Sonderthema SSlinücncr Saacölntt Nummer 80 Dienstag, 4. April 1995 17 lii||ii|i||liii ||pi|i94|::kapitüiie genden Jahren, in denen das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte auch in der Heimat finstere Realität war. „Die verdunke Endphase des Zv 1944/1945" heißt eine Ausstellung des Kommunalarchivs vom April bis zu Rathaussaal zu sehen ist. Mehr als 200 GroBfoto {. nern in sieben Abteilungen an diese Zeit. Noch in diesem Jahr soll außerdem unter dem Titel „Die verdunkelte Stadt" eine Publikation ersc ma der Ausstellung auch im schriftlichen Zusammenhang d auf vier Sonderseiten eine leicht bearbeitete Fassung des einführenden Kapitels sowie einen ausführlichen, die einzelnen Expi Dieser Sonderdruck liegt nicht nur der MT-Ausgabe v 28. März 1945: Die Mindener Altstadt - und mit ihr das Rathaus - sinkt bei einem britischen Bombenangriff in Trümmer. Das brennende Rathaus symbolisiert den Untergang der NaziMacht auch im heimischen Raum. Genau eine Woche später erreichten kanadische Truppen das Stadtgebiet. Alle Fotos: Kommunalarchiv Wie der totale Krieg die Heimatfront erreichte Der Anfang vom Ende: Einführungskapitel aus dem geplanten Buch zur Ausstellung „Die verdunkelte Stadt. Minden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs" Krieg" Die in Minden erscheinenden „Westfälischen Neuesten Am 1 . September 1939 begann Nachrichten" berichteten an diemit dem deutschen Angriff auf sem Tage unter der Überschrift Polen der Zweite Weltkrieg. Die- „Nun, Volk, steht auf, und Sturm, ser Krieg, der sich bald zu eibrich los! Dr. Goebbels verkünnem europäischen Krieg auswei- det im Sportpalast das Programm tete, wurde 1941 durch den des Sieges. Mit dem Führer durch Eintritt der USA und Japans in dick und dünn" Und das „Minden Krieg tatsächlich zu einem dener Tageblatt" übertitelte seine wettweiten Krieg. Nach anfängli- Berichterstattung mit der Schlagchen Erfolgen der deutschen zeile „Die deutsche Nation ist zu Wehrmacht auf den europäiallem bereit! Alle Deutschen schen Kriegsschauplätzen wurwerden dem Rufe Dr. Goebbels' den die Einkesselung und Verfolgen Deutschland von fananichtung einer ganzen deuttischem Siegeswillen beseelt" schen Armee bei Stalingrad AnWie weit die Mindener Bevölfang Februar 1943 zum Symbol kerung tatsächlich noch vom Sieder Kriegswende und zum Begeswillen beseelt war, läßt sich ginn des deutschen Niedernatürlich nicht ermitteln, dengangs. noch ist aber anzunehmen, daß die Zustimmung zum totalen Nachdem der amerikanische Prä- Krieg der Überzeugung der Mehrsident Roosevelt und der britische heit der Mindener Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt entsprach; Premierminister Churchill schon insbesondere werden überzeugte im Januar auf der Konferenz von Casablanca die bedingungslose Kapitulation der „Achsenmächte" also Deutschlands und seiner Verbündeten, gefordert hatte, verEine Stadt nach kündete Reichspropagandaminider anderen in ster Dr. Joseph Goebbels in einer Rede am 18. Februar 1943 im Schutt und Asche Berliner Sportpalast vor einigen tausend Zuhörern - und den Kameras der „Deutschen Wochenschau" - als Reaktion auf die Nationalsozialisten „vorbehaltlos" Forderung nach bedingungsloser dem Rufe des PropagandaminiKapitulation den „totalen Krieg" sters gefolgt sein. Auf die rhetorisch gemeinten FraDie propagandistische Verküngen „Wollt Ihr den totalen Krieg? digung des „totalen Krieges" ließ in den folgenden Monaten des Jahres 1943 in großen Teilen der deutschen Bevölkerung den „Glauben" an den deutschen „Die deutsche „Endsieg" wieder aufleben. Die Nation ist zu Bevölkerung hoffte vor allem auf militärische Erfolge der deutschen allem bereit..." Wehrmacht an der Front - weit entfernt von der Heimat, von ihrem Lebensraum. Welche Konsequenzen der totale Krieg aber für Wollt Ihr ihn totaler, als Ihr es sie selbst an der „Heimatfront" Euch heute vorstellen könnt? haben würde, sollte sie schon Seid Ihr und ist das deutsche bald zu spüren bekommen. Volk entschlossen, wenn der Führer es befiehlt, zehn, zwölf, Waren bereits 1942 deutsche und, wenn nötig, vierzehn und Großstädte durch britische Luftsechzehn Stunden täglich zu arangriffe in starkem Maße zerstört beiten und das Letzte herzugeben worden, so verstärkte sich der für den Sieg?" antwortete die faLuftkrieg über Deutschland weinatisierte Zuhörerschaft, ein mit ter; 1943 gewannen die britische Bedacht ausgewählter QuerRoyal Air Force und die US-Air schnitt der Bevölkerung, unter to- Force zunehmend die Luftüberlesendem Beifall mit „Ja" genheit, die dazu führte, daß sie eine deutsche Stadt nach der anDer „Völkische Beobachter" deren in Schutt und Asche legten stellte am 19. Februar 1943 die und