Wie Stress das Herz aus dem Takt bringt

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Nummer 267
Donnerstag, 17. November 2016
Wie Stress das Herz aus dem Takt bringt
Gesundheit | Drei Medizin-Experten beantworten die Fragen unserer Leser rund um das Thema koronare Herzkrankheit
Oberndorf. Weltweit zählt sie
zu den häufigsten Erkrankungen: die koronare Herzkrankheit, kurz KHK. Allein in
Deutschland leiden rund
sechs Millionen Menschen an
dieser Erkrankung. Männer
sind dabei mit rund 3,5 Millionen Betroffenen klar in der
Mehrheit. Stress gilt als ein
Faktor, der die Krankheit begünstigt. Doch warum ist dies
so? Und was kann man dagegen tun?
Diese und weitere Fragen haben die Spezialisten Thomas
Witt, Chefarzt der AlbertSchweitzer-Klinik in Königsfeld, Szymon Rycerz, Oberarzt der Kardiologischen Abteilung des SchwarzwaldBaar-Klinikums in VillingenSchwenningen
und
der
Kardiologe Herbert Dittmann
aus Rottweil beantwortet.
Welche Faktoren schädigen
das Gefäßsystem und können somit Herzinfarkt und
Schlaganfall begünstigen?
Das sind einerseits beeinflussbare Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress, ein erhöhter Blutdruck, eine Störung des Fettstoffwechsels
oder eine Zuckererkrankung.
Andererseits aber auch nicht
beeinflussbare Faktoren wie
Lebensalter oder familiäre
Vorerkrankungen von Herz
und Gefäßen.
Sind für das Herzkreislaufsystem von Mann und Frau
die gleichen Faktoren
schädlich? Oder gibt es
Unterschiede?
Grundsätzlich sind Frauen bis
zur Menopause vor einem
Herzinfarkt geschützter als
Männer. Allerdings erhöht bei
Frauen das Rauchen und die
gleichzeitige Einnahme der
Pille das Herzinfarktrisiko um
den Faktor vier. Darum sollten Frauen, die die Pille nehmen, auf das Rauchen verzichten.
Sind bei Patienten, die
einen Herzinfarkt erlitten
haben, nur die Herzkranzgefäße von Ablagerungen
betroffen?
Die Atherosklerose betrifft
häufig nicht nur die Herzkranzgefäße. Wichtig in diesem Zusammenhang sind
auch Ablagerungen in den
Halsgefäßen, die im Extremfall dann sogar zum Schlaganfall führen können. Ebenso ist
auf Ablagerungen in den Becken- und Beingefäßen, die zu
Durchblutungsstörungen der
Beine führen, zu achten. Diese Erkrankung wird auch als
Schaufensterkrankheit oder
als Raucherbeine bezeichnet.
Stehen unseren Lesern bei Fragen zu Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche, überhöhtem Blutdruck und anderen Themen rund ums Herz und dessen Gesundheit Rede und Antwort (von links): Thomas Witt, Szymon Rycerz und Herbert Dittmann.
Fotos: Hopp
Wie kann ich Ablagerungen
im Gefäßsystem vorbeugen?
Eine große Rolle spielt die Ernährung. Insbesondere die sogenannte
»Mittelmeerkost«
hat sich bewährt: viel Gemüse, komplexe Kohlenhydrate
wie Brot oder Reis, wenig
Fleisch – eher Fisch – und wenig Fett. Als Fett kommen
pflanzliche Öle wie Olivenoder Rapsöl infrage. Zudem
empfiehlt sich regelmäßige
körperliche Bewegung. Etwa
schnelles spazieren gehen,
Nordic Walking oder joggen
unter Pulskontrolle.
Welche Möglichkeiten der
Früherkennung einer koronaren Herzerkrankung oder
eines drohenden Herzinfarkts gibt es?
Bei einem Gespräch mit dem
Hausarzt oder Kardiologen
sollten zunächst die der koronaren Herzerkrankung zu-
Macht das Herz – hier ein Modell – Probleme, ist medizinischer
Rat gefragt.
Foto: Wabitsch
grunde liegenden Risikofaktoren ermittelt werden. Weiterhin ist wichtig zu klären, ob
bereits eine entsprechende
Symptomatik, wie etwa eine
Angina pectoris, vorliegt.
Durch ergänzende apparative
Untersuchungen wie EKG
und Belastungs-EKG oder
eine Ultraschalluntersuchung
des Herzens beim Kardiologen lässt sich die Diagnose
dann weiter abklären. Bestätigt sich der Verdacht auf eine
koronare
Herzerkrankung
und die Beschwerden sind
durch eine entsprechende Lebensumstellung und Medikamente nicht beherrschbar,
kommt zusätzlich eine Herzkatheteruntersuchung infrage.
Wie erkenne ich eine Angina pectoris?
Die Angina pectoris ist Zeichen einer koronaren Herzerkrankung und äußert sich als
Engegefühl im Brustkorb.
Dieses kann in die Arme, insbesondere in den linken Arm,
in Oberbauch, Rücken, Hals
und Zähne ausstrahlen. Die
Angina pectoris tritt im frühen Stadium einer koronaren
Herzerkrankung auf, vor allem unter starken Belastungen wie körperlich schwerer
Arbeit.
Bei meinem 55-jährigenMann trat im letzten Jahr
eine Sehstörung auf. Er erblindete vorübergehend
auf dem rechten Auge. Da
sich die Beschwerden anschließend besserten, erfolgte keine weitere Abklärung. Wie soll sich mein
Mann verhalten?
