 
                                Herzerkrankungen bei Frau und Mann – Gibt es Unterschiede? Kassenärztliche Vereinigung Thüringen Dr. med. Jana Boer Internistin/Kardiologin Anger 81 99084 Erfurt Gendermedizin Interdisziplinärer Forschungsansatz  Gender: Prägung von Frau und Mann durch soziales Umfeld , Umwelt und Einzelerfahrung als Individuum Sex: biologische Ausrichtung aufgrund seiner Erbanlagen und Geschlechtsorgane 2 Gendermedizin  Untersucht geschlechtsspezifische Unterschiede einer Erkrankung in Bezug auf Symptome, Diagnostik und Therapie  Einflüsse: Chromosomen Geschlechtshormone Sexualverhalten gesellschaftlich geprägte Rolle 3 Lebenserwartung der Geschlechter Industrienationen: Frau 7 Jahre länger Entwicklungsstaaten: Frau 4 Jahre länger ( WHO –Bericht 2001) 4 Lebenserwartung in europäischen Ländern für Menschen im Jahr 2008 geboren 90 Lebenserwartung in Jahren Frauen Männer 80 70 60 EU-27 Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Italien Portugal England Schweiz 5 KHK- Koronare Herzerkrankung Vorliegen eines Missverhältnisses von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf am Myokard, aufgrund einer Engstellung des Herzkranzgefäßes durch Kalkablagerung und/oder Bildung eines Blutgerinnsels Häufigkeit koronarer Herzerkrankung in Deutschland In Deutschland leiden 2,34 Mio. Frauen und 3,16 Mio. Männer an koronarer Herzkrankheit (KHK) 7 Herz-Kreislauferkrankungen an erster Stelle der Todesursachenstatistik  Laut statistischem Bundesamt: 47% aller Todesfälle  Krebserkrankungen 25% aller Todesfälle  In Deutschland  Pro Jahr sterben 65.000 am Herzinfarkt davon 55 % Frauen 8 9 Herzinfarkt = Myokardinfarkt Definition: Absterben von Herzmuskelgewebe durch Aufplatzen einer verkalkten Gefäßwand und Auflagerung eines Blutgerinnsels Koronare Herzerkrankung und Herzinfarkt  Frauen bei erstem Infarkt ca. 8-10 Jahr älter  Frühe Prähospitalsterblichkeit und Hospitalsterblichkeit höher als bei Männern  Im ersten Jahr nach Infarkt sterben 25 % Männer und 38% Frauen ! 11 Koronare Herzerkrankung  Makrovaskulär (große Gefäße betroffen)  Mikrovaskulär(kleine Gefäße betroffen):  typische Angina pectoris (Schmerzen) ohne Nachweis von Stenosen im Herzkatheter  30 % aller Patienten mikrovaskuläre Störung, davon 50 % Frauen  Pathologien in der Wandspannung oder mikrovaskuläre Störungen  z.B. auch nicht beschwerdefreie Patienten nach PCI 12 Pathophysiologie der MCD • Generalisierte Erkrankung der Herzkranzgefäße • Verminderte Autoregulation der kleinen Gefäßabschnitte im Myokard • Verminderte NO-Sekretion des Endothels 13 Auch Ischämie ohne KHK ist prognoserelevant !  bisher keine klaren Hinweiszeichen für mikrovaskuläre Schädigung mit reduzierter koronarer Flußreserve  Acetylcholintest in der Klinik beim Herzkatheter  Therapeutisch: Calziumantagonisten- Diltiazem Ranolazin-Ranexa Ivabradin-Procoralan 14 Provokationstest mit Acetylcholin 15 Vasospasmus: EKG A EKG B am Folgetag 16 Herzinfarktsymptome Frauen  Atypische Symptome: - Schmerzen im Oberbauch und/oder Rücken Kurzatmigkeit Übelkeit und Erbrechen Schweißausbruch allgemeine Schwäche  jede 5. Frau!!   Devon, et al. Heart Lung 2002 Patel, et al. Am Heart J 2004 17 Herzinfarktsymptome Männer Typische Symptome: - brennender Druck/Schmerz in der Brustmitte ausstrahlender Schmerz (Arme, Nacken, Kiefer) Todesangst vegetative Begleitsymptomatik 18 Aktuelle Daten aus Kanadischer Studie ACS: Gender-Vergleich Gendervergleich von Zeit bis zum EKG/Therapie (medik.) / PCI-Häufigkeit 19 Kanadische Datenerhebung aus 2 Registern 2011 ( European Heart Journal )     4.471 Männer 2.087 Frauen mit ACS Frauen seltener evidenzbasierte Therapie sowohl Betablocker,ACE-Hemmer, CSE-Hemmer seltener verordnet  Warum ?? 20 Faktoren für unterschiedliche Therapie     Alter Folgeerkrankung z.B. Herzinsuffizienz individuelle Risikobeurteilung Risikofaktoren für beide Geschlechter gleich ABER 21  Rauchen erhöht nach den Erkenntnissen der PROCAM-Studie das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle um den Faktor 2,6  Augsburger MONICA/Cora-Studie : Rauchen höchste Prädiktionkraft für Herzinfarkt  besonders bei Frauen!  