch unterirdische Stolonen rasch aus und bringen Freude mit ihren zarten Blüten im Frühling. Zart duftende Frühlingsboten – die Maiglöckchen Eigentlich ist Gewöhnlicher Efeu (Hedera helix) eine beliebte und wirksame Heilpflanze, die vor allem bei Asthma bronchiale zum Einsatz kommt. Der immergrünen Kletterpflanze wird aber auch im Giftpflanzen-Kompendium große Aufmerksamkeit gewidmet, sie gilt als schwach giftig. Die 3- bis 5-lappigen Blätter enthalten Hederin. Es verengt die Blutgefäße und reizt die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes. Die Altersblattform des Efeus mit den erbsengroßen Beeren Besonders giftig ist das Fruchtfleisch der schwarzen, erbsengroßen Beeren, die in kugeligen Dolden überwintern und erst im Frühjahr reif sind. Die sehr späte Blüte im September und Oktober kommt zahlreichen Insekten zugute. Nach Konsum der Efeubeeren können Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, unregelmäßiger Puls, Benommenheit, Schock, Atemstillstand und scharlachroter Hautausschlag auftreten. Vor allem Kinder unter 3 Jahren reagieren heftig. Heute werden mit Efeu-Blätterextrakten Keuchhusten, akute und chronische Bronchitis behandelt. Prospan, das bekannteste reine Efeupräparat, ist auch in der Schulmedizin verbreitet. Es verflüssigt Schleim, erleichtert Abhusten, löst Krämpfe, lindert Atemnot und heilt die Entzündung der Bronchialschleimhaut ab. Der Efeu ist auch eine Symbolpflanze. Er entfaltet sich nur zu seiner vollen Größe, wenn er sich an einer anderen Pflanze festhält, daher gilt er als Sinnbild der Freundschaft. Das Gehölz kann 500 bis 700 Jahre alt werden. Als Gestaltwandler verändert der Efeu im Alter die Blattform. Die 3- bis 5-lappigen Blätter werden ganzrandig. Das Gewächs drängt aus dem Dunkel ins Licht, es macht seine Saugwurzeln zu Haftwurzeln. Es gibt noch eine große Zahl weiterer mehr oder weniger giftige Pflanzen, die im Hausgarten gerne gepflanzt werden. Solange nicht Kinder und andere unkundige Personen davon naschen geht keine Gefahr von diesen Pflanzen aus. Auch wenn irrtümlich immer wied4rr behauptet wird, solche Pflanzenteile dürfen nicht auf den Kompost – sobald die Pflanze verrottet ist, sind alle Inhaltsstoffe umgewandelt in hochwertigen Kompost, der als idealer Humusdünger wieder zur Verfügung stehen kann. Daher nochmals der dringende Hinweis: Kinder informieren und wenn man selbst nicht sicher ist, bei Fachleuten Informationen einholen!