MVZ für MolekularDiagnostik Zentrum für Molekulare Medizin – München FACHINFORMATION Personalisierte Medizin beim Brust- und Ovarialkarzinom: Keimbahnanalyse auf BRCA1- und BRCA2-Mutationen Die moderne Molekulardiagnostik ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil der personalisierten Medizin. Erkrankungswahrscheinlichkeiten werden ermittelt und Krankheitsverläufe oder das Ansprechen auf eine Therapie vorhergesagt. Vorsorge und Therapie sind für jeden Patienten individuell anpassbar. Erkrankungen werden früher erkannt oder sogar vermieden und Therapieentscheidungen mit moderner Companion Diagnostik sicher getroffen. Hintergrund Brustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Etwa 10 % der Erkrankungen sind erblich bedingt und ein großer Teil auf eine Mutation in den Hochrisikogenen BRCA1 oder BRCA2 zurückzuführen. BRCA1 und BRCA2 sind Tumorsupressorgene, die autosomal dominant mit inkompletter Penetranz vererbt werden. Mutationen in diesen Genen können das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs drastisch erhöhen. Insgesamt findet sich bei ca. 5 % aller Mammakarzinom Patientinnen eine Keimbahnmutation in einem dieser Gene. Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom sind mit bis zu 24 % von einer BRCA-Keimbahnmutation betroffen. Das Wissen um den Mutationsstatus ermöglicht bei bereits Erkrankten eine gezielte personalisierte Therapie (z.B. mit PARP-Inhibitoren). Bei noch nicht Erkrankten die gezielte Vorsorge zur frühen Diagnose von Tumorerkrankungen und die Durchführung präventiver Maßnahmen zur Senkung des Krebsrisikos. Risiken für Mutationsträger BRCA1-Mutationsträgerinnen haben ein Lebenszeitrisiko von bis zu 87 % an einem Mammakarzinom und bis zu 64 % an einem Ovarialkarzinom zu erkranken. Bei BRCA2Mutationsträgerinnen werden die Risiken auf bis zu 57 % für ein Mammakarzinom und 27 % für ein Ovarialkarzinom beziffert. Neben dieser massiven Fachinformation BRCA Keimbahnanalyse Risikoerhöhung erkranken Trägerinnen einer BRCAMutation im Durchschnitt 20 Jahre früher als Patientinnen mit einem sporadischen Mammakarzinom und haben ein deutlich höheres Risiko für ein kontralaterales Mammakarzinom (kumulatives Risiko von 48 %). Mit einer BRCA1-Mutation assoziierte Mammakarzinome zeichnen sich häufig durch eine aggressive Tumorbiologie aus. So sind ca. 66 % schlecht differenziert, bis zu 80 % Hormonrezeptor negativ und über 90 % HER-2 negativ. Klinische Konsequenzen Personalisierte Therapie beim Mammakarzinom Die Kenntnis des BRCA-Status spielt unterdessen eine wichtige Rolle für die Therapieentscheidung beim Mammakarzinom. Mehrere Studien zeigen ein geringeres Ansprechen auf Vincaalkaloide und Taxane. Demgegenüber steht eine höhere Sensitivität auf DNAinterkalierende Substanzen wie Platinderivate. So lassen sich individuelle Therapie-Anpassungen erreichen. Personalisierte Therapie beim Ovarialkarzinom Beim Ovarialkarzinom besteht die Standardchemotherapie oft aus der Kombination zytoreduktiver Operation und Platin-basierter Chemotherapie. Dabei besteht ein signifikantes Risiko für das Auftreten von Resistenzen und Rezidiven. Im Dezember 2014 hat die Europäische Zulassungsbehörde nun den ersten PARP (Poly(ADP)-Ribose) Polymerase1)-Inhibitor Olaparib (Lynparza®) für die Rezidivtherapie des BRCA-mutierten high-grade serösen Ovarialkarzinoms zugelassen. Das PARP-Protein ist an der Reparatur von DNAEinzelstrangbrüchen beteiligt. Der Wirkstoff Olaparib bindet an DNA-assoziierte PARP, so dass dieses Enzym nicht mehr von der DNA dissoziieren kann. Das führt zu Dopperlstrangbrüchen der DNA während der Zellreplikation. Diese Schäden können