3. Brandenburger Pferdetag am 31. Oktober 2009 in Neustadt (Dosse) Nutzung des Embryotransfers in der Sportpferdezucht – Chancen und Probleme Prof. Dr. Christine Aurich Graf Lehndorff Institut für Pferdewissenschaften, Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) und Veterinärmedizinische Universität Wien Hauptgestüt 10 16845 Neustadt/Dosse Tel.: mobil: mail: 0043-1-25077-6400 03338/7098-11 0173-8139110 (Frau Manuela Wulff) [email protected] [email protected] 47 Während in Nord- und Südamerika der Embryotransfer beim Pferd schon seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird, hat diese Biotechnologie in der europäischen Reitpferdezucht erst in den letzten Jahren eine gewisse Bedeutung erlangt. Viele Züchter sind aufgrund mangelnder Informationen der Ansicht, der Embryotransfer wäre insbesondere dafür interessant, Fohlen aus Stuten zu produzieren, die selbst eine Trächtigkeit nicht mehr erfolgreich beenden können. Aus züchterischer Sicht sollte aber vor allem die Möglichkeit, Stuten mit Hilfe des Embryotransfers gleichzeitig in Zucht und Sport einsetzen zu können, eine weitaus stärkere Nutzung erfahren. Auf diese Weise können im Sport erfolgreiche Stuten schon frühzeitig zum Zuchtfortschritt beitragen. Durch intensive wissenschaftliche Untersuchungen konnten in den letzten Jahren Verbesserungen hinsichtlich der Gewinnung, des Transports und der Übertragung von Embryonen erreicht werden, so dass die Nutzung des Embryotransfers in der Pferdezucht durchaus wirtschaftlich sein kann. Beim Embryotransfer wird an Tag 7 bis 8 nach dem Eisprung der Spenderstute der Embryo durch Spülungen aus der Gebärmutter gewonnen und auf eine Empfängerstute übertragen. Dies ist technisch wenig aufwändig und an der stehenden, nicht sedierten Stute möglich. Die Embryonengewinnung hat – bei fachlich richtiger Ausführung - keine negativen Auswirkungen auf die spätere Fruchtbarkeit der Spenderstute. In der eigenen Forschungsherde wurden zum Teil mehr als 20 Embryonengewinnungen pro Stute in Folge durchgeführt, ohne dass es zu einer Abnahme der Fruchtbarkeit oder Problemen wie z.B. vermehrten Gebärmutterentzündungen bei den betreffenden Stuten kam. Der Embryo wird vor der Übertragung hinsichtlich Entwicklungsstadium und Qualität beurteilt. Entweder erfolgt die Übertragung direkt auf derselben Station auf eine passende Empfängerstute, oder der Embryo wird bei Kühlschranktemperatur in speziellen Transportboxen verschickt. Ein solcher Transport kann bis zu etwa 12 Stunden dauern, ohne dass nennenswerte Schädigungen des Embryos, die die Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit beeinträchtigen, auftreten. Noch nicht sehr erfolgreich ist man dagegen derzeit bei der Tiefgefrierkonservierung von Embryonen. Aufgrund der tierartspezifischen Struktur des Pferdeembryos ist seine Qualität nach dem Auftauen fast stets beeinträchtigt. Daher sind die Trächtigkeitsraten nach Übertragung tiefgefrorener Pferdeembryonen deutlich niedriger als z.B. beim Rind. Eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung von Embryotransferprogrammen ist die Verfügbarkeit von Empfängerstuten guter Qualität. Ein wichtiges Kriterium für eine gute Trächtigkeitsrate ist die Zyklussynchronität der Empfängerstute zur Spenderstute. Dies bedeutet, dass Spender und Empfänger möglichst an demselben Tag ihren Eisprung haben. Bei entsprechender Vorbehandlung können auch Empfängerstuten, die bis zu 48 etwas drei Tage nach der Spenderstute ovuliert haben, akzeptiert werden. Bei Verfügbarkeit von nur wenigen potentiellen Empfängerstuten sind zur Erreichung einer Zyklussynchronität oft relativ aufwändige hormonelle Behandlungen der Empfänger notwendig. Besser ist es daher, wenn eine größere Herde von Empfängerstuten zur Verfügung steht, aus der eine in ihrem Zyklusstand möglichst optimal zur Spenderstute passende Leihmutter herausgesucht werden kann, ohne dass hormonelle Behandlungen notwendig sind. Solche Empfängerstutenherde werden in Deutschland derzeit nur vom Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt zur Verfügung gestellt. Andere Embryotransferstationen verschicken Embryonen an eine ET-Station in Belgien zur Übertragung auf dortige Empfängerstuten, die bei Trächtigkeit angekauft werden müssen. Die Übertragung des Embryos erfolgt durch den Muttermund der Empfängerstute in deren Gebärmutter. Entzündungshemmende Behandlungen beugen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen einem Verlust des Embryos vor. So können bei optimalem Ablauf eines Embryotransferprogramms Trächtigkeitsraten von deutlich über 80% erreicht