CP-Verletzung∗ Pascal Klag† Johannes Gutenberg-Universität Mainz‡ (Dated: 19. Januar 2015) I. A. MOTIVATION Wenn wir von der Erde aus das Universum beobachten, sehen wir Körper die aus Materie aufgebaut sind. Antimaterie scheint seit dem Urknall nicht mehr vorhanden zu sein, da keine Annihilation von Materie und Antimaterie beobachtet wird. Wieso ist Materie übrig geblieben? Welchen Unterschied außer der C-Operation gibt es dementsprechend zwischen Materie und Antimaterie? Parität Parität beschreibt eine Spiegelung des Koordinatensystems am Ursprung. Beispielrechnung zur Parität: P • ~r 7− → −~r Vektor P • p~ 7− → −~ p Vektor ~ • L = ~r × p~ P ~ =L ~ Pseudovektor ~ − •L 7 → −~r × −~ p = (−1)2 L II. EINFÜHRUNG Zu Beginn sei eine kurze Erinnerung an Symmetrien in der Physik gegeben: Eine Raumspiegelung wirkt auf jeden Vektor, das Kreuzprodukt bleibt jedoch dadurch unverändert. Der Drehimpuls ist damit ein Beispiel für einen Pseudovektor. Parität als quantenmechanische Größe (Eigenparität): Kontinuierliche Symmetrien: Zeittranslation Ortstranslation Rotation ⇔ Energieerhaltung ⇔ Impulserhaltung ⇔ Drehimpulserhaltung Diskrete Symmetrien: Ladungskonjugation C Paritätstransformation P Zeitumkehr T ⇔ ηC ⇔ ηP ⇔ ηT Tabelle I: Symmetrien und Erhaltungsgrößen Kontinuierliche Symmetrien wie Energie, Impuls und Rotation sind in allen Wechselwirkungen erhalten. Zuerst ging man davon aus, dass die diskreten Symmetrien ebenso in allen Wechselwirkungen erhalten seien. Für die starke und elektromagnetische Wechselwirkungen wurde keine Verletzung der Symmetrie von C- und P-Operation festgestellt. Für die schwache Wechselwirkung sieht es allerdings anders aus. ∗ † ‡ Seminar zum F-Praktikum und Seminar I (Kern- und Teilchenphysik) [email protected] Betreuer: Dr. Rainer Wanke • PΨ(~r, t) = Ψ(−~r, t) • Ist Ψ eine Eigenfunktion von P, gilt: PΨ = ±Ψ • In der starken und elektromagnetischen Wechselwirkung ist die Parität erhalten. Wir möchten nun überprüfen ob ein Zustand eine Eigenfunktion des Paritätsoperators ist. Um dies zu prüfen, benötigen wir einen Prozess der schwachen WW, im Fall des Wu-Experimentes ist es der Beta-Zerfall von 60 Co. 60 Co → 60 Ni∗ + e− + v e Im Wu-Experiment werden 60 Co Kerne in einem Magnetfeld polarisiert und die emittierten Elektronen gezählt. Die Emission in die andere Richtung wird geprüft, indem im Anschluss an die erste Messung die Magnetfeldrichtung und somit ebenso die Richtung des Kernspins getauscht wird, abermals werden die Elektronen gezählt. Für die Invarianz muss das Elektron des 60 Co-Zerfalls in gleicher Zahl parallel zum Kernspin wie antiparallel emittiert werden. In der folgenden Skizze ist die klassische Erwartung dargestellt, eine Gleichverteilung der Emission. Beobachtet wird die Emission von Elektronen antiparallel zum Kernspin, allerdings nicht parallel. Es zeigt sich somit, dass der Zerfall des 60 Co nicht raumgespiegelt abläuft. Da die umgekehrte Emission überhaupt nicht auftritt, folgt, dass die Parität maximal verletzt ist. Seminar zum F-Praktikum und Seminar I WS 2014/15 Erwartung: beobachtet: