Die Folgen traumatischer Kindheitserfahrungen für die weitere

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Die Folgen traumatischer Kindheitserfahrungen für die
weitere Hirnentwicklung
von Gerald Hüther, Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen
(Dezember 2002)
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Einleitung
Die Hirnentwicklung als ein sich selbst organisierender, durch Interaktionen mit der
Außenwelt gelenkter Prozess
Die nutzungsabhängige Stabilisierung synaptischer Angebote
Die erfahrungsabhängige Modifikation und Reorganisation synaptischer
Verschaltungsmuster
Die Bedeutung psychosozialer Entwicklungsbedingungen für die Strukturierung des
kindlichen Gehirns
Die Hirnentwicklung als ein von Außen beeinflußbarer und daher auch störbarer
Prozess
Die Auswirkungen früher Traumatisierung auf die weitere Hirnentwicklung
Die Bedeutung subjektiver Bewertungen
Die psychobiologischen Besonderheiten frühkindlicher Traumatisierung
Therapeutische Implikationen
Literatur
1. Übersicht
Dieser Beitrag untersucht die Auswirkungen von Kindheitstraumata auf die weitere
Hirnentwicklung unter Zugrundelegung neuerer entwicklungsneurobiologischer Erkenntnisse
über nutzungs- und erfahrungsabhängige Strukturierungsprozesse auf der Ebene neuronaler
Verschaltungen. Psychische Traumatisierung führt zur unkontrollierbaren Aktivierung stresssensitiver kortiko-limbischer Netzwerke und neuroendokriner Regelkreise. Unter diesen
Bedingungen kommt es zu einer fortschreitenden Destabilisierung bereits etablierter,
komplexer Verschaltungsmuster (Regression, dendritischer Degeneration, insbesondere im
Hippocampus). Anhalten und bewältigen lassen sich diese Prozesse meist nur noch durch die
Aktivierung von früh angelegten, einfach strukturierten neuronalen Verschaltungen
(Notfallreaktionen) und durch nachfolgende nutzungsabhängige Bahnung von selbstschützenden, protektiven und defensiven Reaktionsmustern (Dissoziation, Depersonalisation,
Derealisation etc.). Die weitere nutzungs- und erfahrungsabhängige Strukturierung komplexer
kognitiver und affektiver neuronaler Verschaltungen, insbesondere in den höheren
assoziativen, frontokortikalen Hirnbereichen kann unter diesen Bedingungen nur noch
eingeschränkt erfolgen. Die daraus resultierenden strukturellen Veränderungen des Gehirns
sind inzwischen durch eine Vielzahl empirischer Befunde belegt. Langfristig wird die weitere
nutzungs- und erfahrungsabhängige Strukturierung des kindlichen Gehirns jedoch weniger
durch das tatsächliche erlebte Trauma gefährdet, sondern durch die dadurch beim Kind
ausgelöste Zerstörung von Sicherheit-bietenden emotionalen Bindungen, Selbstwertkonzepten
und inneren Leitbildern. Wichtigstes Ziel aller therapeutischen Bemühungen muß es daher
sein, Bedingungen zu schaffen, die es einem traumatisierten Kind ermöglichen, diese
wichtigsten Ressourcen zur Bewältigung von Angst und Stress möglichst rasch wieder
zurückzugewinnen.
2. Einleitung
Im Grunde ist es ganz einfach: Keine andere Spezies kommt mit einem derartig offenen,
lernfähigen und durch eigene Erfahrungen in seiner weiteren Entwicklung und strukturellen
Ausreifung formbaren Gehirn zur Welt wie der Mensch. Nirgendwo im Tierreich sind die
Nachkommen beim Erlernen dessen, was für ihr Überleben wichtig ist so sehr und über einen
derartig langen Zeitraum auf Fürsorge und Schutz, Unterstützung und Lenkung durch die
Eltern angewiesen, und bei keiner anderen Art ist die Hirnentwicklung in solch hohem
Ausmaß von der emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenz dieser erwachsenen
Bezugspersonen abhängig wie beim Menschen. Da diese Fähigkeiten bei den für die
Gestaltung der Entwicklungsbedingungen eines Kindes maßgeblichen Erwachsenen
unterschiedlich gut entwickelt sind, können die genetischen Potenzen zur Herausformung
hochkomplexer, vielseitig vernetzter Verschaltungen im Gehirn der betreffenden Kinder nicht
immer in vollem Umfang entfaltet werden. Die Auswirkungen derartiger suboptimaler
Entwicklungsbedingungen werden allerdings meist erst dann sichtbar, wenn ein so
aufgewachsenes Kind später, als Erwachsener, seine emotionale, soziale und intellektuelle
Kompetenz bei der Gestaltung der Entwicklungsbedingungen seiner eigenen Nachkommen
unter Beweis stellen muß. Sogar bei Ratten ist die transgenerationale Weitergabe von
Defiziten der Erziehungskompetenz inzwischen empirisch nachgewiesen worden (Francis und
Meaney 1999). Beim Versuch, diese recht eindeutigen tierexperimentellen Befunde auf den
Menschen zu übertragen, stößt man gegenwärtig jedoch noch immer auf erhebliche
Akzeptanzprobleme. Diese Ablehnung macht deutlich, wie sehr die tatsächliche Tragweite
der sich aus derartigen Erkenntnissen ergebenden Folgerungen erahnt wird und erklärt
zugleich den Umstand, dass sich in der Vergangenheit deterministische Vorstellungen einer
primär durch genetische Programme gesteuerten Hirnentwicklung wesentlich erfolgreicher
verbreiten und im Bewußtsein ganzer Bevölkerungsschichten verankern ließen und
zwangsläufig auch zu tragenden Säulen medizinischer, biologischer, psychologischer und
sogar soziologischer Theoriegebäude geworden sind (Rutter 2002). Es ist daher durchaus
verständlich, dass die ersten Berichte über die dramatischen Auswirkungen frühkindlicher
psychischer Traumatisierung auf die weitere emotionale, kognitive und somatische
Entwicklung kaum zur Kenntnis genommen oder als Folklore abgetan wurden. Erst in den
letzten Jahren ist das Ausmaß der durch psychische Taumata während der frühen Kindheit
ausgelösten Entwicklungsdefizite und die Vielfalt der daraus resultierenden psychiatrischen
und psychosomatischen Störungsbilder so evident geworden, dass eine Neubewertung des
Einflusses der psychosozialen Entwicklungsbedingungen auf die strukturelle und funktionelle
Ausreifung des kindlichen Gehirns inzwischen nicht nur möglich, sondern unausweichlich
geworden ist.
