Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des

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Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des
Kindes- und Jugendalters der
Universität zu Köln
Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. Gerd Lehmkuhl
Wirksamkeit der stationären Behandlung von Jugendlichen
mit emotional bedingtem Schulabsentismus
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde
der Hohen Medizinischen Fakultät
der Universität zu Köln
vorgelegt von
Saada Nicole Rizk
aus Göttingen
promoviert am
12. Juni 2013
Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. h. c. Th. Krieg
1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. sc. hum. M. Döpfner
2. Berichterstatter: Pivatdozent Dr. med O. Fricke
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel
angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen
Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des
Manuskripts habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten:
Universitätsprofessor Dr. sc. hum. M. Döpfner
Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Daniel Walter
Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Christopher Hautmann
Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit
nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die
im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen.
Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland
in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
Köln, den 14.11.2012
Das Thema der vorliegenden Arbeit habe ich mir gemeinsam mit
Dr. Daniel Walter ausgesucht.
Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Daten wurden durch meine Mitarbeit in der
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln ermittelt.
Die Rechnungen habe ich mit Unterstützung von Dr. Daniel Walter und
Dr. Christopher Hautmann durchgeführt.
Die ermittelte Datenlage und die Ergebnisse der Analysen sind teilweise zur
Vorabveröffentlichung in folgende Artikel eingeflossen:
„Short- and long term effects of inpatient treatment of adolescents with anxiousdepressed school absenteeism – a controlled study“ (Walter D, Hautmann C,
Rizk S, Lehmkuhl G, Doepfner M, 2011 eingereicht) und
„Short term effects of inpatient cognitive behavioral treatment of adolescents
with anxious-depressed school absenteeism“ (Walter D, Hautmann C, Rizk S,
Petermann M, Minkus J, Sinzig J, Lehmkuhl G, Doepfner M, 2010)
Danksagung:
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die zur Fertigstellung dieser Arbeit beigetragen haben:
Großer Dank geht an meinen Doktorvater, Universitätsprofessor Dr. sc. hum.
Manfred Döpfner, für die Ermöglichung dieser Arbeit.
Ich bedanke mich bei Dr. Daniel Walter für den Vorschlag dieses Themas und
seine geduldige und zuverlässige Unterstützung in allen Phasen der Umsetzung dieser Arbeit. Ebenso bedanke ich mich bei ihm für die Ermöglichung der
Teilhabe an den Veröffentlichungen.
Außerdem danke ich herzlich Dr. Christopher Hautmann für seine hilfreichen
und ausführlichen Erklärungen und Hilfestellungen und für seine dafür aufgebrachte Zeit.
Ich möchte mich bei Joy Weigel bedanken, die mich während meines Auslandaufenthalts sehr unterstützt hat.
Meiner Familie danke ich für die fortwährende Unterstützung und ihr Interesse
an meiner Arbeit. Ebenso für die Ermöglichung des Studiums sowie ihre warme
und gelassene Art.
Ich danke meinen Freunden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1
2
Einleitung ................................................................................................... 9
1.1
Einführung......................................................................................................... 9
1.2
Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus .......................... 10
1.3
Epidemiologie ................................................................................................. 12
1.4
Erklärungsansätze und Klassifikationen .................................................... 12
1.5
Schulabsentismus und psychische Probleme........................................... 15
1.6
Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus ........................... 18
1.7
Fragestellungen und Hypothesen ............................................................... 21
Methoden .................................................................................................. 22
2.1
Ablauf der Studie ........................................................................................... 22
2.2
Stichprobenbeschreibung............................................................................. 23
2.3
Untersuchungsdesign ................................................................................... 25
2.4
Behandlung und Behandlungsintegrität ..................................................... 26
2.5
Messinstrumente............................................................................................ 29
2.5.1
Diagnostisches Interview ...................................................................... 30
2.5.2
Analyse des Schulverhaltens und Zählung der Schulfehltage ....... 30
2.5.3
Selbstbeurteilung und Elternurteil ....................................................... 31
2.6
3
4
Verwendete Verfahren zur Datenanalyse .................................................. 35
2.6.1
Statistische Signifikanz ......................................................................... 35
2.6.2
Klinische Signifikanz .............................................................................. 38
2.6.2.1
Reliable Change Index ........................................................... 39
2.6.2.2
Normorientierter Vergleich ..................................................... 40
Ergebnisse ............................................................................................... 41
3.1
Ergebnisse zum Schulbesuch und Schulverhalten .................................. 41
3.2
Veränderungen von psychischen Auffälligkeiten ...................................... 43
3.2.1
Psychische Probleme während der Behandlungsphase ................. 44
3.2.2
Psychische Probleme während der Behandlungsund Wartephase im Vergleich ............................................................. 46
3.2.3
Psychische Probleme im poststationären Verlauf ............................ 54
Diskussion................................................................................................ 57
4.1
Verlauf der Studie .......................................................................................... 57
4.2
Einordnung der Ergebnisse in den aktuellen Forschungsstand............. 60
4.3
Grenzen der Arbeit ........................................................................................ 61
4.4
Ausblick ........................................................................................................... 63
5
Zusammenfassung .................................................................................. 64
6
Literaturverzeichnis ................................................................................. 66
5
7
Vorabveröffentlichung von Ergebnissen ............................................... 74
8
Anhang ..................................................................................................... 75
9
8.1
Tabellenverzeichnis....................................................................................... 75
8.2
Abbildungssverzeichnis ................................................................................ 75
Lebenslauf ................................................................................................ 76
6
Abkürzungsverzeichnis
ADHS
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
AFS
Angstfragebogen für Schüler
ANGDEP-E Composite Score aus Angst/Depression im Elternurteil
ANGDEP-J Composite Score aus Angst/Depression im Jugendurteil
ARBEIT-J
Composite Score aus Arbeitsverhalten im Jugendurteil
CBCL
Child Behavior Checklist
CBT
Cognitive behavioral therapy, kognitive Verhaltentherapie
DIKJ
Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche
DISYPS-KJ Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter
DSM-IV
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
EXPANS-E Composite Score aus expansivem Verhalten im Elternurteil
EXPANS-J
Composite Score aus expansivem Verhalten im Jugendurteil
FBB-ANG
Fremdbeurteilungsbogen für Angststörungen
FBB-DES
Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen
FBB-HKS
Fremdbeurteilungsbogen für hyperkinetische Störungen
FU1
3. Messzeitpunkt: 1. Katamnese in der Follow-up-Phase:
2 Monate nach Behandlungsende
FU2
4. Messzeitpunkt: 2. Katamnese in der Follow-up-Phase:
9 Monate nach Behandlungsende
HAWIK-III
Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder − III
HAWIE-R
Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene – Revision
1991
ICD-10
International Classification of Diseases/Internationale statistische
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
LAVI
Lern- und Arbeitsverhaltensinventar
Prä1
1. Messzeitpunkt: Datenerhebung beim Screeningtermin
Prä2
2. Messzeitpunkt: Datenerhebung am Aufnahmetag
SBB-ANG
Selbstbeurteilungsbogen für Angststörungen
SBB-DES
Selbstbeurteilungsbogen für depressive Störungen
SBB-HKS
Selbstbeurteilungsbogen für hyperkinetische Störungen
7
SELBST
Therapieprogramm für Jugendliche mit Selbstwert-, Leistungsund Beziehungsstörungen
YSR
Youth Self Report
8
1 Einleitung
1.1 Einführung
Es liegt in der Natur eines Heranwachsenden, vorgegebene Ordnungen und
Regeln hinterfragen zu wollen und gegebenenfalls auch über Verweigerungshaltung, Positionen für sich zu entdecken. Gerade der Schauplatz Schule bietet
als Knotenpunkt von sozialer und persönlicher Entwicklung, verbunden mit der
Grundsteinlegung eigener Lebenswege, großen Raum sich auszuprobieren.
Wobei der eigentliche Lehrstoff dabei zeitweise in den Hintergrund geraten
kann.
Etwa 60 % der Schüler von weiterführenden Schulen berichten, schon einmal
der Schule unerlaubt ferngeblieben zu sein (Weiß 2007).
Die meisten Kinder und Jugendlichen besuchen die Schule, wie die Gesellschaft und das Gesetz es erwarten, regelmäßig. Etwa 5 % der Schüler in
Deutschland gelingt diese Regelmäßigkeit jedoch nicht (Buhse und Fileccia
2003).
Kinder- und jugendpsychiatrisch bedeutsam wird das Fernbleiben der Schule
oftmals erst bei deutlicher Ausprägung und dem Vorhandensein von psychischen Problemen.
Ausgeprägtes schulverweigerndes Verhalten stellt ein zunehmendes Problem in
unserer Gesellschaft dar. Es betrifft neben dem Jugendlichen selbst und seiner
Familie die Verantwortlichen von Schule, Jugendhilfe sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Die Abkehr von der Schule bedeutet für die Jugendlichen eine erhebliche Gefährdung ihrer weiteren psychischen und psychosozialen Entwicklung.
Die Ursachen für schulverweigerndes Verhalten sind vielfältig und vielschichtig
und nicht immer sofort zu verstehen. Aus diesem Grund ist ein adäquates Behandlungskonzept Voraussetzung, um den betroffenen Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien sinnvoll begegnen und für den künftigen Lebensweg
vorbeugend handeln zu können.
Dass politischer Handlungsbedarf herrscht, zeigt ein nationaler Bildungsbericht
aus dem Jahr 2008. Im Vergleich zum europäischen Ausland ist die Zahl der
Schulabgänger ohne Schulabschluss in Deutschland hoch: Im Jahr 2006 verließen 76.000 Schüler die Schule ohne Abschluss und machten damit einen Anteil von 8 % aus (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008).
9
Obwohl langfristige Benachteiligungen in Bildungs- und Berufschancen, sozialen Beziehungen und Selbstständigkeit als Folgen von Schulabsentismus bekannt sind, gibt es nur wenige klinisch-therapeutische Studien zu den Behandlungsmöglichkeiten.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Vorstellung einer Studie, die weiteres Wissen
über die Wirksamkeit eines standardisierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen
Therapieprogramms (CBT) für Jugendliche mit emotional bedingtem Schulabsentismus im stationären Setting liefert. Wichtige Erfolgskriterien bei der Überprüfung der Wirksamkeit stellen die Wiederherstellung eines regelmäßigen
Schulbesuchs, die Reduktion komorbider psychischer Auffälligkeiten und die
Stabilität der Effekte über einen poststationären Zeitraum von 9 Monaten dar.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstands bietet die vorliegende
Studie methodisch den großen Vorteil der Implementierung einer experimentellen Kontrolle durch eine Wartelistenphase und zeichnet sich zudem durch eine
großangelegte Stichprobe und ein großzügiges Follow-up aus.
1.2 Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus
Die meisten Jugendlichen besuchen die Schule regelmäßig und entsprechen
den gesellschaftlichen Erwartungen an eine gute Ausbildung. Manchen Jugendlichen gelingt der regelmäßige Schulbesuch jedoch nicht, was in Fehlzeiten
über einen langen Zeitraum gipfeln kann (King und Bernstein 2001; Kearney
2008). Dieses Phänomen kann mit dem Begriff „Schulabsentismus“ beschrieben werden.
Es handelt sich dabei um eine rein deskriptiv angelegte Formulierung der Tatsache, dass ein Schüler der Schule fernbleibt, ohne dass eine somatische Erkrankung vorliegt (Kearney 2007).
Moderne Studien beschreiben Schulabsentismus als ein adoleszentenspezifisches unentschuldigtes Fernbleiben, welches durch ein komplexes und wechselwirksames Auftreten verschiedener Gründe und Auslöser bedingt ist. Dabei
sind sowohl Kinder und Jugendliche mitinbegriffen, die nur an einzelnen Unterrichtsstunden nicht teilnehmen, als auch die, welche den Schulbesuch komplett
eingestellt haben (Kearney 2008; Walter 2010).
10
Der neutrale Begriff „Schulabsentismus“ versucht, Schwächen diverser früherer
Begriffe wie „Schulangst“, „Schulphobie“, „Schulverweigerung“, “Schulmüdigkeit“, „Schulverdrossenheit“ und „Schulschwänzen“ zu überwinden, und ist
vielmehr als Versuch eines vereinheitlichenden Konzeptes anzusehen (Walter
und Döpfner 2009) ohne Annahmen über die zugrundeliegenden Ursachen zu
machen (Walter und Döpfner 2005). International setzt sich dieser Begriff zunehmend durch. Dies erscheint vor dem Hintergrund sinnvoll, dass die meisten
Studien herausgestellt haben, dass Schulabsentismus eine komplexe Ätiologie
aufweist (Berg 1997; Walter und Döpfner 2009) und dass Beiträge und Wechselwirkungen der zugrundeliegenden Ursachen noch nicht hinreichend analysiert wurden (Egger, Costello und Angold 2003; Kearney 2008).
In den Klassifikationssystemen ICD-10 (Dilling, Mombour, Schmidt und SchulteMarkwort 2006) und DSM-IV (American Psychological Association 2000) wird
Schulabsentismus zwar thematisiert, ist aber nicht als eigenständiges Störungsbild zu finden (Lehmkuhl und Lehmkuhl 2004). Es stellt weder eine umschriebene psychische Störung noch eine diagnostische Entität dar (Jans und
Warnke 2004).
Der Zusatz „emotional bedingt“ kommt der Tatsache nach, dass die betroffenen
Jugendlichen oft verschiedene Formen psychischer Auffälligkeiten, wie z. B.
Angst- und depressive Störungen, somatisierendes Verhalten, expansive Verhaltensstörungen, oder Defizite in sozialen Fertigkeiten aufweisen (Carr 1999;
Ihle, Jahnke und Esser 2003), die mit der Weigerung, die Schule zu besuchen,
oder dem Unvermögen, den Schulalltag zu bewältigen, in Zusammenhang stehen. Emotionale Beeinträchtigungen des Schülers oder emotionaler Stress, der
mit der Schule verbunden wird, spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung
und Aufrechterhaltung von emotional bedingtem Schulabsentismus. Emotional
bedingter Schulabsentismus steht in klarer Abgrenzung zu schulischen Fehlzeiten, die ausschließlich durch körperliche Erkrankung bedingt sind oder bei dem
emotionale Beeinträchtigung oder Stress als Grund für das Fernbleiben vom
Unterricht gänzlich ausgeschlossen werden können.
Eine klare Unterscheidung ist zu den Jugendlichen zu treffen, die der Schule
fernbleiben, um attraktiveren Aktivitäten nachzugehen (King und Bernstein 2001;
Egger, Costello und Angold 2003). Man bezeichnet diese Gruppe als Schulschwänzer. Das expansiv bedingte Schulfernbleiben ist häufig mit einer Störung
des Sozialverhaltens assoziiert (Walter und Döpfner 2009).
11
1.3 Epidemiologie
Das Fernbleiben von der Schule stellt ein zunehmendes Problem unserer Gesellschaft dar. Es tritt deutschen wie auch internationalen Studien zufolge bei
etwa 5 % aller Kinder und Jugendlichen auf (Egger 2003; Buhse und Fileccia
2003). Die Geschlechterverteilung ist dabei ausgeglichen (Heyne 2001). Das
Fernbleiben vom Unterricht steigt im Alter von 13 bis 18 Jahren stetig an, und
die genaue Betrachtung einer Kölner Stichprobe durch Wagner und Kollegen
hat gezeigt, dass es bei Schülern an Haupt- und Förderschulen (14,7 % bzw.