nicht beobachtet: e- Ein Teilchen CP-Eigenzustände: eI 60 Co I P v V e- V Co • CP |γi = |γi ⇔ C|γi=-|γi P|γi=-|γi V 60 60 Co I e- • CP |π 0 i = − |π 0 i ⇔ C|π 0 i=|π 0 i P|π 0 i=-|π 0 i Abbildung 1: Wu Experiment B. Kern- und Teilchenphysik Ladungskonjugation Das K 0 ist kein CP-Eigenzustand: Neben der Parität gibt es eine weitere diskrete Symmetrie und zwar die Ladungskonjugation C. C tauscht Teilchen und Antiteilchen. |K 0 i = |dsi • CP |K 0 i = CP |dsi = |sdi = |K 0 i = 6 |K 0 i Beispiele für Eigenzustände: Trotzdem sind Kaonen gute Kandidaten um die CPSymmetrie zu prüfen, da sie nur über die schwache WW zerfallen können. • C|γi = − |γi Eigenwert -1 • C|π 0 i = |π 0 i Eigenwert +1 Linearkombinationen von Kaonzuständen: Massen und CP-Eigenzustände, (KL und KS ): • Geladene Teilchen hingegen können keine Eigenzustände von C sein. C |K + i = − |K − i • |KS i = • Auch Neutronen sind keine C Eigenzustände. C |ddui = |ddui = 6 |ddui • |KL i = √1 (|K 0 i + K 0 ) 2 √1 (|K 0 i − K 0 ) 2 _ s Massenzustände sind identisch zu CP-Eigenzuständen Aufgabe des Goldhaber-Experiments war es die Helizität der Neutrions zu messen. Die bemerkenswerte Erkenntnis des Experimentes ist, es wurden nur linkshändige Neutrinos beobachtet. In späteren Experimenten beobachtete man ebenfalls entweder nur linkshändige Neutrinos oder rechtshändige Antineutrinos. Rechtshändige Neutrinos und linkshändige Antineutrinos wurden nie beobachtet, damit ist die Ladungskonjugation in der schwachen WW. ebenfalls maximal verletzt. CP |KS i = + |KS i CP |KL i = − |KL i K 0 CP CP KL Ks _ K 0 s CP -KL [3] CP-Operator auf Kaonen angewandt III. CP-SYMMETRIE Wenn die Kaonen zerfallen, fordern wir die Erhaltung der CP-Symmetrie. Damit müssen neben den Kaonen auch die Endzustände CP-Eigenzustände sein, hierzu erinnern wir uns an die Tabelle III. CP-Symmetrie: • C und P sind einzeln verletzt. Mögliche K 0 -Zerfälle: • Ist CP eine gute Symmetrie? (Combined Parity Landau 1957) KL → • Um die CP-Symmetrie zu prüfen werden CPEigenzustände benötigt. • CP |π 0 π 0 π 0 i bzw. CP |π 0 π + π − i Eigenwert -1 Eigenzustände finden wir über die Wirkung der einzelnen Operationen z.B. auf das γ und auf das π 0 : KS → • CP |π 0 π 0 i bzw. CP |π + π − i Eigenwert +1 2 Seminar zum F-Praktikum und Seminar I WS 2014/15 Im Zerfall des KS taucht ein Pion weniger auf als im Zerfall des KL . Der Massenunterschied des Endzustandes, führt zu großen Unterschieden in den Phasenräumen der Zerfälle. mK = 498 MeV, mπ0 = 135 MeV. Aufgrund der unterschiedlichen Phasenräume unterscheiden sich auch die Lebensdauern erheblich. |KiS Short lived τS = 0, 895 · 10−10 s |KiL Long lived τL = 5, 11 · 10−8 s IV. Kern- und Teilchenphysik Ansätze zur Erklärung der CP-Verletzung: • Wolfenstein postuliert eine superschwache Wechselwirkung. • Kobayashi und Maskawa schlagen den CKMMechanismus vor. Boxdiagramm: Das Boxdiagramm beschreibt die Mischung von K0 und K 0 . Die CP-Verletzung durch Mischung bezeichnet man als indirekte CP-Verletzung. Sowohl in der superschwachen WW. als auch im CKM-Mechanismus ist CPV durch Mischung