Genomische Selektion

Werbung
RIND
ƒ
„Das Potenzial ist zu groß, um es zu
ignorieren“, sagte Larry Schaeffer von
der Universität in Guelph bereits 2006.
Die österreichische Rinderzucht hat reagiert und entwickelte eine genomische
Zuchtwertschätzung.
tualisiert und somit für die Berechnung
genomischer Zuchwerte für jüngere Tiere herangezogen werden. Der Vorteil
der genomischen Zuchtwerte ist, dass
nur eine Gewebeprobe notwendig ist
und daher auch für alle Tiere (männlich und weiblich) zu einem sehr frühen
Zeitpunkt bereits preiswert genomische
Zuchtwerte für die Selektion berechnet werden können.
60 % Sicherheit
Genomische Selektion –
eine neue Ära in der Rinderzucht?
Von Dr. Christa EGGER-DANNER, ZuchtData, Dr. Birgit GREDLER, BOKU,
Dr. Josef MIESENBERGER, FIH
Der Traum vieler Rinderzüchter ist, die Erbanlagen
ihrer Tiere möglichst genau und möglichst früh zu
kennen, da diese Anlagen die Eigenschaften der Tiere
bestimmen. Die genomische Selektion bringt die
Züchter diesem Ziel näher.
Die Erbinformation ist in den Genen gespeichert. Marker liegen in enger Nachbarschaft zum Gen oder direkt am Gen und können mit neuen
Analysemethoden rasch und kostengünstig identifiziert werden. Aktuell
können um rund 200 Euro ca. 50.000
Marker (SNP – Single Nukleotid Polymorphism) je Tier bestimmt werden.
Abbildung 1: Ablauf der genomischen Zuchtwertschätzung
0
Die Analysemethoden werden laufend leistungsfähiger, die Kosten hingegen sinken weiter. Aus einer Stichprobe von Stieren mit „sicher“ geschätzten Zuchtwerten werden die einzelnen
SNP-Effekte geschätzt, um dann eine
Formel für die Berechung genomischer
Zuchtwerte für alle anderen Tiere der
selben Population zu entwickeln. Unter genomischer Selektion versteht man
die Auswahl von Zuchttieren auf Basis von geschätzten genomischen Zucht-
x
gezielte Paarung
DNA-Extraktion aus
Blut-/Gewebeproben
Genomischer
Zuchtwert!
Zeitachse Jahre
Kosten senken
8
werten. Voraussetzung für zuverlässige genomische Zuchtwerte ist eine objektive, exakte Leistungsprüfung für die
gewünschten Merkmale. Die Formel für
die Berechnung genomischer Zuchtwerte kann dann auf Basis sicher geschätzter Zuchtwerte für Altstiere laufend ak-
In verschiedenen Untersuchungen
zeigte sich, dass zurzeit mit Sicherheiten großteils zwischen 40 % für funktionale Merkmale und bis zu 60 % für
Leistungs- bzw. Exterieurmerkmale gerechnet werden kann (teilweise zwischen 20–70 %). Dies entspricht etwa
einer Nachkommenprüfung im Umfang
von 15 bis 20 Töchtern. Sie liegen aber
deutlich über den Sicherheiten der auf
Basis der Abstammung vorgeschätzten Zuchtwerte (25–38 %), die bisher
für die Auswahl von Tieren ohne eigene Leistungen herangezogen wurden.
Die Sicherheiten bei den Teststieren liegen nach Abschluss der konventionellen Nachkommenprüfung deutlich
höher (60–93 %). Diese werden allerdings mit den Kosten für den Testeinsatz und vor allem für die Wartestierhaltung sowie dem deutlich späteren Zeitpunkt für die Selektion erkauft.
Auf der Kuhseite sticht die Attraktivität
der genomischen Zuchtwerte besonders
ins Auge, da selbst mit mehreren Laktationsleistungen die klassischen Zuchtwerte weniger genau geschätzt werden
können.
Genotypisierung
SNP-Daten
Genomische
Zuchtwertschätzung
DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT • www.landwirt.com
2
Heft 4 / 2009
RIND
Abbildung 2: Ablauf der Zucht in einem konventionellen Zuchtprogramm
0
gezielte Paarung
x
Testeinsatz
x
Zeitachse Jahre
2
Nachkommenprüfung
6–7
Zweiteinsatz
x
Zuchtfortschritt verdoppeln
Die Niederlande selektierten z.B. früher
250 Teststiere aus 500 Stierkälbern, jetzt
werden 200 Teststiere aus 1.000 Kälbern
mit genomischen Zuchtwerten ausgewählt. Mit der Reduktion der Teststiere wurde auch die Anzahl der Betriebe, an denen Teststiertöchter geprüft
werden (Testherden), reduziert. Die derzeit erzielbaren Genauigkeiten der
Zuchtwerte erlauben noch keine zuverlässige Rangierung der Stiere im TOPBereich. Durch die Streuung werden
nicht Einzeltiere vermarktet, sondern
es werden Pakete je nach Nutzungsseg-
Der große Nachteil der bisherigen
Zuchtprogramme mit Nachkommenprüfung ist das lange Generationsintervall und die damit verbundenen hohen
Kosten. Die Testung eines Stieres kostet ca. 20.000 Euro. Wenn nun durch
die genomische Selektion das Generationsintervall drastisch gesenkt werden
kann, so kann sich nach Berechnungen
von Larry Schaeffer aus Kanada der
Zuchtfortschritt und der Züchtungsgewinn verdoppeln. Es müssten bereits
Jungstiere aufgrund ihrer genomischen
Zuchtwerte als Teststierväter gezielt an
Teststiermütter angepaart bzw. bereits
im Zweiteinsatz breit eingesetzt werden. Der Züchter hat durch den genomischen Zuchtwert mehr Sicherheit
(60 %) beim Einsatz von Teststieren.