12,8 %) deutlich häufiger zu beobachten ist als bei denen an Gymnasien (4,7 %)
oder Realschulen (6,1 %; Wagner et al. 2004). Dabei sind die Ausprägungen
genauso vielfältig wie die Gründe, die zu diesem Verhalten führen. Die Dauer
der Abwesenheit variiert bei den Betroffenen von einzelnen Schulstunden bis
hin zu vielen Monaten oder gar Jahren (Wagner et al. 2004). Der Schulbesuch
und die anschließende Aufnahme einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit sind
unabdingbar für die finanzielle Sicherung und Unabhängigkeit. Im Erwachsenenalter gehören Schulverweigerer häufig einem niedrigeren Bildungsniveau an
und sind schlechter sozial integriert (Flakierska-Praquien 1997; Spence 1999).
Ebenso gelten die Wahrscheinlicheit der Entwicklung weiterer psychischer Störungen als erhöht und die berufliche Entwicklung als gefährdet (King und Bernstein 2001; Berg und Jackson 1985; Flakierska, Lindstrom und Gillberg 1988).
1.4 Erklärungsansätze und Klassifikationen
Studien aus jüngster Zeit beschreiben das Phänomen „Schulabsentismus“ als
ein adoleszentenspezifisches unentschuldigtes Fehlen in der Schule, welches
stark im Kontext mit dem Umfeld, insbesondere den sozialen und psychiatrischen Bedingungen steht (Kearney 2008; Walter et al. 2010).
Bei genauerer Betrachtung der schulischen Gegebenheiten kommt man zum
Konsens, dass große Klassen, Probleme mit Mitschülern, hohe Ansprüche an
die zu erbringende Arbeitsleistung der Schüler und ungünstige personelle Bedingungen seitens der Lehrerschaft schulverweigerndes Verhalten fördern
(Kearney 2008; Walter und Döpfner 2009).
Weiter findet man gehäuft Leistungs- und soziale Ängste, depressive und Somatisierungstendenzen, ungenügende soziale Fertigkeiten, wie z.B. den Mangel ausreichender Konfliktlösestrategien, bis hin zu dissozialen Verhaltenswei12
sen, die zur Ausgrenzung aus dem Klassenverband und des gemeinschaftlichen Miteinanders führen können, sowie Schwierigkeiten im Leistungs- und
Arbeitsverhalten durch das Fehlen an organisatorisch-planerischen Fähigkeiten
oder Lernstrategien. Auch die intellektuelle schulische Fehlplatzierung und
nichterkannte Teilleistungsstörungen stehen oftmals hinter dem Symptom des
Schulabsentismus (Walter und Döpfner 2009).
Im familiären Kontext spielen ungünstige Umstände wie Armut, psychische Störungen der Eltern, insuffizientes Erziehungsverhalten, Arbeitslosigkeit oder das
Vorliegen von inkompletten Familien („broken home“) eine Rolle und wirken
sich negativ auf das Schulverhalten der Kinder und Jugendlichen aus (Rettig
und Crawford 2000; McShane, Walter und Rey 2001; Tyrell 2005).
Anamnestisch können häufig stressauslösende Life Events für das Kind oder
den Jugendlichen im Zusammenhang mit dem Beginn des schulabsentistischen
Verhaltens ausgemacht werden. Dabei kann es sich um einen Schulwechsel,
eine Klassenwiederholung oder auch die Scheidung der Eltern handeln. Aber
auch nach Fehlzeiten durch somatische Erkrankungen oder nach Schulferien
kann eine Rückkehr in den schulischen Alltag oftmals nicht umgesetzt werden
(King, Tonge, Heyne, Ollendick 2000; McShane, Walter und Rey 2001).
Auch die eigentlich nicht fokussierte positive Verstärkung des schulverweigernen Verhaltens durch die Eltern (etwa entlastende Maßnahmen wie das Organisieren von Entschuldigungen und Attesten sowie Erlauben von Fernsehen, im
Bett bleiben, Computer spielen) wie auch hoher elterlicher Leistungsanspruch
spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Chronifizierung von Schulabsentismus (Kearney und Albano 2004; Carr 1999; Ihle et al. 2003).
Die Ursachen sind vielfältig und komplex. Eine Studie von Knollmann und Kollegen aus dem Jahr 2009 untersuchte 89 Patienten (Alter = 14,4; 42 weiblich)
einer auf Schulverweigerung spezialisierten kinder- und jugendpsychiatrischen
Ambulanz. Demnach ist schulvermeidendes Verhalten als Überforderungsreaktion auf schulische und familiäre Belastungen und Probleme im Gleichaltrigenkontext (Peergroup) zu verstehen, die stark mit der individuellen Vulnerabilität in
Zusammenhang stehen (Kollmann 2009).
Eine Arbeit von Bernstein und Borchardt (1996) weist darauf hin, dass Schulverweigerer oft aus konfliktreichen Familien kommen und nur über geringe
Selbstwirksamkeit beim Umgang mit stressreichen Situationen verfügen.
13
Die Heterogenität der möglichen Ursachen dieses Phänomens führte in der
Vergangenheit zu verschiedenen Versuchen der Verbegrifflichung. Der rein deskriptiv angelegte Begriff des Schulabsentismus, wird der Tatsache gerecht,
dass unterschiedliche Gründe hinter dem Fernbleiben von der Schule stehen
können, die erst nach einer genauen Anamnese als Konstrukt erkannt und behandelt werden können.
Eine Kasuistik von Walter (2008) fasst die hohe Komorbiditätsrate psychischer
Auffälligkeiten des Phänomens des Schulabsentismus zusammen. Walter unterscheidet in diesem Zusammenhang typische klinisch-psychiatrische Diagnosen:
Bei Schülern, die der Schule fernbleiben, weil sie andere interessante
Orte aufsuchen wollen (z. B. in die Stadt gehen), liegt oftmals eine dissoziale Schulverweigerung vor, und es wird häufig die Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens gestellt.
Bei Schülern, die der Schule primär aus ängstlichen Gründen fernbleiben,
werden v. a. die Diagnosen emotionale Störung mit Trennungsangst und
Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters oder generalisierte
Angststörung vergeben.
Bei Schülern, die der Schule primär aus Antriebsarmut oder trauriger
Stimmung fernbleiben, wird häufig eine depressive Episode oder eine
dysthyme Störung diagnostiziert.
Am häufigsten findet man psychische Störungen sowohl aus dem expansiven als auch aus dem emotionalen Formenkreis, beispielsweise eine kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen oder
eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung.
Neben der Klassifizierung nach Begründungsmodellen gibt es auch den Ansatz,
das Phänomen nach ihrer Funktionalität für das Kind oder den Jugendlichen zu
beschreiben.
Kearney unterscheidet 4 Funktionen schulvermeidenden Verhaltens (Kearney
2004):
Vermeidung eines schulbezogenen Stimulus, der das Gefühl eines negativen Affekts auslöst (z. B. Angststörung, Depression)
14
Vermeidung von aversiv-erlebten und schulbezogenen Prüfungs- und
sozialen Situationen
Aufmerksamkeitssuchendes Verhalten/Trennungsangst (z. B. bezüglich
der Eltern)
Positive Verstärkung außerhalb der Schule (z. B. Treffen mit Freunden,
Drogenkonsum)
Dabei sind die ersten beiden Funktionen unter dem Aspekt der negativen Verstärkung zu betrachten und die dritte und vierte Funktion unter dem der positiven Verstärkung. Dabei sind Überschneidungen der Funktionen durchaus möglich und nicht selten.
1.5
Schulabsentismus und psychische Probleme
Die genaue Identifikation von aufgetretenem Fernbleiben von der Schule und
die genaue Differenzierung des Ausmaßes sind eminent. So zeigt eine vergleichende Sekundäranalyse von Weiß (2007), dass das Fernbleiben vom Unterricht ein gängiges Phänomen darstellt, was aber nicht unbedingt zur Besorgnis
führen muss, sondern eher als entwicklungsbedingt beim Jugendlichen festgestellt werden kann und häufig frei von weiteren Konsequenzen ist. So geben bis
zu 60 % der befragten Schüler von weiterführenden Schulen in Deutschland an,
schon einmal einige Stunden oder den ganzen Tag absichtlich nicht am Unterricht teilgenommen zu haben und stattdessen der Schule ferngeblieben zu sein.
Wichtig wird eine genauere Betrachtung der Schulvermeidung bei stärkerem
Ausmaß der Fehlzeiten und beim Auftreten von psychischen Symptomen. Die
betroffenen Jugendlichen zeigen häufig verschiedene Formen von psychischen
Auffälligkeiten wie Angst- oder depressive Störungen, somatisierendes Verhalten, Verhaltensstörungen oder Defizite sozialer Fähigkeiten (Carr 1999; Ihle,
Jahnke, Esser 2003). Dabei kann man bei Vorliegen von psychischen Problemen bei Schulabsentisten zudem von einem großen Risiko der Wechselwirkung
und somit Verschlimmerung der psychischen Probleme bei langandauernder
Schulverweigerung ausgehen (McShane 2001).
Schulverweigerndes Verhalten birgt ein hohes Risiko der Chronifizierung, wenn
eine frühe Identifikation und Behandlung ausbleiben (King und Bernstein 2001).
Chronisches Fernbleiben von der Schule ist häufig mit dem Abbruch der schulischen Ausbildung verbunden (Kearney 2008; Alexander et al. 2002).
15
Dieser Ausstieg ist nicht nur eine vergebene Chance auf eine geregelte finanzielle Absicherung, er ist auch eine Abkehr vom gesellschaftlichen Leben. Eine
sinnvolle Tages- und Wochenstruktur wird aufgegeben, und soziale Kontakte
können oft nicht aufrechterhalten werden. Die Gefahr der sozialen Isolation ist
durch den Verlust des Anschlusses an Gleichaltrige gegeben. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist eng mit dem Abbruch des Ausbildungsweges verknüpft
(Last et al. 1990; King et al. 2001; Woodward und Fergusson 2000).
Die Chronifizierung der Schulverweigerung bringt ein hohes Risiko einer gestörten psychosozialen Entwicklung mit sich (Elliot 1999), und im Erwachsenenalter
stellt es einen Risikofaktor für psychische Erkrankungen dar (Tramontina et al.
2001).
Als besorgniserregend gelten auch die Hinweise einer Studie, die die Risikofaktoren bezüglich Schulabsentismus genauer beleuchtete. Demnach ist chronisches schulabsentistisches Verhalten mit delinquentem Verhalten wie auch einer breiten Vielfalt an ökonomischen, psychischen, sozialen und partnerschaftlichen Problemen assoziiert (Kearney 2008).
In einer australischen Studie von McShane, Walter und Rey 2001 wurden 192
Schulabsentisten hinsichtlich psychiatrischer Komponenten untersucht. Dabei
zeigte sich ein hohes Vorkommen von psychiatrischen Problemen wie depressiven Störungen, Sozialphobie oder Verhaltensstörungen. Bei über der Hälfte
der Probanden war eine familiäre Häufigkeit psychiatrischer Erkrankungen zu
finden.
In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben dazu, wie häufig Schüler mit
schulabsentistischem Verhalten an einer klinisch-psychiatrischen Störung leiden:
In der Great Smoky Mountain Study wurde eine Schülerpopulation (n = 1422)
von 1992 bis 2003 untersucht. Bei den „Schulschwänzern“ fand man vor allem
Störungen des Sozialveraltens, aber auch depressive Störungen. Bei den
angstbedingten Schulverweigerern wurden eher Diagnosen der Trennungsangst und der depressiven Störung vergeben, aber auch Störungen des Sozialverhaltens waren zu finden. In 25 % der Fälle wurden die Kriterien zur Stellung
einer psychiatrischen Diagnose erfüllt (Egger et al. 2003). Die Schüler mit einem Mischbild aus dissozial und angstbedingtem Schulabsentismus galten als
16
am stärksten beeinträchtigt. 88 % dieser Probanden erfüllten eine psychiatrische Diagnose, wobei hier vor allem expansive Störungen (Störungen des Sozialverhaltens, ADHS) und Symptome aus dem emotionalen Formenkreis, wie z.
B. Trennungsangst, Panikstörungen und Depression, im Mittelpunkt standen.
Tsujomoto und Kollegen (2007) diagnostizierten in einer ambulanten Stichprobe
(n = 52) bei Jugendlichen, die sich mit schulabsentem Verhalten vorstellten, in
67,3 % der Fälle somatoforme Störungen und in 11,5 % affektive Störungen.
Ähnliche Zahlen liefert auch der Bericht von Prabhu Swamy und Kollegen
(2007). Hier lag bei 87,9 % einer Stichprobe (n = 33) schulabsenter Jugendlicher eine psychiatrische Störung vor. Depressive Störungen (63,6 %) und soziale Phobien (30,3 %) waren anteilig am stärksten vertreten.
Kearney zeigte in einer Studie 2004, dass bei einer Stichprobe von 143 Schulabsentisten bei nur 32 % keine klinische psychiatrische Diagnose gestellt wurde.
Wobei Pina (2009) in einer Übersichtsarbeit, die 15 Einzel- und Gruppendesigns hinsichtlich verschiedener Behandlungsansätze vergleicht, auch auf den
oftmals signifikanten Anteil Jugendlicher in den Stichproben der verglichenen
Studien hingewiesen hat, der keine Kriterien zur Diagnosestellung ausreichend
erfüllte.
Zusammenfassend kann jedoch eine starke Assoziation zwischen Schulabsentismus und dem Auftreten psychischer Störungen benannt werden.
Dabei kann Schulabsentismus das Symptom oder die Folge einer psychischen
Störung sein (Jans et al. 2004). Die häufigsten Diagnosen im Falle einer Diagnosestellung sind dabei in den Bereichen der Angststörungen, depressiven Störungen sowie Störungen aus dem expansiven Formenkreis zu finden. Je nach
Zuordnung zur angstbedingten Schulverweigerung oder zum „Schulschwänzen“ ist hier die Häufigkeit der Diagnosen eine andere, dabei zeigen sich vor allem die Jugendlichen, die eine Mischform von dissozialem und angstbedingtem
Schulabsentismus aufweisen, als psychisch beeinträchtigt (Egger et al 2003).
17
Häufig treten akkumulierte Symptome aus unterschiedlichen Störungsbereichen
auf. Dabei stellt es sich als schwierig dar, sie mit Hilfe der ICD-10 und DSM-IV
hinreichend abzubilden. Einzeln genommene Symptome erfüllen häufig nicht
die Kriterien der Diagnosesysteme, um als Vollbild zu gelten, dabei sind Leidensdruck und Funktionseinschränkung für den Jugendlichen jedoch deutlich
zu spüren. Diese Symptome betreffen vor allem den Bereich des Selbstwertes,
die Beziehungen zu Erwachsenen und Gleichaltrigen, die Regulation von Affektivität und Affekt und die schulische Leistungsfähigkeit (Walter et al 2005).
1.6 Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus
Die erwähnten Risiken großer Beeinträchtigungen der psychosozialen Entwicklung und der Chronifizierung bis ins Erwachsenenalter machen eine rasche und
professionelle Behandlung notwendig (Elliot 1999). Ist die schulabsentistische
Problematik durch Intervention im ambulanten Setting nicht in den Griff zu bekommen, ist eine stationäre Behandlung indiziert (Lauchlan 2003).
Es wurden zur Problematik Schulabsentismus in der Vergangenheit verschiedene Interventionsansätze entwickelt und angewandt. Doch nur zum Teil fanden Evaluationen statt. Sowohl spiel- als auch familienzentrierte Therapieformen sowie Psychoanalyse kamen zum Einsatz. Dabei konnte kein valider
Nachweis der Wirksamkeit erbracht werden, da es sich bei den meisten Auswertungsarbeiten um klinische Falldarstellungen oder Studien mit zu kleinen
Stichproben handelte. Daher gilt die Forschungsliteratur dazu als knapp bemessen und kann nur zurückhaltend interpretiert werden. Zudem erscheinen
viele Ergebnisse widersprüchlich (King, Tonge, Heyne und Ollendick 2000; King
und Bernstein 2001).
