Erkrankungen der Schilddrüse

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J. Larry Jameson, Anthony P. Weetman
335
Erkrankungen der Schilddrüse
Für die deutsche Ausgabe Rudolf Hörmann
Die Schilddrüse bildet zwei verwandte Hormone, Thyroxin (T4)
und Triiodthyronin (T3) (Abb. 335-1). Über die Wirkung auf Hormonrezeptoren des Zellkerns spielen diese Hormone eine entscheidende Rolle in der Zelldifferenzierung während der Entwicklung
und helfen dabei, den Wärmehaushalt und die metabolische Homöostase des Erwachsenen aufrechtzuerhalten. Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind entweder in der Lage, eine übermäßige Schilddrüsenhormonbildung zu stimulieren (Hyperthyreose) oder eine Destruktion der Drüse mit nachfolgendem
Hormonmangel (Hypothyreose) herbeizuführen. Benigne Schilddrüsenknoten und verschiedene Formen von Schilddrüsenkrebs
sind relativ häufig und fallen oft schon bei der körperlichen Untersuchung auf.
ANATOMIE UND ENTWICKLUNG
hormonproduktion und erreichen eine Teilversorgung des Feten
im Falle einer kongenitalen Hypothyreose. Eine frühzeitige hormonelle Substitutionsbehandlung eines Neugeborenen mit kongenitaler Hypothyreose verhindert mögliche schwere Entwicklungsstörungen.
Die Schilddrüse besteht aus zahlreichen kugelförmigen Follikeln, die sich aus Schilddrüsenfollikelzellen zusammensetzen und
ein proteinartiges Kolloid enthalten, das große Mengen an Thyreoglobulin, dem Vorläuferprotein der Schilddrüsenhormone, aufweist (Abb. 335-2). Die Schilddrüsenfollikelzellen sind polar ausgerichtet: Die basolaterale Oberfläche ist dem Blutstrom entgegen
gewandt, während die apikale Membran an das follikuläre Lumen
angrenzt. Ein erhöhter Bedarf an Schilddrüsenhormonen wird
durch das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) reguliert, das
an seinen Rezeptor an der basolateralen Membran der Follikelzellen bindet und dadurch zur Wiederaufnahme von Thyreoglobulin
aus dem Follikellumen und dessen Proteolyse in der Zelle führt,
um die Schilddrüsenhormone für die Abgabe in die Zirkulation
bereitzustellen.
Die Schilddrüse (griechisch: thyreos, Schild und eidos, Form) besteht aus zwei Lappen, die durch einen kleinen Mittellappen, den
Schilddrüsenisthmus, miteinander verbunden sind. Die Schilddrüse liegt im Halsbereich vor der Luftröhre, zwischen Ringknorpel und suprasternaler Einkerbung. Die normale Schilddrüse ist 12
REGULATION DER SCHILDDRÜSENFUNKTION
bis 20 g schwer, stark durchblutet und von weicher Konsistenz.
Das von den thyreotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens
Hinter jedem Schilddrüsenpol liegen vier Nebenschilddrüsen, die
sezernierte Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) spielt eine
Parathormon bilden (Kap. 347). Der Nervus laryngeus recurrens
Schlüsselrolle bei der Regulation der Schilddrüsenfunktion und erdurchzieht den lateralen Schilddrüsenrand und muss zur Vermeiweist sich als sehr nützlicher physiologischer Marker der Schilddung einer Stimmbandlähmung bei Schilddrüsenoperationen
drüsenhormonwirkung. TSH ist ein aus einer α- und β-Untereinidentifiziert werden.
heit bestehendes 31-kDA-großes Hormon. Die α-Untereinheit ist
Die Schilddrüse entwickelt sich während der dritten Schwangerdem TSH gemeinsam mit anderen Glykoproteinhormonen, dem
schaftswoche aus dem Boden des primitiven Pharynx. Die sich entluteinisierenden Hormon, dem Follikel-stimulierenden Hormon
wickelnde Drüse wandert den Ductus thyreoglossus entlang, um
und dem humanen Choriongonadotropin (hCG), die β-Untereinihren endgültigen Platz im Halsbereich zu erreichen. Dieses Verhalheit ist TSH-spezifisch. Das Ausmaß und die Art des Kohlenhydratten ist für die seltene ektope Lage von Schilddrüsengewebe am
anteils werden vom Thyreotropin-Releasinghormon (TRH) moZungengrund (Zungengrundstruma) verantwortlich, wie auch für
duliert und beeinflusst die biologische Aktivität des Hormons.
das Auftreten von Thyreoglossuszysten längs dieses Ganges. Die
Der Schilddrüsenregelkreis ist ein klassisches Beispiel eines enSynthese von Schilddrüsenhormonen beginnt üblicherweise ab der
dokrinen Rückkopplungsmechanismus. Hypothalamisches TRH
elften Schwangerschaftswoche.
stimuliert die hypophysäre Produktion des TSH, welches wiederum
Die medullären C-Zellen in der Schilddrüse, die Calcitonin, ein
die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone stimuliert.
Kalzium senkendes Hormon, bilden, entstammen dem UltimoÜber eine negative Rückkopplung hemmen die Schilddrüsenhorbranchialorgan der Neuralleiste. Die C-Zellen sind über die gemone die Produktion des TRH und TSH (Abb. 335-2). Der Sollsamte Schilddrüse verteilt, obgleich ihre Dichte am Schnittpunkt
wert im Regelkreis wird durch TSH festgelegt. TRH ist der entdes oberen und der zwei unteren Drittel des Schilddrüsenlappens
scheidende positive Regler der TSH-Synthese und -Sekretion. Die
am höchsten ist.
