Kristallstrukturen von Supraleitern Alle bekannten Supraleiter besitzen völlig unterschiedliche Kristallstrukturen. Das Auftreten von Supraleitung setzt daher keine bestimmte Kristallstruktur voraus, hängt aber dennoch von der Art und der Anordnung der Atome, d. h. von der Struktur ab. Die supraleitenden Metalle, intermetallische Verbindungen und Metalloxide bilden überwiegend kubische Strukturen. Im Gegensatz zu diesen Verbindungen, für die die klassische BCS-Theorie gilt, bilden Oxocuprate Schichtstrukturen aus. Kristallstruktur von Pervoskit (CaTiO3) Die Kristallstrukturen der Oxocuprate, wie beispielswiese die von Yttrium-Bariumcuprat, können von der Kristallstruktur von Perowskit abgeleitet werden (Perowskit = CaTiO3). Für eine bessere Vergleichbarkeit zu den Kristallstrukturen der Oxocuprate, muss die Kristallstruktur von Perovskit jedoch etwas modifiziert werden. Der Supraleiter von Bednorz und Müller La1.85Ba0.15CuO4 hat eine Struktur vom K2NiF4-Typ, welche eng mit der Perowskit-Struktur verwand ist. Die Kupferatome befinden sich im Zentrum eines verzerrten Oktaeders von 6 Sauerstoffatomen, in denen 4 kurze und 2 verlängerte Cu-O-Bindungen gefunden werden. Diese Verzerrung beruht auf dem JahnTeller-Effekt und war die Ursache dafür, dass Bednorz und Müller diese oxidischen Verbindungen für ihre Untersuchungen ausgewählt hatten. Die Kupferatome und die vier nächsten Sauerstoffatome bilden Schichten, welche die Supraleitfähigkeit bewirken. Die Barium-freie Mutter-Verbindung La2CuO4 ist kein Supraleiter. Diese Verbindung enthält Cu2+-Kationen, deren ungepaarte Elektronen im Kristall antiparallel zueinander ausgerichtet sind. Durch diese Wechselwirkung werden die Elektronen im Gitter gebunden und normale elektrische Leitfähigkeit als auch Supraleitung unterdrückt. Man kann einen Teil der La3+Kationen durch Ba2+-Kationen ersetzen. Diese nehmen dann die gleiche Position im Kristall ein. Für einen Ladungsausgleich muss nun für jedes Ba2+-Kation entweder ein Cu2+-Kation zu Cu3+ oder ein O2--Anion zu O- oxidiert werden. Dadurch wird die antiferromagnetische Kopplung der ungepaarten Spins der Elektronen an den Kupfer-Kationen gebrochen und die Verbindung ist bei einem mittleren Oxidationsgrad des Kupfers von etwa 2.2 nach Abkühlung supraleitend. Den gleichen Einfluss übt die Substitution von Lanthan durch Strontium oder Calcium aus. Kristallstruktur von Yttrium-Bariumcuprat (YBCO-123) Die wohl am intensivsten untersuchte Verbindung ist das YBa2Cu3O7-x (YBCO-1-2-3). Dessen Struktur kann als eine Defektvariante vom Perowskit-Typ aufgefasst werden, in der 2/9 der Sauerstoff-Atompositionen unbesetzt bleiben ( ). Aus einer verdreifachten Elementarzelle vom Perowskit-Typ kann die Struktur von YBCO-1-2-3 abgeleitet werden. 3 AMO3 ≡ (A3)(M3)(O9) ≈ (YBa2)(Cu3)O7 2). Kristallstrukturen der supraleitenden und nicht-supraleitenden Modifikation von YttriumBariumcuprat (YBCO-123) In der nicht supraleitenden tetragonalen Hochtemperaturform von YBa2Cu3O7-x mit x > 0.5 sind die Sauerstoffpositionen in den Basisflächen der Elementarzelle nur partiell und für x überhaupt nicht besetzt. Erst durch Tempern bei etwa 400°C entsteht durch Oxidation die supraleitende orthorhombische Tieftemperaturmodifikation (x ≈ 0) mit geordneter Verteilung der Sauerstoffatome. In der orthorhombischen Struktur haben die Kupferatome zwei unterschiedliche Plätze. In der Grundfläche einer vierseitigen Pyramide aus Sauerstoffatomen bilden Sie die Leitungsschichten und mit vier Sauerstoffnachbarn die Ladungsreservoirs. Parallel zu den Leitungsschichten ist die elektrische Leitfähigkeit wesentlich größer als senkrecht zu ihnen. Bei einer Betrachtung lokalisierter Ladungsverteilungen besitzen die Kupferatome in den Leitungsschichten die Oxidationszahl +2 und sind von Ladungsreservoirs aus Kupferatomen der Oxidationszahl +3 umgeben. Für das Auftreten von Supraleitung spielt der Ladungsausgleich zwischen den Kupferatomen in beiden Schichten eine wichtige Rolle. Der entscheidende Parameter ist jedoch der Sauerstoffgehalt und die Ordnung auf den Sauerstoffatom-Plätzen. Die Übergangstemperatur sinkt von rund 90 K für x = 0 auf etwa 60 K für x = 0.25 ab. Bei x > 0 bricht die Supraleitung völlig zusammen. Ein bestimmter Strukturtyp der Supraleitung zeigt, ist durch Atomsubstitutionen in begrenzter Weise elektronisch und geometrisch modifizierbar. Dies hat dazu geführt, dass Oxocuprate mit immer höheren Sprungtemperaturen und immer komplizierteren Zusammensetzungen entwickelt wurden. Die bislang höchsten Sprungtemperaturen wurden in den Systemen Bi-SrCa-Cu-O und Hg-Ba-Ca-Cu-O gefunden. Derartige Verbindungen werden vereinfacht nach ihrer Zusammensetzung als BSCCO-2201, 2212 oder 2223 bezeichnet.