oder der Charme der stinkenden Rose Alljährlich steht das kalifornische Städtchen Gilroy im Mittelpunkt eines besonderen Ereignisses: Mitte August treffen sich hier die Knoblauchverehrer aus Foto: René Berner aller Welt, um im Badeort am Pazifik zwischen San Francisco und Monterey das Knoblauchfestival zu feiern. Profis sowie Hobby-Köchinnen und -Köche unterbreiten ihre kulinarischen Kreationen der Öffentlichkeit. Es gibt eine Feinschmecker-Avenue und natürlich auch eine Jury, die das Dargebotene bewertet. Weit bis aufs Meer hinaus schwebt eine sinnliche Duftwolke von Knoblauch. «Lovers of the Stinking Rose» nennen sich amerikanische Knoblauchfans, die sich in einem Klub im kalifornischen Berkeley zusammengeschlossen haben. Ihr Kultbuch heisst «The Garlic Lovers Cookbook», und die Kreationen werden zelebriert von einer verschworenen Gemeinschaft, die dem besonderen Charme der stinkenden Rose verfallen ist. Von Heinz Knieriemen und Paul Pfyl 58 Natürlich Nr.1-2003 Knoblauch – ein Lebenselixier Stinkbalster, Koblauch, Knobel, Knofel oder Stinkrose ist ein eigentliches Lebenselixier. Das hat eine Vielzahl guter Gründe: Knoblauch regt die Verdauung und den Stoffwechsel an, beschleunigt die Ausscheidung giftiger Stoffe. Blutkreislauf, Blutfettwerte, Blutdruck und Sauerstoffversorgung der Organe, vor allem des Herzens, werden günstig beeinflusst – und schliesslich wirkt regelmässiger Knoblauchgenuss der Arteriosklerose, der Verkalkung der Arterien, entgegen. Vor allem aber tut regelmässiger Knoblauchgenuss dem Magen und Darm gut. Das in der Knolle enthaltene Öl wird zum Teil im Dünndarm resorbiert und gelangt über den Blutkreislauf in die Lungen, wo es – ähnlich wie beispielsweise das ätherische Öl des Thymians oder des Fenchels – mit der Atemluft abgegeben wird. In der Atemluft sorgt Knoblauch für Schleimverflüssigung und Keimhemmung. Deshalb ist er seit alters her ein Mittel, das bei Atemwegserkrankungen, insbesondere Bronchialverschleimung, eingesetzt wird. Ähnlich wie beim nahen Verwandten, der Zwiebel, ergänzen sich Nr.1-2003 hier die schleimlösenden Wirkungen mit den keimhemmenden. Natürlich wird mit der Atemluft Knoblauchöl auch wieder ausgeatmet und verursacht den berühmt-berüchtigten Geruch. Zu allen Zeiten und in vielen Ländern hat der Knoblauch Namen bekommen, die ihn auszeichnen und ihm Achtung zollen: Wunderzwiebel, Allheilmedizin, Segen der Armen und Liebeskraftverleiher. Es ist keine Schwärmerei von Naturaposteln, sondern durch langjährige Beobachtung gesicherte Erkenntnis, dass bei den knoblauchessenden Völkern Herzkrankheiten, Altersdemenz und sogar Krebs seltener auftreten. Knoblauch war immer Heil- und Genussmittel und als solches natürlich umwuchert von Zaubersprüchen und Wunderglauben. Ein Knoblauchzopf über der Tür, eine Kette um den Hals des Neugeborenen, ein paar Zehen in der Tasche der Hebamme – und der böse Blick und die Kobolde waren vertrieben. Und der aufgeklärte Mensch unserer Zeit? Er schenkt solchen Orakeln wenig Glauben. Doch ewige Jugend («Antiaging»), sprühende Denkkraft und nie erlahmende Potenz üben als Verheissung geradezu magische Wirkung aus. Und in einer einzigen Knolle scheint alles vereint, was heute im Trend liegt. Knoblauch als Kraft- und Lustspender und zudem noch als ein sinnlicher Genuss, an dem ein wahrer Gourmet nicht vorbeikommt? Auch das sind keine Phantastereien der American Garlic Lovers. Vieles spricht also dafür, sich ihnen anzuschliessen. Saftstrotzende Knollen und rosa Häutchen Der Umgang mit Knoblauch will gelernt sein. Im Spätsommer und Herbst kommt der Knoblauch