Die Auswirkungen frühkindlicher Traumatisierung reichen aber weit über die beobachteten
Veränderungen der Hirnentwicklung und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen
kognitiver und affektiver Reifungsprozesse der betroffenen Kinder hinaus. Sie werfen auch
ein helles Licht auf die Schwachstellen einer Vorstellungswelt, die durch eine allzu
bereitwillige Übernahme genetisch-deterministischer und monokausal-mechanischer
Modellvorstellungen entstanden ist. Sie zwingen uns nicht nur, bequeme und deshalb
liebgewonnene Weltbilder zu korrigieren, sondern endlich die Verantwortung für eine
optimale Gestaltung der Einwicklungsbedingungen der nachwachsenden Generation zu
übernehmen und dafür zu sorgen, dass zumindest den in die Gesellschaft hineinwachsenden
Kindern traumatische Erfahrungen in Zukunft erspart bleiben.
3. Die Hirnentwicklung als ein sich selbst organisierender, durch Interaktionen mit der
Außenwelt gelenkter Prozess
Die Entwicklung des kindlichen Gehirns folgt einem grundsätzlichen Entwicklungsprinzip
aller lebenden Systeme: Neue Interaktionen (hier: neuronale Verbindungen und synaptische
Verschaltungen) können nur im Rahmen und auf der Grundlage bereits etablierter
Interaktionsmuster ausgebildet und stabilisiert werden. Dabei müssen sie den bereits
entwickelten Interaktionsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Subsystemen folgen.
Wie alle lebenden Systeme entwickelt sich auch das Gehirn nur dann weiter, wenn neuartige
Bedingungen auftreten, die die Stabilität der bereits etablierten Interaktionen in Frage stellen.
Solche Bedingungen werden mit erstaunlicher Präzision von dem sich entwickelnden System
selbst verursacht (im sich entwickelnden Gehirn etwa durch Proliferation von neuralen Zellen,
Auswachsen von Fortsätzen, Sekretion von wachstumshemmenden und stimulierenden
Faktoren etc.). Solange das der Fall ist, verläuft die (Hirn)Entwicklung weitgehend autonom,
selbstorganisiert und eigendynamisch innerhalb der jeweils herrschenden äußeren
(intrauterinen) Bedingungen. Wenn Proliferation und Wachstum zu erlöschen beginnen,
verliert das sich entwickelnde Gehirn eine wesentliche Triebfeder seiner Eigendynamik. In
dem Maße, wie das sich entwickelnde Gehirn zunehmend Verbindungen zur Außenwelt
erlangt, werden die bereits etablierten und noch zu bildenden Verschaltungen und
Erregungsmuster über die entsprechenden sensorischen Eingänge zunehmend von außen
beeinflußbar. Mehr noch, da nun die durch sensorische Eingänge getriggerten
Erregungsmuster dazu führen, daß bestimmte neuronale Verschaltungsmuster stabilisiert
werden können, hängt die Stabilität dieser Verschaltungen von den jeweiligen sie
stabilisierenden Eingängen und Erregungsmustern ab. Von diesem Zeitpunkt an verläuft die
Hirnentwicklung nicht mehr autonom gegenüber sensorischen Inputs, sondern sie wird durch
die sensorischen Eingänge aus der Außenwelt bestimmt und bleibt von ihnen abhängig.