durch Veränderungen der Gefäßwand und Aktivierung von Entzündungsvorgängen fördert Tabakrauch die Entstehung von Plaques und Läsionen 22 Alkohol  laut Experten 4 % aller Brustkrebsfälle durch Alkohol  tgl. 25 g Alkohol Risiko 31 %  tgl. 100 g Alkohol Risiko 270 %  Ursache: Acetaldehyd je höherprozentig um so gefährlicher für Krebsentstehung  zusätzlich weiblicher Hormonhaushalt gestört und Östrogenspiegel erhöht Sport und Herzerkrankungen  40% Risikoreduktion durch Sport, dagegen nur 24% durch Medikamente oder Intervention  Regelmäßiges Training warum ?  Verbesserte Insulinsensitivität, Östrogenspiegel sinkt, Blutdrucksenkung  Zunahme des „guten“ HDL-Cholesterins und Senkung des Triglyzeridwertes  Abnahme des Bauchfettes Genderspezifische Aspekte bei der Therapie Bezüglich psychosozialer Faktoren, invasiver Therapiestrategien, Arzneimittelwirksamkeit und Häufigkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen existieren deutliche klinische Diskrepanzen zwischen Mann und Frau 26 Psychosoziale Faktoren  Unabhängige Rolle bei Herz-Kreislauferkrankungen  30% des Gesamtrisikos bei Myokardinfarkt  typische Risikofaktoren bei Frau und Mann 27 Psychosoziale Risikofaktoren bei der Frau  Doppelbelastung durch Familie und Beruf mit Kinderbetreuung oder Pflege eines Angehörigen  Mangelnde soziale Unterstützung  niedriger sozialer Status  Familiäre Konflikte in der Ehe  Ehestand an sich kardioprotektiv 28 Psychosoziale Faktoren bei Männern  Hohe Arbeitsbelastungen  Berufliche Gratifikationskrisen  Mangelnde soziale Unterstützung  Familiäre Konflikte in der Ehe  Ehestand an sich kardioprotektiv 29 Nutzen psychosozialer Intervention  Stockholm Womens Intervention Trial for Coronary Heart Disease ( SWITCHD) 2009  Psychosoziale Intervention bei Frauen 4 Monate nach Koronarintervention  20 Gruppensitzungen, speziell auf Frauen ausgerichtet  Ergebnis : signifikant positiver Einfluß auf Sterblichkeit 30  Secondary Prevention in Uppsala Primary Health Care Projekt (SUPRIM) 2011  Untersuchte Effekte einer kognitiven Verhaltenstherapie in 20 Gruppensitzungen  Hinsichtlich Wiederauftreten kardialer Ereignisse bei KHK  Frauen und Männer  Geschlechterunspezifischer positiver Effekt 31 Arzneimitteltherapie und Gender  1. Arzneimittelaufnahme  2. Arzneimittelverteilung  3. Hormonstatus  4. Ausscheidung über die Nieren  5. Gewicht/Verteilungsvolumen Geschlechterspezifische Unterschiede in Arzneimittelwirksamkeit     Unterschiedliche konstitutionelle Zusammensetzung In Muskelmasse In Grösse und Gewicht ( Frauen < 10 kg) Unterschiedliche Verteilung zwischen Muskelmasse,Fett,Wasser  Magenpassage ( bei Frauen verzögert)  Ausscheidung über die Nieren (bei Frauen verzögert) 33 Arzneimittelwirksamkeit  Dosis bestimmt Konzentration am Wirkort und Wirkungsstärke  Magenpassage : verzögert bei Frauen , deshalb verzögerte Resorption  Ausnahme Alkohol Konzentration von Alkoholdehydrogenase im Magen bei Frauen weniger aktiv  Verteilung: Frauen höheres Verteilungsvolumen, aufgrund erhöhtem Fettanteil,niedrigerer intra-und extrazellulärer Gesamtwassergehalt 34  Wichtige Leberenzyme zum Abbau von Arzneimitteln: Isoenzyme des Cytochrom P450 der Leber  CYP3A4 vermehrte Ausbildung bei Frauen  Abbau von Arzneimitteln, Sexualhormonen und Glukokortikoiden  z.B. Verapamil und Nifedipin 20% höhere Abbaugeschwindigkeit bei Frauen  CYP2D6 geringere Aktivität bei Frauen  z.B. höhere Plasmakonzentrationen von Betablockern bei Frauen 35  Niernausscheidung : glomeruläre Filtrationsrate bei Frauen 10 % niedriger  z.B. Digitoxin 12-14% niedrige Nierenausscheidung Vancomyzin,Ceftazidin höhere Plasmaspiegel bei Frauen 36 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen ( UAW)  UAW Faktor 1,5-1,7 höher bei Frauen  WARUM ?? zu hohe Dosierung Frauen zuverlässiger in der Einnahme Frauen andere EKG-Spezifika 37 Herzbericht 2013 „Dass Frauen bei diesen Herzerkrankungen eine wesentlich ungünstigere Prognose als Männer haben, ist nicht ohne Weiteres zu erklären, muss aber in der Therapie dieser Erkrankungen und in der Vorsorge noch stärker berücksichtigt werden“ 2011 starben mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer an • Herzschwäche 30.621 Frauen/ 14.807 Männer • Herzrhythmusstörungen 14.597 Frauen/ 9.080 Männer • Klappenkrankheiten 8.732 Frauen/ 5.232 Männer Prof. Meinertz, Herzbericht 2013 38 Fazit  Frauen und Männer sollten geschlechterspezifisch personalisiert therapiert werden.  Das Geschlecht sollte bei der Auswahl und Dosierung von Herz-Kreislaufpräparaten bei allen Herz-Kreislauferkrankungen Beachtung finden  Die Therapie psychosozialer Risikofaktoren sollte bei beiden Geschlechtern frühzeitig begonnen werden 39