Dennoch gelang es Pina (2009) in einer Übersichtsarbeit, in der Daten zur
Wirksamkeit aus acht Studien verschiedener Einzelfälle und sieben Therapieverläufe im Gruppendesign miteinander verglichen wurden, einen eindeutigen
empirischen Beweis für die Wirksamkeit von psychosozialen Interventionen zur
Verbesserung des regelmäßigen Schulbesuchs und Verminderung psychischer
Störungen bei Kindern und Jugendlichen zu liefern. Dieser war verbunden mit
der Postulation nach weiteren Untersuchungen der potenziellen Moderatoren
der sehr unterschiedlichen Interventionsformen, um die Veränderungen im
Schulverhalten durch die Therapien besser verstehen zu können.
18
In den letzten Jahren zeichnete sich in den Forschungsergebnissen ab, dass
die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ein möglicherweise gut wirksamer Interventionsansatz bei Schulabsentismus ist.
Vier Studien haben den Einsatz und die Wirksamkeit von manualgeleiteter kognitiver Verhaltenstherapie bei Schulabsentismus untersucht und gelingt es, die
hohen methodischen Kriterien zu erfüllen (Blagg und Yule 1984; King et al.
1998; Last, Hansen und Franco 1998; Walter et al. 2010).
Drei dieser Studien fokussierten die ambulante Behandlung von angstbasiertem
Schulabsentismus, dabei legten sie ihren Schwerpunkt nicht auf Jugendliche,
sondern untersuchten nur zum Teil Jugendliche in klinischen Inanspruchnahmepopulationen über Rekrutierungen via Schulen oder Zeitungsannoncen usw.
Allerdings wurden schulverweigernde Jugendliche mit expansiven Störungen
ausgeschlossen, und die Stichproben beinhalteten überwiegend Schulabsentisten mit nur geringer Chronifizierung (Blagg und Yule 1984; King et al. 1998;
Last, Hansen und Franco 1998).
Alle drei Arbeiten demonstrierten eine zufriedenstellende Reduktion des schulabsentistischen Verhaltens unter kognitiver Verhaltenstherapie. Zwei der vier
Studien prüften auch die Therapieform im stationären Setting (Blagg und Yule
1984; Walter et al. 2010).
Bei der Studie von Blagg und Yule (1984) wurde die Wirksamkeit einer stationären Therapie untersucht. Bei dieser nichtrandomisierten Studie handelte es sich
jedoch nicht um eine spezifische kognitive Verhaltenstherapie, da man auf ein
Manual verzichtet hatte. Von den 16 ängstlich motivierten Jugendlichen gelang
28 % der regelmäßige Schulalltag ein Jahr nach Behandlungsende im Followup. Jedoch muss die Aussagekraft dieser Ergebnisse vor dem Hintergrund methodischer Schwächen, wie beispielsweise geringer Stichprobengröße und fehlender Kontrollgruppe, als begrenzt angesehen werden.
Walter und Kollegen (2010) prüften als einzige Forschungsgruppe die Wirksamkeit von stationärer, manualgeleiteter kognitiver Verhaltenstherapie anhand
einer Stichprobe von 82 Jugendlichen, die sich mit schwerer Form von Schulabsentismus und ausgeprägten Angststörungen mit und ohne komorbiden expansiven Störungen für eine Behandlung entschlossen hatten. Am Ende der
Therapie wurde eine beachtliche Reduktion des schulabsentistischen Verhaltens und der psychiatrischen Probleme erreicht. Darunter gab es vor allem Erfolge bei den Angststörungen, depressiven und expansiven Störungen. Die Ef19
fekte zeigten im Follow-up zwei Monate nach Behandlungsende eine weitgehende Stabilität. Als Schwäche der Studie muss hier allerdings das Fehlen einer Kontrollgruppe angeführt werden, so dass der Beweis nicht gewährleistet
war, dass die beobachteten Effekte auch nur der Therapie zuzuschreiben sind.
Ebenso ist das poststationäre Beobachtungsintervall von zwei Monaten sehr
klein.
Während demnach drei Studien einen Beweis der Wirksamkeit ambulanter,
kognitiver Verhaltenstherapie bei Jugendlichen mit ängstlich motiviertem Schulabsentismus liefern, gibt es keine systematisch prüfenden Arbeiten zur Effektivität stationärer, kognitiver Verhaltenstherapie mit schwer beeinträchtigten Jugendlichen mit stark chronifizierter Form von Schulabsentismus und zusätzlichen psychiatrischen Störungen inklusive expansive Verhaltensstörungen.
Die vorliegende Studie versucht, diese Lücke zu schließen, und prüft die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie im stationären Setting bei schwer
beeinträchtigten Jugendlichen mit angst- und depressionsbasiertem chronischen Schulabsentismus mit und ohne expansive Störungen (Walter 2010 und
2011).
Im Gegensatz zu anderen Studien wurden hier Patienten mit komorbiden expansiven Verhaltensstörungen in die Stichprobe miteingeschlossen, denn eine
Studie von Egger und Kollegen (2003) misst dieser Gruppe bei den Schulabsentisten die größte Prävalenz und Beeinträchtigung bei.
Die erwähnte Heterogenität und Vielfalt der Faktoren und der adoleszentenspezifischen Probleme, die im Kontext mit dem Phänomen Schulabsentismus stehen, erklären die Problematik der diagnostischen Erfassung und viel mehr noch
der adäquaten Behandlung.
Die ausführliche Exploration und Testung der Patienten sind zugleich unabdingbar für die Therapie und deren feste Bestandteile.
Eine frühe und umfassende Intelligenzdiagnostik ist eine primäre Maßnahme,
um schulische Unter- oder Überforderung für die Problematik auszuschließen,
oder eine Umplatzierung einzuleiten (Döpfner und Walter 2006).
20
Elliot (1999) formulierte in einer Arbeit Prinzipien zur Behandlung von Schülern
mit Schulverweigerung:
Ausführliche Diagnostik in Form von Testung des Jugendlichen und Exploration unter Mithilfe der Eltern und Lehrer
Rasche Rückführung zur Schule
Aufhebung von Maßnahmen, die schulvermeidendes Verhalten fördern,
wie z. B. Krankschreibungen oder Hausbeschulung
Enge Zusammenarbeit der an der Behandlung beteiligten Institutionen
von Gesundheit und Ausbildung
Psychoedukation der Eltern über das Krankheitsbild des Kindes und Integration in die Therapie. Ebenso Sensibilisierung der Lehrer
Implementierung eines multimodalen Behandlungskonzepts, welches
nach individuellen Anforderungen kognitiv, verhaltenstherapeutisch und
pharmakologisch interveniert
Erarbeitung eines Konzepts, welches die Prüfung des weiteren schulischen Verlaufs prüft und die Behandlung von Rückfällen garantiert.
Wie im Kapitel zur Behandlung und Behandlungsintegrität (2.4.) ersichtlich wird,
bieten die von Elliot (1999) geforderten Prinzipien eine Grundlage zur angewandten Therapieform dieser Studie.
1.7 Fragestellungen und Hypothesen
Die vorliegende Studie hat das Ziel, die Wirksamkeit von stationärer kognitivbehavioraler Therapie von Jugendlichen mit primär emotional bedingtem Schulabsentismus (mit und ohne expansive Störungen) zu beurteilen.
Man stellte dazu die Hypothesen auf, dass während der Behandlungsphase eine deutliche Reduktion des Schulfernbleibens (1) und der komorbiden psychiatrischen Probleme (2) stattfindet und dass diese Verminderungen signifikant
größer sind als die Veränderungen während der Wartezeit vor der Behandlung
(3). Weiter wurde angenommen, dass die Effekte der Therapie bezüglich des
Schulabsentismus und psychischer Auffälligkeiten über einen Zeitraum von
neun Monaten nach Entlassung stabil bleiben (4).
21
Die vorliegende Arbeit prüft die Wirksamkeit der stationären Behandlung sowohl
in Bezug auf die Veränderung des Schulverhaltens als auch auf die Entwicklung
der psychischen Störungen.
Dabei können die Analysen in zwei Ebenen unterteilt werden. Im ersten Teil
wird die Effektivität der Therapieform auf ihre statistische Signifikanz hin untersucht. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse auf ihre klinische Signifikanz
hin überprüft.
Die vorangegangenen Kapitel spiegeln die Notwendigkeit einer validen Reflexion eines Therapiekonzepts für emotional bedingten Schulabsentismus wider.
Dabei wurde bereits auf die dazugehörige Problematik Schulabsentismus und
deren Behandlungsmöglichkeiten ausführlich verwiesen.
2 Methoden
2.1 Ablauf der Studie
Die Stichprobe der vorliegenden Arbeit bestand aus schulabsentistischen Jugendlichen, die im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und Februar 2008 in der
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum der Universität zu Köln vorstellig wurden (Walter 2011).
Um in die Stichprobe der Studie aufgenommen zu werden, mussten die Jugendlichen folgende Einschlusskriterien erfüllen: ein Alter zwischen 12 und 18
Jahren, ein seit mindestens 14 Tagen eingestellter Schulbesuch oder mindestens 50 Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis und eine freiwillige Teilnahme an
der stationären Therapie. Ebenso musste eine der folgenden Störungen nach
ICD-10-Klassifikation als Kriterium zutreffen: Angststörung (soziale oder spezifische Phobie, Trennungs- oder generalisierte Angst), depressive Störung, kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen. Die Eltern waren
aufgefordert, einem wöchentlichen Elterngespräch zuzustimmen.
Zum Ausschluss aus der Studie führten das Vorhandensein von Intelligenzminderung, operationalisiert über einen Gesamt-IQ-Standardwert von unter 70 (SW
< 70; Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder: HAWIK-III, Tewes et al.
1999; Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene: HAWIE-R, Tewes
1991), Autismus, einer Psychose, Persönlichkeitsstörung oder Essstörung.
Auch galten der Missbrauch von Alkohol oder der Konsum anderer Drogen, iso22
lierte Delinquenz und dissoziales Verhalten als Ausschlusskriterien. Der Jugendliche durfte sich weder parallel in psychologischer oder psychopharmakologischer Behandlung befinden noch eine Indikation einer geschlossenen stationären Therapie aufweisen.
Zwischen Dezember 2006 und Februar 2008 wurden 61 Jugendliche auf oben
genannte Ein- bzw. Ausschlusskriterien hin bemessen. Von dieser Vorauswahl
erfüllten 41 Jugendliche die Kriterien, wovon 39 diese stationäre Therapie begannen. 2 Jugendliche entschieden sich stattdessen für eine ambulante Behandlung und gingen in der Zeit, in der sie auf der Warteliste standen, doch
wieder regelmäßig zur Schule. 3 Probanden brachen den Aufenthalt in der Klinik vorzeitig am ersten Tag ab, weil das nötige stationäre Setting aufgrund der
Schwere der vorhandenen trennungsängstlichen Probleme nicht eingehalten
werden konnte, so dass sie an anderer Stelle im Setting einer geschlossenen
Station behandelt wurden. Schließlich durchliefen 36 Probanden den Weg der
Behandlung vollständig, so dass Daten über ihren stationären Verlauf erhoben
werden konnten und in die Analysen eingingen.
2.2 Stichprobenbeschreibung
Die Gruppe der Teilnehmer dieser Studie (Walter 2011) setzte sich aus 21 Jugendlichen männlichen Geschlechts und 15 weiblichen Geschlechts zusammen.
Das Alter lag zwischen 13 und 18 Jahren (M = 15,1; SD = 1,3). Das Intelligenzniveau wurde mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder (HAWIK-III)
oder dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE-R) bemessen, dessen Standardwerte sich von SW = 86 bis SW = 126 erstreckten (GIQ: M = 106,9; SD = 13,0). Bei Betrachtung der besuchten Schultypen ergab
sich folgende Verteilung: Hauptschule (n = 5), Realschule (n = 14), Gesamtschule (n = 5), Gymnasium (n = 9), Berufsschule (n = 1) und Förderschule (n =
2).
Auch bei der Beurteilung des schulischen Verlaufs stellte sich die Gruppe heterogen dar. Die Hälfte der Jugendlichen bot keine Unregelmäßigkeiten in der
schulischen Laufbahn, 15 wiederholten eine Klasse einmal, und drei weitere taten dies mindestens zweimal. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatten 29 (80,6 %)
von den 36 Teilnehmern den Schulbesuch komplett eingestellt. Die durch23
schnittliche Dauer des Fehlens betrug M = 20,4 Wochen (SD = 12,5; Intervall =
6,5 bis 57,0) bis zum Beginn der stationären Aufnahme. Die anderen sieben
Patienten (19,4 %) besuchten die Schule in den 6 Monaten zuvor unregelmäßig,
so dass sie auf dem letzten Halbjahreszeugnis eine mittlere Anzahl von 100,2
Fehlstunden (SD = 86,0; Intervall = 5 bis 281) aufwiesen. Betrachtete man das
therapeutische Vorfeld, das die Patienten mitbrachten, war es bezüglich Intensität und gewählter Methoden ganz unterschiedlich. Neben keinerlei psychiatrischen oder psychologischen Vorerfahrungen war in 13 Fällen (36,1 %) eine stationäre Aufnahme in die Klinik indiziert gewesen. In 24 anderen Fällen (66,7 %)
war ein ambulanter Kontakt zu einer psychotherapeutischen Einrichtung als
ausreichend erachtet worden. Die dabei gewählten Heilverfahren gestalteten
sich ebenso unterschiedlich. So nahmen 6 Jugendliche (16,7 %) eine ambulante Übungsbehandlung wie Ergo- oder Logopädie in Anspruch. Bei 7 (19,4 %)
Probanden waren Psychopharmaka in Form von Psychostimulanzien oder selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRIs) zum Einsatz gekommen.
Dabei standen die Diagnosen Angststörung oder spezifische Phobie, die bei 16
Jugendlichen (44,4 %) vergeben waren, im Vordergrund. Von einer depressiven
Störung waren 10 Jugendliche (27,8 %) betroffen und weitere zehn (27,8 %)
von einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen. Zur
Absicherung der klinischen Diagnosen wurden Diagnosechecklisten aus dem
Diagnostiksystem für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter nach
ICD-10 und DSM-IV durchgeführt (DISYPS-KJ, Döpfner und Lehmkuhl 2002),
die sich als ausreichend reliabel und valide erwiesen haben (Döpfner et al.
2008). Zum Zeitpunkt des Studienbeginns waren alle Behandlungen beendet.
24
Darstellung 1 Verteilung der Diagnosen psychischer Erkrankungen nach ICD-10 (n = 36)
F92.8 / Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
F92.0 / Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit depressiver
Störung
F32.1 / Mittelgradige depressive Episode
F32.0 / Leichte depressive Episode
F93.2 / Emotionale Störung des Kindesalters mit sozialer Überempfindlichkeit
F93.0 / Emotionale Störung des Kindesalters
F41.2 / Angst und depressive Störungen
F40.2 / Isolierte Phobien
F40.1 / Soziale Phobien
F40.0 / Agoraphobie
0
2
4
6
2.3 Untersuchungsdesign
Im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2008 (Walter 2011) stellten sich
die Schulabsentisten zur kognitiv-behavioralen Therapie vor. In dieser Zeit wurden die Jugendlichen, die Interesse an der angebotenen Therapieform zeigten,
in einem Vortermin auf oben genannte Ein- und Ausschlusskriterien hin überprüft. Die Rekrutierung erfolgte kontinuierlich. Dabei betrug die maximale Zahl
der Studienteilnehmer, die in einem Zeitraum in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu
Köln zugleich behandelt wurden, fünf. Die Datenerhebung zur Studie fand zu
fünf Messzeitpunkten statt. Zu allen Messzeitpunkten wurden Informationen
zum Schulbesuch eingeholt.