Spitzen-TSH-Sekretion erfolgt ungefähr 15 Minuten nach exoDie Entwicklung der Schilddrüse wird von zahlreichen Transkriptionsfaktoren koordiniert. SchilddrüsenTranskriptionsfaktor (TTF) 1, TTF-2 und Paired
Homeobox-8 (PAX-8) werden selektiv, aber nicht
I
I
NH2
ausschließlich in der Schilddrüse exprimiert. Im
3
3
O
CH2 CH COOH
HO 5
Zusammenspiel regulieren sie die Entwicklung
5
der Schilddrüsenzellen und die Induktion von
I
I
schilddrüsenspezifischen Genen, wie ThyreogloThyroxin (T4)
bulin (Tg), Schilddrüsenperoxidase (TPO), Na3,5,3,5-Tetraiodothyronin
trium-Iodid-Symporter (NIS) und den TSH-ReDeiodase 1 oder 2
Deiodase 3 2
zeptor (TSH-R). Mutationen in den ent(5-Deiodierung)
(5-Deiodierung)
wicklungsregulierenden Transkriptionsfaktoren
oder ihren nachgeordneten Zielgenen sind selI
I
I
I
tene Ursachen für eine Schilddrüsenagenesie oder
NH2
NH2
eine Hormonsynthesestörung. Die Ursache für
HO
O
CH2 CH COOH HO
O
CH2 CH COOH
die meisten Formen einer kongenitalen Hypothyreose ist dennoch unbekannt (Tabelle 335-1). Da
I
I
die kongenitale Hypothyreose bei ungefähr einem
Reverses T3 (rT3)
Triiodthyronin (T3)
von 4000 Neugeborenen vorkommt, wird in den
3,5,3-Triiodothyronin
3,3,5-Triiodothyronin
meisten industrialisierten Ländern ein Neugeborenenscreening durchgeführt (siehe unten). Die ABBILDUNG 335-1 Strukturformeln der Schilddrüsenhormone. Thyroxin (T4) entmütterlichen Schilddrüsenhormone passieren hält vier Iodatome. Durch Deiodierung entsteht entweder das wirksame Hormon Tridie Plazenta vor Beginn der fetalen Schilddrüsen- iodthyronin (T3) oder der inaktive Hormonmetabolit reverses T3 (rT3).
3
Aus: Harrisons Innere Medizin • 17. Auflage, deutsche Ausgabe • In Zusammenarbeit mit der Charité • Herausgegeben von M. Dietel, N. Suttorp, M. Zeitz
Copyright © ABW Wissenschaftsverlag GmbH, Kurfürstendamm 57, D-10707 Berlin • www.abw-verlag.de
TEIL 15 Endokrinologie und Stoffwechsel
gener TRH-Gabe. Dopamin, TABELLE 335-1 GENETISCHE URSACHEN DER KONGENITALEN HYPOTHYREOSE
Glukokortikoide und Somatostatin supprimieren TSH, spie- Defektes Gen/
len aber keine wesentliche Protein
Vererbung
Auswirkungen
physiologische Rolle, mit AusPROP-1
Autosomal rezessiv
Kombinierter Mangel von Hypophysenhormonen mit Erhalnahme bei Gabe pharmakotung von ACTH
logischer Dosen. Erniedrig- PIT-1
Autosomal rezessiv
Kombinierter Mangel von Wachstumshormon, Prolaktin und
te Schilddrüsenhormonspiegel
Autosomal dominant
Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH)
steigern die basale TSH-ProAutosomal rezessiv
TSH-Mangel
TSH-β
duktion sowie die TRH-ver- TTF-1 (TITF-1)
Autosomal dominant Unterschiedlich ausgeprägte Schilddrüsenhypoplasie, Chomittelte
TSH-Stimulation.
reoathetose, pulmonale Probleme
Hohe Schilddrüsenhormon- TTF-2 (FOXE-1)
Autosomal rezessiv
Schilddrüsenagenesie, Choanalatresie, stacheliges Haar
spiegel hingegen supprimieren
PAX-8
Autosomal dominant Schilddrüsendysgenesie
schnell und direkt die Expres- TSH-Rezeptor
Autosomal rezessiv
TSH-Resistenz
sion des TSH-Gens und die G (hereditäre OsteoAutosomal
dominant
TSH-Resistenz
sα
TSH-Sekretion und hemmen
dystrophie Albright)
Autosomal rezessiv
Iodtransportstörung
die TSH-Stimulation durch Na+/I-Symporter
TRH. Dies ist ein Hinweis daTHOX2
Autosomal dominant Organisationsdefekt
rauf, dass die TSH-Produktion Schilddrüsenperoxidase Autosomal rezessiv
Iodorganifizierungsdefekt
überwiegend durch die Schild- Thyreoglobulin
Autosomal rezessiv
Schilddrüsenhormonsynthesestörung
drüsenhormone reguliert wird. Pendrin
Autosomal rezessiv
Pendred-Syndrom: Innenohrschwerhörigkeit und partielle
Iodinationsstörung der Schilddrüse
Wie andere HypophysenhorAutosomal rezessiv
Iodwiederverwertungsstörung
mone wird TSH pulsatil frei- Dehalogenase
gesetzt und zeigt einen zirkadianen Rhythmus. Die höchsten
eine seltene Ursache der kongenitalen Hypothyreose, die dessen
Spiegel treten nachts auf. Allerdings sind die Schwankungen des
Bedeutung für die Schilddrüsenhormonsynthese unterstreicht. Ein
TSH im Vergleich zu denen anderer Hypophysenhormone eher
weiterer Iodtransporter, Pendrin, ist auf der apikalen Oberfläche
moderat, teilweise bedingt durch die lange Plasmahalbwertszeit (50
der Schilddrüsenzellen lokalisiert und vermittelt den Iodausstrom
Minuten) des TSH. Daher sind Einzelmessungen des TSH zur Bestimmung der zirkulierenden Konzentration geeignet. TSH wird
mit immunoradiometrischen Assays bestimmt, die hochsensitiv
und spezifisch sind. Diese Methoden können problemlos zwischen
T 3 T4
normalen und supprimierten TSH-Werten unterscheiden, sodass
Hypothalamus
–
der TSH-Spiegel sowohl für die Diagnose der Hyperthyreose (erTSH-R
niedrigtes TSH) als auch für die der Hypothyreose (erhöhtes TSH)
Basal
herangezogen werden kann.