3.1. Die nutzungsabhängige Stabilisierung synaptischer Angebote
Keine der Milliarden Nervenzellen „weiß“, wann sie aufhören muß, sich zu teilen, wohin sie
anschließend zu migrieren und ihre Fortsätze auszuwachsen hat, mit welchen andern
Nervenzellen sie Verbindung aufnehmen und Synapsen ausbilden soll. Ihr genetisches
Programm versetzt sie lediglich in die Lage, sich zu teilen, solange die äußeren Bedingungen
(das lokale Mikroenvironment) dafür günstig sind, entlang bestimmter Signalstoffgradienten
zu wandern und Fortsätze auszuwachsen, dendritische (postsynaptische) Angebote zu machen
und axonale Präsynapsen auszubilden. Es handelt sich also um ein Programm von Optionen,
das lediglich festlegt, was unter gewissen Bedingungen möglich ist, und was zu geschehen
hat, wenn sich diese Gegebenheiten ändern, entweder als zwangsläufige Folge der eigenen
Wachstumsdynamik (Gradienten von Nährstoffen, Metaboliten, Signalstoffen,
Adhäsionsmolekülen etc.) oder durch äußere Faktoren (sensorische Eingänge, äußere
Störungen des inneren Bedingungsgefüges). Jede Veränderung der äußeren Welt, die stark
genug ist, um das in der „Innenwelt“ des sich entwickelnden Gehirn herrschende
Bedingungsgefüge zu verschieben, kann daher die dort ablaufenden Wachstums- und
Differenzierungsprozesse in eine bestimmte (ohne diese Störung nicht oder noch nicht
eingeschlagene) Richtung lenken. Weil das sich entwickelnde Gehirn nicht „weiß“, welche
Nervenzellverschaltungen und synaptischen Verbindungen in welcher Weise herauszuformen
und miteinander zu verknüpfen sind, wird in allen Regionen zunächst ein enormer Überschuß
an Nervenzellen, Fortsätze und Synapsen produziert. Erhalten bleiben im weiteren Verlauf
des Reifungsprozesses davon jedoch nur diejenigen Nervenzellen, Fortsätzen und Synapsen,
die funktionell genutzt, d.h. in größere funktionelle Netzwerke integriert und auf diese Weise
stabilisiert werden können (Singer 1995). Der Rest wird wieder abgebaut (nutzungsabhängige
Strukturierung). Dieser Prozess verläuft in einer charakteristischen zeitlichen Abfolge, wie die
Schließung des Neuralrohres, von kaudal beginnend (Rückenmark) über Stammhirn,
Mittelhirn (Thalamus, Hypothalamus, limbisches System) zum Vorderhirn. In den älteren
Bereichen ist diese die nutzungsabhängige Strukturierung zum Zeitpunkt der Geburt
weitgehend abgeschlossen, in jüngeren Bereichen sind nur die wichtigsten Neuronenverbände
und Verschaltungsmuster bereits herausgeformt. Die Nervenzellproliferation ist (bis auf eine
kleines Areal im Gyrus dentatus des Hippocampus) beendet, die entsprechenden Kerngebiete
bzw. Zellschichten sind angelegt. In den jüngeren Regionen werden noch lange nach der
Geburt intensiv Gliazellen produziert und Myelinscheiden geformt. Vor allem im Cortex ist
das Auswachsen von Dendriten und Axonen und die Synapsenbildung noch in vollem Gange.
In der jüngsten Hirnregion, dem frontalen Cortex, wird das Maximum der synaptischen
Dichte erst im 2. Lebensjahr erreicht. Wird der sukzessive Ablauf dieser Reifungsprozesse an
irgendeiner Stelle gestört, wirkt sich diese Störung auch auf alle nachfolgenden
Reifungsschritte in all jenen Regionen aus, die funktionell von dieser Störung affiziert sind.
3.2. Die erfahrungsabhängige Modifikation und Reorganisation synaptischer
Verschaltungsmuster
In den jüngeren Bereichen des Gehirns wird der Prozess der nutzungsabhängigen
Strukturierung (Bildung und Elimination überschüssiger synaptischer Verschaltungen)
zunehmend durch die individuell vorgefundenen äußeren Nutzungsbedingungen (familiäres
und soziales Umfeld, Anregungen, Forderungen, Erziehung und Sozialisation) und den unter
diesen Bedingungen jetzt gemachten oder von nahestehenden Bezugspersonen
übernommenen Erfahrungen bestimmt. Die strukturelle Verankerung von Erfahrungen ist eng
an die Aktivierung emotionaler, limbischer Hirnregionen geknüpft. Zu einer Aktivierung
dieser Bereiche kommt es immer dann, wenn etwas Neues, Unerwartetes wahrgenommen
wird. Diese Wahrnehmung kann entweder als Bedrohung (Angst) oder als Belohnung
(Freude) empfunden werden. Die damit einhergehende Aktivierung limbischer Zentren führt
zu einer vermehrten Ausschüttung einer ganzen Reihe von Signalstoffen mit trophischen,
neuroplastischen Wirkungen (Transmitter, Mediatoren, Hormone) in den höheren assoziativen
corticalen Regionen. Unter dem Einfluß dieser, die Bildung und Bahnung synaptischer
Verschaltungen stimulierenden Signalstoffe (z.B. Catecholamine, Neuropeptide) kommt es