normalerweise durch homologe Rekombinationsreparatur behoben werden, für die die BRCA-Genprodukte essentiell sind. Sind auch diese Proteine inaktiv, weil z.B. ihre Gene durch eine Mutation verändert sind, können DNA- 1 Schäden der Tumor-Zellen nicht mehr ausreichend repariert werden, was letztendlich zu genomischer Instabilität und damit zum Absterben der Krebszellen führt. Mit der Zulassung des ersten PARP-Inhibitors erhält der BRCA-Status eine neue Bedeutung zur Vorhersage des Ansprechens auf eine medikamentöse Therapie und die BRCA Analyse ist als Companion Diagnostic Voraussetzung für diese Therapieoption. Bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation verlängert Olaparib das progressionsfreie Überleben signifikant. Die Zulassung erstreckt sich sowohl auf Keimbahnmutationen als auch auf somatische Mutationen. HINWEIS: Etwa 14 % aller epithelialen Ovarialkarzinome tragen eine BRCAKeimbahnmutation. Weitere 8 bis 9 % haben eine auf den Tumor beschränkte somatische Mutation. Die Keimbahn BRCA-Analyse identifiziert ausschließlich erbliche Sequenzvariationen. Die Analyse von Tumorgewebe erlaubt zusätzlich die Identifikation von somatischen Mutationen. Im Vergleich zur Keimbahn-Testung werden so bis zu 44 % mehr Patientinnen mit BRCA1/ BRCA2-Mutation identifiziert, die von einer PARP-Inhibitor Therapie profitieren können. Beide Testarten werden im Zentrum für molekulare Medizin in München angeboten. Intensivierte Früherkennung Bei einer intensivierten Früherkennung sind die Ziele die Erkennung von Frühstadien, das Vermeiden von Intervallkarzinomen und damit letztendlich die Senkung der Mortalität. Dabei müssen die spezifischen Patientencharakteristika der Mutationsträgerinnen beachtet werden. Es handelt sich häufig um junge Patientinnen mit meist dichtem Drüsengewebe und oft aggressiven Tumoren. Weltweit wird deshalb das MRT als komplementäre Bildgebung eingesetzt. In Deutschland erhobene Daten zeigen, dass bei 24.000 Untersuchungen von Hochrisikopatientinnen 90 % der Mammakarzinome im MRT diagnostiziert und davon 30 % ausschließlich im MRT erkannt wurden. Vor allem bei BRCA2Mutationsträgerinnen ist die Mammogra- 2 phie jedoch wegen eines hohen Anteils an DCIS weiterhin zusätzlich indiziert. Die aktuell empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen bei Hochrisikopatientinnen sind: Zum Nachweis früher Tumorstadien - Ärztliche Tastuntersuchung >=25 Jahre halbjährlich - Ultraschall >=25 Jahre halbjährlich - Mammographie >=40 Jahre 1-2jährlich - MRT >=25 Jahre jährlich Prophylaktische Chirurgie Die prophylaktische Mastektomie senkt das Risiko für ein Mammakarzinom bei gesunden BRCA1- und BRCA2- Mutationsträgerinnen um 95 %. Deshalb sollte diese Möglichkeit positiv getesteten Patientinnen ergebnisoffen angeboten werden. Bei der Beratung einer bereits einseitig erkrankten Patientin bezüglich einer kontralateralen Mastektomie sollte neben dem Erkrankungsalter unbedingt auch die Prognose der Ersterkrankung berücksichtigt werden. Die bilaterale prophylaktische Adnektomie senkt das Risiko für ein Ovarialkarzinom um 97 %. Ob auch das Risiko für ein Mammakarzinom gesenkt werden kann, wie in älteren Studien beschrieben, wird derzeit kontrovers diskutiert. Die Gesamtmortalität kann durch den Eingriff um 60 % gesenkt werden. Auch angesichts des Fehlens effizienter Früherkennungsuntersuchungen für das Ovarialkarzinom wird deshalb die prophylaktische bilaterale Adnektomie ab dem 40. Lebensjahr nach abgeschlossener Familienplanung ausdrücklich empfohlen. Nach dem Eingriff kann eine Hormonersatztherapie über einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden, ohne