NIS I
SCHILDDRÜSENHORMONSYNTHESE, -STOFFWECHSEL
UND -WIRKUNG
Iodmetabolismus und -transport Die Iodaufnahme ist ein erster
wichtiger Schritt der Schilddrüsenhormonsynthese. Mit der Nahrung aufgenommenes Iod wird an Serumproteine gebunden, vor
allem Albumin. Ungebundenes Iod wird mit dem Urin ausgeschieden. Die Schilddrüse entzieht dem Blutkreislauf das Iod in sehr effizienter Weise. So werden 10 bis 25 Prozent eines radioaktiven
Tracers (z. B. 123I) innerhalb von 24 Stunden von der gesunden
Schilddrüse aufgenommen. Dieser Wert kann bei der BasedowKrankheit auf 70 bis 90 Prozent ansteigen. Die Iodaufnahme wird
durch den Natrium-Iodid-Symporter (NIS) vermittelt, der auf der
basolateralen Membran der Schilddrüsenfollikelzellen exprimiert
wird. NIS wird in hohem Maße in der Schilddrüse exprimiert sowie auf niedrigem Niveau in den Speicheldrüsen, der laktierenden
Mamma und der Plazenta. Der Iodtransport ist stark reguliert, um
sich an eine variable Nahrungsiodaufnahme anpassen zu können.
Niedrige Iodspiegel erhöhen die Menge an NIS und stimulieren die
Aufnahme, während hohe Iodspiegel die NIS-Expression und Iodaufnahme supprimieren. Die selektive Expression von NIS in der
Schilddrüse ermöglicht die Durchführung einer Szintigraphie, die
Behandlung der Hyperthyreose und die Ablation von Schilddrüsenkarzinomen mit radioaktiven Iodisotopen ohne wesentliche
Beeinträchtigung anderer Organe. Eine Mutation des NIS-Gens ist
cAMP
TRH
+
–
Hypophyse
Tg
Apikal
DIT
TPO
Tg-MIT
TSH
Ko
SCHILDDRÜSENHORMONSYNTHESE
Schilddrüsenhormone leiten sich von Thyreoglobulin ab, einem
großen iodierten Glykoprotein. Nach seiner Sekretion in den
Schilddrüsenfollikel wird das Thyreoglobulin an Tyrosinmolekülen
iodiert und werden diese nachfolgend über Etherbrücken miteinander verknüpft. Die Wiederaufnahme des Thyreoglobulins in die
Schilddrüsenfollikelzelle ermöglicht die Proteolyse und die Freisetzung des neugebildeten T4 und T3.
I-
pp
lu
+
Schilddrüse
T4
ng
Tg + IIodination
Follikelzelle
Schilddrüsenfollikel
T3
Periphere
Wirkungen
ABBILDUNG 335-2 Regulation der Schilddrüsenhormonsynthese. Links. Die Schilddrüsenhormone T4 und T3 inhibieren über
negative Rückkopplung die hypothalamische TRH-Produktion und
die hypophysäre TSH-Produktion. TSH stimuliert die Synthese von
T4 und T3 durch die Schilddrüse. Rechts. Schilddrüsenfollikel bestehen aus Schilddrüsenepithelzellen, die ein proteinhaltiges Kolloid
umschließen, das Thyreoglobulin enthält. Follikelzellen, die eine
polare Ausrichtung haben, synthetisieren Thyreoglobulin und stellen Schilddrüsenhormone her (Einzelheiten siehe im Text). TSH-R =
Rezeptor für Thyreoidea-stimulierendes Hormon; Tg = Thyreoglobulin; NIS = Natrium-Iodid-Symporter; TPO = Schilddrüsenperoxidase; DIT = Diiodtyrosin; MIT = Monoiodtyrosin.
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Erkrankungen der Schilddrüse
den Autoimmunerkrankungen und dem erhöhten Iodbedarf, der
mit einer Schwangerschaft verbunden ist.