zur Festigung und Stabilisierung insbesondere all jener Nervenzellverschaltungen, die im
Verlauf der emotionalen Aktivierung besonders intensiv genutzt werden (strukturelle
Verankerung positiver/negativer Erfahrungen, „emotionales Gedächtnis“ für
erfolgreiche/erfolglose Bewältigungsstrategien, vgl. Hüther 1996). Offenbar gibt es einen
Grad „optimaler“ Stimulation emotionaler Zentren, der die Herausbildung und Stabilisierung
hochkomplexer Verschaltungsmuster im Cortex (und dort in der am stärksten vernetzten und
durch eigene Erfahrungen formbarsten Region, dem präfrontalen und orbifrontalen Cortex der
rechten Hemisphäre) fördert. Steigt das Ausmaß an emotionaler Aktivierung weiter an (Angst,
Stress), so kommt es zu einer eskalierenden, unspezifischen Erregung in den höheren,
assoziativen Bereichen (Verwirrung, Ratlosigkeit). Gebahnt und stabilisiert werden unter
diesen Bedingungen die zur Bewältigung dann aktivierten, weniger komplexen, älteren,
bereits „bewährten“ Verschaltungen. Wird die Aktivierung der emotionalen Zentren überstark
und läßt sie sich nicht durch den Rückgriff auf eine geeignete Bewältigungsstrategie abstellen
(langanhaltende, unkontrollierbare Angst- und Stressreaktion), so reagiert das Gehirn mit der
Aktivierung einer archaischen, sehr früh angelegten und von tieferliegenden subcorticalen
Bereichen gesteuerten „Notfallreaktion“ (Erstarrung, Hilflosigkeit). Gleichzeitig kommt es zu
einer ausgeprägten, langanhaltenden Stimulation der (für die körperliche Bewältigung
derartiger Notfälle zuständigen) HPA-Achse. Die damit einhergehende Überflutung des Hirns
mit Cortisol begünstigt die Destabilisierung und Regression bereits entstandener und
gebahnter neuronaler Verschaltungen in all jenen Bereiche des Gehirns, die eine besonders
hohe Dichte an Cortisolrezeptoren aufweisen (Hippocampus, limbischer und präfrontaler
Cortex) und die gleichzeitig durch massive exzitatorische Eingänge (Glutamat) überstark
erregt werden (Hippocampus, Sapolski 1996).
3.3. Die Bedeutung psychosozialer Entwicklungsbedingungen für die Strukturierung des
kindlichen Gehirns
Zusammenfassend läßt sich also festhalten: Kinder kommen bereits mit sehr
unterschiedlichen Anlagen und Prädispositionen zur Welt. Diese Unterschiede beruhen nur
zum Teil auf Unterschieden der genetisch festgeschriebenen Optionen und Potenzen, da diese
in Abhängigkeit von den individuell vorgefunden Bedingungen exprimiert werden. Wie groß
diese von außen getriggerten Unterschiede bereits im Verlauf der pränatalen Phase der
Hirnentwicklung sein können, wie unterschiedlich diese frühe Entwicklungsphase selbst bei
eineiigen Zwillingen verlaufen kann und welche Folgen diese frühen Unterschiede für die
weitere Entwicklung haben können, ist von René Spitz sehr eindringlich am Beispiel der
Zwillingsschwestern Cathy und Rosy beschrieben worden (Spitz 2000). Alle weiteren, nach
der Geburt normalerweise stattfindenden Strukturierungs- und Reifungsprozesse sind das
Ergebnis der Interaktion zwischen den bis dahin bereits etablierten und stabilisierten
Verschaltungen (Grundlage der bereits vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und affektiven
Reaktionsmuster) sowie den noch vorhandenen Optionen (noch mögliche
Entwicklungsrichtungen und – geschwindigkeiten) einerseits und den in der äußeren Welt
vorgefundenen Nutzungsbedingungen (Anforderungen, Anregungen) andererseits.
Diskrepanzen zwischen diesen (inneren) Voraussetzungen und den (äußeren) Erfordernissen
führen zur Aktivierung emotionaler Zentren (stress-sensitive Systeme). Die dabei vermehrt
ausgeschütteten neurotrophen Signalstoffe wirken als Trigger für die adaptive Modifikation
und Reorganisation der bis dahin bereits etablierten Verschaltungsmuster und ermöglichen so
eine Anpassung der inneren Struktur und Organisation des sich entwickelnden Gehirns an die
aus Wahrnehmungen aus der Außenwelt abgeleiteten Erfordernisse (Hüther 1998).
Das heißt:
- Ohne Aktivierung dieser emotionalen Zentren können keine neuen Erfahrungen gemacht
und hinreichend fest verankert werden.
- Optimale Bedingungen für die Etablierung und Stabilisierung neuer, komplexerer
assoziativer Verschaltungsmuster herrschen immer dann, wenn es zu einer moderaten
Aktivierung emotionaler Zentren kommt („Neugier“, „Spiel“).
- Die stärkere Aktivierung dieser Zentren führt zur präferentiellen Bahnung und Stabilisierung
bereits vorhandener, „bewährter“ assoziierter Verschaltungen.