möglich. CP-Verletzung im CKM-Mechanismus (mit komplexer Phase): CP-VERLETZUNG eiδ |d0 i Vud |s0 i = Vcd |b0 i Vtd |di Vub |si · Vcb |bi Vtb Im Jahre 1964 wurden am AGS in Brookhaven die Zerfälle von KL und KS untersucht, durch Detektion koinzidenter Pionen lassen sich die CP-Eigenzustände überprüfen. Folgende Beobachtung wurde von Christenson, Cronin, Fitch und Turlay gemacht: Boxdiagramm mit Amplituden: Γ(KL → 7− π π ) Γ(KL → 7− all charged modes) − ≈ 10 −3 K W KL 0 CP K eK S K1 CP CPK -K 2 _ K W- Vqd _ d _ d Vqd* d Vqd* 0 K _ __ u,c,t - u,c,t W- Vqs - _ s K2 _ Vqs _ __ K u,c,t W K 0 _ s K nach K Direkte CP-Verletzung: Wie ist es nun möglich, experimentell zu unterscheiden ob die CP-Verleztung durch den CKM-Mechanismus oder die superschwache WW. korrekt beschrieben wird? Dies lässt sich entscheiden, wenn Unterschiede in den Zerfallskanälen auftreten. Jetzt soll im Experiment nicht mehr nur die Gesamtzahl der Zerfälle in 2Pionen gemessen werden, sondern zusätzlich das Verhältnis der geladenen zu ungeladenen Pionen. Der Unterschied der Endzustände pi0 pi0 und pi+ pi− liegt in der Isospinsumme. Dieser kann natürlich nur gemessen werden, wenn die komplexe schwache Phase groß genug ist. Entscheidend zur Unterscheidbarkeit, die Isospinsumme spielt nur eine Rolle, wenn der Zerfall über Amplituden und eine CP-verletzende komplexe schwache Phase und eine komplexe CP-erhaltende starke Phase beschrieben wird also über den CKM-Mechanismus. Das bedeutet |KL i ist kein CP-Eigenzustand, stattdessen beschreibt |K2 i den eigentlichen CP-Eigenzustand. eK 1 s Vqs _ 0 A. << 1 K s K nach K + |K1 i) Massenzustände sind NICHT identisch zu CP-Eigenzuständen Vqs* ∗ M’∝ Aqq0 Vqd Vqs Vq∗0 d Vq0 s * u,c,t _ s Der Ansatz zur Beschreibung ist erneut eine Mischung: 1 (|K2 i 1+||2 0 Vqd - - Die Erkenntnis, dass langlebige Kaonen in Paare von Pionen zerfallen können, zeigt, dass die CP-Symmetrie verletzt wird. Der 2Pion-Zustand ist kein Endzustand, der von den neutralen Kaonen mit negativem CPEigenwert erreicht werden kann. Das KL galt ja aber als ein solcher Zustand, somit ist der Masseneigenzustand KL nicht der CP-Eigenzustand. Für diese Entdeckung erhielten Cronin und Fitch 1980 den Nobelpreis. • |KL i = √ Vus Vcs Vts ∗ M∝ Aqq0 Vqd Vqs Vq0 d Vq∗0 s d + ? 0 s eK 1 Folgende Feynman-Diagramme konkurrieren im Zerfall: _ s K 0 d KS und KL sind keine CP-Eigenzustände Vus _ u W + Vud u _ d d 0 p p Baum-Diagramm: 3 0 _ s K 0 d + W V td _ _ _OOOO OOOOO u,c,t g _ d d _ d d 0 p p 0 Pinguin-Diagramm: Seminar zum F-Praktikum und Seminar I B. WS 2014/15 Messungen: Ein großer Vorteil des gleichzeitigen Messens von KL und KS liegt in der automatischen Minimierung von Schwankungen in der Strahlintensität. Werden weniger Protonen gestreut, erhält man im Experiment weniger Kaon-Paare und umgekehrt die absolute Zahl fällt heraus. Die erste Datenaufnahme der KL → 2π 0 begann Mitte 1997 und lief bis 1999. Im Anschluss wurde NA48 im Jahr 2000 auf systematische Unsicherheiten überprüft. 