zahlreiche Industrie- und Berichterstattung von dieser Kundgebung unter die Schlagzeile Verkehrsanlagen zerstörten, um die deutsche Zivilbevölkerung zu „Volksentscheid für den totalen von Hans Nordsiek demoralisieren und die deutsche Kriegswirtschaft lahmzulegen. Diese Überlegenheit der Alliier- Mobilisierung der gesamten Bevölkerung ten war unter anderem durch die Stationierung der 8. US-Luftflotte 1943 in England bedingt. Die im Februar 1943 begonnene Bom- beroffensive der Briten und Amerikaner wurde von ihnen als „bombing round the clock" bezeichnet: Am Tage flogen die amerikanischen Bomberverbände zu Präzisionsangriffen auf bestimmte Ziele und nachts starteten die britischen Verbände zu Flächenbombardements von Großstädten und Ballungsräumen. Der „totale Krieg" war inzwischen immer seltener durch Rundfunk-Sondermeldungen von Siegen der deutschen Wehrmacht auf europäischen Kriegsschauplätzen oder zur See gekenn- zeichnet, die reale Wahrnehmung des totalen Krieges bestand statt dessen zunehmend in der ständigen Gefährdung oder der Zerstörung der deutschen Städte, der „Heimatfront" durch alliierte Luftangriffe. Der rechtsverbindliche „Erlaß über den totalen Kriegseinsatz" mit weiteren einschneidenden Auswirkungen für die deutsche Bevölkerung wurde erst nach dem mißglückten Attentat auf Adolf Hitler (20. Juli 1944) am 25. Juli 1944 veröffentlicht. Danach wurde der Krieg in der NSPropaganda zum „Existenzkampf der deutschen Nation" Dieser Kampf aber bedeutete die Mobilisierung der gesamten Bevölkerung für den deutschen Kriegseinsatz und die totale Erfassung aller Reserven an menschlicher Leistung und an Material. Die zu „Reichsverteidigungskommissaren" ernannten Gauleiter der NSDAP und die ihnen unterstellten NSDAP-Kreisleiter sorgten mit allen Mitteln für die Aufrechterhaltung des VerteidigungsDurchhalte- und Opferwillens der Zivilbevölkerung. Die konkreten Auswirkungen des totalen Krieges machten sich in Minden verstärkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 1944 bemerkbar, und zwar mit permanenter Endsieg-Propaganda, mit der Forderung nach höherer Arbeitsleistung, Sparmaßnahmen Tod und Zerstörung kamen von jenseits der Grenzen zurück und Einschränkungen aller Art und mit der Aufstellung des Volkssturms. Vor allem aber erlebte die Stadt (seit Ende des Jahres 1943) nun ebenfalls größere Luftangriffe, die Menschenleben forderten und Zerstörungen brachten. Als Zerstörung ihrer eigenen Stadt hatte sich die Mindener Bevölkerung den „totalen Krieg" wohl nicht vorgestellt. Dieser Krieg, mit dem deutsche Soldaten auf Befehl des Reichskanzlers und Oberfehlshabers der deutschen Wehrmacht über die Reichsgrenzen hinaus Tod und Zerstörung in das benachbarte Vom kostbarsten baulichen Schatz der Mindener Geschichte, dem romanisch- Ausland getragen hatten, kam 1944 nach Deutschland zurück gotischen Dom, blieben nur Ruinen. Sie mahnten noch Jahre. nicht nur in der Luft mit alliierten Bombergeschwadern, sondern auch zu Lande mit Panzerverbänden. Im Herbst 1944 standen die Bodentruppen der Alliierten bereits an der Ost- und Westgrenze Deutschlands: Im Oktober 1944 begann die Rote Armee Ostpreußen zu erobern und am 21. Oktober 1944 eroberten amerikanische Truppen Aachen als erste Stadt auf deutschem Boden. 1945 1995 50 Jahre Kriegsende Mit diesem Zeitpunkt der „Rückkehr" des totalen Krieges in das Land, von dem er ausgegangen war, beginnen die in der Ausstellung vergegenwärtigten und in der noch folgenden Publikation untersuchten letzten Monate der nationalsozialistischen Herrschaft in Minden und des Kriegsendes in Minden. Bei einer Beurteilung der damaligen Lage des Deutschen Reiches nach dem heutigen Forschungsstand ist es klar und eindeutig, daß dieser Krieg wegen des riesigen Kräftepotentials der Kriegsgegner für die deutsche Wehrmacht nicht zu gewinnen war und daß die Anti-Hitler-Koalition ihre Kriegsziele, nämlich die bedingungslose Kapitulation und die Beseitigung des nationalsozialistischen Staates, erreichen würde. Die deutsche Bevölkerung damals aber sah aufgrund jahrelanger und pausenloser NS-Propaganda wohl mehrheitlich in einer Kapitulation und dem Ende des NS-Staates zugleich auch den Untergang Deutschlands und eine „Versklavung" der Deutschen. Daher hofften auch die meisten Mindener wohl auf einen anderen Ausgang des Krieges - bis das Kriegsende mit der Besetzung der Stadt am 4./5. April 1945 für sie Realität geworden war, noch bevor Hitler tot und die Kapitulation seiner Generäle erfolgt war. Unter welchen Bedingungen die Mindener Bevölkerung in den letzten Wochen vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht lebte, die zugleich die ersten WoFortsetzung nächste Seite