Die erste Datenerhebung fand im Rahmen des Screenings bei einem Vortermin
(Prä1) statt. Dieser lag bei der Stichprobe wenigstens 11 bis hin zu 31 Tagen
(M = 17,3; SD = 7,3) vor dem stationären Therapiebeginn. Den zweiten Messzeitpunkt stellte die Eingangsmessung (Prä2) dar und fiel auf den Aufnahmetag.
Am Entlasstag, d. h. zum Therapieende, wurde der dritte Messzeitpunkt (Post)
installiert. Zwei Monate nach Beendigung der Therapie wurden die Jugendlichen bei einem vierten Messzeitpunkt, dem sogenannten Follow-up 1 (FU1)
beurteilt, des Weiteren zum Follow-up 2 (FU2) nach 9 Monaten. Die Katamnesen dienten dem Interesse, ob der Transfer der Therapieerfolge in den Alltag
25
8
der Jugendlichen nachhaltig geglückt ist. Zu allen Messzeitpunkten wurden sowohl durch die Jugendlichen selbst als auch durch die Eltern standardisierte
Fragebogen zur Beurteilung des Schulverhaltens und der emotionalen Verfassung des Jugendlichen beantwortet. Allein auf eine Beurteilung durch die Eltern
zu Post wurde verzichtet, da diese die Jugendlichen nur an den Besuchskontakten am Wochenende gesehen haben und so keine valide Einschätzung über
das Verhalten des Kindes getroffen werden konnte. Neben der schriftlichen Befragung fanden zu FU1 und FU2 telefonische Interviews statt.
Auch floss Datenmaterial aus Therapeutenbogen und aus der Basisdokumentation der Klinik in die Datenbank ein.
Bei dem Design der Studie handelte es sich um ein Eigenkontrollgruppendesign.
Das bedeutet, dass die experimentelle Kontrolle durch eine zusätzliche Datenerhebung während der Wartelistenphase ermöglicht wurde. Die Dauer der Wartezeit hing von der Möglichkeit zur stationären Aufnahme ab, d. h. von der Verfügbarkeit eines Behandlungsplatzes nach Beendigung einer anderen Therapie
auf der Station. Die Stichprobe durchlief zunächst eine Wartephase, in der
Messungen angestellt wurden, dann die Behandlungs- und die Follow-upPhase, in denen ebenfalls Messungen durchgeführt wurden. Diese Art von Design bietet allgemeine Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen darin, dass man
mit nur einer Gruppe eine geringere Anzahl von Patienten rekrutieren muss und
dass jeder Patient die Möglichkeit einer Behandlung erhält. Als nachteilig können sich Übertragungseffekte auswirken, so wie Lerneffekte der Probanden
insbesondere bezüglich der Testinstrumente.
Eine randomisierte Kontrollgruppenstudie wäre zu bevorzugen, es wäre allerdings ethisch als bedenklich anzusehen, würde man Jugendlichen die Möglichkeit, von der Therapie zu profitieren, vorenthalten.
2.4 Behandlung und Behandlungsintegrität
Die schulabsentistischen Probanden wurden auf einer Jugendstation der Klinik
für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln behandelt. Die Station wurde eigens für die Anforderungen dieser
Studie (Walter 2011) eingerichtet und von einer Ärztin und drei DiplomPsychologen betreut. Im Vorfeld erhielten die Betreuer eine sechswöchige spezielle Vorbereitung durch die Studienleitung. In wöchentlichen zweistündigen
26
Supervisionsrunden stellte man die Integrität der Behandlung sicher. Auch wurde die Behandlungsplanung des einzelnen Patienten in einem zusätzlichen
Termin pro Woche supervidiert.
Zwei- bis dreimal in der Woche nahmen die Jugendlichen an einer therapeutischen Sitzung teil. Hinzu kam ein wöchentlicher Termin der Eltern bzw. der
Familie, die damit in den therapeutischen Prozess aktiv einbezogen wurden.
Die Mitarbeiter der Station wurden ebenso im Vorfeld hinsichtlich der Bedürfnisse der Studienteilnehmer geschult, so dass sie hochfrequente graduierte Expositionen und Hausaufgabentrainings durchführen konnten. Auch halfen sie bei
der Restrukturierung eines geregelten Wochenablaufs und beim Aufbau von
Freizeitaktivitäten.
Der Jugendliche sollte zügig in den Schulalltag zurückgeführt werden. Hier entschied man je nach Schwere des schulverweigernden Verhaltens, wie niederschwellig man die anfängliche Beschulung anbieten sollte. Zwar war es das Ziel,
dass der Jugendliche so schnell wie möglich dem Besuch der heimatlichen Regelschule selbstständig nachkommt, dennoch war es bei schweren Fällen von
Schulabsentismus notwendig, zuerst alternativ zu beschulen. Schwerer Schulabsentismus wurde über ein Fernbleiben von der Schule von mehr als drei Monaten zum Messzeitpunkt Prä2 (n = 25; 69,5 %) definiert. War der Jugendliche
psychisch zu stark beeinträchtigt, wurde zunächst eine Eingliederung in die Klinikschule angestrebt. War dies initial auch nicht möglich oder lag dieser Zeitpunkt in den Schulferien, half die Einrichtung des „Lerncamps“ auf Station. Hier
konnten Hausaufgaben erledigt, versäumte Schulinhalte nachgeholt und neue
Lern- und Arbeitstechniken erprobt werden.
Sowohl zu diagnostischen als auch zu perspektivischen Zwecken hielt man engen Kontakt zur Klinikschule respektive zur Regelschule. Im Abstand von 14
Tagen wurden gemeinsame Besprechungen abgehalten („Schulbesprechung“).
Dabei half die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, die über eine Sozialarbeiterin koordiniert wurde. Es wurde beabsichtigt, eine optimale Rückführung des
Patienten auf die Regelschule zu bahnen oder eine adäquate neue Schulform
bei schulischer Fehlplatzierung für ihn zu finden. Patienten, die während des
stationären Aufenthalts in der Klinikschule unterrichtet wurden, konnten diese
zeitlich begrenzt auch poststationär besuchen, falls eine Rückführung auf die
Regelschule keinen Erfolg für den Jugendlichen versprach oder nicht möglich
27
war. Das Angebot galt unter der Bedingung, dass im ambulanten Rahmen wöchentliche, verhaltenstherapeutische Termine weiterhin wahrzunehmen waren.
Die kognitiv-behaviorale Therapie erfolgte manualgeleitet in Anlehnung an das
Therapiemanual zur Behandlung von Schulabsentismus von Kearney und Albano (2003) und an das Therapieprogramm SELBST (Walter, Rademacher,
Schürmann und Döpfner 2007; Walter und Döpfner 2009). Das Konzept der
multimodalen stationären Kurzzeittherapie zeichnete sich durch jugendlichen-,
eltern- und familienzentrierte Interventionen aus.
Kernstücke des multimodalen Gedankens stellten neben der Erarbeitung eines
Störungsmodells, der Psychoedukation, Expositionsbehandlungen, dem Aufbau
positiver Aktivitäten und der kognitiven Umstrukturierung vor allem soziale Fertigkeiten- und Elterntrainings, mit dem Ziel, das Erziehungsverhalten der Eltern
zu stärken, dar (Walter 2008; Walter und Döpfner 2009).
Tabelle 1 stellt eine Übersicht zu den am häufigsten durchgeführten Interventionen dar. Zusätzlich wurden bei 5 Jugendlichen (13,9 %) im stationären Verlauf psychopharmakologische Interventionen erprobt, da sie psychisch zu stark
beeinträchtigt schienen, als dass eine isolierte kognitiv-behaviorale Therapie als
ausreichend erachtet werden konnte. 3 der Jugendlichen wurden mit einer Fluoxetin-Medikation entlassen, weitere 2 waren medikamentös mit Methylphenidat eingestellt.
Tabelle 1 - Art der Intervention und prozentualer Einsatz
Intervention
% der Stichprobe (n = 36)
Erarbeitung eines Störungsmodells mit dem Jugendlichen
100,0
Erarbeitung eines Störungsmodells mit den Eltern
100,0
Kognitive Umstrukturierung des Jugendlichen
91,7
Schulbezogene Exposition mit Therapeuten zur Verminderung
72,2
schulischer Ängste
Andere Exposition mit Therapeuten (z. B. zur Reduktion sozia-
61,1
ler Ängste)
Verstärkerplan auf Station
25,0
Verstärkerplan in der Schule
11,2
Verstärkerplan zu Hause (am Wochenende)
19,5
Hausaufgabentraining
77,8
28
Einübung sozialer Fertigkeiten
72,5
Integration im Freizeitbereich (z. B. Vereine)
58,3
Wiederaufnahme von Sozialkontakten (z. B. regelmäßige Ver-
66,6
abredungen initiieren)
Elterntraining zur Stärkung der Erziehungskompetenzen
97,2
Beratung durch Sozialarbeiter zur Information über Jugendhil-
52,8
femaßnahmen
Vermittlung an das Jugendamt zur Beantragung einer Hilfe zur
64,0
Erziehung
Vermittlung an ambulante Therapie
94,4
Die mittlere Behandlungsdauer betrug 8,2 Wochen (Spanne von 2,4 bis 17,8
Wochen), für 66,7 % der Patienten lag die Verweildauer zwischen 4 und 10
Wochen. Die Wochenenden verbrachten die Teilnehmer in häuslicher Umgebung. Im letzten Drittel der Behandlungsphase ging man dazu über, dass die
Jugendlichen einige Nächte zu Hause verbrachten und von dort aus selbstständig den Schulbesuch realisieren sollten, um die Behandlungsziele auf die Probe
zu stellen. Das Angebot, nahtlos eine ambulante Therapie anzuschließen, wurde von 94,4 % der Patienten angenommen. Zum FU1 befanden sich 75,0 % der
Patienten der Stichprobe in einer ambulanten Therapie mit einer mittleren Anzahl von 6,3 Sitzungen (SD = 3,3) während der vergangenen 8 Wochen. Zum
Zeitpunkt des FU2 erhielten 29 Jugendliche (80,6 %) eine ambulante kognitive
Verhaltenstherapie, wobei hier das Mittel der therapeutischen Treffen 9 Monate
nach Behandlungsende bei 24,8 (SD = 11,4) lag (Walter 2011).
2.5 Messinstrumente
Im folgenden Kapitel werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Messinstrumente beschrieben.
Daten wurden in drei unterschiedlichen Vorgehensweisen erhoben. So gewann
man mittels Interviews Informationen über den Jugendlichen und sein schulverweigerndes Verhalten, sowie über die Zählung der Schulfehltage als auch
über die Auswertung diverser Testinstrumente im Selbst- und Fremdurteil.
29
2.5.1 Diagnostisches Interview
Die Jugendlichen und ihre Eltern wurden in einem halbstrukturierten klinischen
Interview unter Verwendung von klinisch erprobten Beurteilungsskalen des DISYPS-KJ befragt. Das DISYPS-KJ basiert auf Diagnosekriterien der ICD-10
und des DSM-IV (Döpfner und Lehmkuhl 2002). Das DISYPS-KJ zeigt eine gute Reliabilität und Validität (Döpfner, Görtz-Dorten und Lehmkuhl 2008).
2.5.2 Analyse des Schulverhaltens und Zählung der Schulfehltage
Einen direkten Aufschluss über die Veränderung des Schulverhaltens lieferte
die Zählung der Schulfehltage. Es wurde eine Verminderung des Schulfernbleibens angestrebt. Als die zentrale abhängige Variable galt der Schulbesuch, sie
wurde an allen Messzeitpunkten ermittelt. Der Schulbesuch innerhalb der letzten 2 Wochen vor dem jeweiligen Messzeitpunkt wurde operationalisiert als eine dichotome Variable: regelmäßiger Schulbesuch versus unregelmäßiger
Schulbesuch. Ein unregelmäßiger Schulbesuch folgerte sich aus einem unbegründeten Fernbleiben der Schule von mindestens einem Tag. Es wurden
ebenso Informationen über die Fehlzeiten seit dem letzten Zeugnis bzw. dem
letzten Messzeitpunkt erfasst (Schulstunden bzw. Fehltage). Zu den Messzeitpunkten Prä1 und Prä2 wurden die Informationen durch den engen Austausch
des Therapeuten mit dem Jugendlichen, den Eltern und der Schule gewonnen.
Zu Post konnte anhand der Dokumentation des stationären Verlaufs eine Zählung der Schultage angestellt werden. Zu den beiden Katamnesen FU1 und
FU2 wurden die Eltern mittels Telefoninterviews zur Regelmäßigkeit des Schulbesuchs ihres Kindes befragt. Die Validität der Aussagen der Eltern konnte als
sichergestellt gelten, denn während des stationären Aufenthalts wurde ein enges Rückmeldesystem zwischen Schule und Eltern etabliert. Zusätzlich zu der
Befragung zur Regelmäßigkeit des Schulverhaltens wurden bei jeder Datenerhebung Informationen über die Art der Beschulung und über das schulische
Umfeld eingeholt. Nach der Wiedereingliederung in das reguläre Schul- oder
Ausbildungssystem erkundigte man sich, ob ein geschützter Rahmen erforderlich sei, wie beispielsweise Unterricht, der in kleinen Klassengrößen oder durch
speziell geschulte Lehrpersonen abgehalten wird. Ebenso wurde überprüft, ob
ein ungünstiger Verlauf der Bildungskarriere besteht, was bedeuten würde,
30
dass der Proband weder dem Schulbesuch noch einer Berufsausbildung nachgekommen wäre.
2.5.3 Selbstbeurteilung und Elternurteil
Es kam eine große Auswahl an Testinstrumenten zum Einsatz, sie werden im
Folgenden erläutert.
Zu Post wurde auf die Elternurteile in den jeweiligen Testinstrumenten verzichtet. Man entschied sich dazu, da die Eltern ihre Kinder nur innerhalb der Besuchskontakte und der Beurlaubungen am Wochenende gesehen haben, so
dass man von keiner validen Einschätzung ausgehen konnte.
Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (HAWIK-III und HAWIE-R)
Es wurde zunächst das Intelligenzniveau des Jugendlichen geprüft. Dabei
konnte durch den Hamburg-Wechsler-Intelligenztest ermittelt werden, ob durch
den besuchten Schultyp eine intellektuelle Über- oder Unterforderungssituation
bestand, die durch eine Anbindung an eine andere, adäquatere Schulform gelöst werden könnte. Außerdem konnte das Ausschlusskriterium der Lernbehinderung für diese Studie geprüft werden. Der HAWIK-III (Tewes et al. 1991) und
der HAWIE-R (Tewes 1999) sind standardisierte mehrdimensionale Intelligenztests, die in der psychologischen Intelligenzdiagnostik zu den Standardverfahren gehören. Bei Kindern im Alter von 6,0 bis 16,11 Jahren wurde der HAWIKIII verwendet, der HAWIE-R wurde bei Jugendlichen ab dem 17. Lebensjahr
eingesetzt. Beide Instrumente setzen sich aus einem Handlungs- und einem
Verbalteil zusammen, deren Gesamtwert die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit indiziert.
