Bakterielle Besiedlung der atheromatösen Plaques

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Bakterielle Besiedlung der atheromatösen Plaques
Gregor-Georg K. Zafiropoulos1 und Nikolaos Mastragelopulos2
1.
IPPZ-Institut für Parodontologie und Präventive Zahnmedizin, Düsseldorf, Deutschland
2.
Chirurgische Klinik, Städtisches Krankenhaus Heinsberg, Deutschland
Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie wurden von 62 Patienten (18 Frauen und 44 Männer) 93 Proben
aus verschiedensten Gefäßen und Gefäßabschnitten während der Gefäßoperation entnommen
und auf bakterielle 16S rDNS sowie – mittels spezifischen Oligonukleotid-Primern – auf die
mit Parodontitis assoziierten Keime P.gingivalis, P.intermedia, A.actinomycetemcomitans,
C.rectus und B.forsythus untersucht. In 76,34% der 93 untersuchten Gefäßwandpräparate waren Bakterien nachzuweisen, in 40,86% einer oder mehrere der parodontal-pathogenen Erreger; diese kamen so gut wie ausschließlich (mit einer Ausnahme) zusammen mit anderen Bakterien vor. C.pneumoniae fanden sich in 22,58% der Proben; ihr Auftreten stand signifikant
mit dem Vorkommen von Parodontalpathogenen in Zusammenhang. Herpes simplex- und
Cytomegalieviren kamen in 24,73% bzw. 30,11% der Proben vor, ohne daß ein Zusammenhang mit Parodontalkeimen bestand.
Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit der Hypothese, dass Mikroorganismen, die mit Parodontitis assoziiert sind, bei der Ätiologie und Pathogenese der Arteriosklerose eine wichtige
Rolle spielen.
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Schlüsselwörter: Parodontitis, Arteriosklerose, Plaques, Bakterien, Pathogenese.
Einleitung
Nicht bei allen Arteriosklerose-Patienten konnten traditionelle Risikofaktoren für kardio- sowie cerebrovaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus und Nikotinabusus, nachgewiesen werden. Infolgedessen stellt sich die Frage nach weiteren möglichen Risikofaktoren, die die Ätiologie der Erkrankung erklären.
Epidemiologische Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass chronische Infektionen bei der
Entwicklung und Progredienz der Arteriosklerose eine wichtige Rolle spielen können. Einige
Autoren gehen davon aus, dass eine lokalisierte Infektion eine chronisch-entzündliche Reaktion auslösen kann, die in der Folge zur Entwicklung und Ausbreitung der Arteriosklerose
führt.
Bei Parodontitis-Patienten ist das Risiko für koronare Gefäßerkrankungen im Vergleich zu
parodontal gesunden Personen doppelt so hoch. Ferner zeigen aktuelle epidemiologische Studien aus Deutschland, dass Patienten mit Parodontitis ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und
Schlaganfall haben. Dieses wird bei Parodontitis-Patienten sowohl auf die Schwere als auch
auf die größere Häufigkeit der Bakteriämie parodontaler Mikroorganismen zurückgeführt [2].
Die beteiligten Bakterien können eine Thrombenbildung durch Thrombozytenaggregation und
endotheliale Zellproliferation fördern.
Somit sollte in der vorliegenden Studie geprüft werden, ob Cytomegalie-Viren, Herpes simplex-Viren, C.pneumoniae und Chlamydien bei der Entstehung und Progredienz der Arteriosklerose eine entscheidende Rolle spielen. Weiterhin wurde untersucht, ob parodontal Pathogene, wie C. rectus, A. actinomycetemcomitans, B. forsythus. P. gingivalis und P. intermedia
beinflussende Faktoren in Atherogenesis darstellen.
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Material und Methoden
Probenmaterial
Von 62 Patienten (18 weiblich, 44 männlich) im Alter zwischen 43 und 89 Jahren (Durchschnittsalter: 66 Jahre), die aufgrund einer obliterierenden Arteriosklerose mittels Thrombendarteriektomie oder Bypass-Implantation operiert wurden, wurden 93 Gefäßwandpräparate (14 Präparate pro Patient) untersucht. Die Patienten waren vor dem Eingriff über die Studie informiert worden und hatten schriftlich ihr Einverständnis mit der Teilnahme erklärt.