In Iodmangelgebieten spiegelt die Schilddrüsenvergrößerung einen Kompensationsversuch wider, unter den Bedingungen einer
relativ ineffizienten Hormonsynthese Iod anzureichern und genügend Hormon zu bilden. Überraschenderweise sind die TSH-Spiegel üblicherweise normal oder nur leicht erhöht. Der Befund legt
die Annahme einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber TSH oder
einer Aktivierung über andere Wege nahe, die zum Schilddrüsenwachstum führen. Iod scheint direkt auf die Vaskularisierung der
Schilddrüse zu wirken und das Wachstum über vasoaktive Substanzen, wie die Endotheline und Stickstoffmonoxid, zu beeinflussen. Die endemische Struma wird auch durch eine Exposition gegenüber strumigenen Substanzen aus der Umwelt verursacht, wie
Casavawurzeln, die ein Thiozyanat enthalten, Gemüse aus der Familie der Cruciferae (z. B. Rosenkohl, Wirsing oder Blumenkohl)
und Milch aus Gebieten, wo im Gras Strumigene vorkommen. Äußerst selten können vererbte Defekte der Schilddrüsenhormonsynthese zu einer diffusen euthyreoten Struma führen. Störungen auf
jeder Stufe der Hormonsynthese einschließlich des Iodtransportes
(NIS), der Thyreoglobulinsynthese, der Organifizierung und
Kopplung (TPO) sowie der Wiederbereitstellung von Iod (Dehalogenase) sind beschrieben. Deutschland gilt im Gegensatz zu den
USA als Iodmangelgebiet, obwohl sich die Situation nach Einführung der freiwilligen Iodsalzprophylaxe in den letzen Jahren deutlich gebessert hat. Es bestehen weiterhin beträchtliche regionale
Unterschiede in der Iodversorgung, wobei das frühere typische
Nord-Süd-Gefälle der Iodversorgug nicht mehr gegeben ist. Die
direkte Regulation von intrathyreoidalen Wachstumsfaktoren und
Iodlipiden spielt innerhalb des komplexen multifaktoriellen, teils
auch genetisch beeinflussten Wachtumsverhaltens der normalen
Schilddrüse und der Struma physiologisch und pathogenetisch
eine entscheidende Rolle. Der intrathyreoidale Iodmangel regt die
Zellhyperplasie der Thyreozyten an, die exogene TSH-Stimulation
bewirkt eine Hypertrophie des Thyreozyten.
Klinisches Bild und Diagnostik Bei erhaltener Schilddrüsenfunktion sind die meisten Strumen asymptomatisch. Die spontane Einblutung in eine Zyste oder einen Knoten kann plötzlich einen Lokalschmerz und eine Schwellung verursachen. Die Untersuchung
einer diffusen Struma zeigt eine symmetrisch vergrößerte, nicht
druckschmerzhafte, im Allgemeinen weiche Drüse ohne tastbare
Knoten. Das Vorliegen einer Struma wird – etwas willkürlich – definiert als ein Lappen, der größer ist als der Daumen des Untersuchten. Eine stark vergrößerte Schilddrüse kann die Trachea oder
den Ösophagus komprimieren. Diese Merkmale finden sich aber
meist nicht ohne Knoten oder eine Fibrosierung. Eine retrosternale
Struma kann zur Obstruktion der Thoraxöffnung führen. Das
Pemberton-Zeichen bezieht sich auf Ohnmachtsanfälle mit Gesichtsschwellung und oberer Einflussstauung der externen Jugularvenen beim Heben der Arme, wodurch die Schilddrüse in die Thoraxapertur hineingezogen wird. Eine Lungenfunktionsuntersuchung sowie eine CT oder MRT werden bei Patienten mit den
Symptomen einer Obstruktion zur Abklärung einer retrosternalen
Struma vorgenommen.
Bei allen Patienten mit einer Struma sollten Schilddrüsenfunktionstests zum Ausschluss einer Hyper- oder Hypothyreose durchgeführt werden. Insbesondere bei Iodmangel ist ein niedriges Gesamt-T4 bei normalen T3- und TSH-Werten im Sinne einer
verstärkten Konversion von T4 zu T3 nicht ungewöhnlich. Ein niedriges TSH ist vor allem bei älteren Patienten ein Hinweis auf eine
Schilddrüsenautonomie oder eine nicht diagnostizierte BasedowKrankheit mit subklinischer Hyperthyreose. Die Bestimmung der
TPO-Antikörper kann sinnvoll sein, um Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Autoimmunthyreopathie zu erkennen.
Niedrige Iodspiegel im Urin (< 10 μg/dl) unterstützen die Diagnose eines Iodmangels. Eine Schilddrüsenszintigraphie ist im Allgemeinen nicht notwendig, weist aber einen erhöhten Uptake bei
Iodmangel und in den meisten Fällen einer gestörten Schilddrüsenhormonsynthese nach. Auch eine Ultraschalluntersuchung ist
bei der diffusen Struma meist nicht erforderlich, sofern nicht bei
der körperlichen Untersuchung ein Knoten ertastet wurde. In
335
Deutschland gilt bei einer hohen Strumaprävalenz und wegen der
Ungenauigkeit der klinischen Untersuchung (Palpation) die Ultraschalluntersuchung des Halses als ein obligater Bestandteil der Basisdiagnostik einer Struma. Die Methode erlaubt auf einfache und
wenig belastende Weise eine genaue Volumenbestimmung der
Struma und den Nachweis von eventuell vorhandenen Knoten ab
einer Größe von wenigen Millimetern. Die Beurteilung des Echomusters liefert zusätzliche Hinweise auf das Vorliegen einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Als weiterer Fortschritt
kommt der Einsatz der Duplex-/Farbdoppler-Sonographie zur
Darstellung der Vaskularisierung des Organs und der Knoten
hinzu, die wertvolle Hinweise auf Autoimmunerkrankungen oder
die Dignität von Knoten geben kann.