am frischesten auf den Markt. Wenn wir dann den Winter- und Frühjahrsbedarf kaufen, sollte er richtig aufbewahrt werden. In der Küche macht sich der Knoblauchzopf zwar sehr dekorativ, doch besser ist er in einem luftigen, kühlen Raum aufgehoben – im Idealfall in der Speisekammer. Geschlossene Behälter sind so ungeeignet wie der Kühlschrank. Übrigens sind Speisen, die Knoblauch enthalten, schlecht für das Tiefgefrieren geeignet. Foto: René Berner Recht haben sie, die American Garlic Lovers – Mundgeruch hin oder her. Sie schrecken nicht wie Graf Dracula in Polanskis Film «Tanz der Vampire» vor den geschmack- und geruchgebenden Spaltprodukten aus dem schwefelhaltigen Allicin zurück. Allium sativum lautet die botanische Bezeichnung des Knoblauchs. Die Angelsachsen nannten ihn wegen der schilfartigen Blätter, die wie Speerspitzen aus dem Boden treiben, Geerlauch (garlic) und sie schätzten ihn wegen seiner hitzigen, schweisstreibenden, urinlösenden, auswurffördernden, anregenden und antiseptischen Wirkung. Knoblauch gehört wie der Spargel, der Schnittlauch und die Zwiebel zur etwa 300 Mitglieder zählenden Lauchfamilie und wird als Marspflanze der noch weiter verzweigten Sippe der Liliengewächse zugeordnet – wie die Tulpe und das Maiglöckchen. Die Maiglöckchen ins Poesiealbum und die Lilien in die Hände von Jungfrauen und Bräuten. Und der Knoblauch? Nicht nur Vampire scheinen ihn zu fürchten. «Seine Kräfte sind heiss und liebeweckend und bringen den Frommen ab vom rechten Weg», heisst ein Lehrsatz brahmanischer Priester in Indien. Die Brahmanen, die oberste Kaste der Hindus, bezeichnen Knoblauch als tamasic, als sinnesbetäubend, und rühren ihn daher nicht an. Den buddhistischen Mönchen war Knoblauch aus demselben Grund verboten. Und auch der römische Senat untersagte den Knoblauchgeniessern den Besuch des Kybele-Tempels und die Rituale zu Ehren der Fruchtbarkeitsgöttin, da er wilde Ausschweifungen befürchtete. Ganz anders sieht das Maurice Mességué, der berühmte Kräutermann aus der Gascogne. Einem potenzschwachen Mann rät er, sich das Rückgrat mit Knoblauch einreiben zu lassen. In Mességués Heimat ist es Brauch, den Buben bei der Taufe einen Tropfen Branntwein und etwas Knoblauch über die Zunge zu streichen, damit sie lebenstüchtig und viril heranwachsen wie die Kampfhähne, denen man auch Knoblauch ins Futter mischt. Natürlich 59 Kenner schätzen besonders den frischen Frühjahrsknoblauch mit seiner rotfarbenen, noch weichen Haut. Sie stürzen sich begeistert auf die saftstrotzenden Knollen. Es lassen sich dann Gerichte kreieren, denen eine ganze ungeschälte und gedünstete Knoblauchzwiebel beigegeben wird, die man mit der zarten Haut verzehrt. Sobald er geschält bzw. seiner schützenden Haut beraubt wird, zeigt sich Knoblauch ausgesprochen zartbesaitet. Er mag beim Verschneiden oder Quetschen kein Metall, da dieses mit den Schwefelverbindungen reagiert und Oxidationsprozesse auslöst. Am besten geeignet sind Keramik- oder Holzmörser. Ansonsten sollte Knoblauch nach Möglichkeit als ganze Zehe verwendet werden. Er mag auch keine brutale Hitze, kein rücksichtsloses Rösten. Schonungslosen Köchinnen und Köchen verwehrt er den Eintritt ins Gaumenparadies, den Geduldigen erwarten die Verheissungen der Aphrodite. An den Schweizerischen Gesundheitstagen 2000 und 2001 hat der Mitautor dieses Beitrags, Paul Pfyl vom Institut für Ernährung und Gesundheit, jeweils etwa 80 kg Knoblauch für das Showkochen verwendet. Auch Solothurn kennt also offensichtlich viele Garlic Lovers, die es schätzen, wenn der sinnesanregende Duft über der Aare