Eine solche vorübergehende
Erblindung kann als Folge der
gravierenden
Verengung
einer Halsschlagader auftreten. Aufgrund dessen ist eine
entsprechende Diagnostik unbedingt anzuraten. Diese erfolgt mittels einer nicht ein-
greifenden Farb-Duplex-Sonografie der hirnzuführenden
Gefäße. Bitten Sie Ihren Hausarzt die entsprechende Diagnostik beim Angiologen, Kardiologen oder Neurologen zu
veranlassen.
Bei mir besteht seit zehn
Jahren ein erhöhter Blutdruck. Dieser ist mit Medikamenten insgesamt gut
eingestellt. Zeitweise entgleist jedoch der Blutdruck.
Kann Stress dahinterstecken?
Der Stress, den man als belastend empfindet, regt das Nervensystem an – was zu einer
vermehrten
Ausscheidung
von Stresshormonen führt.
Diese erhöhen den Blutdruck,
stören den Schlaf und steigern
die Pulsfrequenz. Zudem wirken sie sich negativ auf den
Fettstoffwechsel aus. Betroffene sollten lernen, anders mit
Stress umzugehen – Entspannungstechniken können hilfreich sein. Auch eine Veränderung der Lebenssituation, etwa ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Berufs, kann
Sinn machen. Aber auch eine
einfache Umstrukturierung
der Arbeit oder des Alltags
kann bereits viele Stresssituationen mildern.
Welche Entspannungstechniken haben sich bei der
Behandlung von hohem
Blutdruck besonders bewährt?
Kontrollierte Atemübungen
und die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.
Bei den Atemübungen kommt
es darauf an, ganz bewusst
langsam in den Bauch hinein
zu atmen. Dann die Luft kurz
anhalten und langsam wieder
ausatmen. So wird das Nervensystem – mit verantwortlich für die Blutdruckregulation – positiv beeinflusst. Bei
der progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen wer-
den die Muskelgruppen von
Zehen und Füßen über Beine,
Rumpf, Arme, Schultern bis
zum Gesicht im Wechsel angespannt und wieder entspannt. So wird eine tiefe körperliche und seelische Entspannung erreicht. Der Vorteil dieser Methode ist, dass
man sie an jedem Ort zu jeder
Zeit anwenden kann. Doch
nicht jede Entspannungstechnik ist für jeden Patienten geeignet. Jeder muss seinen
eigenen Weg finden.
Bei mir liegt eine koronare
Herzerkrankung vor. Ist die
jährliche Grippeimpfung für
mich empfehlenswert?
Bei Patienten mit einer koronaren
Herzerkrankung
schützt die Grippeimpfung
nicht nur direkt vor der Grippe, sondern auch vor den damit verbundenen Herzkreislaufkomplikationen.
Aufgrund dessen ist die Grippeimpfung für Patienten mit
einer koronaren Herzerkrankung zu befürworten.
Bei mir besteht der Verdacht auf Ablagerungen in
den Herzkranzgefäßen.
Unter Belastung bekomme
ich eine Angina pectorisSymptomatik, die sich nach
kurzer Ruhezeit wieder
bessert. Nach der Einnahme von Nitrospray bessert
sie sich innerhalb weniger
Minuten. Woran erkenne
ich das Auftreten eines
Herzinfarktes?
Die Angina pectoris-Symptomatik wird gefährlich, wenn
Intensität, Dauer und Häufigkeit zunehmen. Dann ist eine
schnelle Abklärung beim
Hausarzt oder Kardiologen
notwendig. Alarmzeichen für
einen Herzinfarkt sind länger
als fünf Minuten anhaltende
Schmerzen im Brustkorb, die
in Arme, Schulterblätter, Hals,
Kiefer und Oberbauch ausstrahlen können. Begleitet
von
einem
Angstgefühl,
Atemnot, Übelkeit und Erbrechen. Zusätzlich können ein
Schwächegefühl und ein Kollapszustand auftreten. Teils
werden die Symptome von
kaltem Schweiß und Todesangst begleitet. Sofortiges
Handeln ist geboten: Der Notarzt muss alarmiert werden
um sofort eine Herzkatheteruntersuchung und eine Gefäßerweiterung durchzuführen.
Sind die Symptome eines
Herzinfarktes bei Frauen
und Männern gleich?
Während bei Männern die anhaltende Angina pectorisSymptomatik, das Engegefühl
in der Brust, im Vordergrund
steht; zeigen Frauen bei
einem Herzinfarkt häufiger
uncharakteristische Beschwerden wie Atemnot, Unwohlsein, Leistungsabfall, Übelkeit
und Erbrechen oder Oberbauchschmerzen.
Nach einem schweren
Herzinfarkt wurde bei mir
eine Herzschwäche festgestellt. Jetzt empfahl mir
mein Kardiologe die Implantation eines automatischen Defibrillators, obwohl ich bisher keine Herzrhythmusstörungen verspürte. Ist dies notwendig?
Bei einer deutlichen Funktionseinschränkung des Herzens ist das Risiko lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen, speziell von Kammerflimmern,
erhöht.
Ein
automatischer
Defibrillator
erkennt bösartige Herzrhythmusstörungen wie das Kammerflimmern, kann diese beenden und somit den drohenden Sekundenherztod verhindern. Deswegen ist nach
derzeitigen Erkenntnissen die
Implantation eines automatischen Defibrillators bei einer
deutlich herabgesetzten Herzfunktion empfehlenswert.
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