40 Architektur und Design Menschen im Hafen Ralf Die horizontalen Ebenen sind in zwei Brückenriegel aufgeteilt, wobei das erste Richtung Rhein auskragende Obergeschoss das wichtigste ist. Dieses OG, von außen erkennbar an den Aluminiumpaneelen, bildet die Abfangebene, um die „Brückenlast“ aufzunehmen. Dort befinden sich 6 Stahlbetonträger, die 3 Meter hoch, über 1 Meter breit und 48 Meter lang sind. In jedem der Träger verlaufen mehrere Spannglieder, die eine Vorspannung ermöglichen. Zusammen mit der Decke und dem Boden bilden diese vorgespannten Träger einen Hohlkasten, der in der Lage ist, die darüberliegende Last der weiteren Geschosse aufzunehmen und abzuleiten. Soweit, so gut. Nun steht rheinseitig in 32 Meter Entfernung vom „großen Stempel“ der kleine Bruder: ein verglaster Turm mit einem weiteren Treppenhaus und Panorama-Aufzügen. Dieser „kleine Stempel“ bildet zum einen den erforderlichen zweiten Rettungsweg, denn laut Landesbauordnung muss von jeder Stelle eines Aufenthaltsraums „ein notwendiger Treppenraum oder ein Ausgang ins Freie in höchstens 35 Meter Entfernung erreichbar sein“. In erster Linie aber hat der 37 Meter hohe „kleine Stempel“ eine tragende Funktion. Im Inneren dienen zwei Stützen im Achsabstand von fünf Meter als Auflager für eine darüber stehende Querwandscheibe. In diese ebenfalls vorgespannte Wand münden nun die sechs Stahlbetonträger. Die Last wird dort gebündelt und über die beiden Stützen in die Gründung abgeleitet. Die restlichen 16 Meter ragen die Stahlbetonträger dann freitragend in Rheinrichtung. Dreigestirn von internationalem Interesse Ein Blick auf die benachbarte Severinsbrücke offenbart die Verspannungen einer Brückenkonstruktion. Die Kranhäuser besitzen ebenfalls solche Verspannungen, nur dass sie sich, von außen unsichtbar, in der Abfangebene und in der Querwandscheibe befinden. Da keine Abstellräume im Keller zur Verfügung stehen, nutzt man in der Abfangebene die Hohlräume zwischen den Stahlbetonträgern in den Bürogebäuden als Archivräume. Im „Pandion Vista“ dienen diese Zwischenräume als Keller-Ersatzraum. So kommt es, dass der modernste Keller Kölns hochwassergeschützt in über 30 Meter Höhe liegt! Wie beim „richtigen“ Dreigestirn sind auch die Kranhäuser optisch unterschiedlich. Während die Glasfassade von „Kranhaus 1“ einschalig ausgeführt wurde, besitzt das „Kranhaus Süd“ eine Doppelfassade. Einen deutlicheren Unterschied gibt es bei „Pandion Vista“: Hier wird die Fassade durch versetzt angeordnete Balkone und Loggien strukturiert. Auch die Anzahl der Geschosse ist im Wohnkranhaus unterschiedlich: Mit 17 Obergeschossen sind bei gleicher Höhe drei Ebenen mehr entstanden als bei den Bürogeschwistern. Ein weiterer Unterschied: Während in den Bürostandorten zwischen den beiden Brückenriegeln eine Öffnung vorhanden ist, befindet sich an dieser Stelle im „Pandion Vista“ ein Atrium mit Wasserbecken und Garten! Ob „gewaltig“ „elegant“ „spektakulär“: man mag sie oder auch nicht. Aber eins ist sicher: Der Bekanntheitsgrad vom „Dreigestirn“ reicht schon weit über die Kölner Stadtgrenzen hinaus! ❚ Ralf rheinau Hafenmagazin 1 | 2010 Sanierung im Bestand Von Mauerkronen und Wölfen Text und Fotos: Detlef Stephan Gebäude erzählen Geschichten und ein jedes hat beachtenswerte und häufig erst noch wiederzuentdeckende Details, die ihm Wert geben und es als Zeugnis erkennbar halten. Das Einfügen neuer Nutzungen oder Veränderungen hat Gebäude jeder Epoche geprägt und steht dem nicht im Wege. W enn wir heute durch unsere Städte gehen, begegnen wir ständig baulichen Spuren und Zeugen vergangener Zeiten. Europa ist Kulturland. Und so stellt sich manches Mal die Frage, wie alt ein Gebäude sein mag und wie dieses Bauwerk zu so frühen Zeiten mit so wenigen Hilfsmitteln gelingen konnte. Die meisten historischen Gebäude hier zu Lande stammen aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Antike Gebäude wie die Porta Nigra in Trier, das Ubiermonument oder der Römerturm in Köln, sind selten. Diese