schwebt. Wärmel iebend Selbstverständlich kann Knoblauch auch gut im eigenen Garten angebaut werden. Er wünscht sich humusreichen, tiefgründigen, eher schweren Boden in warmer, sonniger Lage. Nur virusfreier Pflanzknoblauch verspricht auch gesunde Ernten. Obwohl Knoblauch ein Heilmittel ist, kann er dennoch erkranken, wenn Boden und Lage seinen Wünschen nicht entsprechen oder das Pflanzenmaterial schon virusverseucht ist. Es ist vorteilhaft, den Boden vor der Pflanzung mit Schachtelhalmbrühe zu besprühen, damit genügend Kieselsäure und eine Vielzahl an Spurenelementen für ein gesundes Wachstum sorgen. Die einzelnen Zehen werden mit der Spitze nach oben im Abstand von 15 cm etwa 5 cm tief und in 30 cm voneinander entfernten Reihen gesetzt. Zwischen Erdbeeren gesteckt, hilft er, diese vor Pilzbefall zu schützen. Gut steht er neben Randen, Rüebli und Schwarzwurzeln, wogegen kein Knoblauch neben Kohlgewächsen, Bohnen und Erbsen gepflanzt werden sollte. Mit Vorteil achtet man beim Knoblauchpflanzen auf die Mondrhythmen und die sich daraus ergebenden Pflanzzeiten, wie sie im Maria-Thun-Kalender angegeben sind. Man kann Knoblauch im September/Oktober, aber auch im März/April setzen. Die Erntezeit der im Herbst gesetzten Pflanzen beginnt im nächsten Juni, sobald sich die Blätter gelb verfärben, Frühlingspflanzungen sind ab Ende August erntereif. Reichlich Knoblauch in einfachen Vorspeisen weckt den Appetit und belebt den Magen, damit er die bevorstehende Arbeit mit Vergnügen leistet. Denken Sie auch daran, dass Salate mit Knoblauch das gewisse Etwas bekommen und bekömmlicher werden. Der Rezeptteil enthält daher neben den etwas aufwendigeren Gerichten vor allem auch einige Vorschläge, die sich einfach und ohne grossen Aufwand umsetzen lassen. Rezepte Foto: Helen Knieriemen Knobli-Brot 2 Pariserbrote 150 g Butter 8 Knoblauchzehen 1 Bund Petersilie oder Basilikum Salz, Pfeffer aus der Mühle Butter weich rühren, mit dem im Mörser zerdrückten Knoblauch, feingehackten Basilikum oder Petersilie, Salz und Pfeffer mischen. Ofen auf 220 °C vorheizen. Die Brote längs halbieren, mit der Knoblauchbutter bestreichen, wieder zusammenklappen und im Ofen fertigbacken. Radicchio gegrillt 4 grosse Radicchio Olivenöl 6 Knoblauchzehen Salz Pfeffer aus der Mühle Die Radicchio in Achtel schneiden. In einer Pfanne mit Olivenöl die geschälten Knoblauchzehen sanft weichdünsten, zerdrücken und den damit bestrichenen Radicchio etwa 3 Minuten pro Seite braten. Mit Salz, Pfeffer und Balsamico abschmecken. Spaghetti Aglio e Olio 500 g Spaghetti 2 dl Olivenöl 6 Knoblauchzehen 1 kleine Peperoncini, getrocknet oder frisch Salz, Pfeffer aus der Mühle Den Knoblauch im Keramik- oder Holzmörser zerdrücken und mit der zerkleinerten Peperoncini unter die al dente gekochten und gut abgetropften Spaghetti mischen. Langsam das Olivenöl dazugeben und mit Salz und Pfeffer würzen. In den Abruzzen werden im Sommer mitunter Melonenschnitze zu den Spaghetti gegessen. Eine ungewöhnliche, aber feine Variante. Nr.1-2003 Foto: Hannes Kirchhof Tsatsiki 1 kleine Salatgurke 200 g Joghurt nature 200 g Sauerrahm 1 EL Olivenöl 2 Knoblauchzehen 2 Bund Peterli, falls vorhanden je 1 Bund Dill und Peterli Pfeffer aus der Mühle Salz Die Salatgurke mit der Schale fein raffeln. Mit Joghurt, Sauerrahm und Olivenöl verrühren. Die geschälten Knoblauchzehen mörsern und untermischen. Mit Pfeffer und Salz abschmecken. Diese griechische Vorspeise passt gut zu Gschwellte, frischen Gemüsen oder Salaten. Knoblauch-Cordon Bleu 4 ganze Knoblauch 8 dünne Scheiben Vollkornbrot Salbeiblätter 2 Eier 1 EL Senf Panierbrot mit Sesam 4 EL Olivenöl Meersalz schwarzer Pfeffer Foto: Hannes Kirchhof Pfeffer aus der Mühle 200 g Schwarzbrot gewürfelt In der Bratpfanne Öl erhitzen und die Oliven und den Knoblauch beigeben. Dazu kommt der Oregano. Würzen mit Meersalz und Pfeffer. 