- Bei überstarker und langanhaltender Aktivierung wächst die Gefahr einer fortschreitenden
Destabilisierung und Regression bereits etablierter (aber zur Lösung des Problems
ungeeigneter) Verschaltungen.
4. Die Hirnentwicklung als ein von Außen beeinflußbarer und daher auch störbarer
Prozess
Die notwendige Offenheit des sich entwickelnden Gehirns für strukturierende Einflüsse aus
der äußeren Welt hat zwangsläufig zur Folge, dass es auch Einflüssen ausgesetzt werden
kann, die die Integrität seiner inneren Struktur und Organisation bedrohen. Die genetischen
Programme, die die Ausformung eines derartig offenen und daher enorm störbaren Hirns
ermöglichen, konnten nur unter der Voraussetzung entstehen und im Genpool des Menschen
verankert werden, dass derartige Störungen so gut wie nie vorkamen. Hand in Hand mit der
Öffnung der anfangs noch recht starren genetischen Programmierung der Hirnentwicklung
mußten im Lauf der Evolution also immer effizientere Mechanismen zum Schutz des sich
entwickelnden Hirns vor äußeren Störungen entwickelt werden. Neben den bereits bei den
Säugetieren „erfundenen“ Schutz der Nachkommen durch Verlagerung der störanfälligsten
Entwicklungsschritte in den Mutterleib, wurden bei den Primaten und insbesondere beim
Menschen Sicherheit-bietende Bindungen zur entscheidenden Voraussetzung für die
Ausbildung lernfähiger, plastischer Gehirne (Hüther 2000). Nichts erzeugt soviel
unspezifische Erregung im Hirn (und vor allem in den emotionalen Zentren) eines
Kleinkindes, wie das plötzliche Verschwinden der Mutter. Offenbar ist der Verlust der bis
dahin vorhandenen, Sicherheit-bietenden Bezugsperson die bedrohlichste und massivste
Störung, die das sich entwickelnde Gehirn treffen kann (Gunnar 1998).
Wie in Tierversuchen („maternal deprivation“) unnötig oft repliziert, gilt das bereits für
Ratten und in noch stärkerem Ausmaß und mit noch nachhaltigeren Folgen für die weitere
Hirnentwicklung von Primaten. Das Gehirn dieser bedauernswerten Versuchstiere entwickelt
sich unter diesen Bedingungen nur zu einer notgereiften Kümmerversion dessen, was daraus
hätte werden können (Übersicht in: Hüther 1998). Auch alle weiteren Erkenntnisse, die mit
Hilfe derartiger „Tiermodelle“ bisher zutage gefördert wurden, wären allein durch bloßes
Nachdenken ebenso sicher vorhersehbar gewesen:
- Je früher die Trennung erfolgt, desto globaler ist die Retardierung des Gehirns auch noch im
erwachsenen Zustand ausgeprägt.
- Am stärksten wird diejenige Hirnregion betroffen, sie sich zum Zeitpunkt des Verlustes der
Mutter in einer sog. „growth spurt“ Phase befindet, in der also besonders komplexe
Wachstums- und Differenzierungsprozesse besonders rasch ablaufen.
- Immer wird nachfolgend auch die Entwicklung all derjenigen Strukturen und Subsysteme
beeinträchtigt, die erst später reifen und deren Komplexitätsgrad vom jeweils erreichten
Komplexitätsgrad der bereits entstandenen, älteren Strukturen und Subsysteme abhängig ist
(frontaler Cortex, monoaminerge Systeme).
- Manches läßt sich nach einer solchen Störung später noch aufheben und kompensieren,
anderes nicht.
Die menschliche Entsprechung dieser „maternal deprivation“ ist die frühkindliche
Traumatisierung.
5. Die Auswirkungen früher Traumatisierung auf die weitere Hirnentwicklung
Auf der Grundlage der bisher dargestellten Sachverhalte und Überlegungen läßt sich ein
Trauma als eine plötzlich auftretende Störung der inneren Struktur und Organisation des
Gehirns beschreiben, die so massiv ist, dass es in Folge dieser Störung zu nachhaltigen
Veränderungen der von einer Person bis zu diesem Zeitpunkt entwickelten neuronalen
Verschaltungen und der von diesen Verschaltungen gesteuerten Leistungen des Gehirns
kommt. Eine solche Traumatisierung kann durch physische oder psychische (psychosoziale)
Einwirkungen ausgelöst werden. Im Fall einer psychischen Traumatisierung wird die Störung
durch eine überstarke Aktivierung stress-sensitiver, kortiko-limbischer Netzwerke und
hypothalamischer neuroendokriner Regelkreise ausgelöst, die durch keine der bisher
entwickelten (d.h. erlernten und in Form bestimmter assoziativer Verschaltungsmuster
verankerten) Bewältigungsstrategien unter Kontrolle gebracht werden kann. Unter diesen
Bedingungen breitet sich die Erregung soweit aus, bis davon auch ältere, subkortikale
Netzwerke erreicht und ebenfalls stimuliert werden. Durch die Aktivierung dieser archaischen
Notfallreaktionen und –handlungen (Ohnmacht, Erstarren, Stereotypien etc.) kann die sich
ausbreitende unspezifische Erregung in ein spezifisches Aktivierungsmuster umgewandelt
und die Überstimulation der emotionalen, stress-sensitiven Schaltkreise gedämpft werden.