dass dadurch der Effekt der Risikoreduktion für ein Mammakarzinom aufgehoben wird. Medikamentöse Prävention Eine medikamentöse Prävention mit Tamoxifen ist in Europa außerhalb von Studien bis jetzt nicht zugelassen. In Studien konnte aber gezeigt werden, dass die Einnahme von Tamoxifen über 5 Jahre bei Hochrisikopatientinnen (d.h. mit nachgewiesener BRCA-Mutation Fachinformation BRCA Keimbahnanalyse MVZ für MolekularDiagnostik Zentrum für Molekulare Medizin – München oder einem verbleibendem Erkrankungsrisiko von ≥30 % oder einem Heterozygotenrisiko von ≥20 %) das Risiko für ein Mammakarzinom um >40 % senkt. Allerdings fehlen spezifische prospektive Daten für BRCAMutationsträgerinnen. fehlen zudem, auch allen Ovarialkarzinom-Patientinnen eine genetische Testung anzubieten. Durch den Nachweis einer Mutation können beim Ovarialkarzinom neue, innovative Therapien eingesetzt werden. Die somatische Mutationstestung beim Ovarialkarzinom kann unabhängig von diesen Kriterien erfolgen. Indikation zur genetischen Diagnostik Eine familiäre Häufung von Krebserkrankungen ist immer ein Hinweis auf eine erbliche Prädisposition, ebenso auch ein frühes Erkrankungsalter. Eine genetische Diagnostik wird im Allgemeinen ab einem Mutationsrisiko von 10 % angeboten. Nach den Empfehlungen der AGO-Kommission Mamma gelten folgende Indikationskriterien für die Testung: Familien mit (je aus einer Familienseite) – mindestens drei an Brustkrebs erkrankten Frauen unabhängig vom Alter • mindestens zwei an Brustkrebs erkrankten Frauen, von denen eine vor dem 51 Lebensjahr erkrankt ist • mindestens einer Brust- und einer an Eierstockkrebs erkrankten Frau – mindestens einer an Brust- und Eierstockkrebs erkrankten Frau – mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankten Frauen • mindestens einer an beidseitigem Brustkrebs erkrankten Frau mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Lebensjahr • mindestens einer an Brustkrebs erkrankten Frau vor dem 36. Lebensjahr • mindestens ein an Brustkrebs erkrankter Mann und mindestens ein/e weitere/r Erkrankte/r an Brust- oder Eierstockkrebs Unabhängig von der Familienanamnese gilt darüber hinaus die Empfehlung, allen Patientinnen mit einem tripel-negativen Mammakarzinom unabhängig vom Alter eine Testung anzubieten, wenn die Therapieentscheidung dadurch beeinflusst werden kann. Die AGO Österreich sowie die amerikanischen Leitlinien emp- Fachinformation BRCA Keimbahnanalyse Genetische Beratung Bei einer diagnostischen genetischen Untersuchung (Patient ist bereits erkrankt) soll nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses eine genetische Beratung angeboten werden. Bei einer prädiktiven genetischen Untersuchung (Ratsuchender ist nicht erkrankt) ist eine genetische Beratung vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Ergebnisses anzubieten. Ablauf diagnostische genetische Untersuchung Aufklärung Einwilligung Untersuchung Ergebnismitteilung und ggf. Beratung Beratungsangebot sollte nach §10 GenDG unterbreitet werden. Bei einem klinisch relevanten Befund ist die genetische Beratung anzubieten. Ablauf prädiktive genetische Untersuchung Aufklärung Beratung Einwilligung Untersuchung Ergebnismitteilung und Beratung Beratung ist nach §10 GenDG vor und nach der Untersuchung anzubieten*. * Die genetische Beratung im Zusammenhang mit einer prädiktiven genetischen Untersuchung darf entfallen, wenn die betroffene Person nach vorheriger schriftlicher Information über die Beratungsinhalte auf die genetische Beratung schriftlich verzichtet. Die genetische Beratung wird in unserem Zentrum für molekulare Medizin angeboten. Bei Bedarf steht darüber hinaus auch eine psychoonkologische Betreuung zur Verfügung. 