Tiere in Menschenhand – eine Frage der Ethik? Symposium in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wildgehege-Verband e.V.; 16.18.11.2016, Sasbachwalden Die Haltung von Tieren in zoologischen Einrichtungen aus der Sicht eines Tierschutzverbandes Sehr geehrter Herr Wiesenthal, lieber Eckhard, sehr geehrte Damen und Herren! Innerhalb des organisierten Tierschutzes gibt es zur Haltung von Tieren in Zoos sehr unterschiedliche Ansichten. Dabei ist es sinnvoll, Tierschutz- und Tierrechtsbewegung voneinander zu unterscheiden. Tierrechtsorganisationen lehnen eine Gefangenschaftshaltung von Tieren generell ab. Sie finden in Positionen wie der vom australischen Ethiker Peter Singer oder des amerikanischen Philosophen Tom Regan eine moderne tierschutzethische Basis. So wird seit Mitte der 90er Jahre darüber diskutiert, ob man Menschenaffen Grundrechte zugestehen soll, weil diese dem Menschen in vielerlei Hinsicht ähnlich sind. Dies sind sicherlich sehr extreme Positionen. Aber sie haben die grundsätzliche Frage um den richtigen, ethischen Umgang mit Tieren in Politik und Gesellschaft befruchtet. Und: Unser Bild von den Tieren ändert sich: Das Tier wird zunehmend weniger als Sache, als Objekt, wahrgenommen, denn als individuelle Persönlichkeit und Subjekt. Ihm wird als Mitgeschöpf angemessen Sympathie und Mitgefühl entgegengebracht. Inwieweit sich die Diskussionen in absehbarer Zeit rechtlich auswirken werden, ist noch unklar. Jedoch hat ein argentinisches Gericht im Dezember 2014 im Rahmen eines Obiter Dictums entschieden, einen Orang-Utan als Rechtsperson anzuerkennen. Auch indische und amerikanische Gerichte haben bereits eine bemerkenswerte Rechtsprechung zu Tierrechten entwickelt. So hat bspw. der Supreme Court of India 2015 fundamentale Rechte der Tiere anerkannt. All diese Diskussionen und Entwicklungen, aber auch die Erkenntnisse der Neuro- und Verhaltensbiologie beeinflussen auch die Positionen unseres Verbandes. Anders als Tierrechtsorganisationen lehnt der Bund gegen Missbrauch der Tiere eine Zootierhaltung unter bestimmten Voraussetzungen nicht grundsätzlich ab. Aber präventiver Tierschutz heißt für uns heute, dass wir nicht nur Wert auf eine verhaltensgerechte, physiologisch-ökologische Haltung legen. Wir dürfen ebenso die sozialen, mentalen und emotionalen Bedürfnisse der Tiere nicht außer Acht lassen. Es reicht eben nicht aus, dass Zootiere körperlich gesund, satt, sauber und trocken gehalten werden. Wenn manche Zoodirektoren in Gremien aber immer noch behaupten, dass grundsätzlich alle bekannten Tierarten unter Zoobedingungen artgerecht gehalten werden könnten, ist das eine überholte, befremdlich anmutende Selbsteinschätzung. Vielmehr gibt es eine Reihe von Tierarten in menschlicher Haltung, die sich einfach nicht wohl fühlen werden, egal welchen Aufwand wir betreiben. Solche Tierarten sollten deshalb in Zoos nicht mehr ausgestellt werden. Diese Arten sollten wir ausschließlich in ihrem Lebensraum schützen. Tiere sollten im Zoo Tiere sein dürfen. Sie sollten würdevoll behandelt werden. Sie sollten nicht als eine exotisch anmutende Kulisse vom Besucher zur Kenntnis genommen werden, der ohnehin schon nach wenigen Minuten zum nächsten Gehege schreitet. Ethische Grenzen existieren auch im Zoomanagement. Bspw. hinsichtlich der Frage, wie mit dem Problem nicht platzierbarer Zootiere umgegangen werden sollte. Und dass man das anvertraute Tier im Zoo körperlich nicht verstümmelt, damit dieses in das Haltungssystem passt, sollte rasch zur tiergartenbiologischen Selbstverständlichkeit gehören. Trotz unterschiedlicher Positionen zur Tierhaltung, verstehen wird uns nicht als zoofeindliche Organisation. Auch wenn wir vom VDZ 2013 so bezeichnet wurden. Damals haben wir im Rahmen einer bundesweiten Recherche von 25 Zoos in Deutschland einen Bericht über Defizite bei der Umsetzung der EU-Zoorichtlinie veröffentlicht und diesen Europaparlamentariern in Brüssel vorgestellt. Zoos sind gesellschaftlich weitgehend anerkannt und können durchaus ihre Berechtigung haben. Dies liegt insbesondere im großen Potential dieser Einrichtungen. Der ideale Zoo ist ein wertvoller Impulsgeber für einen ethisch verantwortbaren Umgang Mensch-Tier. Im Gegensatz zu Naturfilmen oder Büchern, ermöglichen Zoos ein unmittelbar sinnliches Erleben von Wildtieren. Der ideale Zoo ist ein kontemplativer Ort, in denen der Besucher nicht nur das Tiere als solches erkennt, sondern auch dessen komplexes Verhalten in Ruhe beobachten kann. Im idealen Zoo können Zoobesucher Tiere als empfindungs- und leidensfähige Individuen, ja Persönlichkeiten, entdecken. So gesehen, können Zoos Orte der kulturanthropologischen Reflexion sein (so der Philosophieprofessor Hans Werner Ingensiep), wenn sie nicht nur Wissen, sondern auch Beziehungswissens vermitteln. Besucher könnten dann erkennen, dass die Grenze Mensch-Tier nicht mit einer sauberen biologischen Linie zu ziehen ist und dass der Mensch zumindest zoologisch betrachtet zu den Schimpansen, bzw. Trockennasenaffen gehört. Angesichts der zunehmenden Haltung von Exoten im Heimtierbereich und den damit verbundenen Problemen, könnten Zoos eine zentrale Anlaufstation sein, wenn es um Fragen der richtigen Haltung aber auch um Fragen der Unterbringung beschlagnahmter Tiere geht. Dies wäre eine sehr bemerkenswerte Schnittstelle von Zoo und Tierschutz.