DIFFUSE, EUTHYREOTE (BLANDE) STRUMA
Die Substitution von Iod oder Schilddrüsenhormonen führt zu einer
unterschiedlich starken Rückbildung der Iodmangelstruma, abhängig
davon, wie lange die Struma schon besteht und welches Ausmaß der
Fibrosierungsgrad angenommen hat. Wegen der Möglichkeit einer zugrunde liegenden Schilddrüsenautonomie ist bei Einleitung einer TSHsuppressiven Levothyroxintherapie bei Patienten mit Struma Vorsicht
geboten, vor allem wenn das basale TSH im niedrig-normalen Bereich
liegt. Bei jüngeren Patienten kann die Levothyroxindosis mit 100 μg
täglich begonnen und im Weiteren so angepasst werden, dass das TSH
in den niedrig-normalen, aber noch nachweisbaren Bereich abgesenkt
wird. Die Behandlung älterer Patienten sollte mit 50 μg täglich begonnen werden. Die Wirksamkeit einer suppressiven Behandlung ist bei
jüngeren Patienten und bei weicher Struma besser. Eine signifikante
Rückbildung ist gewöhnlich innerhalb von drei bis sechs Monaten zu
beobachten, danach wird sie unwahrscheinlich. Von den älteren Patienten und den Patienten mit einem gewissen Anteil an Knoten oder
Fibrosierungsgrad zeigt weniger als ein Drittel eine merkliche Abnahme des Kropfes. Eine Operationsindikation besteht bei der diffusen
Struma nur selten. Ausnahmen sind eine nachgewiesene Trachealkompression oder eine Obstruktion der Thoraxapertur, wie sie bei einer retrosternalen multinodösen Struma vorkommt (siehe unten). Die subtotale oder nahezu totale Thyreoidektomie aus mechanischen oder aus
kosmetischen Gründen sollte von einem erfahrenen Operateur durchgeführt werden, um die Komplikationsrate zu minimieren, die bis zu
zehn Prozent beträgt. Auf die Operation sollte eine leicht suppressive
Behandlung mit Levothyroxin folgen, um eine Rezidivstruma zu verhindern. Eine Radioiodtherapie verkleinert die Struma bei der Mehrzahl
der Patienten um ungefähr 50 Prozent. Sie ist selten mit einer vorübergehenden akuten Schilddrüsenschwellung verbunden, die gewöhnlich ohne Folgen bleibt, es sei denn, es liegt eine Trachealstenose vor.
Wenn keine Nachbehandlung mit Levothyroxin erfolgt, sollten die Patienten nach der Radioiodtherapie wegen der Gefahr der Entwicklung
einer Hypothyreose kontrolliert werden.
Die Strumatherapie in Deutschland unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den amerikanischen Therapiegepflogenheiten,
nicht zuletzt aus pathophysiologischen Gründen und Überlegungen,
die aus der unterschiedlichen Iodversorgung der beiden Länder herrühren. Im Iodmangelgebiet ist der Ausgleich des bestehenden Iodmangels das wichtigste kausale Therapieprinzip in der Behandlung der
Struma. Die Iodidtherapie ist indiziert bei euthyreoter Iodmangelstruma mit und ohne Knotenbildungen und besonders wirksam (mit
einer zu erwartenden Volumenabnahme der Struma im Bereich von
ungefähr 30 Prozent) bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen (< 40 Jahre) mit diffuser Struma, weniger effektiv bei Knotenstrumen, isolierten Schilddrüsenknoten und lange bestehenden Kröpfen
älterer Patienten. Die Tagesdosis liegt bei 100 bis 200 μg Kaliumiodid.
Die Therapiedauer beträgt 12 bis 18 Monate und geht nahtlos und obligat in eine auf Dauer angelegte Rezidivprophylaxe mit niedrigerer
Dosis von 100 μg über. Die Nebenwirkungsrate ist bei dieser Dosierung
sehr gering. Eine nachweisbare subklinische oder manifeste Hyperthyreose (erkennbar an einer Suppression des TSH unter die untere Referenzgrenze) ist eine Kontraindikation für die Einleitung oder Fortführung der Iodidgabe.
Die Therapie der Struma mit Schilddrüsenhormon (Levothyroxin) ist
zwar grundsätzlich von vergleichbarer Effektivität, jedoch im Gegensatz zur Iodidtherapie nicht kausal begründet, sondern rein symptomatisch ausgerichtet. Bei ungenügendem Ansprechen der Monotherapie
oder einer begleitenden Hypothyreose (z. B. nach operativen Eingriffen
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TEIL 15 Endokrinologie und Stoffwechsel
und kleiner Restschilddrüse) steht eine fixe Kombinationstherapie mit
Iodid und Levothyroxin (in variablen Dosierungen) zur Verfügung. Hervorzuheben ist, dass jede Form einer Levothyroxintherapie bei benignen Erkrankungen der Schilddrüse heute in nicht komplett TSH-suppressiver Dosierung einzustellen ist. Bei vorbestehender Autoimmunerkrankung ist eine Iodidgabe generell kontraindiziert, da bei einem
kleinen Anteil der Patienten und bei höherer Dosierung von Iodid ein
Anstieg der TPO-Ak beobachtet wird. Bei Nachweis eines klinisch relevanten Schilddrüsenknotens (> 1 cm) erfolgt vor Einleitung der Therapie neben der obligaten Sonographie eine weitere Abklärung (Szintigraphie, Feinnadelbiopsie) sowohl hinsichtlich des Vorliegens eines
Malignoms als auch einer Autonomie der Schilddrüse.