werden. Neben einer guten Fruchtbarkeit sollten Empfängerstuten auch über gute Mutterstuteneigenschaften verfügen, um eine optimale Aufzucht des Fohlens zu gewährleisten. Hierzu gehören vor allem eine ausreichende Milchleistung und ansprechendes mütterliches Verhalten. Die Größe der Empfängerstute sollte etwa der der genetischen Eltern des Embryotransferfohlens entsprechen. Zu große Empfängerstuten können durch übermäßige Milchleistung zu überproportionalem Wachstum des Fohlens führen und die Bildung von Gelenkchips (OCD) begünstigen. Bei zu kleinen Leihmüttern kommt es zwar nur selten zu Geburtsproblemen, da sich die Größe des Fohlens bei der Geburt stets an der Gebärmutter der austragenden Stute orientiert. Fohlen aus kleinen Stuten haben aber ein kleineres Geburtsgewicht, als wenn sie von ihrer genetischen Mutter ausgetragen würden, und benötigen oft längere Zeit, um diesen Rückstand aufzuholen. Aus ähnlichen Gründen werden auch Stuten, die noch kein Fohlen hatten, als Empfängerstuten nicht gerne verwendet. Auf die genetischen Eigenschaften des Fohlens kann die Leihmutter dagegen keinen Einfluss haben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass selbst Charakter und Persönlichkeit eines Pferdes stark von seinen genetischen Eltern geprägt werden. Die Leihmutter formt diese Eigenschaften ihres Adoptivfohlens zwar vorübergehend, aber langfristig deutlich geringer, als oft vermutet wird. Eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke, die zur Heranreifung mehrerer Follikel gleichzeitig führt (Superovulation), ist zwar beim Rind üblich, bei der Stute leider nicht oder nur sehr begrenzt erfolgreich. Bei der Stute wird daher meist keine hormonelle Stimulation der Follikelbildung vorgenommen, sondern eine normale Rosse zur Besamung und nachfolgenden Embryonenge49 winnung verwendet. Damit werden nicht mehr als ein bzw. nach Doppelovulationen auch zwei Embryonen gewonnen. Bei alten Stuten mit verminderter Fruchtbarkeit ist die Embryonengewinnungsrate etwa 50% niedriger als bei jungen, gesunden Stuten. Werden im Sport eingesetzte Stuten als Embryonenspender verwendet, stellt sich häufig das Problem, Training und Sporteinsatz der Stute mit den zur Terminierung von Besamung und Embryonenspülung notwendigen gynäkologischen Untersuchungen zu vereinbaren. Nur so kann der optimale Belegungszeitpunkt erkannt und eine möglichst hohe Empfängnisrate erreicht werden. Dies wird durch den trainings- und turnierorientierten „Terminkalender“ der Stuten aber oft erschwert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fruchtbarkeit von Stuten relativ wenig durch Stress beeinträchtigt wird. Trotzdem kann es sinnvoll sein, bei einer Sportstute eine vorübergehende Wettkampfpause einzulegen und diese für die Durchführung mehrerer Embryonengewinnungen zu nutzen. Für den Erfolg des Embryotransferprogramms ist auch die Wahl des Hengstes von entscheidender Bedeutung: neben der züchterisch interessanten Eigenschaften wie Pedigreen, Exterieur oder Eigenleistung sollten Fruchtbarkeit und Verfügbarkeit des Hengstes ein wesentliches Selektionskriterium darstellen. Hengste mit geringer Fruchtbarkeit stellen in einem Embryotransferprogramm einen deutlichen Störfaktor dar. Daher sollten vorzugsweise Hengste mit bekannt guter Fruchtbarkeit eingesetzt werden. Auf die Verwendung von Tiefgefriersamen sollte aufgrund der herabgesetzten Trächtigkeitswahrscheinlichkeit nach Möglichkeit verzichtet werden. Insgesamt ist der Embryotransfer eine interessante Möglichkeit, um Stuten mit überdurchschnittlichem Zuchtwert vermehrt züchterisch nutzen zu können. Dem Embryotransfer verwandte Techniken, wie das z.B. in den USA und auch in Italien bereits erfolgreich durchgeführte ICSI (Intracytoplasmatische Spermieninjektion) stehen in Europa für die routinemäßige Verwendung in der praktischen Pferdezucht dagegen aufgrund des hohen technischen und finanziellen Aufwandes noch nicht zur Verfügung. Bei dieser deutlich aufwändigeren Technik wird der Spenderstute eine Eizelle entnommen, unter dem Mikroskop durch Injektion eines Spermiums befruchtet und bis zur Entwicklung eines transfertauglichen Embryos im Brutschrank kultiviert. Auch beim Embryotransfer muss beachtet werden, dass der mit sämtlichen Maßnahmen verbundene Aufwand finanziell zu Buche schlägt. Nicht jedes durch Embryotransfer produzierte Fohlen wird diesen höheren finanziellen Aufwand durch einen entsprechend hohen Verkaufspreis später rechtfertigen. Allerdings kann nur eine breitere Nutzung dieser Technologie zum Durchbruch auch in der Europäischen Reitpferdezucht verhelfen. 50