5.1. Die Bedeutung subjektiver Bewertungen
Soweit ist alles noch einfach. Die Probleme beginnen aber bereits bei der Frage, ob eine
psychische Belastung in jedem Fall zu einer so massiven Reaktion führen muss. Sicher nicht,
denn das Ausmaß der Aktivierung der emotionalen Zentren hängt von der subjektiven
Bewertung der betreffenden Belastung ab. Diese subjektive Bewertung wiederum wird von
den bisherigen individuellen Erfahrungen, den bisher entwickelten Kompetenzen
(Bewältigungsstrategien), der Verfügbarkeit und Nutzbarkeit psychosozialer Unterstützung
und nicht zuletzt von den bis dahin von einer Person entwickelten, halt-bietenden inneren
Leitbildern und Orientierungen bestimmt (Hüther 1997, Gebauer und Hüther 2001, 2002). Ob
also ein traumatisches Ereignis von einer Person auch als eine unbewältigbare, die Integrität
der innern Ordnung des Gehirns (und des Körpers) bedrohende, mit einer überschießenden
Aktivierung emotionaler, stress-sensitiver Regelkreise einhergehende Erfahrung erlebt wird,
ist im Einzelfall kaum vorhersehbar.
Nicht anders verhält es sich bei der Abschätzung der im weiteren Verlauf nach einer primären
Traumatisierung auftretenden Folgen. Wie lange dieser Zustand anhält, ob er zu
persistierenden Veränderungen der inneren Organisation und Struktur des Gehirns führt , und
welche Veränderungen in der Folge noch entstehen, hängt auch hier von vielen Faktoren ab.
Zunächst davon, ob es durch die überschießende Aktivierung und die massive Ausschüttung
von Katecholaminen, Glutamat und nachfolgend auch von Kortisol zu direkten oder
indirekten Schädigungen von Nervenzellen gekommen ist. Dass solche Schädigungen
auftreten können, ist aus tierexperimentellen Untersuchungen gut bekannt (McEwen 1999).
Zweitens ist entscheidend, wie lange eine traumatisierte Person in diesem „Notfallzustand“
verharrt. Je länger die überschießende Reaktion stress-sensitiver Systeme andauert, desto
größer wird die Gefahr derartiger Schädigungen. Und drittens hängen die Folgen einer
Traumatisierung davon ab, mit welchen Strategien die betreffende Person schließlich
irgendwann aus diesem Zustand herausfindet. Unter dem Einfluß der fortbestehenden
emotionalen Aktivierung werden die dabei genutzten Verschaltungen (in Abhängigkeit von
der Häufigkeit ihrer Benutzung und der individuellen Bewertung ihrer Effizienz) immer
stärker gebahnt und gefestigt. Diese individuellen, zur Bewältigung des Traumas und der
immer wieder aufflackernden traumatischen Erinnerungen (Flash-backs) gefundenen und
gebahnten Lösungen (Depersonalisation, Derealistation, Dissoziation etc.) erweisen sich für
die weitere Lebensgestaltung meist als äußerst problematisch und verhindern eine adäquate
Verbreitung der traumatischen Erfahrungen, d.h. deren Integration in den Erfahrungsschatz
der betreffenden Person.
5.2. Die psychobiologischen Besonderheiten frühkindlicher Traumatisierung
Noch schwieriger wird die Abschätzung der Folgen psychischer Traumata während der
Kindheit, wenn sich also immer dann, eine unkontrollierbare, überschießende Aktivierung
stress-sensitiver Systeme in einem sich noch in der Entwicklung befindlichen, noch besonders
offenen und daher auch störanfälligen Gehirn eines Kindes ausbreitet. Je weniger ein Kind
bereits andere Ressourcen der Stressbewältigung nutzen kann (eigene Kompetenzen oder
eigene innere Sicherheit-bietende Leitbilder) desto stärker ist es auf die protektive Funktion
sicherer emotionaler Bindungen bei der Bewältigung bedrohlicher Situationen angewiesen
(Gunnar 1998). Desto mehr wird dann aber auch der Verlust dieser Sicherheit-bietenden
Bindungen zur eigentlichen und wichtigsten Ursache frühkindlicher Traumatisierungen. Das
Kind erlebt sich unter solchen Bedingungen als allen äußeren Einflüssen in jeder Hinsicht
schutzlos ausgeliefert. Vor der Gefahr einer direkten Schädigung durch eine überschießende
Aktivierung stress-sensitiver Systeme ist das kindliche Gehirn aber besser geschützt als das
von Erwachsenen: Das Kind kann eine Bewältigungsstrategie aktivieren (Schreien), die
relativ rasch zu einem Zustand der Erschöpfung führt. Auf diese Weise wird das weitere
Aufschaukeln der initialen Stressreaktion automatisch verhindert. Spätfolgen frühkindlicher
Traumata werden also vermutlich nicht durch die akute Traumatisierung verursacht. Sehr viel
wahrscheinlicher sind sie das Resultat einer, unter Bedingungen emotionaler Aktivierung
gemachten und im kindlichen Hirn verankerten fatalen Erfahrung: Sicherheit-bietende