Alle Patienten waren zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits von ihren Hauszahnärzten parodontologisch vorbehandelt worden; deshalb und weil die Art der Behandlung oft nicht vollständig dokumentiert war, konnte eine Stadieneinteilung der Parodontalerkrankung nicht erfolgen. Die Anamnese ergab aber bei allen Patienten bereits Zahnverlust aufgrund einer fortgeschrittenen Parodontalerkrankung. Zum Zeitpunkt der Gefäßoperation war die parodontologische
Behandlung
mittels
Lappen-Operationen
bereits
abgeschlossen.
Die
klini-
sche/intraorale Diagnostik ergab keine aktive parodontale Erkrankung.
Die Gefäßwandproben wurden steril entnommen und in 10 ml sterile Kochsalzlösung überführt. Ein Teil der frischen Probe wurde noch am selben Tag bearbeitet, das Restmaterial
wurde bei –70°C eingefroren.
Polymerase-Kettenreaktion zur Amplifizierung von 16S Ribosomen DNS
Um die Gefäßwandpräparaten anwesende bakterielle 16S Ribosomen-DNS (rDNS) zu isolieren und darzustellen, wurde die ’Polymerase chain reaction’ (PCR) Technik angewandt. Die
Bakterien, auf die gezielt untersucht wurden, waren Actinobacillus actinomycetemcomitans,
Bacteroides forsythus, Campylobacter rectus, Prevotella intermedia Type 1 and 2, und
Porphyromonas gingivalis.
Die Primer, die für die PCR Methode zur Darstellung der 16s rDNS gewählt wurden, amplifizierten beinahe die gesamte 16S rDNS von 1500 bp Länge. Diese Sequenzen der 16 rDNS
sind in Bakterien sehr gut konserviert, wohingegen sie in Eukaryoten, Archaebakterien oder
Mitochondrien nicht vorhanden sind. Daher ist die PCR Methode sehr spezifisch für bakteriel-
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le DNS, selbst wenn gleichzeitig Nukleinsäuren vorhanden sind. Das 16 rDNS-Molekül wurde entweder in zwei Sequenzen oder in voller Länge unter Verwendung von Primern amplifiziert.
Neben der PCR Methode zur Darstellung von bakterieller 16S rDNS wurden Speziesspezifische Primer benutzt, um die Gewebsproben nach dem folgenden zu untersuchen:
C.pneumoniae
Herpes simplex Virus
menschlicher Cytomegalievirus
Analyse der amplifizierten 16S rDNS
Neben der Untersuchung nach C. pneumoniae und menschlichem Cytomegalievirus mit der
PCR Technik wurden die amplifizierten 16s rDNS ebenso auf die Präsenz von Parodontalpathogenen untersucht (A.actinomycetemcomitans, B.forsythus, P.gingivalis, P.intermedia
und C.rectus). Hierfür wurden Spezies-spezifische Oligonucleotid Sonden verwendet, die
Digoxigen als Marker enthalten.
(1) A. actinomycetemcomitans
(2) B. forsythus
(3) P. gingivalis
(1) P. intermedia
(2) C.rectus
Ergebnisse
A. Ergebnisse vom Gesamtkollektiv
Bei allen 93 entnommenen Gefäßpräparaten handelte es sich um eine schwere Arteriosklerose. Bei mehreren Präparaten waren kalzifizierte Kerne (18; 19,35%) mit Fettablagerungen in
der Peripherie (8; 8,60%) nachweisbar.
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In 71 der 93 Präparate (76,34%) und bei 53 der 62 Patienten (85,48%) wurde in der PCRAnalyse das Vorkommen von Bakterien nachgewiesen. Bei 66 der 93 Präparate (70,97%) und
bei 51 der 62 Patienten (82,86%) wurde mindestens einer der untersuchten Keime nachgewiesen.
Innerhalb der gesamten Gruppe der 93 Gefäßwandpräparate bzw. 62 Patienten wurden
C.pneumonia in 21 Präparaten (22,58%) sowie bei 19 Patienten (30,65%), Cytomegalie-Viren
in 28 Präparaten (30,11%) sowie bei 24 Patienten (38,71%), Herpes simplex-Viren in 23 Präparaten (24,73%) sowie bei 22 Patienten (35,48%) diagnostiziert (Tab. 1).