Child Behavior Checklist (CBCL) und Youth Self Report (YSR)
Zur Beurteilung der Jugendlichen bezüglich Verhaltensauffälligkeiten wurden
die deutschen Versionen der Child Behavior Checklist (CBCL, Arbeitsgruppe
Deutsche Child Behavior Checklist 1998 a) und des Youth Self Reports (YSR,
Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998 b) herangezogen. Der
CBCL-Fragebogen erfasst die Einschätzung von Eltern hinsichtlich der Kompetenzen und Probleme ihres Kindes. Die Items des YSR-Fragebogens beantwortet der Jugendliche selbst.
31
Die Tests setzen sich analog zueinander jeweils aus 3 Kompetenzskalen (Aktivität, Soziale Kompetenz und Schule) und 8 sogenannten Syndromskalen (Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden, Angst/Depressivität, Soziale Probleme, Schizoid/ Zwanghaft, Aufmerksamkeitsstörung, Delinquentes Verhalten
und Aggressives Verhalten) zusammen, die Aufschluss über die psychosozialen Kompetenzen, Verhaltensauffälligkeiten und Auffälligkeiten in der Gefühlswelt des Jugendlichen geben sollen. Auch wird die Komponente körperlicher
Beschwerden berücksichtigt. Die verschiedenen Arbeiten (Döpfner, Schmeck,
Berner, Lehmkuhl und Poustka 1994; Döpfner, Schmeck, Berner, Lehmkuhl und
Poustka 1995; Schmeck et al. 2001) zeigen eine gute Reliabilität und Validität
der deutschen Versionen. Beide Tests beurteilen auf der Grundlage der ICD-10
und des DSM-IV.
Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ)
Zusätzlich wurde das Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ)
angewandt. Es stellt einen Selbsteinschätzungsfragebogen für Kinder und Jugendliche im Alter von 8,0 bis 17,11 Jahren zur Erfassung der Schwere einer
depressiven Erkrankung dar. Auch dieser Test zeigt gute Ergebnisse bezüglich
seiner psychometrischen Eigenschaften (Stiensmeier-Pelster et al. 2000). Da er
sensibel für Veränderungen im Schweregrad einer depressiven Störung ist,
konnte er als Verlaufsparameter dienen und wurde daher bei den verschiedenen Messzeitpunkten eingesetzt.
Lern- und Arbeitsverhaltensinventar (LAVI)
Inwieweit der Jugendliche in der Lage ist, sich selbst zu einer Leistung zu motivieren und sich selbst zu organisieren, wurde mit dem Lern- und Arbeitsinventar
(LAVI) getestet. Dieser Test dient der differenzierten Erfassung des Lern- und
Arbeitsverhaltens und besteht aus 58 Fragen, die auf typische Arbeits- und
Lernsituationen abzielen und vom Probanden zu beantworten waren. Das LAVI
baut sich über 3 Skalen auf:
1. Arbeitshaltung (A) zur Erfassung der Bereitschaft und des Pflichtbewusstseins, sich zu konzentrieren, zu lernen und Probleme zu lösen
2. Stressbewältigung (STR) zur Erfassung der Fähigkeit, Lernprozessstörungen zu meistern
32
3. Lerntechnik (LT) zur Erfassung der Fähigkeit der wirksamen Lernstoffverarbeitung
Das Inventar ist für Schüler der Klassen 5 bis 10 konzipiert. Ausreichende Reliabilität und Validität zeigen die Arbeiten von Thiel und Keller (1998).
Angstfragebogen für Schüler (AFS)
Der Angstfragebogen für Schüler (AFS; Wieczerkowski, Nickel, Janowski, Fittkau und Rauer 1981) prüft die Angstkomponente, mit der das Thema Schule
beim Jugendlichen verknüpft ist. Der Test besteht aus 50 Fragen und ist multifaktoriell aufgebaut. Es setzt sich aus den Bereichen Prüfungsangst (PA), allgemeiner (manifester) Angst (MA), Schulunlust (SU) und sozialer Erwünschtheit
(SE) zusammen.
Die Skala Prüfungsangst erfasst Angst vor einem Leistungsversagen sowie
emotionale Überforderung und Insuffizienzgedanken, die der Schüler in Prüfungssituationen erlebt. Häufig spielt hier auch das Auftreten von vegetativen
Reaktionen eine Rolle.
Die Skala allgemeiner (manifester) Angst gibt das Maß allgemeiner Symptome
von Angst und Furcht, die sich in Form von Herzklopfen, Nervosität, Einschlafund Konzentrationsstörungen darstellen können, sowie des erniedrigten Selbstbewusstseins an.
Die Skala der Schulunlust stellt die Aversion und die fehlende Motivation des
Schülers gegenüber dem Bild der Schule im Allgemeinen und gegenüber negativ erfahrenen Schulfächern und Situationen innerhalb des Schulablaufs dar.
Die Skala zur sozialen Erwünschtheit indiziert die Furcht davor, nicht der erwünschten sozialen Norm zu entsprechen. Wenn die Testperson die Fragen
eventuell überangepasst beantwortet und seine Selbstdarstellung so verfälscht,
erhöhen sich damit die Testwerte. Liegen erhöhte Werte auf dieser Skala vor,
ist anzunehmen, dass die Angstwerte der anderen 3 Skalen in der Realität auch
deutlich höher anzusiedeln sind, als es der Test zunächst vermuten lässt.
Das Verfahren kann bei Schülern im Alter von 9 bis 17 Jahren eingesetzt werden. Es liegt eine Normierung nach Altersklassen vor, wie auch Untersuchungen zur Gültigkeit und Zuverlässigkeit.
33
Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (PHOKI)
Der Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (PHOKI) stellt eine modifizierte Übersetzung des bearbeiteten Fear Survey Schedule for ChildrenRevised (FSSC-R) dar. Er testet die Probanden auf phobische Ängste vor Objekten und Situationen. Die Items werden zu 7 Skalen zusammengefasst. Das
Testinstrument bietet eine Normierung sowohl getrennt für Altersgruppen als
auch für das Geschlecht für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 18 Jahren und erfüllt die Untersuchungskriterien zur Validität und Reliabilität (Döpfner,
Schnabel, Goletz und Ollendick 2006).
DISYPS-KJ
Das Diagnostik-System dient der Erfassung psychischer Störungen bei Kindern
und Jugendlichen im Alter von 11 bis 18 Jahren gemäß den Diagnosekriterien
der ICD-10 und des DSM-IV (Döpfner und Lehmkuhl 2002). Die wichtigsten
Störungsbereiche des Kindes- und Jugendalters werden hiermit abgedeckt. Für
diese Studie wurde das Augenmerk auf die 3 Bereiche Depression, Angststörung und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätstörungen gelegt. Im Elternurteil
kamen die Fremdbeurteilungsbogen zu Angststörungen (FBB-ANG), depressiven Störungen (FBB-DES) und hyperkinetischen Störungen (FBB-HKS) aus
dem Testkatalog zur Anwendung. Analog dazu konnten die Jugendlichen sich
mit den Selbstbeurteilungsbogen SBB-ANG, SBB-DES und SBB-HKS selbst
einschätzen. Das DISYPS-KJ zeigt eine gute Reliabilität und Validität (Döpfner,
Görtz-Dorten und Lehmkuhl 2008). Eine Normierung der Bogen liegt getrennt
für Altersgruppen und Geschlecht vor (Görtz-Dorten 2005).
SELBST- Fragebogen
Der SELBST-Fragebogen ist Teil des Behandlungsprogramms SELBST (Walter,
Rademacher, Schürmann und Döpfner 2007), das im eigenen Haus entwickelt
wurde. Dieses Instrument kann zum Screeningverfahren bei Jugendlichen mit
Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsstörungen eingesetzt werden. 23 Items,
die zu fünf Skalen zusammengefasst werden, prüfen auf adoleszentenspezifische Probleme in Eltern- und Jugendlichenversionen:
Item 1−8: Selbstwertprobleme
Item 9−14: Beziehungsprobleme
34
Item 15−18: Leistungsprobleme
Item 19: Schulbesuchsprobleme
Item 20−23: Angst und Somatisierung
Während der Entwicklung des Verfahrens beschrieb eine Arbeit von Feldkötter
(2003) eine ausreichende Reliabilität und Validität.
2.6 Verwendete Verfahren zur Datenanalyse
Statistische Analyse
Die vorliegende Analyse kann in 2 Ebenen unterteilt werden. Im ersten Teil wird
die Effektivität der Therapieform auf ihre statistische Signifikanz hin untersucht.
Im zweiten Schritt wird die klinische Signifikanz der Ergebnisse geprüft.
2.6.1 Statistische Signifikanz
Die Hauptanalyse des ersten Teils beschäftigte sich mit dem Verlauf des Schulverhaltens auf der Ebene der Schulfehltage. Für das Schulfernbleiben, das in
dichotomen Fragebogen festgehalten wurde, wurden standardisierte Regressionskoeffizienten errechnet (Menard 2010). Werte von 0,10, 0,30 und 0,50 können gemäß Menard als leicht-, mittel- und hochgradig angesehen werden. Zu
allen fünf Messzeitpunkten wurden Rechnungen zum Schulbesuch angestellt.
Die Nebenanalyse konzentrierte sich auf die Veränderungen der mentalen Gesundheit auf Basis der Fragebogen, die durch die Eltern und Jugendlichen ausgefüllt wurden.
Zur Durchführung der Analysen wurde die Studie in drei zeitliche Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt stellt die Wartezeit bis Beginn der Therapie (Prä1 bis
Prä2) dar, der zweite die stationäre Behandlungsphase (Prä2 bis FU1) und der
dritte ein poststationäres Intervall, das sogenannte Follow-up (FU1 bis FU2).
Aus klinischen Gründen wählte man als zeitlichen Endpunkt der Bewertung für
die stationäre Behandlungsphase FU1 und nicht Post. Auf ein Elternurteil bezüglich der psychischen Probleme konnte zu Post im Vergleich zu FU1 nicht zurückgegriffen werden. Die Eltern sahen die Jugendlichen nur in Besuchskontakten oder kurzen Beurlaubungen, was keine sichere Einschätzung durch die Eltern gewährleisten konnte. Zu Identifizierungsgründen des Analysemodells sind
35
für die Berechnung der Steigungskoeffizienten in der Behandlungsphase Daten
aus der Post-Erhebung mit eingeflossen.
Die erhobenen Daten wurden bezüglich der Rechnungen zur statistischen Signifikanz über eine Multilevel-Analyse mit Hilfe der Version 6 des Softwareprogramms HLM (Raudenbush, Bryk und Congdon 2008) ausgewertet. Für die vorliegende Rechnung wurden stückweise lineare Wachstumsmodelle berechnet
(Raudenbush und Bryk 2002). Es wurden verschiedene Wachstumskurven für
die jeweiligen Zeitabschnitte berücksichtigt. Für jedes der drei Zeitintervalle
wurde ein separater Steigungskoeffizient berechnet:
für die Zeit, in der
sich die Jugendlichen auf der Warteliste befanden,
für die Behand-
lungsphase und
für die poststationäre Zeit.
Bei den Konstanten wurde im Modell eine interindividuelle Variation zugelassen
(Random Intercept). Der Steigungskoeffizient wurde modellimplizit fix gehalten,
und es wurde keine interindividuelle Variation zugelassen (Fixed Slope). Letzteres wurde aus Gründen der Modellidentifikation vorgenommen.
Als Effektstärkemaß für abhängige Variablen mit Intervallskalenniveau wurde
Cohen′ s d bei abhängigen Stichproben berechnet (Cohen 1988). Gemäß Cohen (1988) indiziert ein Wertebereich um 0,20 einen kleinen Effekt, um 0,50 einen mittleren und um 0,80 einen großen Effekt.
Formel 1
Effektstärke nach Cohen für abhängige Stichproben
M = Mittelwert
SD = Standardabweichung
r = Korrelation nach Spearman
Die Analyse der mentalen Gesundheit fand unter Zuhilfenahme mehrerer Fragebogen statt. Diverse Skalen wurden hierbei zu sogenannten Composite
Scores zusammengefasst. Die Aggregation zu 5 im Folgenden beschriebenen
Composite Scores sollte der Kumulation des Alphafehlers entgegenwirken. Die
36
genauen Modalitäten der Generierung werden in einer Arbeit von Walter und
Kollegen von 2010 beschrieben.
Hier nun eine Auflistung der Zusammensetzungen der einzeln gebildeten Composite Scores:
1. Angst und Depression im Jugendlichenurteil (ANGDEP-J):
YSR (Problemskalen: Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden,
Angst/Depressivität), DIKJ, SBB-DES, SBB-ANG (Trennungsangst, soziale und generalisierte Angst, spezifische Phobie), AFS (Problemskalen:
PA: Prüfungsangst, MA: Allgemeine manifeste Angst), PHOKI (Problemskalen: Schulangst, soziale Angst, Trennungsangst) und LAVI
(Stressbewältigung [STR]: Fähigkeit des Schülers, Lernprozessstörungen zu meistern)
2. Angst und Depression im Elternurteil (ANGDEP-E):
CBCL (Problemskalen: Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden,
Angst/Depressivität), FBB-DES, FBB-ANG (Trennungsangst, soziale und
spezifische Phobie, generalisierte Angststörung)
3. Expansives Verhalten im Jugendlichenurteil (EXPANS-J):
YSR (Problemskalen: Aufmerksamkeitsprobleme , Delinquentes Verhalten und Aggressives Verhalten) und SBB-HKS (Selbsturteil für Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität)
4. Expansives Verhalten im Elternurteil (EXPANS-E):
CBCL (Problemskalen: Aufmerksamkeitsprobleme, Delinquentes Verhalten und Aggressives Verhalten) und FBB-HKS (Fremdurteil für Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität)
5. Arbeitsverhalten im Jugendlichenurteil (ARBEIT-J):
LAVI (Skalen zur Arbeitshaltung [A]: grundsätzliche Bereitschaft des
Schülers zum pflichtbewussten, konzentrierten und gründlichen Lernen
und Problemlösen sowie Lerntechniken [LT]: Fähigkeit des Schülers zur
wirksamen Stoffverarbeitung) und AFS (Problemskala: Schulunlust [SU])
Diese übergeordneten Summenwerte wurden nur zu Analysen bezüglich der
Behandlungsphase eingesetzt.
37
Für den Vergleich der Wartephase mit dem Behandlungsabschnitt wurde eine
reduziertere Menge an Testinstrumenten ausgewählt: die Selbst- und Fremdfragebogen des DISYPS-KJ (SBB-DES, SBB-ANG, SBB-HKS, FBB-DES, FBBANG und FBB-HKS). Hierzu trug man die linearen Verläufe der Ausprägungen
der Bereiche Depression, Angst und HKS während der Wartezeit (
der Behandlungszeit (
) auf. Die jeweiligen Steigungsgeraden
) und
und
wurden einander gegenübergestellt. Man erwartete eine deutliche
Verminderung der Störungen während der therapeutischen Phase im Gegensatz zur Wartephase.
Zum Abschluss der Untersuchungen interessierte zudem, ob man die Therapieeffekte bezüglich der mentalen gesundheitlichen Verbesserung als stabil ansehen könnte. Demensprechend wurde für die Zeit des Follow-up ebenso ein linearer Verlauf (
) unter Auswertung der Gesamtergebnisse aus den
SELBST-Fragebogen abgebildet, die zuvor von Eltern und Jugendlichen ausgefüllt worden waren.