Bezugspersonen bieten keine Sicherheit. Bei etwas älteren Kindern, die bereits selbst
Wirksamkeitskonzepte entwickelt haben, kommt noch hinzu: Die Aneignung von
Kompetenzen bietet keine Sicherheit. Damit verlieren diese Kinder ihr bis dahin entwickeltes
Urvertrauen in die Bewältigbarkeit der Welt. Die Folgen dieser durch das Trauma
entstandenen Haltung (meist handelt es sich um multiple, diese Einstellung immer weiter
verstärkende Traumatisierungen) für die weitere Hirnentwicklung sind katastrophal. Das Kind
hat außer den archaischen Notfall-Reaktionen (Schreien, stereotype Bewegungen, Erstarren
etc.) alles verloren, was geeignet wäre, die durch neue Anforderungen, Wahrnehmungen oder
Bedrohungen aktivierten, stress-sensitiven Systeme und die damit einhergehende Ausbreitung
unspezifischer Erregungsmuster in den limbischen und kortikalen Hirnbereichen unter
Kontrolle zu bringen. Es kann die Aktivierung emotionaler Zentren nicht nutzen, um neue
Erfahrungen in seinem Hirn zu verankern und bleibt damit unfähig, das Trauma zu bearbeiten,
d.h. die durch die Traumatisierung entstandene Haltung allmählich aufzulösen und sich
weiterzuentwickeln. Vor allem im frontalen Cortes können unter diesen Bedingungen all jene
hochkomplexen synaptischen Verschaltungsmuster nicht herausgeformt und stabilisiert
werden, die die Grundlage für die subtilsten Leistungen des menschlichen Gehirns bilden: Die
Fähigkeit zur Herausbildung eines Selbstbildes, die Fähigkeit zu Impulskontrolle und
Handlungsplanung, und nicht zuletzt emotionale und psychosoziale Kompetenz. Damit fehlen
die Voraussetzungen für eine zielgerichtete und bewußte Steuerung von Wahrnehmungs-,
Verarbeitungs- und Entscheidungsprozessen in der Auseinandersetzung mit der äußeren (und
vielfach auch inneren, körperlichen und seelischen) Welt. Die weitere Hirnentwicklung kann
unter diesen Umständen nur noch entsprechend (nutzungsbedingt) desorganisiert verlaufen.
Welche Verschaltungsmuster im Einzelfall nun noch stabilisiert werden, hängt von der Art
des erlebten Traumas (sexueller Mißbrauch, körperliche Gewalt, Vernachlässigung etc.), von
individuellen Prädispositionen (extrovertierte oder introvertierte Reaktionsmuster,
Sensibilität, Handlungsbereitschaft etc.) und den diese Kinder erreichenden und von ihnen
nutzbaren äußeren Orientierungsangeboten ab (Elterhaus, Schule, Peers, Medien).
Viele der aus diesen Überlegungen ableitbaren Spätfolgen früherer Traumatisierung sind
inzwischen bereits empirisch belegt:
- verringertes Hirnvolumen, erweiterte Ventrikel (De Bellis et al. 1999),
- verringerte Dicke des Corpus callosum (Teicher et al. 1993),
- verringertes Volumen des Hippocampus (Stein et al. 1997, Bremner et al. 1997),
- Defizite der Frontalhirnentwicklungen besonders im Bereich der rechten Hemiphäre (Schore
2001),
- Defizite auf der Ebene der sensorischen Integrationsfähigkeit, z.B. Körperempfinden
(Young 1992),
Schmerzempfinden (van der Kolk und Ducey 1989), Bewegungskoordination (StreeckFischer et al. 2000),
- vielfältige Verhaltensstörungen (Putnam 1993),
- Defizite auf der Ebene von Lernen und Gedächtnis (Pollak et al. 1998),
- Dissoziative Symptome (Spiegel und Cardena 1991, Putnam 1993),
- Gestörte Affektregulation (van der Kolk et al. 1996, Schore 2000),
- Manifestation unterschiedlicher psychiatrischer Störungsbilder:
Somatisierungsstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Drogenabhängigkeit (Sachse et
al. 1994), selbstverletzendes Verhalten (van der Kolk et al. 1991), Depressionen,
Zwangsstörungen, Eß-Störungen, Angst-Störungen, ADHS etc. (Swatt et al. 1990, Post et al.
1994, Cichetti and Toth 1995),
6. Therapeutische Implikationen
Die hier geschilderten neurobiologischen Zusammenhänge und Folgen frühkindlicher
Traumatisierung unterstreichen im Grunde nur einige, seit langem bereits angestellte
Vermutungen und daraus abgeleitete Forderungen:
- es muß und kann mehr getan werden, um zu verhindern, dass Kinder von ihren Eltern
mißhandelt, vernachlässig oder mißbraucht werden, nicht nur um das Leid dieser Kinder zu
beenden, sondern auch - und das mag heutzutage für viele Menschen noch motivierender sein
– um die immensen Kosten zu vermeiden, die aufgrund der vielfältigen Störungen der
Hirnentwicklung von diesen Opfern direkt (als spätere Straftäter, Drogenabhängige etc.) oder
indirekt (als spätere, in dieser Funktion überforderte Eltern oder als Langzeitpatienten)
verursachen.
