5.6. Wellen in Materie (mit Absorption): Telegrafengleichung Bisher hatten wir ebene Wellen als Lösung der Wellengleichung. E= E0 e i k⋅r − t x E x =E 0 cos k⋅r −t x Da die Energiedichte proportional zum Quadrat der elektrischen Feldstärke ist, muss sich die Amplitude ändern, wenn Absorption auftritt. Welche Voraussetzung bei der Herleitung der Wellengleichung ändert sich in Materie? ● µ, ε konstante Skalare ● ρ = 0 auch erfüllt ● σ = 0 ist nicht erfüllt. Wichtig ist die Frequenzabhängigkeit, entscheidend ist die Leitfähigkeit bei der Frequenz der sich ausbreitenden Welle, so kann σ(ω=0) = 0, aber σ(ωLicht) ≠ 0. =−̇ rot E B = E ̇ rot H E =−µ rot ̇ rot rot E H =−µ ̇ E ̈ E da rot rot=grad div− 2 1 ∂ E ∂E E= 2 µ 2 ∂t c ∂t Telegrafen-Gleichung 140 2 1 ∂ E ∂E E= 2 µ 2 ∂t c ∂t Analogie aus der Mechanik: Die erste Zeitableitung gibt eine Geschwindigkeit, Reibungskräfte sind proportional zur Geschwindigkeit. Reibung = Dämpfung einer Bewegung ∂ E Absorption ∂t Die Telegrafengleichung ist nicht mehr Zeit invariant, d.h. die Symmetrie (t -> – t) ist zerstört. Absorption ist ein irreversibler Prozess. Die Lösung der Telegrafengleichung wird wieder durch einen ebenen Wellen Ansatz gesucht. r , t = E0 e i k⋅r − t E ∂E ∂ E ~ −i E ~ i kx E ∂t ∂x −k 2 E E Einsetzen des Ansatzes gibt eine Bedingung, wann der Ansatz eine Lösung ist: 2 =− −k E E−i µ E 2 c 2 141 Nur die nichttriviale Lösung mit E ≠ 0 ist von Interesse: 2 2 k = 2 i µ c 2 k = 2 i µ=i c Damit erhalten wir rein formal einen komplexen Wellenvektor k. Anstatt eines komplexen k, führen wir einen komplexen Brechungsindex ñ ein. k = k vak n n =ni Um die Ausbreitungrichtung der Welle zu bezeichnen führen wir einen Einheitsvektor e in Ausbreitungsrichtung ein. i e⋅r k E = E0 e vak n − t −e⋅r k i e⋅r k = E0 e e vak vak n−t Amplitude Die Amplitude nimmt mit exponentiell mit der Ausbreitung (wachsendes r ab). 142 Die Absorption bewirkt also eine gedämpfte Schwingung. Die Ursache der Dämpfung liegt in der Leitfähigkeit. ≠0 j= E v= j⋅E. Es fließt ein Strom bei bei der Frequenz der elektromagnetischen Welle. Der Stromfluss ist immer mit Joule'scher Wärme verbunden. Die Umwandlung von elektromagnetischer Energie in Wärme zeigt sich in der exponentiell kleiner werdenden Amplitude der Schwingung. Der Imaginärteil des komplexen Brechungsindex steht für die Absorption (kvakκ) und kann als Absorptionskoeffizient α interpretiert werden. (Im Allgemeinen ist der Absorptionskoeffizient = 2 kvakκ, da die Intensität proportional zum Betrag des Poyntingvektors |S| ist.) Wenn ein Material bestimmte Frequenzen absorbiert, ist es in diesem Bereich immer leitfähig für einen Wechselstrom mit diesen Frequenzen. z.B. Glasfilter: grünes Glas - absorbiert rotes Licht und ist in diesem Frequenzbereich auch leitfähig. 143 Die Absorption ist also direkt mit dem komplexen Brechungindex verbunden. Dieser kann auch direkt aus der Dielektrizitätskonstante abgeleitet werden. Damit wird die elektromagnetische Wechselwirkung direkt mit einer Materialeigenschaft in Beziehung gesetzt. n = 2 µ2r 1 r µr 2r µ2r 2 2 2 0 für 0 n r µr 2 µ2r 1 2 2 = −r µr r µr 2 2 2 0 für 0 ● ● =0 Wurzel einer komplexen Zahl ist mehrdeutig, gewählt wird die Lösung für die σ = 0 für ω -> 0 ist. n(ω) heißt Dispersion, starke Abhängigkeit von σ(ω), ε(ω) und eventuell µr(ω). 