2.6.2 Klinische Signifikanz
Die Ergebnisse der vorangegangenen Analysen zur statistischen Signifikanz
wurden zudem hinsichtlich ihrer klinischen Signifikanz reflektiert. Das Konzept
der Clinical Significance (CS; Jacobson und Truax 1991) hilft bei der Beantwortung der Frage, ob die gewonnenen statistischen Veränderungen eine klinische
Relevanz beinhalten.
Der Gedanke, die Veränderung von Symptomen mit der Normalität von Veränderung im Sinne einer Spontanheilungsquote in Relation zu stellen, liegt implizit
dem Kontrollgruppendesign zugrunde. Verglichen werden die Symptomausprägungen bei den Patienten während der unbehandelten Wartezeit und während
der Behandlungsphase. Zielsetzung des CS- Konzepts stellt die Bestimmung
des Erfolgs einer therapeutischen Maßnahme dar (Malewski 2004).
Aus klinischer Sicht gilt eine psychotherapeutische Intervention als erfolgreich,
wenn eine bedeutsame positive Änderung des Gesundheitszustands oder eine
Gesundung erreicht werden konnte.
38
Formal kann diesen Forderungen durch Analyse auf der Ebene der Berechnung
des Reliable Change Index (RCI) nach Jacobson und Kollegen (Jacobson und
Truax 1991) sowie auf der Ebene normativer Klassifikation nachgekommen
werden.
Die klinische Signifikanz wurde auf beide Arten geprüft.
Für die Analysen dieser Untersuchungen zur klinischen Signifikanz wurde die
Statistik-Software SPSS Version 19.0 (SPSS Inc. 2010) eingesetzt.
2.6.2.1
Reliable Change Index
Beim Reliable Change Index (RCI) wird auf Veränderungen im zeitlichen Verlauf geachtet, um die klinische Signifikanz bewerten zu können. Dabei muss die
Änderung der Merkmalsausprägung so bedeutsam sein, dass sie über dem
messfehlerbedingten Bereich liegt, und man möchte Aussagen über die Art der
Veränderungen des Zustands treffen: Reliable Verbesserung, keine Veränderung oder reliable Verschlechterung.
Der Reliable Change Index (RCI) nach Jacobson und Kollegen ist wie folgt definiert:
Formel 2
Reliable Change Index (RCI) nach Jacobson
Dabei stellt
den individuellen Rohwert zum späteren Messzeitpunkt und
den zum früheren Messzeitpunkt des zu betrachtenden Intervalls dar. Das bedeutet, dass der Messzeitpunkt 1 dem Beginn des Zeitabschnitts entspricht und
der Messzeitpunkt 2 das Ende darstellt.
zum Messzeitpunkt 1. Die Variable
entspricht der Standardabweichung
steht für die Reliabilität des Messinstru-
ments.
Mit dieser statistischen Methode wurden die Ergebnisse zu den Selbstbeurteilungsbogen (SBB) und Fremdbeurteilungsbogen (FBB) des DISYPS-KJ auf ihre
therapeutische Wichtigkeit hin überprüft. Die Reliabilitäten zu den einzelnen
39
Rechnungen wurden aus den Werten zur internen Konsistenz aus dem DISYPS-II, Manual zum Diagnostik-System für Psychische Störungen nach ICD10 und DSM-IV für Kinder und Jugendliche – II (Döpfner, Görtz-Dorten und
Lehmkuhl 2008) entnommen. Fällt der RCI größer als 1,96 aus, kann die Veränderung als signifikant auf der 0,5-Ebene angesehen werden. Der Wert 1,96
ist als die Irrtumswahrscheinlichkeit nach der Standardnormalverteilung definiert.
Die Ergebnisse der Analysen zu den SELBST-Fragebogen im poststationären
Verlauf fanden ebenfalls den Weg in die Berechnungen zum Reliable Change
Index. Hier dienten die Reliablitäten aus der Arbeit von Feldkötter (2003) zum
Therapieprogramm SELBST als Grundlage. Als Beobachtungsintervall galt die
Zeit zwischen FU1 und FU2. Ziel dieser Analyse war es, die Entwicklung der
emotionalen Probleme nach der Behandlung zu untersuchen. Die Frage nach
der Stabilität der Behandlungseffekte stand hier im Vordergrund.
2.6.2.2
Normorientierter Vergleich
Beim normativen Vergleich werden die individuellen Testergebnisse der Probanden ins Verhältnis zu Normwerten gesetzt. Diese Bezugsnorm entstand bei
der Entwicklung des oben genannten Manuals.
Als normorientierter Vergleich der Testergebnisse des DISYPS-KJ wurde das
90. Perzentil als Kriterium gewählt. Das bot den praktischen Vorteil, dass die alters- und geschlechtsspezifischen Normen direkt dem Manual entnommen werden konnten. Entsprechen die Symptomausprägungen des Jugendlichen der 90.
Perzentile, bedeutet dies, dass 10 % der Jugendlichen desselben Alters schwerere Symptome aufweisen und 90 % gleichausgeprägte bzw. geringere.
Liegt die Symptomausprägung des Patienten unter dem 90. Perzentil, gilt er als
„unauffällig“. War die Ausprägung jedoch gleich oder größer dem 90. Perzentil,
wurde der Proband als „klinisch“ klassifiziert.
Die Daten zu den Messzeitpunkten Prä1, Prä2 und FU1 wurden analysiert, und
es wurde eine Verlaufsbeobachtung der Störungsfelder angestellt. Grafisch
kann dies über einen Kurvenverlauf dargestellt werden (Seite 52f).
40
Eine normative Analyse des Testinstrumentes SELBST zum poststationären
Verlauf fand nicht statt, da keine Normstichprobe vorliegt, die eine gute Klassifikation erlauben würde.
Das Gleiche gilt für die Composite Scores. Hier steht ebenfalls keine Normstichprobe zur Verfügung.
3 Ergebnisse
Die Ergebnisse zu den obig formulierten Hypothesen werden in diesem Abschnitt beschrieben.
3.1 Ergebnisse zum Schulbesuch und Schulverhalten
Schulbesuch
Darstellung 2 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Jugendlichen mit regelmäßigem Schulbesuch versus den Jugendlichen mit unregelmäßigem Schulbesuch
zu allen Messzeitpunkten. Während zu den ersten beiden Messzeitpunkten
Prä1 und Prä2 keiner der 36 Jugendlichen regelmäßig die Schule besuchte
oder einem vergleichbaren Beschäftigungsverhältnis nachging, ist nach der
Therapie eine deutliche Verbesserung des Schulverhaltens festzustellen. Am
Entlasstag besuchen 88,9 % der Probanden regelmäßig die Schule. Zum Zeitpunkt FU1 zwei Monate nach Entlassung gelingt 86,1 % der Jugendlichen der
regelmäßige Schulbesuch und zu FU2 nach 9 Monaten noch 63,9 %.
Darstellung 2 - Ergebnisse der Analysen zum Schulbesuch (n = 36): regelmäßig vs. unregelmäßig
100 %
4
90 %
5
13
80 %
70 %
60 %
50 %
36
Schulbesuch: unregelmäßig
36
32
40 %
31
Schulbesuch: regelmäßig
23
30 %
20 %
10 %
0%
Prä1
Prä2
Post
FU1
FU2
41
Zwischen den Zeitpunkten Prä1 und Prä2 konnte keine Multilevel-Analyse
durchgeführt werden, da es keine Streuungen in der Stichprobe gab. Weder zu
Prä1 noch zu Prä2 ging ein Jugendlicher der Stichprobe zur Schule. Es fanden
keine Veränderungen in der Wartephase statt.
Die Ergebnisse der Multilevel-Analyse demonstrieren eine große signifikante
Verbesserung auf der Ebene des regelmäßigen Schulbesuchs von Prä2 zu FU1
(
= 1,53; t = 5,35; p < 0,001;
= 0,81). Man kann des Weiteren
beobachten, dass zwei der fünf Schulverweigerer zum Zeitpunkt FU1 einen beziehungsweise zwei Schulfehltage seit Behandlungsende aufwiesen, was eine
leichte Form des Schulabsentismus indiziert, während die anderen drei im gleichen Zeitraum mit mittlerer schulabsentistischer Ausprägung zwischen 8 und 14
Schulfehltage (M = 1,42 Schulfehltage pro Woche, SD = 0,38) hatten.
Für das poststationäre Zeitfenster von FU1 bis FU2 verläuft die lineare Gerade
negativ und zeigt eine statistische Signifikanz in Bezug auf die Abnahme für die
Wahrscheinlichkeit des regelmäßigen Schulbesuchs (
141; t = −3,75; p < 0,001,
= −0,43; df =
= −0,47).
Von den 13 schulverweigernden Jugendlichen fehlten zum FU2 8 Probanden
an 3 bis 15 Tagen in der Schule für einige Unterrichtsstunden oder zeigten eine
vollständige Verweigerung innerhalb der vergangenen 7 Monaten, d. h. seit
FU1. Diese Beobachtung konnte mit durchschnittlichem Fehlen von 0,27 kompletten oder inkompletten Schultagen pro Woche (SD = 0,18) als milde Form
des Schulabsentismus eingestuft werden. Bei den übrigen 5 Fällen mit unregelmäßigem Schulbesuch stellte man eine Spanne von 20 bis 130 kompletten
oder inkompletten Tagen des Schulfernbleibens in den vergangenen 7 Monaten
(SD = 1,66) fest. Im Mittel wurden 1,67 vollständige oder unvollständige Schultage pro Woche zwischen FU1 und FU2 versäumt. Dies wird als ein leichter
Wiederanstieg des schulabsentistischen Verhaltens festgehalten.
Schultypen
In Darstellung 3 sind die verschiedenen Schultypen, die zu den jeweiligen
Messzeitpunkten von den Probanden besucht wurden, zusammengefasst.
Zu den ersten beiden Messzeitpunkten, Prä1 und Prä2, waren mit Ausnahme
eines Jugendlichen nahezu alle Teilnehmer der Stichprobe in regulären schulischen Einrichtungen angemeldet. Eine reale Partizipation am Schulalltag fand
jedoch nicht statt.
42
Zum Zeitpunkt FU1 waren 25 Probanden (70,0 %) und zu FU2 26 (72,8 %) im
regulären Schulsystem oder in einem stabilen Beschäftigungsverhältnis integriert. Damit blieb der Anteil dieser Gruppe auch im Vergleich zum Entlasstag
stabil.
In 11 Fällen (30,8 %) wurde der Schulbesuch im geschützten schulischen
Rahmen (Förderschule oder Klinikschule) bis zum Entlasstag realisiert. Zu FU1
wurde dieses Angebot von 9 (25,2 %) Schülern angenommen und zu FU2 noch
von 6 (16,8 %).
Ein negatives Outcome bei Beendigung der stationären Therapie kam nur in einem (2,8 %) Fall der Stichprobe vor. Hier stand man am Entlassungstag einem
kompletten Abbruch der Schullaufbahn mit fehlender weiterer schulischer oder
beruflicher Perspektive gegenüber. 2 Monate später zu FU1 stieg die Zahl auf 2
(5,6 %) Jugendliche, 9 Monate später zu FU2 auf 4 (11,2 %).
Darstellung 3 - Anbindung an die verschiedenen Schulformen
100 %
1
1
1
2
11
9
90 %
80 %
4
6
Abbruch der schulischen
Karriere
70 %
60 %
50 %
35
Geschützter schulischer
Rahmen
35
40 %
30 %
24
25
26
Post
FU1
FU2
20 %
Reguläres
Schulsystem/stabiles
Beschäftigungsverhältnis
10 %
0%
Prä1
Prä2
3.2 Veränderungen von psychischen Auffälligkeiten
In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse zur Entwicklung der psychischen Probleme während des gesamten Studienverlaufs vorgestellt.
Es finden sowohl eine genaue Beobachtung der Behandlungsphase wie auch
ein Vergleich dieser zur Wartephase und zum poststationären Verlauf statt.
43
Die psychische Entwicklung während der Behandlungsphase wird durch die
Multilevel-Analyse und die Darstellung der Effektstärken der Composite Scores
ausgewertet.
Der direkte Vergleich des Verlaufs der psychischen Probleme während der
Wartephase und während der Behandlungsphase wird durch die Ergebnisse
der Multilevel-Analysen und die Darstellung der Effektstärken der Selbst- und
Fremdbeurteilungsbogen des DISYPS-KJ dargestellt.
Ebenso werden dazu die Ergebnisse zur RCI-Berechnung und auf normativer
Ebene vorgestellt.
Eine Einschätzung des Behandlungserfolgs im poststationären Verlauf bietet
die Auswertung des Testinstrumentes SELBST.
3.2.1 Psychische Probleme während der Behandlungsphase
Tabelle 2 stellt die Ergebnisse der Multilevel-Analyse und die Effektstärken der
psychischen Probleme dar. Diese waren zu fünf sogenannten Composite
Scores aggregiert. Die Veränderungen werden hier als Steigungsraten
von Prä2 bis FU1 veranschaulicht. Das entspricht dem Behandlungsintervall.
Signifikante mittlere bis große Effekte in den Jugend- und Elternfragebogen
konnten als Indikatoren für eine mittlere bis große Reduktion der mentalen gesundheitlichen Störungen zur Beurteilung der Therapieeffekte während der Behandlungsphase gelten.
44
Tabelle 2 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) – Composite Scores
Prä2
b
Follow-up 1
Multilevel-Analyse
Unstandardisierter
Koeffizient
a
Skala
Effektstärke d
M
SD
M
SD
ANGDEP-J
0,00
0,71
−0,49
0,70
ANGDEP-E
0,00
0,58
−0,73
0,65
EXPANS-J
0,00
0,69
−0,36
0,70
EXPANS-E
0,00
0,75
−0,50
0,59
ARBEIT-J
0,00
0,73
−0,39
0,74
bbehandl
bbehandl
bbehandl
bbehandl
bbehandl
T
df
p
−0,14
−5,12
70
< 0,001
0,85
−0,21
−7,04
70
< 0,001
1,17
−0,10
−3,35
70
< 0,01
0,56
−0,14
−5,28
70
< 0,001
0,88
−0,11
−2,39
70
< 0,05
0,40
a
ANGDEP-J: Composite Score aus Angst/Depression im Jugendurteil; ANGDEP-E: Composite Score aus Angst/Depression im Elternurteil; EXPANS-J:
Composite Score aus expansivem Verhalten im Jugendurteil; EXPANS-E: Composite Score aus expansivem Verhalten im Jugendurteil; ARBEIT-J: Composite Score aus Arbeitsverhalten im Jugendurteil
b
bbehandl – Kurvenverlauf während der Behandlungsphase von Prä2 bis FU1
45
3.2.2 Psychische Probleme während der Behandlungs- und Wartephase im Vergleich
Ergebnisse auf Ebene der Multilevel-Analysen und Effektstärken
In Tabelle 3 sind die Ergebnisse der Multilevel-Analyse der Selbst- und Fremdfragebogen bezüglich der Störungsbilder Angst, Depression und ADHS (SBBANG, SBB-DEP, SBB-HKS, FBB-ANG, FBB-DEP und FBB-HKS) für die Zeiträume Prä1 bis Prä2 (Steigungskurven
kurven
) und Prä2 bis FU1 (Steigungs-
) zusammengefasst.
Keines der Messinstrumente zeigte eine signifikante Reduktion der untersuchten Problematiken Angst, Depression und ADHS während der Wartezeit an.
Während der Behandlungsphase hingegen konnten mittlere bis große Veränderungen mit Ausnahme der Werte der ADHS-Selbstfragebogen (kein signifikanter Therapieeffekt) erzielt werden. Der Vergleich dieser Steigungskurven
versus
brachte keine signifikanten Unterschiede, das heißt, dass im
engeren Sinne keine signifikanten Behandlungseffekte belegt werden konnten.
