LANDTECHNIK Tiere reagieren empfindlich DIFFERENZ- UND AUSGLEICHSSTRÖME oder sogenannte Kriechströme geben immer wieder Anlass zu Diskussionen. Leider wird dieses Thema beim Stall- und Scheunenbau nicht von allen Elektroinstallateuren, Architekten, Planern und Landwirten mit der notwendigen Sensibilität beachtet. Zu leiden haben dann oft die Tiere. Werner Vögeli Hans Baumann Diverse Messungen im Stallbereich und bei den dazugehörenden Komponenten wie Liegeboxen, Futterautomaten, Tränken oder Durchgänge mit Metallkanten bestätigen immer wieder, dass es bei der elektrischen Installation eines Stalls oft zu gravierenden Fehlern kommt. Diese Fehler müssen dann später mit zum Teil erheblichem Aufwand korrigiert werden, damit beispielsweise die Spannungsdifferenzen mittels Potenzialausgleichs abgebaut werden können. Auch wird oft übersehen, dass alle metallenen Teile, auch die nicht elektrischen, mit dem Schutzleiter respektive dem Potenzialausgleichsleiter (in der Regel die metallene Bodenarmierung im Beton verbunden werden müssen. Untersuchungen zeigen weiter, dass Tiere beispielsweise Tränken bereits bei Spannungen von rund 200 mV nur noch widerwillig aufsuchen. Ist eine Tränke in Reichweite, die eine tiefere oder gar keine Spannung führt, so wird diese bevorzugt. Das zeigt auf, dass Tiere auf Spannungsdifferenzen – und sind sie noch so klein – ansprechen und sich dementsprechend verhalten. Mit den Installationsnormen NIN2000 für die Ausführungen von Elektroinstallationen sind für Stallbauten und deren Nebenräume besondere Bestimmungen in Kraft getreten, die den Reaktionen von Tieren auf Spannungsdifferenzen Rechnung tragen (siehe Kasten). Optimaler Ablauf eines Aufbaus Die Elektroinstallationsfirma sollte bereits vor den ersten Betonarbeiten kontaktiert werden, damit der genaue Ablauf der späteren Installation besprochen werden kann. Ein Ver2 Je nach Situation fliessen unterschiedlich grosse Ströme über die Konstruktionen wie Wasserleitung, Schutz- oder Potenzialausgleichsleiter. Bereits ab 200 mV können die Tiere empfindlich reagieren. schweissen der Teile ist immer die beste und günstigste Lösung. Dies kann auch der Landwirt selber durchführen, da er ja den Bauvortrieb am besten überblicken kann. Alle metallenen Teile sind wenn möglich mit der Bodenplatte (Eisenarmierungen im Beton) zu verschweissen (z.B. Pfeiler, Schranken, Halterungen aller Art). Dort, wo Holzwände geplant sind, sollte eine Verbindung zur Bodenplatte vorgesehen werden. Der Blitzschutz darf nicht vergessen werden. Auch ist für die Viehhütererdung eine Verbindung auf die Bodenplatte zu erstellen. Auf die Verwendung von Metallkanten bei Fliesen (Plättli) sollte verzichtet werden, da das Metall mit der Feuchtigkeit der Mauer reagiert. Es entsteht eine Gleichspannung (galvanisches Element) durch die Feuchtigkeit im Mauerwerk in Verbindung mit der Metallkante. Diese Spannungen können Tiere Auszug der wichtigsten Bestimmungen der NIN2000/NIN2005 Anwendungsbereich Die besonderen Bestimmungen dieses Kapitels gelten für alle Teile der festen Anlage, sowohl für Aussen- wie für Innenraumanlagen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Anwesen (wie Ställe, Boxen, Hühnerhäuser, Schweinemästereien, Aufzucht- und Bruträume, Räume zur Vorbereitung des Futters, Heuböden, Speicher für Stroh, Düngemittel, Getreide und dergleichen). Zusätzlicher Potenzialausgleich Im Standbereich der Nutztiere müssen alle durch Nutztiere berührbaren Körper der Betriebsmittel und alle fremden leitfähigen Teile durch einen zusätzlichen Potenzialausgleich untereinander und mit dem Schutzleiter der Anlage verbunden sein. Anmerkung: Es wird empfohlen, im Fussboden ein Metallgitter anzubringen, das mit dem