Die PCR-amplifizierte 16S rDNS aus den klinischen Proben wurde auf eine geladene Nylonmembran übertragen und mit spezies-spezifischen Digoxigenin-markierten OligonucleotidProben auf spezifische Parodontalkeime hybridisiert.
Dabei fanden sich insgesamt in 38 der 93 Präparaten (40,86%) einer oder mehrere parodontalpathogene Keime. B.forsythus wurde bei 21 Patienten (33,87%) bzw. 25 (25,81%) Gefäßwandpräparate, P.gingivalis bei 20 Patienten (32,26%) bzw. 24 (25,81%) Gefäßwandpräparate, P.intermedia bei 15 Patienten (24,19%) bzw. 15 (16,13%) Gefäßwandpräparate,
A.actinomycetemcomitans bei 12 Patienten (19,35%) bzw. 12 (12,90%) Gefäßwandpräparate
und C.rectus bei 2 Patienten (3,23%) bzw. 2 (2,15%) Gefäßwandpräparate nachgewiesen
(Tab. 1).
B. Ergebnisse innerhalb der Bakterien-positiven Gruppe
In 71 der 93 Präparate (76,34%) und bei 52 der 62 Patienten (85,48%) wurde in der PCRAnalyse das Vorkommen von Bakterien nachgewiesen.
Wenn wir die 71 Präparate bzw. die 53 Patienten als 100% annehmen bzw. betrachten, dann
ändert sich die Verteilung der untersuchten Keime wie folgt (Tab. 2).
Bei 52 der 71 Präparate (73,24%) und bei 46 der 53 Patienten (86,79%) wurde mindestens
einer der untersuchten Keime nachgewiesen. Innerhalb der Gruppe der 71 Gefäßwandpräparate wurden C.pneumonia in 15 Präparaten (21,13%) bzw. 15 Patienten (28,30), CytomegalieViren in 21 Präparaten (29,58%) bzw. 20 Patienten (37,74%), Herpes simplex-Viren in 16
Präparaten (22,54%) bzw. 16 Patienten (25,81%) diagnostiziert (Tab. 2).
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Innerhalb der Gruppe der 71 (100%) „Bakterien-positiven“ Präparaten fanden sich in 37
(52,11%) der 71 Präparaten einer oder mehrere parodontalpathogene Keime. B.forsythus wurde bei 21 Patienten (39,62) bzw. 24 (33,80%) Gefäßwandpräparate, P.gingivalis bei 19 Patienten (35,85%) bzw. 23 (32,39%) Gefäßwandpräparate, P.intermedia bei 15 Patienten
(28,30%) bzw. 15 (21,13%) Gefäßwandpräparate, A.actinomycetemcomitans bei 12 Patienten
(22,64%) bzw. 12 (16,90%) Gefäßwandpräparate und C.rectus bei 2 Patienten (3,77%) bzw. 2
(2,82%) Gefäßwandpräparate nachgewiesen (Tab. 2).
Diskussion
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass eine bakterielle Infektion, besonderes mit C.pneumoniae,
als signifikanter Risikofaktor für die Entstehung der Arteriosklerose und ihre Folgeerkrankungen wie koronare Herzkrankheit und Schlaganfall gilt. Die durch Bakterien verursachte
Infektion gehört also auch zu den anderen seit langem bekannten Risikofaktoren (Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus und Nikotinabusus) für die Arteriosklerose
und koronare Herzkrankheiten. Während noch nicht geklärt werden konnte, auf welchem Wege die mikrobielle Infektion den Ausbruch und die Fortentwicklung der arteriosklerotischen
Plaques beeinflusst, werden verschiedene direkte und indirekte Mechanismen diskutiert.
Die Infektion der Atemwege, beispielsweise mit C.pneumoniae, kann über eine hämatogene
Streuung dieser Mikroorganismen zur lokalisierten Infektion des Gefäßendothels und der glatten Gefäßwandmuskelzellen führen, was zur chronischen Entzündung und anschließender
Arteriosklerose führt. Chronische Infektionen können auch indirekt die Arteriosklerose forcieren, indem sie die Zytokinproduktion, die Hyperkoagulabilität und die Monozytenaktivierung
stimulieren.