46
Tabelle 3 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) – DISYPS-KJ
b
Prä1
Prä2
FU1
Multilevel- Analyse
Effektstärke d
a
Skala
bwarte
Unstandardisierter Koeffizient
Prä1 bis Prä2 Prä2 bis FU1
vs bbehandl
M
SD
M
SD
M
SD
t
df
p
bwarte
−0,12
−0,92 105 n.s.
SBB-DES
0,85 0,45 0,77 0,49 0,51 0,68
n.s.
−0,27
−0,43
bbehandl
−0,07
−2,96 105 <0,01
bwarte
−0,06
−0,64 105 n.s.
SBB-ANG
0,67 0,47 0,63 0,55 0,34 0,37
n.s.
−0,14
−0,66
bbehandl
−0,08
−4,54 105 <0,001
bwarte
−0,26
−1,43 105 n.s.
SBB-HKS
0,78 0,50 0,61 0,49 0,52 0,81
n.s.
−0,40
−0,10
bbehandl
−0,02
−0,71 105 n.s.
bwarte
−0,12
−1,03 105 n.s.
FBB-DES
1,12 0,51 1,04 0,49 0,47 0,45
n.s.
−0,21
−1,23
bbehandl
−0,16
−7,57 105 <0,001
bwarte
−0,07
−0,69 105 n.s.
FBB-ANG
0,76 0,41 0,71 0,42 0,42 0,39
n.s.
−0,08
−0,61
bbehandl
−0,08
−4,18 105 <0,001
bwarte
−0,12
−0,99 105 n.s.
FBB-HKS
0,84 0,52 0,76 0,55 0,45 0,44
n.s.
−0,20
−0,59
bbehandl
−0,09
−3,80 105 <0,001
a
SBB-DES, FBB-DES: Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen; SBB-ANG, FBB-ANG: Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für Angststörun-
gen und Phobien; SBB-HKS, FBB-HKS: Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
b
bwarte – Steigungskurve während der Wartezeit von Prä1 zu Prä2; bbehandl – Steigungsrate während des Behandlungsintervalls von Prä2 zu FU1
47
Ergebnisse auf Ebene des Reliable Change Index
Im Folgenden sind die Ergebnisse zur Bildung des Reliable-Change-Index zu
den Selbst- und Fremdfragebogen des DISYPS-KJ beschrieben. Die Gegenüberstellung der Wartephase zur Behandlungsphase zeigt eine deutliche Tendenz: So gibt es bei jedem Fragebogen zu den drei Störungsfeldern aller 36 Patienten sowohl im Eltern- als auch im Selbsturteil eine Reduktion in der Angabe
„keine Veränderung“ von der Wartezeit bis zur Behandlungsphase, was bedeutet, dass eine Veränderung durch die Behandlung stattfindet. Zudem entwickelt
sich die Qualität der psychischen Probleme in allen Fragebogen mehr in Richtung einer „reliablen Verbesserung“ als in Richtung einer „reliablen Verschlechterung“.
Tabelle 4 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n = 36) − DISYPS-KJ
Wartephase
Behandlungsphase
Skala
SBBDES
SBBANG
SBBHKS
FBBDES
FBBANG
FBBHKS
(Prä1 bis Prä2)
(Prä2 bis FU1)
Häufigkeit
Prozent
Häufigkeit
Prozent
Reliable Verschlechterung
2
5,6
4
11,1
Keine Veränderung
31
86,1
20
55,6
Reliable Verbesserung
3
8,3
12
33,3
Reliable Verschlechterung
2
5,6
0
0
Keine Veränderung
30
83,3
25
69,4
Reliable Verbesserung
4
11,1
11
30,6
Reliable Verschlechterung
2
5,6
4
11,1
Keine Veränderung
30
83,3
22
61,1
Reliable Verbesserung
4
11,1
10
27,8
Reliable Verschlechterung
2
5,6
0
0
Keine Veränderung
30
83,3
13
36,1
Reliable Verbesserung
4
11,1
23
63,9
Reliable Verschlechterung
1
2,8
2
5,6
Keine Veränderung
31
86,1
24
66,7
Reliable Verbesserung
4
11,1
10
27,8
Relilable Verschlechterung
3
8,3
2
5,6
Keine Veränderung
26
72,2
19
52,8
Reliable Verbesserung
7
19,4
15
41,7
Reliable Change Index
Fasst man die Aussagen aller Fragebogen zu den Störungsbereichen Angst,
Depression und ADHS zusammen, stellt sich die reliable Verschlechterung zu
48
beiden Phasen als gleichwertig dar (5,6 %). Keine Veränderungen in der
Selbst- und Fremdbeurteilung werden in der Wartephase in 82,4 % der Fälle
angegeben. Während der Behandlungsphase sinkt diese Zahl auf 56,9 %.
Dafür wird eine reliable Verbesserung der Symptomatiken erkannt, denn diese
steigt von 12,0 % in der Wartephase auf 37,5% in der Behandlungsphase an.
Darstellung 4 - Ergebnisse der RCI-Berechnung bei den 216 insgesamt ausgewerteten
Fragebogen (n= 36) – DISYPS-KJ
100 %
90 %
26
81
80 %
70 %
60 %
50 %
Reliable Verbesserung
Keine Veränderung
178
40 %
Reliable Verschlechterung
123
30 %
20 %
10 %
0%
12
12
Wartephase
Behandlungsphase
Diese Entwicklung sei am Beispiel der Entwicklung der Ergebnisse des SBBDES exemplarisch veranschaulicht:
Während der Wartephase geben 31 Probanden (86,1 %) keine reliable Veränderung bei der Selbsteinschätzung der depressiven Störung an. 2 Jugendliche
verschlechtern sich reliabel und stehen 3 Jugendlichen, die sich reliabel verbessern, mengenmäßig ausgewogen gegenüber.
Während der Behandlungsphase findet eine Abwanderung derer statt, die vorher keine Veränderung aufwiesen. Lediglich 20 Jugendliche (55,6 %) propagieren, keine Veränderung in der depressiven Störung erfahren zu haben. Dieser
Anteil hat sich im Behandlungsverlauf zugunsten der reliablen Verbesserung
verschoben. Hier sind mengenmäßig die Probanden, die eine reliable Verbesserung bieten, denen, die die Bewertung einer reliablen Verschlechterung erhalten, klar überlegen. Es liegt ein Verhältnis von 4 Jugendlichen (11,1 %) mit reli-
49
abler Verschlechterung im SBB-DES zu 12 Jugendlichen mit reliabler Verbesserung (33,3 %) vor.
In den Fremdbeurteilungsbogen zur Depression erhält kein Patient mehr die
Bewertung einer reliablen Verschlechterung, wohingegen es im Verlauf der
Wartezeit immerhin noch zwei Jugendliche waren. Stattdessen steigt die Zahl
derer, die sich reliabel in ihrer Symptomatik verbessern, von 4 Jugendlichen
(11,1 %) auf 23 (63,9 %).
Darstellung 5 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n =36) − DISYPS-KJ:
Depression: Warte- und Behandlungsphase im Vergleich
3
4
12
23
31
30
20
2
4
2
0
SBB-DES
(Behandlungphase)
FBB-DES (Wartephase)
FBB-DES
(Behandlungsphase)
13
SBB-DES (Wartephase)
100 %
90 %
80 %
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
0%
Reliable Veränderung
Keine Veränderung
Reliable Verschlechterung
Ergebnisse auf Ebene des normativen Vergleichs
Die normorientierte Berechnung zu den Selbst- und Fremdfragebogen des DISYPS-KJ fand zu den Messzeitpunkten Prä1, Prä2 und FU1 statt. Die Ergebnisse werden in Tabelle 5 dargestellt.
Bei der Kategorisierung der Studienteilnehmer in „unauffällig“ und „klinisch“ fällt
im Verlauf der drei Messpunkte ein deutlicher Trend bei allen Testinstrumenten
auf. Der Anteil der „Klinischen“, in allen drei Störungsfeldern zusammenfassend
betrachtet, verringert sich von 56,9 % (123 klinische Klassifikationen) zu Prä1
auf 22,2 % (48 klinische Klassifikationen) zu FU1 (Prä2: 45,3 %; 98 klinische
Klassifikationen).
50
In allen Testinstrumenten ist der Teil der Probanden, die in den Störungsfeldern
Depression, Angst und ADHS zu Prä1 als klinisch galten, größer als nach der
Behandlung zu FU1. Während der Wartephase bleibt das Ausmaß der Symptome entweder gleich (FBB-DES, FBB-ANG) oder erfährt nur einen leichten
Rückgang. Bedeutsam ist hierbei, dass die Veränderungen der psychischen
Verfassung
im
Zuge
der
Therapie
in
Richtung
von
„klinisch“
nach
lig“ passieren.
In keinem Fall (Ausnahme: SBB-HKS) übersteigt das Ausmaß der positiven
Veränderung auf Ebene der psychischen Veränderungen die, die während der
Behandlungsphase erreicht werden.
Dies bedeutet, dass sich die stationäre Behandlung positiv auf die psychischen
Störungsbilder Depression, Angst und ADHS auswirkt. Dies wird in den Darstellungen 6 und 7 grafisch gezeigt.
Die Symptome vieler Patienten mindern sich in ihrer Ausprägung so stark, dass
sie nach der Behandlung als im Normbereich liegend klassifiziert werden.
51
Tabelle 5 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) − DISYPS-KJ
Prä1
Prä2
FU1
Normative
Skala
Analyse
Häufigkeit Prozent Häufigkeit Prozent Häufigkeit Prozent
Unauffällig
90.
16
44,4
19
52,8
27
75,0
SBB- Perzentil
DES
Klinisch
90.
20
55,6
17
47,2
9
25,0
Perzentil
Unauffällig
90.
24
66,7
27
75,0
31
86,1
SBB- Perzentil
ANG Klinisch
90.
12
33,3
9
25,0
5
13,9
Perzentil
Unauffällig
90.
27
75,0
31
86,1
29
80,6
SBB- Perzentil
HKS
Klinisch
90.
9
25,0
5
13,9
7
19,4
Perzentil
Unauffällig
90.
5
13,9
5
13,9
22
61,1
FBB- Perzentil
DES
Klinisch
90.
31
86,1
31
86,1
14
38,9
Perzentil
Unauffällig
90.
8
22,2
8
22,2
24
66,7
FBB- Perzentil
ANG Klinisch
90.
28
77,8
28
77,8
12
33,3
Perzentil
Unauffällig
90.
23
63,9
28
77,8
35
97,2
FBB- Perzentil
HKS
Klinisch
90.
13
36,1
8
22,2
1
2,8
Perzentil
In der Fremdbeurteilung zur depressiven Störung werden zum Screening und
zur Aufnahme noch 31 Jugendliche als klinisch erkannt, zum FU1 sind es nur
noch 50 % – und zwar 14 Probanden.
52
Darstellung 6 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) − DISYPS-KJ:
Depression und Angst, Prozentsatz klinisch auffälliger Kinder
100 %
90 %
80 %
31
31
28
28
70 %
60 %
SBB-DES
20
FBB-DES
50 %
17
40 %
30 %
14
12
12
9
SBB-ANG
FBB-ANG
9
20 %
5
10 %
0%
Prä1
Prä2
FU1
Gesondert ist die Kurve zum Testinstrument SBB-HKS zu beschreiben. Beim
SBB-HKS gelten zur ersten Erhebung 9 Jugendliche (25 %) als klinisch, zu
Prä2 sind es 5 Patienten (13,9 %), und zum FU1 sind es wieder 7 (19,4 %).
Dieses Testinstrument zeigt als einziges eine Verschlechterung der ADHSProblematik während der Behandlungsphase.
53
Der Verlauf der Erkrankung ADHS ist im Folgenden gesondert dargestellt:
Darstellung 7 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) − DISYPS-KJ:
ADHS, Prozentsatz klinisch auffälliger Kinder
50 %
45 %
40 %
35 %
13
30 %
25 %
9
SBB-HKS
8
20 %
FBB-HKS
7
15 %
5
10 %
5%
1
0%
Prä1
Prä2
FU1
3.2.3 Psychische Probleme im poststationären Verlauf
Zur Bewertung des poststationären Verlaufs wurde das Testinstrument SELBST
eingesetzt. Die Ergebnisse wurden zunächst über Multilevel-Modeling auf ihre
statistische Signifikanz hin analysiert. Zur Klärung der klinischen Signifikanz
wurden RCI-Berechnungen durchgeführt. Ein normorientierter Vergleich wurde
mit dem SELBST nicht angestellt, da es keine beschriebene Bezugsstichprobe
in der Literatur gibt.
Ergebnisse auf Ebene der Multilevel-Analysen und Effektstärken
Zwecks Prüfung der Entwicklung der psychischen Probleme während der
Follow-up-Phase (von FU1 bis FU2:
) wurden die Gesamtskalen der
SELBST-Fragebogen im Eltern- und Jugendlichenurteil ausgewertet. Wie Tabelle 6 zeigt, resultierten keine signifikanten Veränderungen während der
Follow-up-Periode. Die erzielten Werte waren sehr niedrig und indizierten geringfügige mentale gesundheitliche Probleme (ein Mittelwert von 1 steht für Ein-
54
schränkung kleiner Ausprägung; Walter, Radermacher, Schürmann und Döpfner 2007).
Tabelle 6 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der
Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) − SELBST
Effektstärke d
FU1
FU2
Multilevel-Analyse
b
Follow-Up
a
(FU1 bis FU2)
Skala
SELBSTJugendurteil
SELBSTElternurteil
Unstandardisierter
M
SD
M
SD
1,01
0,22
1,12
0,26
bfollow-up
1,07
0,24
1,10
0,27
bfollow-up
bfollow-up
t
Df
p
0,01
1,85
70
n.s.
0,29
0,01
0,73
70
n.s.
0,12
Koeffizient
vs
bbehandl
a
SELBST: SELBST-Fragebogen im Jugend- und im Elternurteil
b
bfollow-up – Steigungskurve während der Follow-up-Phase von FU1 bis FU2
Ergebnisse auf Ebene des Reliable-Change-Index
Um die Entwicklung der psychischen Probleme nach Beendigung der stationären Therapie genauer zu klären, wurden die Ergebnisse des SELBST dann
auch auf ihren RCI hin begutachtet. Hier konnten zufriedenstellende Werte herausgearbeitet werden. Tabelle 7 zeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle die Probanden keine Veränderungen erlebten und damit die Therapieeffekte für den
Follow-up-Zeitraum als stabil gelten können. Der Reliable-Change-Index zeigte
für die Jugendlichen im Jugendurteil in 66,7 % und im Elternurteil in 75 % der
Stichproben keine Veränderung an. Dieses Ergebnis entspricht denen des
SELBST auf Mittelwertsebene, denn diese sprechen durch das Ausbleiben von
Veränderungen auch für Stabilität (siehe Tabelle 6).
55
Tabelle 7 - Ergebnisse der RCI-Berechnung im Jugend- und Elternurteil (n = 36) −
SELBST
Follow-up (von FU1 bis FU2)
Skala
Reliable Change Index
Häufigkeit
Prozent
SELBST – im Jugendurteil
SELBST – im Elternurteil
Reliable Verschlechterung
7
19,4
Keine Veränderung
24
66,7
Reliable Verbesserung
5
13,9
Reliable Verschlechterung
7
19,4
Keine Veränderung
27
75,0
Reliable Verbesserung
2
5,6
Bei genauerer Betrachtung der Patienten, die hier keine Stabilität erreichen, fällt
das leicht ungleiche Verhältnis zugunsten der reliablen Verschlechterung auf.