Teststiere können aufgrund der genomischen Zuchtwerte strenger selektiert
und so Kosten gespart werden. Bei weniger Teststieren könnte die Nachkommengruppe erhöht werden. Das würde dazu führen, dass für Fitness- und
Gesundheitsmerkmale Zuchtwerte mit
höherer Zuverlässigkeit vorliegen.
ment (Milch-Eiweiß-Fitness-Exterieur)
aus je 6 Stieren („sixpack“) angeboten.
Genomische ZuchtwertBei den Teststiervätern wird in einigen
schätzung läuft international Ländern auch bereits begonnen, die
Teststiermütter teilweise mit JungstieIn den Niederlanden, den USA, Neu- ren mit genomischen Zuchtwerten anseeland, Australien, Frankreich, Däne- zupaaren.
mark und Schweden sind genomische
Zuchtwerte bei der Rasse Holstein beÖsterreich ist im Boot
reits seit 2008 etabliert. Es sind bisher
inoffizielle Zuchtwerte, die für SelektiZiel eines neu angelegten Projektes
onsentscheidungen und Marketing der österreichischen Rinderzucht ist die
genützt werden. Manche Länder geno- Entwicklung einer genomischen Zuchttypisieren Teststiermütter und vor al- wertschätzung bei Fleckvieh. Dabei
lem Stierkälber, um dann die Teststie- werden ca. 2.000 sicher geprüfte Stiere
re aufgrund der genomischen Zucht- genotypisiert. Aus diesen Daten lässt
werte strenger selektieren zu können. sich eine Formel für die genomische
Heft 4 / 2009
Zuchtwertschätzung ableiten. Dann
kann von weiteren sicher geprüften
Stieren der genomische Zuchtwert geschätzt und mit dem konventionellen
Zuchtwert verglichen werden. Nach der
Überprüfung der Formel kann nun der
genomische Zuchtwert für Tiere mit
noch unsicherer Leistungsinformation
geschätzt werden.
Erfolg versprechendes Projekt
bei Fleckvieh
In Österreich wurde im März 2008
ein 3-Jahres-Projekt zur genomischen
Selektion beim Fleckvieh gestartet. Es
wird mit Projekten in Deutschland zusammengearbeitet. Um Doppelgenotypisierungen zu vermeiden, werden Genotypisierungsergebnisse ausgetauscht.
Braunvieh
kooperiert international
Beim österreichischen Braunvieh
wird gemeinsam mit Bayern und Baden-Württemberg eine genomische
Zuchtwertschätzung entwickelt. Eine
Zusammenarbeit mit weiteren Ländern
ist geplant. Um zu vermeiden, dass Stiere doppelt oder mehrfach genotypisiert
werden, wurde von der Europavereinigung Braunvieh eine Datenbank mit
allgemeinen Informationen zu den Genotypisierungen in der Schweiz etabliert.
■
ƒ
Das große Potenzial der genomischen Selektion besteht in
der frühen und objektiveren
Auswahl von Prüfstieren. Genomische Zuchtwerte können bereits für Kälber berechnet werden.
Fazit
Die genomische Selektion hat das Potenzial, kosteneffizient zu einer sehr
großen Steigerung des Zuchtfortschritts
zu führen. Wie groß der Nutzen speziell auch bei den Rassen Fleckvieh und
Braunvieh wirklich sein wird, werden
Forschungsergebnisse zeigen. Unbestritten sind die Vorteile der genomischen
Selektion bei der Auswahl der Teststiermütter und der Teststiere. Eine große
Steigerung beim Zuchtfortschritt und
der Kostenersparnis wird allerdings nur
über eine deutliche Verkürzung des Generationsintervalls bei den Teststiervätern und den Stieren im Wiedereinsatz
zu erreichen sein. Offen ist auch, ob die
Züchter bereit sein werden, ihre Kuh mit
Stieren mit ungenaueren Zuchtwerten
anzupaaren.
DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT • www.landwirt.com
9
Herunterladen