uns täglich begegnenden Gebäude und Ruinen verraten viel über ihre Entstehung, über die verwendeten Werkzeuge sowie über die Menschen und ihren Alltag. Die erste Wahrnehmung gilt meist der Fassade, also den Außenwänden, auf denen in der Regel der Dachstuhl – das Gebälk – aufgelagert ist. Das obere Ende der Wandscheiben ist die Mauerkrone. Bei nicht überdeckten Außenwänden soll die Mauerkrone die darunter liegende Mauer vor eindringender Feuchtigkeit schützen. Dazu werden bei Natursteinmauern nach Möglichkeit größere, flachere Steinformen benutzt und die Anzahl der Fugen möglichst gering gehalten. Bei Backsteinmauerwerk wird häufig eine Rollschicht – quer und möglichst leicht geneigt gelegte Steine mit der gebrannten, glatten Seite nach oben – zum Schutz benutzt. Bei aufliegenden Dachstühlen muss die Mauerkrone die Lasten aus dem Dach über die Wand nach unten abführen und hierfür so sorgsam ausgeführt werden, dass das untere Querholz des Dachstuhls – die so genannte Fußpfette – die Lasten übertragen kann. Auch historische Gebäude erreichen beeindruckende Höhen und die Quadersteine des Mauerwerks sind groß und schwer. Wie sind diese schweren Steine dahin gekommen? Wie haben die Menschen in der Vergangenheit dieses technische Problem gelöst? Dass man schon früh verstand, Kräne zu bauen, ist jedem Kölner bekannt. Stand doch auf dem Südturm des Doms jahrhundertelang bis zur Domvollendung ein Kran, der die Silhouette des Gebäudes geprägt hat. In der Regel haben die Baumeister dieser Zeit Tretradkräne eingesetzt. Sie wurden von Menschen betrieben, die im Laufrad von Sprosse zu Sprosse liefen und mit ihrem Eigengewicht das Laufrad zum Drehen brachten. Platziert wurden sie auf den Deckenbalken oder – soweit vorhanden – sehr stabilen Turmwänden. Einfache Außenwände reichten für diese Last in der Regel nicht aus. Am Quadermauerwerk, das es zu heben galt, finden sich oft kleine Löcher oder verschmierte Stellen ehemaliger Löcher. Viele historische Bauten, deren Steinfassade heute das optische Bild prägen, waren ursprünglich verputzt. Daher bildeten die Transportlöcher zur Zeit der Errichtung kein optisches Problem. Heute sind viele historische Steinbauten jedoch steinsichtig geworden und die Transportlöcher sichtbar. Diese Löcher weisen darauf hin, dass hier mit einer Steinschere gehoben wurde. Die Steinschere, auch Steinzange oder Teufelskralle genannt, diente im Mittelalter zum Steintransport mit Seilen an Kranen. Die Schere greift in zwei vor dem Transport geschlagene Löcher. Der hebende Kranhaken zieht die Enden zusammen und die Last nach oben. > Der Autor Dipl.-Ing. Detlef Stephan führt das Architekturbüro Detlef Stephan Ingenieurgesellschaft mbH im Rheinauhafen, das auf die Sanierung im Bestand spezialisiert ist. Schwerpunkte sind hierbei auch die Kosten- und Terminsteuerung in der Sanierung sowie Umbauten im laufenden Betrieb. Wettbewerbe und Neubauaufgaben runden das Portfolio ab. Detlef Stephan ist Auditor der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen und Mitglied u. a. im Zentral-Dombau-Verein zu Köln und im Förderverein Romanische Kirchen Köln e. V. rheinau Hafenmagazin 1 | 2010 41 42 Menschen im Hafen Eine andere Transportmöglichkeit war eine Befestigung an drei Punkten. Auf der einen Seite wurde eine Vertiefung in den Werkstein eingearbeitet, auf zwei anderen Seiten verblieb eine Bosse. Die Bosse ist eine Art Nase, die es ermöglicht, ein Seil um sie zu schlingen. Sie verhinderte, dass der Stein unerwünschte Seitenbewegungen ausführen konnte. Die Befestigung erfolgte mittels Seil und Haken. Die Bosse wurde meist nach dem Versetzen abgeschlagen, damit beim Versetzen weitere Steine dicht anschließen konnten. In einigen Kirchen jedoch finden sich beispielsweise Säulen, an denen die Bosse sichtbar geblieben ist, auch um beim Abschlagen die Oberfläche nicht zu beschädigen. Ein weiteres Lastaufnahmemittel für Werksteine ist der Wolf. In den zu transportierenden Stein haben die Arbeiter ein zweiseitig, schwalbenschwanzförmiges