zusätzlichen Potenzialausgleich verbunden ist. Fehlerstromschutz Stromkreise mit Steckdosen müssen durch Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCDs) IΔn 30 mA geschützt sein. Für die gesamte Installation ist eine Fehlerstromschutzeinrichtung IΔn 300 mA vorzusehen. Quelle: Electrosuisse 3 2007 · UFA-REVUE LANDTECHNIK bei Berührungen wahrnehmen. Auch diese Metallkanten sind mit dem Schutzleiter oder Bodenplatte zu verbinden. Beleuchtungskörper oder frequenzgesteuerte Ventilatoren sind in möglichst grosser Entfernung anzubringen. Es ist schon vorgekommen, dass die Tiererkennung derart gestört wurde, dass die Beleuchtung im Laufstall während des Melkvorgangs abgeschaltet werden musste. Weitere Problempunkte Auch bei korrektem Aufbau eines Stalls gibt es leider Situationen, bei denen die Probleme nicht beseitigt werden können. Vielfach geht es dabei um die Ausgleichs- und Differenzströme, die im Erdreich immer vorhanden sind. Diese Ströme sind abhängig von den Netzbelastungen, der Länge der Stom-Zuleitung, der Bodenbeschaffung und der internen Strombelastung der an dieser Leitung angeschlossen Liegenschaften. Trotz völliger Verbindung der Betoneisen mit der Erdung des Fundaments können diese Ströme nicht unterbunden werden. Sie können gar noch verUFA-REVUE · 3 2007 stärkt auftreten, insbesondere wenn die Erdung der Liegenschaft sehr gut ist. Dann nützen auch zusätzliche angebrachte Verbindungen wenig, im Gegenteil, es kann für die Kühe noch unangenehmer werden. Abhilfe könnte der Einsatz eines Trenntransformators (Trafo) schaffen. Doch sein Einsatz bedarf einer genauen Abklärung der elektrischen Anlage bezüglich Leistungsbedarf und Umfeld. Diese Lösung ist jedoch eine kostspielige Angelegenheit, die von der Grösse (15 KVA bis 80 KVA) des Trafos abhängig ist. Eine Scheune ohne Gebläse, Heubelüftung, und Jauchepumpe benötigt einen viel kleineren Trafo als eine Scheune mit allen erdenklichen elektrischen Anschlüssen und Geräten. Ausserdem sind die Schutzbestimmungen der NIN2005 in Bezug auf Personen- und Sachenschutz unbedingt einzuhalten. Diese Berechnungen sollten nur vom Fachpersonal der Elektrobranche durchgeführt werden. Ein Trafo im Stall oder Scheune weist immer ein gewisses Risiko auf (Eigenverbrauch, Betriebsabwärme, magnetisches und elektrisches Streufeld), wes- halb die entsprechende Montage nicht in jedem Fall angezeigt erscheint. Momentan laufen verschiedene Versuche mit dem Ziel, die Differenzströme zu wesentlich geringeren Kosten (als beim Einsatz eines Trafos) auf ein für Tiere unbedenkliche Grösse zu verkleinern. Auf die entsprechenden Resultate der elektrischen Spannungs- und Strommessungen sowie auf die Entwicklung der Zellzahlen wird in einer der nächsten Ausgaben der UFA-Revue detaillierter eingegangen. 䡵 Differenz- und Ausgleichsströme können beim Melkvorgang zu Problemen führen. Bild: agrarfoto.com Autoren Werner Vögeli ist eidgenössisch diplomierter Elektroinstallateur. Seit mehr als 25 Jahren führt er Elektrokontrollen (Wohn- und Gewerbehäuser und Industrieanlagen) durch und berät Bauherren bei elektrischen Installationen. Hans Baumann ist Melktechniker (veta Zürich) und hat sich in letzter Zeit intensiv mit der Problematik der Differenz- und Ausgleichsströme befasst. Im Rahmen der erwähnten Versuche ist er für die Auswahl und Koordination der Problembetriebe zuständig. Die im Beitrag geschildertern Erfahrungen und Erkenntnisse basieren alle auf sorgfältigen Vorabklärungen und Messungen auf über vierzig Betrieben. Die Vorabklärungen sind dabei von grosser Bedeutung, um weitere Probleme in der Milchproduktion nicht zu vernachlässigen, sondern mit in die Beratung einzubeziehen. www.ufarevue.ch INF BOX INFO 3 · 07 3