EUTHYREOTE STRUMA MULTINODOSA
Ätiologie und Pathogenese Abhängig von der untersuchten Bevölkerung kommt die multinodöse Struma bei bis zu zwölf Prozent
der Erwachsenen vor. Die multinodöse Struma weist bei Frauen
eine höhere Prävalenz auf als bei Männern, die mit dem Alter zunimmt. Sie ist in Iodmangelgebieten häufiger, kommt aber auch in
Gebieten mit ausreichender Iodversorgung vor, was die vielfältigen
genetischen, immunologischen und umweltbezogenen Einflüsse
auf die Pathogenese widerspiegelt.
Es besteht eine breite Streuung der Knotengröße. Die Histologie
weist ein Spektrum unterschiedlicher Morphologien auf, die von
Arealen mit hohem Zellreichtum bis zu zystischen Anteilen mit
Kolloid reichen. Die Fibrosierung ist oft sehr ausgeprägt und es finden sich Bereiche mit Hämorrhagien oder lymphozytärer Infiltration. Bei Verwendung molekularer Techniken sind die meisten
Knoten innerhalb einer multinodösen Struma polyklonalen Ursprungs als Ausdruck einer hyperplastischen Reaktion auf lokal
produzierte Wachstumsfaktoren und Zytokine. TSH, das gewöhnlich nicht erhöht ist, spielt möglicherweise eine permissive oder
ergänzende Rolle. Monoklonale Defekte kommen ebenfalls innerhalb der multinodösen Struma vor. Es handelt sich um Genmutationen, die einen selektiven Wachstumsvorteil gegenüber der Ursprungszelle mit sich bringen.
Klinisches Bild Die meisten Patienten mit euthyreoter multinodöser Struma sind asymptomatisch und schon per definitionem
euthyreot. Die multinodöse Struma entwickelt sich typischerweise
über mehrere Jahre und fällt bei der körperlichen Routineuntersuchung auf oder wenn der Betroffene eine Vergrößerung im Halsbereich bemerkt. Wenn die Struma groß genug ist, kann sie zu Kompressionssymptomen führen, einschließlich Schluckbeschwerden,
Atemnot (Trachealkompression) oder Plethora (venöse Stauung),
wobei derartige Symptome selten sind. Symptomatische multinodöse Strumen sind gewöhnlich sehr groß und/oder entwickeln
fibrotische Bereiche, die eine Einengung verursachen können.
Plötzlich auftretende Schmerzen in einer multinodösen Struma
werden oft durch Einblutungen in einen Knoten verursacht. Allerdings sollte auch die Möglichkeit eines invasiven malignen Prozesses bedacht werden. Heiserkeit durch Beteiligung des N. laryngeus recurrens weist auf ein malignes Geschehen hin.
Diagnostik Bei der Untersuchung ist die Schilddrüsenarchitektur
gestört und es werden mehrere Knoten unterschiedlicher Größe
erfasst. Da viele Knoten tief im Schilddrüsengewebe eingebettet
oder in hinteren oder retrosternalen Anteilen liegen, sind nicht alle
Knoten palpabel. TSH sollte zum Ausschluss einer subklinischen
Hyper- oder Hypothyreose bestimmt werden, allerdings ist die
Schilddrüsenfunktion gewöhnlich normal. Eine Verlagerung der
Luftröhre ist häufig, die Einengung muss aber 70 Prozent des Luftröhrendurchmessers überschreiten, bevor es zu einer signifikanten
Atembehinderung kommt. Lungenfunktionsprüfungen werden
durchgeführt, um die funktionelle Wirksamkeit einer Einengung
zu objektivieren und eine Tracheomalazie nachzuweisen, die durch
einen inspiratorischen Stridor charakterisiert ist. CT oder MRT
werden eingesetzt, um die Anatomie der Struma und das Ausmaß
der retrosternalen Ausdehnung zu beurteilen, das häufig wesentlich größer ist als bei der körperlichen Untersuchung erkennbar.
Ein Bariumbreischluck offenbart das Ausmaß der Ösophaguseinengung. Das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms ist vergleichbar
mit dem Risiko eines Solitärknotens. Anhand des sonographischen
Bildes ist über eine Feinnadelpunktion zu entscheiden, wobei der
größte dominierende Knoten oder Knoten mit sonographischen
Hinweisen auf Malignität wie Mikroverkalkungen, Echoarmut und
Hypervaskularisation punktiert werden sollten.
STRUMA MULTINODOSA
Die meisten euthyreoten multinodösen Strumen können konservativ
behandelt werden. Eine suppressive Levothyroxintherapie ist zur Strumaverkleinerung nur selten wirksam und birgt die Gefahr einer Hyperthyreose, vor allem wenn eine Autonomie vorliegt oder sich während
der Behandlung entwickelt. Sofern Levothyroxin eingesetzt wird, sollte
mit einer niedrigen Dosis begonnen werden (50 μg) und diese schrittweise unter Kontrolle des TSH zur Vermeidung einer übermäßigen Suppression gesteigert werden. Kontrastmittel und andere iodhaltige
Substanzen sollten wegen der Gefahr der Auslösung einer iodinduzierten Hyperthyreose vermieden werden, die durch eine gesteigerte
Hormonproduktion durch autonome Knoten gekennzeichnet ist. Die
Radioiodtherapie wird häufig therapeutisch eingesetzt, da sie die
Struma verkleinert und selektiv autonome Bereiche ausschaltet. Die
Dosis von 131I hängt von der Strumagröße und dem Radioioduptake ab,
wobei meist ungefähr 3,7 MBq (0,1 mCi) pro Gramm Gewebe eingesetzt werden, mit Korrektur je nach dem Uptake (übliche Dosen 370–
1070 MBq, entsprechend 10–29 mCi). Eine Wiederholung der Behandlung kann erforderlich sein. Bei den meisten Patienten lässt sich eine
Verkleinerung der Struma um 40 bis 50 Prozent erreichen. Frühere Bedenken wegen einer strahleninduzierten Schwellung der Schilddrüse
und einer Trachealkompression sind geringer geworden, da diese
Komplikation nach jüngsten Studien selten ist. Wenn eine akute Einengung auftritt, kann eine Behandlung mit Glukokortikoiden oder eine
Operation erforderlich werden. Eine strahlenbedingte Hypothyreose
ist seltener als nach Behandlung der Basedow-Krankheit. Allerdings
kann nach der Behandlung bei bis zu fünf Prozent der Patienten mit
einer euthyreoten multinodösen Struma eine immunogene Hyperthyreose auftreten. Ein chirurgischer Eingriff ist sehr effektiv, jedoch vor
allem bei älteren Patienten mit kardiopulmonaren Erkrankungen nicht
ohne Risiken.