Loch geschlagen. Anschließend wurden Passstücke und der so genannte rheinau Hafenmagazin 1 | 2010 Menschen im Hafen Kloben eingelegt. Das Wolfsloch musste exakt geschlagen werden und nach dem Einlegen des Wolfs mussten verbleibende Hohlräume mit fein gesiebtem Sand verschlossen werden. Beim Anheben des Steins verspreizte sich der Wolf in den Stein. Es war mit diesen Gerätschaften möglich, Lasten bis ungefähr zwei Tonnen anzuheben. Diese historischen Transport- und Hebetechniken leben bis heute fort. Moderne Techniken und Maschinen verwenden gleiche oder sehr ähnliche Prinzipien, um am Bau Lasten zu heben oder zu transportieren. An den behauenen und verbauten Steinen erkennt man überdies oft Kennzeichnungen – die Steinmetzzeichen. Die wahrscheinlichste Erklärung für die Steinmetzzeichen ist, dass durch die Zeichen ein behauener Stein als das Werk eines bestimmten Steinmetzen (oder einer Werkstatt) erkennbar war und dies für die Abrechnung der gelieferten Werksteine benötigt wurde. Der Steinmetz stapelte die gefertigten Quader auf und bei der Steinaufnahme am Zahltag erhielt z. B. die ganze oberste Schicht das Zeichen. Häufig finden sich auch so genannte Versatzzeichen und Höhenschichtenzeichen. Sie erfüllten rein baulich bedingte Aufgabe. Meist wurden sie aus Zahlen, Buchstaben und einfachsten geometrischen Formen gebildet, um die Reihenfolge beim Versetzen der Steine zu bestimmen. Die künstlerische Ausgestaltung der Steinmetzzeichen fehlt oft. Referenzprojekte Historische Techniken in der Sanierung Auch in der Sanierung jüngerer Gebäude und im Neubau spielen die bereits in frühen Zeiten entwickelten Techniken eine bedeutende Rolle, wenn auch die Arbeitstechniken vielfältig variiert und weiterentwickelt wurden. Wurden früher beispielsweise die ersten mechanischen Metallverbindungen zwischen Natursteingebinden (Dorne) noch mit Blei vergossen, um diese dauerhaft zu machen, bevorzugen wir heute Edelstahl. Die Kenntnis der althergebrachten Techniken ist für die Handwerker, aber auch für die Architekten grundsätzliches Rüstzeug. Diese gilt es mit neuen Verfahren, die beispielsweise den geänderten Wärmeschutz- und Ausführungsbestimmungen Rechnung tragen, zu kombinieren und in einen sinnvollen Einklang zu bringen. In der Praxis haben wir häufig festgestellt, dass ohne ein gründliches, spezifisches Fachwissen der Beteiligten keine hinreichende Beherrschung der anstehenden Fragestellungen sichergestellt ist. Hier sind ausgewiesene Fachleute mit langjähriger Erfahrung erforderlich. Durch allzu häufig unzulängliche Fachkenntnisse steigt das Risiko der leidigen „unvorhergesehenen“ Kosten. Um dieses zu minimieren, sind – am besten im Vorfeld – Inaugenscheinnahmen durch qualifizierte Experten und angemessene Voruntersuchungen notwendig. Sie machen Bauzustände erkennbar, analysieren die Konstruktion, betrachten die Bauphysik und führen zu sinnvolleren Lösungen, als es eine Betrachtung auf dem Papier vermag. Das betreuende Architekturbüro muss für diese Untersuchungen fachgerecht gerüstet sein. Die Detlef Stephan Ingenieurgesellschaft mbH verfügt z. B. über Infrarotkameras, Messgeräte für Raumfeuchte, Materialfeuchte, Raumluft oder relative Feuchte. So kann das Gefüge bestimmt werden, aber auch die Wärmebilderfassung von Oberflächen, Endoskopie und einiges mehr sind möglich. Die Kosten für diese wichtigen Untersuchungen sind häufig erstaunlich gering. Die Kosten für „Unvorhergesehenes“ sind dagegen meist erschreckend hoch. Die Erkenntnisse hieraus geben Ihnen für Ihre Bestandsimmobilie Kosten- und Planungssicherheit und sind wichtige Grundlage unserer Planung. Überdies ermöglicht die technische Ausstattung die qualifizierte Kontrolle der Bauausführung. ❚ Sprechen Sie uns auf Ihre Probleme und Wünsche an. Detlef Stephan Architekten Ingenieurgesellschaft mbH Agrippinawerft 16-18, 50678 Köln, Telefon: 0221 33677-30, Fax: 0221 33677-55, E-Mail: [email protected], Internet: www.stephan-architects.com rheinau Hafenmagazin 1 | 2010 43