144 Historisches: Warum eigentlich Telegrafengleichung? Wilhelm Weber und Carl Friedrich Gauß führten 1833 Versuche mit einem elektromagnetischen Telegrafen durch. Im selben Jahr gelang ihnen die erste telegrafische Nachrichtenübertragung vom Physikgebäude in der Göttinger Innenstadt zur Göttinger Sternwarte. Zur Nachrichtenübertragung dienen positive oder negative Spannungspulse, die durch gezieltes Umpolen und Auf- und Abbewegen einer Induktionsspule erzeugt werden. Der entscheidende Durchbruch kam 1837 mit dem von Samuel Morse konstruierten und 1844 verbesserten Schreibtelegrafen. Mit der Verlegung von Seekabeln wurde 1839 begonnen. Nach mehreren Fehlschlägen wurde die erste Verbindung zwischen Europa und Nordamerika 1857/58 eingerichtet. Johann Carl Friedrich Gauß Wilhelm Weber 24. Oktober 1804 in Wittenberg 30. April 1777 in Braunschweig † 23. Februar 1855 in Göttingen † 23. Juni 1891 in Göttingen Samuel Finley Breese Morse 27. April 1791 in Charlestown † 2. April 1872 in New York 145 5.7. Strahlung eines schwingenden Dipoles Ebene Wellen kommen aus ∞ und gehen nach ∞. Was ist ihre Ursache? Wie enstehen elektromagnetische Wellen? Es sind Quellen notwendig: Antenne, Lichtquelle Für Quellen gilt: ̇≠0 wegen ̇div j=0 j≠0 Die Quelle soll sich in Koordinatenursprung bei r = 0 befinden. Außerdem soll wie bisher gelten: = ̇ rot H E =0 div H =−µ ̇ rot E H =0 div E Damit gilt die Wellengleichung ohne Absorption. und H Hertz hat einen Trick gefunden, wie man eine Lösung für E findet, um dann auf ̇ und j im Ursprung zurück zuschließen (Insofern genial, da andere Wege meist nur auf die Fernfelder weit weg von der Antenne kommen.) 146 Hertzscher Hilfsvektor Z : r ≠0 : =rot ̇ H Z Heinrich Rudolf Hertz 22. Februar 1857 in Hamburg † 1. Januar 1894 in Bonn rot rot ̇ Z = ̇ E 1 zeitlich konstantes Feld E = rot rot Z Annahme: für eine ungeladene Antenne (ρ = 0) sei das zeitlich konstantes Feld ≡ 0 = 1 rot rot Z = 1 [grad div Z − E Z] Aus den Maxwellschen Gleichungen und dem Hertzschen Hilfsvektor erhalten wir ̇ = − rot ̈ rot E = − H Z = rot −µ ̈ Z grad =−µ ̈ E Z grad mit beliebigem φ, da rot grad φ ≡ 0. 1 1 grad div Z − Z =− ̈ Z grad 147 nun wird φ so gewählt, dass gilt 1 grad div Z =grad 1 = µ ̈ Z Z = 2 ̈ Z c Man löse nun diese Gleichung für Z und berechne H und E aus 1 =−µ ̈ E Z grad div Z =rot ̇ H Z Eine Lösung wäre natürlich: = Z0 e i k⋅r −t , Z aber diese Lösung erlaubt keinen Rückschluss auf j in der Quelle. r ,t = Z0 e Z Kugelwellen als Ansatz von Hertz: i t−k r r Kugelwellen sind Lösung, falls ω = ck. Die Amplitude von Z (nicht E oder H) ist konstant, falls t=k r r = =c t k Die Amplitude ist konstant auf einer Kugel, deren Radius mit Lichtgeschwindigkeit 148 wächst. Beweis: In Kugelkoordinaten gilt: 2 ∂ 2 = 2 ∂ Winkelableitungen ∂r r ∂r Die Winkelableitungen spielen keine Rolle, da unser Ansatz Z nicht von Winkeln abhängt. r ,t = Z0 e Z [ ∂ Z =− 1 Z 1 −ik Z 0 ei t− kr =− 1 ik Z ∂r r r r 1 1 ∂2 Z = 1 ik 1 ik Z ik Z r r r ∂r2 r2 2 1 1 2 1 ik = ⇒ Z= 2 Z Z− ik Z r r r r Damit erhalten wir: ] i t−k r r 2 = 1 Z 1 ik Z Z 2 r r 1 2 1 1 2 = 1 ik − ik Z Z ik Z − Z =−k 2 Z 2 2 r r r r r =−k Z Z 2 1 ̈ − Z= 2 Z 2 c c 2 = Z 1 ̈ Z ist erfüllt, falls =ck 2 c 149 Berechnung von H: Es gilt: =rot ̇ H Z =i rot Z r ,t = Z0 e Z rot V = rot V −V ×grad [ = −i Z0×grad 1 e it−k r = −i Z0 × −r e i t−kr 1 grad e i t−kr H r r r3 Für den Term mit grad ei(ω t - k r) gilt: it−k r r ] r= x 2 y 2z 2 2 2 2 ∂ e i t−k r =e i t−k r −ik ∂ x y z =−ik e it−k r 1 ∂x ∂x 2 grad e i t−k r ~r 2x −ik it−k r = e x 2 2 2 x y z r Damit erhalten wir für das Magnetfeld: [ ] [ ] =i 0 Z0 × r i k r ei t −k r =i 0 Z0 × r i r r 2 e i t−k r H 3 2 3 3 r r r r Erstes Glied wichtig für r < λ: Nahfeld, Nahzone Zweites Glied wichtig für r > λ: Fernfeld, Fernzone 150 1. Nahzone: Um auf j in der Antenne zu schließen: und nur erstes Glied für H: r0 e −ikr =e −i 2 r 0 ≈e ≈1 =i Z0 × r3 e i t H r wenn wir ein harmonisch veränderliches Z0 einführen it Z0 t = Z0 e r =i Z0 t × r = ̇ H Z t × 0 r3 r3 Nahzone ist nicht nur r < λ, sondern auch ω -> 0, da =2 c / , d.h. wir suchen eine Lösung für niederfrequente Wechselströme, die obiges H liefern. Erinnerung: Biot-Savart: Drahtstück dr' bei r' = 0 erzeugt ein Magnetfeld bei r. r = I d r ' × r dH 4 r3 (sieht überraschend ähnlich aus!) 151 Jetzt kommen wir endlich zu einem Dipol: Q −Q d r ' mit Qt =Q 0 e p =Q d r ' i t i t p t =Q d r ' =Q 0 e d r ' Ursache für zeitlich veränderliche Ladung in einem Volumen ist ein Strom der fließt Id r ' =Q̇ d r ' =̇p t Unsere Lösung entspricht einer mit Wechselstrom gespeisten Dipolantenne, falls ̇pt p ̇ Z 0 t = bzw. Z0= 4 4 Insgesamt gilt für das H-Feld: =i H [ ] [ p0 r ik r ik i t −kr i × 3 2 r e = p0 ei t−kr × 3 2 r 4 4 r r r r p t = p0 e i t p0 e it −kr [ = p0 e = p t− kr = p t− r i t− ] kr [ ] c = i p t− r × r ik r = 1 ̇p t− r × r ik r H 3 2 3 2 c c 4 4 r r r r ] 152 2. Fernzone: 1 1 ik =i ~ ∂ c ∂t c nur zweites Glied r ,t = ik ̇pt− r × r = 1 ̈pt− r × r H c c 4 r 2 4 c r2 H(t) wird verursacht durch einen Strom zu einem früheren Zeitpunkt Die Differenz zeigt Kausalität der Wellenausbreitung mit c. Berechnung von E: t− r c 1 ̈ E=−µ Z grad div Z p Z = 0 1 e i t−kr 4 r Als Übung für Ableitungen sehr zu empfehlen :-) 153 Als Lösung erhält man: [ ] =µ 2 Z − 1 p0 1 ik e i t−kr E 4 r3 r2 1 r r it−kr − p ⋅ r −3 −2 ik e 0 3 4 4 r r 1 1 ik ik r i t−kr − p ⋅ r − e 0 3 2 4 r r r [ [ ] ] Verschiedene Zonen: 2 Fernzone: Mittelzone: Nahzone: (für H war die Nahzone ~ d= Größe der Quelle 2 2 1 k 1 ~ ~ r r r k 2 1 ~ ~ r2 r2 r2 1 ~ 3 r d ≪≪r d ≪r~ d ≪r≪ 1 1 ~ und Fernzone ) 2 r r 154 Im folgenden Teil wird nur die Fernzone diskutiert (Nah- und Mittelzone sind allerdings wichtig für Geophysik oder Nahfeldmikroskopie) 1 p0⋅r r 2 i t−kr 2 E r ,t =µ Z − k e 3 4 r mit 2 2 2 k = 2 = µ c p0 e i t−kr Z = 4 r [ 2 µ i t−kr p0 r⋅r p0⋅r r E r ,t = e − 3 3 4 r r Es gilt: ] r × p0×r = p0 r⋅r −r r⋅ p 0 2 µ 1 r , t= E e i t−kr 3 [ r × p0 ×r ] 4 r 155 Wie früher gilt: r i t− r it−kr c p t = p0 e p t− = p0 e = p0 e c r r 2 ̈pt− =− p t− c c it Als Ergebnis für die Fernzone erhalten wir: r ,t = 1 ̈p t− r × r H 4 c c r2 r , t= 1 r × r × ̈pt− r E 4 r 3 c Für elektromagnetische Wellen haben wir bereits einen Zusammenhang zwischen E und H hergeleitet. E r ,t =µc H ×r =µc H ×e r 156 Nachfeld wird beeinflusst durch Ladungen und Ströme der Quelle. Die elektrischen Feldlinien bei der Quelle folgen den Schwingungen der Ladungen. i t p t = p0 e 157 Das Fernfeld wird nur durch die gegenseitige Induktion bestimmt. 