HYPERTHYREOTE STRUMA MULTINODOSA
Die Pathogenese der hyperthyreoten multinodösen Struma scheint
ähnlich derjenigen der euthyreoten Struma multinodosa, mit
einem wesentlichen Unterschied, dass bei der hyperthyreoten multinodösen Struma eine funktionelle Autonomie vorliegt. Die molekulare Grundlage der Autonomie bei der hyperthyreoten multinodösen Struma ist noch nicht sicher geklärt. Wie bei der euthyreoten
Struma sind viele Knoten polyklonal, während andere monoklonal
und unterschiedlichen klonalen Ursprungs sind. Genetische Anomalien wie aktivierende TSH-R- oder Gsα-Mutationen (siehe unten), die bekanntermaßen mit einer funktionellen Autonomie einhergehen, werden normalerweise nicht in den autonomen Bereichen der hyperthyreoten multinodösen Struma gefunden.
Neben den Merkmalen einer Struma umfasst das klinische Bild
der hyperthyreoten Knotenstruma eine subklinische oder leichte
Hyperthyreose. Der Patient ist gewöhnlich älter und fällt mit Vorhofflimmern oder Palpitationen, einer Tachykardie, Nervosität,
Tremor oder einem Gewichtsverlust auf. Eine vorausgegangene
Iodexposition mit Kontrastmitteln oder aus anderen Quellen kann
eine Hyperthyreose auslösen oder verschlimmern. Der TSH-Spiegel ist niedrig. Der T4-Spiegel kann normal oder leicht erhöht sein.
T3 ist häufig stärker erhöht als T4. Das Schilddrüsenszintigramm
zeigt ein heterogenes Bild mit zahlreichen Bezirken mit einem erhöhten oder erniedrigten Uptake. Der 24-Stunden-Uptake von Radioiod ist nicht unbedingt erhöht.
HYPERTHYREOTE STRUMA MULTINODOSA
Die Behandlung der hyperthyreoten multinodösen Struma ist schwierig. Thyreostatika können oft zusammen mit Betablockern die Schilddrüsenfunktion normalisieren und die klinische Symptomatik der Hyperthyreose bessern. Die Behandlung stimuliert jedoch oft das Strumawachstum und anders als bei der Basedow-Krankheit kommt es zu
keiner Spontanremission. Radioiod wird zur Behandlung der Autono-
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Aus: Harrisons Innere Medizin • 17. Auflage, deutsche Ausgabe • In Zusammenarbeit mit der Charité • Herausgegeben von M. Dietel, N. Suttorp, M. Zeitz
Copyright © ABW Wissenschaftsverlag GmbH, Kurfürstendamm 57, D-10707 Berlin • www.abw-verlag.de
Erkrankungen der Schilddrüse
TABELLE 335-9
335
EINTEILUNG DER SCHILDDRÜSENTUMOREN
Benigne
Extrazelluläre Domäne
Follikuläre Epithelzelladenome
Makrofollikulär (kolloidal)
Normofollikulär (einfach)
Mikrofollikulär (fetal)
Trabekulär (embyronal)
Hürthle-Zellvariante (onkozytär)
TSH-R
Maligne
Ungefähre Häufigkeit
Follikuläre Epithelzellen
4
5
6
7
Transmembranäre
Domäne
GSα
AC
Aktivierende Mutationen
Zellwachstum, Differenzierung
Hormonsynthese
Zyklisches
AMP (cAMP)
ABBILDUNG 335-10 Aktivierende TSH-R-Mutationen. Mutationen (*), die den Thyroidea stimulierenden Hormonrezeptor (TSHR) aktivieren, liegen hauptsächlich in der transmembranären
Schleife 5 und der intrazellulären Schleife 3, obwohl Mutationen
auch in anderen Bereichen vorkommen. Diese Mutationen bewirken Konformationsänderungen, welche die TSH-Bindung nachahmen und so zu einer Kopplung an das stimulierende G-Protein (Gsα
und einer Aktivierung der Adenylatzyklase (AC) führen, die zyklisches AMP (cAMP) bereitstellt.
Differenzierte Karzinome
Papilläre Karzinome
Rein papillär
Follikuläre Variante
Diffus sklerosierende Variante
Riesenzell-, Spindelzellvariante
Follikuläre Karzinome
Minimal invasiv
Ausgedehnt invasiv
Hürthle-Zellkarzinom (onkozytär)
Insuläres Karzinom
Undifferenzierte (anaplastische)
Karzinome
80–90 %
5–10 %
C-Zell (Kalzitonin produzierend)
Medulläres Schilddrüsenkarzinom
Sporadisch
Familiär
MEN-2
10 %
Andere Malignome
Lymphome
Sarkome
Metastasen
Andere
1–2 %
Abkürzung: MEN = multiple endokrine Neoplasie.