2001 startete eine weitere diesmal einjährige Messung. NA48-Experiment Messung der direkten Verletzung: Der Parameter der direkten CPV ist 0 , wäre 0 = 0, gäbe es keine direkte CP-Verletzung. Experimentell bedeutet das, wäre der Beitrag des Pinguindiagramms so klein, dass er nicht messbar ist, ließe sich die superschwache Wechselwirkung hiermit nicht ausschließen. Zu bestimmender Doppelbruch: Γ(KL → 7− π0 π0 )/Γ(KL → 7− π+ π− ) 0 Γ(KS → 7− π0 π0 )/Γ(KS → 7− π+ π− ) ≈ 1 − 6Re( ) Aufbau des NA48-Experimentes: Im NA48-Experiment werden Protonen des SPS-Rings an den Targets gestreut, dabei bilden sich neutrale Kaonen, stets 50% KL und KS . Die Kaonen des KL Target lässt man über einer langen Flugstrecke zerfallen, dabei zerfallen alle KS bis zum Detektor und nur die langlebigen KL überleben. Umgekehrt produziert das KS -Target wiederum 50% KL und KS , wobei es so dicht am Detektor steht, dass die Zerfallsprodukte der KS detektiert werden. Um zu entscheiden von welchem Target welche Pionpaare stammen, schaltet man einen Tagger vor das KS -Target und somit ist ein Pion Paar mit getaggtem Proton ein KS Zerfallsprodukt und ein Paar ohne getaggtes Proton ein KL Zerfallsprodukt. Messungen 1997-2001: • 0,49 million KL zu 2π 0 • 1998 1,1 million KL zu 2π 0 • 1999 2,2 million KL zu 2π 0 • 2000 cross checks • 2001 1,5 million KL zu 2π 0 Ergebnis direkte CP-Verletzung: • Der Wert vor 2001 lautete: 0 Re( ) = (15, 3 ± 2, 6)10−4 Ergebnisse [6] Ergebnisse: Tatsächlich zeigt sich, dass 0 6= 0 ist, mit sehr kleinen Fehlerbalken. CP-Verletzung im Kaonzerfall kann somit, sowohl über die Mischung mit seinem Antiteilchen, als auch direkt in den Zerfällen auftreten. Die superschwache WW. kann nun mit Gewissheit als Ursache ausgeschlossen werden. Der Unterschied zwischen Materie und Antimaterie, der durch die Phase auftritt, ist trotzdem sehr klein, nach bisherigen Erkenntnissen zu klein um die Asymmetrie quantitativ zu erklären. Die Auswertung der semileptonischen Zerfälle, also Zerfälle mit Endzuständen aus einem Hadron und sonst Leptonen ergab, dass Positronen im Kaonzerfall in der Produktion bevorzugt werden und nicht Elektronen. Woher aber der Grund für die Asymmetrie der Baryonischen Materie stammt, kann noch nicht beantwortet werden. Final C ollim ator Defining C ollim ator Cle aning C ollim ator De c a y re gion Bent crystal Dete ctor 7.2 c m AKS Ta g g er ~114m ~126m Beamline [4] V. • Nach0 2001: Re( ) = (14, 7 ± 2, 2)10−4 [5] K S targ et K L targ et Kern- und Teilchenphysik 1413 [3] Povh, Rith, Scholz, Zetsche, Rodejohann: Teilchen und Kerne, 6. Auflage, Berlin Heidelberg 2006. [4] http://www.etap.physik.uni-mainz.de [5] https://inspirehep.net/record/564090/ [6] Alushta 2002, Multiparticle dynamics 219-222 [7] arXiv:hep-ex/0110019v1 11 Oct 2001 [8] K.Kleinknecht - Uncovering CP-Violation [9] Marco S. Sozzi - Discrete Symmetries and CP Violation LITERATUR [1] griffiths - introduction to elementary particles (2nd edition) (2008). [2] C. S. WU, Cotumbia University, 1Vem York, AND E. AMBLER) R. W. HAYwARD) D. D. HQPPEs) AND R, P. HUDsoN) National, Bureau of Standards, W’ashington, D. C. (Received January 15, 1957) Phys. Rev. 105 (1957) 4