158 159 Winkelbeziehungen: E =0 r⋅ =0 r⋅H ⋅H =0 E } stehen senkrecht aufeinander Für den Poynting-Vektor folgt: 1 r r S= ̈ p t − ×r ] [ c 16 r c A× = − C A⋅B B ×C B A⋅C S= E ×H = c H ×r × H = c H⋅ H r r r 2 5 2 ∣ S∣~ r 4 2 2 sin ̈p Die Energie verteilt sich auf immer größere Kugelflächen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. 160 Zusammenfassung ● Elektromagnetische Wellen können durch eine Dipolantenne (schwingendes Ionenpaar = schwingender Dipol) erzeugt werden. ● Die elektromagnetischen Felder nehmen für große Entfernungen mit 1/r ab. ● Die Ausbreitung der Wellen erfolgt mit Lichtgeschwindigkeit. ● Längs der Dipolachse findet keine Abstrahlung ab, Maximum der Abstrahlung ist senkrecht zum Dipolmoment. H-Feld: Dipolmoment entlang der z-Achse, θ sei Winkel zur z-Achse - konzentrische Kreise um den Dipol - |H| wird mit sinθ schwächer (Null für θ=0,π) ● E-Feld: tangential zu den Längenkreisen - Für θ=0,π ist E in der Fernzone Null, d.h. die Terme der Nah- und Mittelzone werden wichtig. Diese Terme sind die Ursache für das Abbiegen der elektrischen Feldlinien. ● Magnetfelder sind mit den Wirbeln der elektrischen Felder und umgekehrt verknüpft. http://www.mikomma.de/fh/eldy/hertz.html 161 Zusammenfassung ● Eine Dipolantenne empfängt das elektrische Feld, Sender und Empfänger sollten parallel zueinander stehen, Das Magnetfeld kann über das Faraday'sche Induktionsgesetz genutzt werden (Ferritantenne, durch viele Wicklungen um einen Ferritkern kann die induzierte Spannung vergrößert werden.) Da die elektrische und magnetische Energiedichte gleich ist, sind diese Antennen gleichwertig. ● Der Poyntingvektor gibt die Energieabstrahlcharakteristik. Die Energie verteil sich auf immer größere Kugelflächen, die sich mit c ausbreiten. 4 2 ∣s∣~ 2 sin r Die Frequenzabhängigkeit in der 4. Potenz ist Ursache für die historische Entwicklung Langwelle -> Mittelwelle -> Kurzwelle -> UKW. 162 Jede beschleunigte Ladung strahlt elektromagnetische Wellen ab. Id r ' =Q̇ d r ' =̇p t Für eine Punktladung ρ=qδ(r-r0) ergibt sich: I d r =∫ j⋅d f d r =∫ v⋅d V =∫ q r −r0 v⋅d V =q v =̇p t ̈pt = q ̇v Anwendungen/Bedeutung: ● ● ● Atommodell Röntgenbremsstrahlung Synchrotronstrahlung = sehr breites, kontinuierliches Spektrum vom infraroten über den sichtbaren Spektralbereich, ins ultraviolett bis tief in den Bereich der Röntgenstrahlung mit hoher Strahlungsintensität 163 ● ● Freier-Elektronen-Laser (einer von 21 weltweit in 2006 ist in Rossendorf bei Dresden) Rayleigh-Streuung ist die Streuung elektromagnetischer Wellen an Teilchen, die klein im Vergleich zur Wellenlänge λ der Wellen sind. Der Streuquerschnitt ist proportional zur vierten Potenz der Frequenz. Blaues Licht wird stärker gestreut als rotes. Dieser Effekt ist für die blaue Farbe des Himmels bei hohem Sonnenstand, sowie für die rote Farbe bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang verantwortlich. 164