Knoten und eines verminderten Uptakes in der restlichen Drüse,
da die Aktivität der normalen Schilddrüse supprimiert ist.
mie eingesetzt wie auch zur Volumenreduktion der Struma. Allerdings
verbleibt ein bestimmter autonomer Anteil, wahrscheinlich weil vielfach autonome Bezirke neu entstehen, sobald andere behandelt werden. Trotzdem kommt ein Therapieversuch mit Radioiod in Betracht,
bevor die oft älteren Patienten einer Operation zugeführt werden. Eine
Operation stellt sowohl für die zugrunde liegende Hyperthyreose als
auch für die Struma eine definitive Therapiemaßnahme dar. Patienten
sollten präoperativ mit Thyreostatika euthyreot eingestellt werden.
HYPERFUNKTIONELLE SOLITÄRE KNOTEN
Ein solitärer, funktionell autonomer Schilddrüsenknoten wird als
toxisches Adenom bezeichnet. Die Pathogenese der Erkrankung
wurde durch den Nachweis von Mutationen aufgeklärt, die den
TSH-R-Signalweg aktivieren. Die meisten Patienten mit solitären
hyperfunktionellen Knoten weisen erworbene somatische aktivierende TSH-R-Mutationen auf (Abb. 335-10). Die Mutationen, die
überwiegend in der transmembranären Domäne des Rezeptors
liegen, lösen eine konstitutive Kopplung des Rezeptors an Gsα aus,
die eine Erhöhung der cAMP-Spiegel sowie eine Proliferationsund Funktionssteigerung der Schilddrüsenfollikelzellen nach sich
zieht. Seltener finden sich somatische Gsα-Mutationen, die denen
beim McCune-Albright-Syndrom (Kap. 341) oder bei einer Unterklasse somatotroper Adenome (Kap. 333) ähnlich sind, die
GTP-Hydrolyse beeinträchtigen und ebenfalls eine konstitutive
Aktivierung des cAMP-Signalweges verursachen. Bei den meisten
Serienuntersuchungen wurden aktivierende Mutationen entweder
im TSH-R oder den Genen der Gsα-Untereinheit bei 90 Prozent
oder mehr der Patienten mit solitären, hyperfunktionellen Knoten
nachgewiesen.
Die Hyperthyreose ist meist leicht. Die Erkrankung wird wahrscheinlich mit dem Vorliegen eines Knotens, der meist groß und
tastbar ist, und fehlenden klinischen Merkmalen einer BasedowKrankheit oder anderer Ursachen einer Hyperthyreose. Die Schilddrüsenszintigraphie bringt eine eindeutige Diagnose mit dem
Nachweis einer fokalen Radioiodaufnahme im hyperfunktionellen
HYPERFUNKTIONELLE SOLITÄRE KNOTEN
Die ablative Radioiodtherapie ist die Behandlung der Wahl. Da die normale Schilddrüsenfunktion supprimiert ist, wird 131I in dem hyperfunktionellen Knoten angereichert mit nur minimalem Uptake und minimaler Schädigung des normalen Schilddrüsengewebes. Relativ hohe
Radioioddosen (z. B. 370–1110 MBq, entsprechend 10–29,9 mCi) sind
nach Studien imstande, bei etwa 75 Prozent der Patienten innerhalb
von drei Monaten die Hyperthyreose zu beseitigen. Eine Hypothyreose
entwickelt sich bei bis zu zehn Prozent der Patienten während der
nächsten fünf Jahre. Die chirurgische Therapie ist ebenfalls wirksam
und wird üblicherweise auf die Resektion des Adenoms oder die Lobektomie beschränkt, wodurch die Schilddrüsenfunktion aufrechterhalten und das Risiko eines Hypoparathyreoidismus oder einer Verletzung
des N. recurrens minimiert wird. Eine medikamentöse Therapie mit
Thyreostatika und Betablockern kann die Schilddrüsenfunktion normalisieren, stellt aber keine optimale Langzeittherapie dar. Die Injektion
von Ethanol unter Ultraschallkontrolle zur Ablation hyperfunktioneller
Knoten wird in einigen Zentren erfolgreich praktiziert. Wiederholte Injektionen (oft mehr als 5 Sitzungen) werden zur Größenreduktion des
Knotens benötigt. Bei den meisten Patienten kann mit dieser Technik
eine normale Schilddrüsenfunktion erreicht werden.
GUTARTIGE NEOPLASIEN
Die verschiedenen Arten von gutartigen Schilddrüsenknoten sind
in Tabelle 335-9 aufgeführt. Diese Läsionen sind häufig (5–10 %
der Erwachsenen), insbesondere wenn man empfindliche Nachweismethoden wie die Ultraschalluntersuchung einsetzt. Das Risiko einer malignen Entwicklung ist für die makrofollikulären Adenome und normofollikulären Adenome sehr niedrig. Mikrofollikuläre,
trabekuläre und Hürthle-Zellvarianten sind bedenklicher und die
Histologie ist schwieriger zu beurteilen. Ungefähr ein Drittel der
tastbaren Knoten sind Schilddrüsenzysten. Diese können durch ihr
Erscheinungsbild im Ultraschall erkannt werden oder durch die
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