- Kindern, die solche traumatischen Erfahrungen machen, kann und muß geholfen werden. Sie
brauchen so schnell wie möglich ein Sicherheit-bietendes Umfeld und Sicherheit-bietende
emotionale Beziehungen.
- Die psychopathologischen Anzeichen und Hinweise auf eine frühe Traumatisierung können
und müssen bereits bei Kindern und Jugendlichen und nicht erst im Erwachsenenalter erkannt
werden. Je früher eine Therapie eingeleitet werden kann, um so besser sind die
Erfolgsaussichten der Behandlung.
- Der vielleicht wichtigste Ansatzpunkt für eine gelingenden Therapie frühtraumatisierter
Patienten ist die als Folge der Traumatisierung entstandenen Haltung (Verlust von Vertrauen
in und Ablehnung von Sicherheit-bietenden Beziehungen, Abwertung von erworbenen
Kompetenzen und von Sinn-bietenden Orientierungen). Diese Haltung läßt sich nur
verändern, wenn es dem Patienten im Verlauf des therapeutischen Prozesses gelingt, neue
positive Erfahrungen über die Verläßlichkeit von Beziehungen, die Nützlichkeit erworbener
Kompetenzen und den Wert innerer Orientierungen zu machen.
Es ist eine spannende, aber leider nur selten gestellte Frage, welchen Einfluß die jeweiligen
gesellschaftlichen Bedingungen auf die nach einer frühen Traumatisierung entwickelten
Spätfolgen und Störungsbilder haben. Wie sich am Beispiel der sog. „Kriegszitterer“
(während des ersten Weltkrieges traumatisierte Soldaten) eindrucksvoll zeigen läßt, hängt die
jeweils ausgeprägte Symptomatik einer PTSD bei traumatisierten Erwachsenen offenbar sehr
stark von den jeweiligen gesellschaftlich angebotenen, tolerierten oder akzeptierten (und
medizinisch anerkannten) Symptombildern ab. Vietnamveteranen mit PTSD entwickelten
bereits eine völlig andere Symptomatik als diese Kriegszitterer.
Bei Kindern, die durch eine frühe Traumatisierung gezwungen sind, ihr Gehirn ohne Schutz
und Anleitung, ohne Sicherheit-bietende Beziehungen zu benutzen, müßte sich der
gesellschaftliche und kulturelle Kontext in dem sie aufwachsen in noch viel stärkerem Maß
als strukturierende Kraft auf die weitere Nutzung und Strukturierung ihres Gehirns bemerkbar
machen. In Zeiten und unter Bedingungen, wo diese strukturierenden Kräfte sehr stringent
und zwingend sind, sollten die entwickelten Symptombilder homogener und eindeutiger sein,
als unter den Bedingungen einer pluralistischen und fast alle Optionen offenlassenden
Gesellschaft. Unter diesem Gesichtspunkt ist die „Buntheit“ der nach frühkindlicher
Traumatisierung in unserer gegenwärtigen Gesellschaft sich manifestierenden Symptombilder
ein außerordentlich spannendes Betätigungsfeld für zukünftige, neurobiologisch orientierte
psychiatrische Forschungen.
7. Literatur:
Bremner, J., Randall, P., Vermetten, E., Staib, L., Bronen, R., Mazure, C., Capelli, S.,
McCarthy, G., Innis, R., Charnex, D. (1997) Magnetic resonance imaging-based measurement
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7. Summary
And nothing will any longer be the same as before.....
The impact of early traumatization on further brain development
Based on the concept of use-and experience-dependent plasticity, a neurobiological concept
of the consequences of child abuse and neglect on subsequent brain development is proposed.
According to this concept, traumatic experiences elicit an uncontrollable activation of stresssensitive cortico-limbic networks and hypothalamic neuroendocrine centers. The resulting
long-lasting activation of the HPA-System in conjunction with the persisting hyperarousal of
higher limbic and cortical centers will have a destabilizing effect on already stabilized
neuronal connectivity in these higher, associative centers, especially in the hippocampus
(dentritic regression). Coping under such conditions is only possible by the activation of more
primitive, less complex neuronal circuits (emergency responses) and by the use-dependent
facilitation of self-protective defense reactions (dissociation, depersonalization, derealization
etc.). Consequently the interactions of the child with the other world are interrupted, novel
experiences cannot be made, and the experience-dependent modulation of higher, especinally
prefrontal cortical connectivity is seriously hampered. The hitherto published findings of
deficits in the structural and functional brain maturation of traumatized children are
summarized. More important than the actually experienced trauma is the trauma-induced
destruction of attachment and emotional security-providing internal representations and
beliefs (helplessness). Therapeutic interventions must there fore aim at a most rapid
restoration of secure emotional relationships, of feelings of self-efficacy and connectedness
with the outside world.
Gerald Hüther, Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen, Von-Siebold-Str. 5, D-37075
Göttingen
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