Der überzeugendste Beweis, der das Konzept der chronischen Infektion als wichtigen Faktor
bei der Entstehung der Atherogenese untermauert, ist die direkte Identifizierung von Mikroorganismen, darunter der C.pneumoniae und das Zytomegalievirus in erkrankten Gefäßen und
arteriosklerotischen Plaques.
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In diesem Zusammenhang gibt es hinreichend Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass parodontale Infektionen das Risiko von Herzkranz-Gefäßerkrankungen deutlich erhöhen.
Wie C.pneumoniae bei der Atherogenese, werden auch Infektionen durch parodontal pathogene Keime möglicherweise über das Blut verteilt. Die gesuchten Keime der in der vorliegenden Studie, besonders A.actinomycetemcomitans, sind sowohl während der Bakteriämien als
auch beim Auftreten einer Endokarditis gefunden worden. Ebenso wie C.pneumoniae kann
auch A.actinomycetemcomitans in die eukariotischen Zellen eindringen, wobei sie dieselben
Mechanismen benutzen wie andere invasive Bakterien.
C. pneumoniae und Zytomegalie-Viren sind in der vorliegenden Studie in 23% bzw. 30% der
50 Präparate identifiziert worden. Diese Proportionen entsprechen den Angaben aus anderen
Studien.
Es ist allgemein akzeptiert, dass der Atherogenese ein chronischer Entzündungsprozess
zugrunde liegt und die klinischen Gefäßverereignisse überwiegend aus ruptierten Plaques mit
konsekutiver, arterieller Thrombose hervorgerufen werden. Die athermatösen Läsionen wachsen ausserdem weiter durch das Einwachsen von glatten Muskellzellen aus der Media. Diese
Plaques können zu Veränderungen des Blutstroms führen. Eine mögliche Ruptur der Plaque
initiiert Thrombusbildung, da subzelluläre Bestandteile, wie Kollagen und von-WillebrandFaktor, mit Kontakt mit Blut Adhäsion von Thrombozyten hervorruft.
Die chronische parodontale Infektion kann, wie andere chronische Infektionen auch, eine Rolle bei der Entstehung der Arteriosklerose und der Pathogenese klinischer Krankheitsbilder wie
dem Myokardinfarkt, dem Schlaganfall oder der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
spielen. Die parodontale Infektion kann das Risiko eines Myokardinfarktes auf verschiedene
Weise erhöhen. Rezidivierende Bakteriämien mit Gram-negativen parodontal pathogenen
Keimen infolge oraler Infektionen oder nach parodontologischen Eingriffe können das Gefäßendothel und die glatte Gefäßwandmuskulatur zerstören und so zur Arteriosklerose führen.
Parodontale Pathogene, wie z.B. P. gingivalis, sind fähig in das Endothel von Arterien einzudringen. Fimbrien, ein Virulenzfaktor dieser Bakterien, ermöglicht dieses Phenomen. Bei Personen mit atheromatösen Gefäßveränderungen kann eine orale Bakteriämie zusätzlich die
Thrombozytenaggregation und die Thrombenbildung stimulieren.
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Es ist möglich, dass Lipopolysaccharide (LPS) und andere toxische Produkte von Gramnegativen parodonto-pathogenen Keimen Entzündungsreaktionen in Gang setzen, die mit Bildung proinflammatorischer Zytokine und Prostaglandine einhergehen, darunter eine Endothelsekretion von Interleukin-1β. Diese Entzündungsmediatoren führen zu Koagulationsprozessen an der Gefäßwand mit nachfolgender Bildung von atheromatösen Plaques.
Die Produktion von Zytokinen durch parodontale Pathogene kann ebenso die Aktivierung der
Acute Phase Response (APR) hervorrufen, was unter anderem zu einer Ausschüttung von Creaktivem Protein (CRP) führen kann. Aktuelle Studien zeigen, dass CRP einen wichtigen
Risikofaktor in der Entstehung von Atherosklerosis darstellt. Es scheint sogar von grösserer
Bedeutung in der Vorhersage späterer kardiovaskulären Ereignissen zu sein als der Cholersterolspiegel eines Patienten. Diese Ergebnisse könnten auf einen Zusammenhang zwischen parodontalen Erkrankungen und kardiovaskulären Ereignissen hinweisen.
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