3 MVZ für MolekularDiagnostik Zentrum für Molekulare Medizin – München Anforderung Eine genetische Analyse darf jeder Arzt anfordern. Zur Anforderung der BRCA Analyse stellen wir Ihnen Proben-Versandboxen mit allen notwendigen Unterlagen zur Verfügung. Für die Keimbahnanalyse aus Blut benötigen wir: • Testanforderung BRCA Analyse • Einwilligung zur molekulargenetischen Untersuchung gemäß GenDG • Überweisungsschein Muster 10 (Ausnahmekennziffer: 32010; Diagnose: Verdacht auf erblichen Brust- und/oder Eierstockkrebs) oder Angaben zu privat versicherten Patienten • Bei Überweisung zur genetischen Beratung zusätzlich Überweisungsschein Muster 6 Die Zuweisung zur genetischen Testung kann durch jeden Facharzt erfolgen. Eine genetische Beratung im Vorfeld ist nur bei nicht erkrankten Ratsuchenden verpflichtend anzubieten. Unser Team aus Humangenetikern steht gern für die genetische Beratung auch zur Befundmittteilung zur Verfügung. Proben-Material 7 ml EDTA Blut Methode Keimbahn-Testung Die Analyse umfasst die Sanger Sequenzierung aller kodierenden Exons und benachbarter Intronregionen (mindestens -20/+10 bp ins Intron) des BRCA1- und BRCA2-Gens in und gegen die Leserichtung (engl. Forward and Reverse Sequencing). Außerdem wird eine Large Rearrangement Analyse (engl. Multiplex ligation-dependent probe amplification, Abk.: MLPA) aller BRCA1- (OMIM-Nr. 113705 GenBank Nr. U14680) sowie BRCA2- (OMIM-Nr. 600185 GenBank Nr. U43746) Exons durchgeführt. Pathogene Sequenzvariationen werden in einer zweiten unabhängigen Sanger Sequenzierung verifiziert. Große Umlagerungen über mehrere Exons werden in einer zweiten MLPA Analyse bestätigt, Umla- gerungen innerhalb eines Exons entweder durch quantitative multiplex PCR, vergleichende genomische Hybridisierung mittels MicroarrayAnalyse (engl. Microarray Comparative Genomic Hybridizationm, Abk.: microarray-CGH) oder Long-Range PCR. Tumor-Testung Die Analyse umfasst die NGS Sequenzierung aller translatierten Exons und anschließender Intron-Regionen der BRCA1-/BRCA2- Gene, sowie großer Umlagerungen aller Exons der Gene BRCA1 (OMIM 113705/ GenBank Eintrag U14680) und BRCA2 (OMIM 600185/ GenBank Eintrag U43746). Pathogene Sequenzvariationen werden in einer zweiten Sequenzierung verifiziert. Die minimale Sequenziertiefe für ein berichtetes Ergebnis ist 50. Für die eingesetzte Analysemethode konnte gezeigt werden, dass Keimbahnmutationen der Gene BRCA1 und BRCA2 (auch große Umlagerungen) im Tumor nachgewiesen werden. Die Klassifikation und Interpretation aller Varianten, die bei der Untersuchung gefunden werden, werden entsprechend dem neuesten Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Erstellung des Befundes interpretiert. In über 97% aller Fälle wird eine klare Aussage zur Krankheitsrelevanz einer gefundenen genetischen Veränderung getroffen: damit fallen häufige „unklare“ Befunde und damit klinisch nicht nutzbare Ergebnisse der BRCATestung weitestgehend weg. Ändert sich die Klassifikation und Interpretation einer Variante auf der Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, erfolgt automatisch ein erneuter schriftlicher Befund an den beauftragenden Arzt. Dauer der Untersuchung Das Testergebnis steht in der Regel innerhalb von 10 Tagen zur Verfügung. Somit bleibt ausreichend Zeit bei einer anstehenden Therapie-Planung bei Betroffenen und die psychisch belastende Wartezeit für die Patientin wird erheblich verkürzt. Candidplatz 13 • 81543 München • Tel. +49 (0) 89 809 115 780 • Fax. +49 (0) 89 809 115 790 • [email protected] 4 Fachinformation BRCA Keimbahnanalyse