10 Minuten auf kleinem Feuer braten, ablöschen mit dem Rotwein. Nochmals 10 Minuten kochen lassen, das Schwarzbrot im restlichen Öl knusperig braten. Mischen mit den Oliven und heiss servieren. Den ganzen Knoblauch mit dem Salbei bei 200 °C im Ofen rösten, Dauer ca. 45 Minuten. Erkalten lassen und die Schalen entfernen, am besten geht es mit Frühlingsknoblauch. Das Fruchtfleisch des Knoblauchs mit dem Salbei mischen. Abschmecken mit Salz und Pfeffer und die eine Seite Brot kräftig mit der Knoblauchmasse bestreichen. Zwei Brotscheiben zusammenlegen und in der Ei-Senf-Sauce kurz einlegen. Dann im Paniermehl wenden, im Olivenöl braun braten, heiss servieren. Knoblauch und Oliven gebraten mit Oregano 400 g schwarze Oliven ohne Stein 20 Knoblauchzehen 4 Zweige frischer Oregano 1 dl Rotwein 1 Bund Schnittlauch 4 EL Olivenöl Meersalz Nr.1-2003 Knoblauchgratin mit Thymian 40 Knoblauchzehen 100 g Brotwürfel 1 dl Olivenöl Meersalz 1 TL Curry Aphrodisia 8 Zweige Thymian Pfeffer aus der Mühle Vier kleine Tongratinformen (es geht auch eine grosse) mit dem Olivenöl füllen, etwas Meersalz und Pfeffer dazu. Die ganzen Knoblauchzehen und Brotwürfel auf die Gratinformen verteilen. Im Ofen bei 180 °C 30 Minuten dämpfen, aus dem Ofen nehmen und die Thymianzweige und den Curry auf dem Knoblauch verteilen. Nochmals in den Ofen geben, aber diesmal bei Oberhitze 220 °C. Servieren mit Kopfsalat. Knoblauch-Kräuterpaste 10 Knoblauchzehen 1 EL gehackter Thymian 2 EL gehackte Petersilie 1 TL Rosenpaprika 1 Eigelb Meersalz Pfeffer aus der Mühle 200 g Butter Die Butter bei Zimmertemperatur schaumig schlagen, den Knoblauch fein mörsern und zu der Butter geben. Die restlichen Zutaten dazugeben und gut mischen. Abschmecken mit Salz und Pfeffer. Diese Butter eignet sich als Brotaufstrich oder zu gegrillten Gemüsen. Natürlich 61 Foto: Helen Knieriemen Aïoli 5 Knoblauchzehen 2 Eigelb 1 ⁄ 2 Teelöffel Salz Pfeffer aus der Mühle 11 ⁄ 2 dl Olivenöl 1 EL Weisswein 2 EL Zitronensaft Knoblauch im Mörser zerdrücken und mit dem Eigelb gut mischen. Langsam das Öl darunterschwingen. Wenn das Gemisch dickflüssig ist, wieder tröpfchenweise Weisswein und Zitronensaft mitverrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Aïoli ist geeignet für Fisch und Gemüse. Knoblauch mit Ziegenkäse und Minze 2 Ziegenkäse frisch 12 Knoblauchzehen 8 kleine Kartoffeln etwas Kurkuma frische Minze Schnittlauch 1 TL Curry 4 kleine Peperoni 1 dl Weisswein 2 EL Olivenöl 1 dl Gemüsebouillon Meersalz Schwarzer Pfeffer Den weichen Ziegenkäse in eine Schüssel geben, mit der Gabel zerdrücken. Den Knoblauch und die Kräuter beigeben. Wir füllen damit die Peperoni, geben die Peperoni und die Kartoffeln in eine Pfanne mit Deckel. Dazu kommen die Bouillon, der Weisswein und das Olivenöl. Würzen mit dem Curry, dem Salz und dem Pfeffer. Zugedeckt auf kleinem Feuer 40 Minuten kochen lassen. Karotten-Knoblauch-Pfanne 600 g Karotten 200 g Knoblauchzehen 2 TL Curry 1 dl Gemüsebouillon 50 g gehackte Petersilie 2 EL Olivenöl Die geschälten ganzen Knoblauchzehen in der Bouillon auf kleinem Feuer weichdämpfen, bis keine Bouillon mehr vorhanden ist. Das Olivenöl und die gescheibelten Rüebli dazugeben und etwa 6 Minuten dünsten. Würzen mit dem Curry und die gehackte Petersilie beifügen. Foto: Hannes Kirchhof INSERAT 13686-01 62 Natürlich Nr.1-2003