Im Jugendurteil verbessern sich reliabel 5 (13,9 %) Jugendliche. Diesen stehen
7 Jugendliche (19,4 %) gegenüber, die sich verschlechtern. Im Elternurteil verteilen sich die reliablen Veränderungen auf 2 Verbesserungen (5,6 %) und 7
(19,4 %) Verschlechterungen. Diese Entwicklung ist als leichter Wiederanstieg
der emotionalen Probleme bei sonst zufriedenstellender Stabilität zu charakterisieren. Grafisch ist die Stabilitätsprüfung in Darstellung 8 umgesetzt.
Darstellung 8 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n = 36) − SELBST
100 %
90 %
5
2
80 %
70 %
Reliable Verbesserung
60 %
50 %
24
27
Keine Veränderung
40 %
Reliable
Verschlechterung
30 %
20 %
10 %
7
7
Jugendurteil
Elternurteil
0%
56
4 Diskussion
4.1 Verlauf der Studie
Diese Studie (Walter 2011) stellt die erste kontrollierte Studie in der Literatur
dar, die eine kognitive Verhaltenstherapie im offen stationären Setting für die
Behandlung von Jugendlichen mit chronischem Schulabsentismus und psychischen Einschränkungen (emotionalen Störungen mit oder ohne zusätzliche expansive Auffälligkeiten) untersucht.
Die gewonnenen Ergebnisse liefern Hinweise für die Wirksamkeit der hier angewandten kognitiven Verhaltenstherapie.
Zu Studienbeginn zeigten alle Patienten ein ausgeprägtes und chronisches
schulverweigerndes Verhalten, kombiniert mit einer breiten Facette an psychischen Störungen.
Während der Wartezeit traten keine Veränderungen des schulabsentistischen
Verhaltens oder der emotionalen Störungen auf. Mit Beginn der stationären
Therapie von Prä2 bis 2 Monate nach Beendigung dieser (FU1) wurde ein starker und hochsignifikanter Rückgang des Schulfernbleibens erreicht. Dann
musste ein moderates und signifikantes Nachlassen der Effekte in der poststationären Beobachtung von FU1 bis FU2 akzeptiert werden. Dennoch fällt die
Ausprägung des Schulfehlens 9 Monate nach Therapieende (FU2) beachtlich
geringer aus als zu Beginn der Behandlung; zum FU2 bestand ein regelmäßiger
Schulbesuch in 63,9 % der Fälle im Vergleich zu 86,1 % zum Messzeitpunkt
FU1.
Das Nachlassen des regelmäßigen Schulbesuchs um 22 % muss vor dem Hintergrund der gestellten Operationalisierung der zentralen abhängigen Variablen
(regelmäßiger Schulbesuch versus unregelmäßiger Schulbesuch) gesehen
werden. Die Wertung „unregelmäßiger Schulbesuch“ ergibt sich schon aus einem Fernbleiben der Schule von mindestens einem Tag innerhalb von 2 Wochen. Zieht man nun weitere Analysen zur Charakterisierung des schlechter
werdenden Schulverhaltens zu den Messpunkten FU1 und FU2 hinzu, wird demonstriert, dass der große Teil der schulverweigernden Probanden zu den beiden poststationären Erhebungszeitpunkten einen unregelmäßigen Schulbesuch
in milder Form aufweisen. Die mittlere Ausprägung beläuft sich auf M = 0,5 versäumte Schultage pro Woche seit des letzten Erhebungszeitpunkts. Lediglich 3
Probanden (8,3 %) brachten es zum FU1 und 5 (13,9 %) zum FU2 zu einem
57
eher ungünstigen Outcome mit einer Fehltagerate von M = 1,42 Tagen pro Woche zu FU1 und von M = 1,67 zu FU2 jeweils seit der letzten Erhebung.
Die Mehrheit der Probanden, die wieder in unregelmäßiges Schulverhalten zurückfiel, wies zu FU1 nur ein paar einzelne Fehltage auf. Das Gleiche galt auch
zum Zeitpunkt der zweiten Katamnese, so dass man auch hier von Schulverweigerung in milder Form innerhalb der vergangenen 7 Monate sprechen kann.
Während im poststationären Verlauf zwischen FU1 und FU2 ein mittleres und
signifikantes Nachlassen des regelmäßigen Schulbesuchs auftrat, blieben die
Behandlungserfolge hinsichtlich psychischer Störungen in allen Prüfungen
stabil (Walter 2011).
Mit dem zweiten Analysebereich wurde versucht, die Entwicklung der psychischen Probleme zu beurteilen. Hierzu wurden 5 Composites Scores für die große Menge an Testinstrumenten erstellt. Es ergaben sich überwiegend mittlere
bis große Effekte für die Störungsbilder Angst, Depression, expansive Störungen und Lernverhaltensstörungen bei der Auswertung der Eltern- und Jugendlichenurteile während der Behandlungsphase.
Zur Bewertung der Therapiewirksamkeit bezüglich spezifischer psychischer
Probleme (Angst, Depression und ADHS) wurden die Testergebnisse aus der
Wartezeit mit denen der Behandlungsphase mittels Multilevel-Analyse verglichen. Die Ergebnisse während der Wartezeit zeigten keinerlei Veränderungen
und die der Behandlungsphase meist mittlere bis große Effektgrößen. Gleichwohl konnte die Gegenüberstellung der Steigungskurven keine signifikanten Effekte hinsichtlich dieser Variablen zeigen. Als mögliche Erklärung könnte hier
gelten, dass die eingesetzten Testinstrumente nicht sensibel genug für die Veränderungen der psychischen Probleme waren. Als andere mögliche Erklärung
könnte herangezogen werden, dass die spezielle Form der angebotenen Therapie mehr auf die Verminderung des Schulfehlens und auf die Reintegration in
das Regelschulsystem abgezielt hatte, nicht aber den Anforderungen zur Verbesserung der psychischen Komorbiditäten genügte. In diesem Fall müsste das
Behandlungskonzept modifiziert werden, um auch den psychischen Problemen
noch gerechter zu werden. Dazu muss kritisch angemerkt werden, dass jedoch
die im Einleitungsteil beschriebenen Ergebnisse der vier klinischen Untersuchungen, die durch Anwendung kognitiver Verhaltenstherapie große Effekte in
58
der Verbesserung der psychischen Probleme zeigten, der Forderung nach notwendiger Modifikation des Behandlungskonzeptes entgegenstehen.
Ein dritter möglicher Ansatz wäre, dass die Verwendung von MultilevelAnalysen unter Einteilung von Zeitabschnitten zu berücksichtigen ist. In den
Analysen konzentrierte man sich auf zwei verschiedene zeitliche Abschnitte.
Man versuchte, durch Gegenüberstellung von
und
die Behand-
lungseffekte hinsichtlich der psychischen Probleme herauszustellen. Bei genauerer Betrachtung der Längen der Zeitabschnitte wird offensichtlich, dass sie
unterschiedlich ausfallen. So erstreckt sich die Wartephase über ein Mittel von
16,7 Tagen, und der deutlich längere Behandlungszeitraum umfasst eine mittlere Dauer von 16,2 Wochen (zusammengesetzt aus M = 8,2 Wochen für den
Abschnitte der stationären Behandlung plus M = 8,0 Wochen bis zum Messzeitpunkt FU1). Die Reduktion der Symptome während der kurzen Wartephase
könnte letzten Endes zumindest teilweise den Wiederholungseffekten der eingesetzten Messinstrumente zugeschrieben werden, die unabhängig von der
Dauer zwischen zwei Messzeitpunkten kaum zu verhindern sind und bei sehr
kurzen Zeitabschnitten zusätzlich größer ausfallen. Es kann daher über einen
Ansatz einer zeitlichen Ausdehnung der Wartephase nachgedacht werden, so
dass mit ähnlich absoluter Reduktion und mit niedrigeren Steigungskurven gerechnet werden könnte. Um aber wieder auf die Ebene der praktischen Umsetzung zu gelangen, sei an den unethischen Aspekt von artifiziellen und für den
Patienten mit seinem Leidensdruck unnötig längeren Wartezeiten erinnert.
Die Multilevel-Analyse wurde als moderne Berechnungsmethode für das vorliegende Eigenkontrollgruppen-Design ausgewählt (Raudenbush und Bryk 2002).
Die Entscheidung fiel gegen Alternativen wie ANOVA oder MANOVA, die mit
wiederholenden Messinstrumenten arbeiten und zur Wirksamkeitstestung bei
einem direkten Vergleich von Symptomentwicklungen über verschiedene Zeitabschnitte nicht einsatzfähig sind.
Die allgemeinen Vorteile des Eigenkontrollgruppendesigns wurden bereits im
Abschnitt über das Untersuchungsdesigns benannt (geringerer Aufwand der
Rekrutierung der Probanden sowie die Möglichkeit der adäquaten Behandlung
für jeden einzelnen Probanden). Als allgemeine Nachteile des Designs müssen
die Lerneffekte der Probanden gelten, die sich auf die Testergebnisse auswirken könnten, allerdings wurde in dieser Studie auf den Einsatz von wechseln59
den Testinstrumenten bereits hingewiesen. Damit schließen sich mögliche
Übertragungseffekte sowie Lerneffekte weitgehend aus.
Weitere Erhebungen mittels anderer Designs (z. B. mit Installation einer parallelen Kontrollgruppe) müssten angestellt werden, um diese potenziellen methodologischen Schwächen auszuräumen.
4.2 Einordnung der Ergebnisse in den aktuellen Forschungsstand
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Ergebnisse eine starke Reduktion des schulabsentistischen Verhaltens unter der angewandten kognitivbehavioralen Therapie zeigen und mit den vier oben beschriebenen Studien,
die ebenfalls eine starke Reduktion von Schulabsentismus unter kognitiver Verhaltenstherapie zeigen, übereinstimmend vergleichbar sind. Drei der Studien
(Blagg und Yule 1984; King et al. 1998; Last, Hansen und Franco 1998) erbringen den Beweis der Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie im ambulanten
Setting bei Jugendlichen mit ängstlich begründetem Schulabsentismus. Außerdem bietet der in dieser Arbeit zusätzliche Fokus auf Patienten mit schweren
Beeinträchtigungen (mit einer größeren Vielfalt an komorbiden psychischen
Problemen und in den meisten Fällen gescheiterten ambulanten Behandlungsversuchen im Vorfeld) eine weitere Bekräftigung der sich abzeichnenden Meinungsbildung dieses Behandlungsfeldes. Eine vorausgegangene Studie von
Walter und Koautoren (2010), die sich durch eine größere Stichprobe auszeichnete, stellt neben dieser die einzige systematisch prüfende Arbeit zur Wirksamkeit stationärer leitliniengerechter kognitiver Verhaltenstherapie dar. Im Gegensatz zu der zuletzt genannten Forschungsarbeit, die auch eine starke Reduktion
von schulabsentistischem Verhalten unter Begleitung von psychischen Störungen zeigte, wurden hier die großen Schwächen beseitigt, indem nun eine Kontrollgruppe geschaffen wurde und auch der langzeitliche Verlauf hinsichtlich der
Stabilität der erzielten Therapieerfolge analysiert wurde. Es gelang, die Ergebnisse zu bekräftigen, indem man Belege erbrachte, dass die beobachteten Effekte eindeutig der Behandlung zugeschrieben werden können. Darüber hinaus
zeigen die neuen Ergebnisse, dass die Behandlungseffekte trotz eines poststationären Nachlassens des regelmäßigen Schulbesuchs über 9 Monate im Allgemeinen aufrechterhalten werden können, und damit als befriedigend und
stabil angesehen werden können. Ein Vergleich der vorliegenden Arbeit mit der
60
von Walter und Koautoren (2010) ist übrigens angebracht, da die gleichen Outcome Scores zur Operationalisierung von Schulabsentismus eingesetzt wurden.
Kombiniert man nun die Resultate beider Forschungsarbeiten, gelingt das Argument für die Wirksamkeit der eingesetzten kognitiv-behavioralen Therapie im
stationären Setting.
Auch die Übersichtsarbeit von Pina 2009 setzt 15 Einzel- und Gruppendesigns
einem Vergleich hinsichtlich der Wirksamkeit der Behandlung von Schulabsentismus aus und formuliert eine Überlegenheit von verhaltenstherapeutischen
und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätzen gegenüber anderen Interventionen.
Analysen bezüglich der gruppierten Schultypen legen dar, dass zum FU1 9 Jugendliche (25, 2 %) und zum FU2 6 Jugendliche (16,8 %) eine spezielle Beschulung im geschützten Raum benötigten, was darauf hinweisen könnte, dass
Jugendliche mit chronischem Schulabsentismus eines geschützten Schulsettings über mehrere Monate bedürfen, das kleinere Klassengrößen und spezial
geschultes Lehrpersonal bietet, um einen erfolgreichen Schulbesuch aufzuweisen.
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass zu
FU1 75 % der Probanden und zu FU2 80,6 % einen wöchentlichen ambulanten
Therapietermin in Anspruch nahmen. Die nahtlose ambulante psychotheraupeutische Weiterbehandlung mit kognitiv-behavioralem Schwerpunkt mag den
Therapieeffekten Stabilität gegeben haben. Weitere Analysen müssen den speziellen Beitrag des nahtlosen Übergangs in eine ambulante Therapie nach der
stationären Behandlung klären. Auch in Hinblick auf die vielversprechenden Ergebnisse muss die Arbeit hinsichtlich einzelner Schwächen diskutiert werden.
4.3 Grenzen der Arbeit
Die Studienergebnisse sind vielversprechend. Dennoch müssen die Schwächen
der vorliegenden Studie diskutiert werden. Die methodologische Schwäche, die
sich aus der kurzen Wartephase ergibt, wurde bereits besprochen.
Ebenso wichtig zu erwähnen ist aber auch die Tatsache, dass für die Analyse
des Verlaufs der psychischen Einschränkungen ein Wechsel in den eingesetzten Testinstrumenten zu den verschiedenen Erhebungszeitpunkten stattgefunden hatte.
61
Hintergründe dafür waren der Wunsch, die psychischen Störungen mit einer
großen Auswahl an standardisierten Testverfahren zu prüfen, und zweitens die
Bedenken, die Compliance der Probanden durch Überfrachtung durch zu viele
und sich ständig wiederholende Testfragen zu gefährden.
Prä2 und FU1 wurden zu Hauptmesspunkten erklärt, zu denen alle beschriebenen Testinstrumente gleichermaßen zum Einsatz kamen. Bei den anderen Erhebungen konzentrierte man sich auf eine Auswahl an Tests.
Allein bei den Analysen zu den Schulfehltagen werden Daten zu Post erhoben.
Trotzdem wählte man die Einteilung der Zeitabschnitte der Behandlungsphase
von Prä1 bis FU1 und der poststationären Phase von FU1 bis FU2. Kritisch
könnte man sagen, dass alle Veränderungen zwischen Entlassung und FU1
stattgefunden haben könnten. Gründe für die Wahl dieser Zeitabschnitte lagen
in der Möglichkeit der Vereinheitlichung und somit in der leichteren Vergleichbarkeit von Zeitabschnitten mit der größtmöglichen Anzahl an Testinstrumenten,
da man bei Post z. B. auf die Fremdbeurteilungsbogen durch die Eltern verzichten musste. Die Arbeit von Walter und Kollegen (2011) kommt dieser deutlichen
Schwäche nach, indem hier zeitliche Abschnitte zum Teil modifiziert wurden
und sich die Behandlungsphase damit sich von Prä1 bis Post respektive poststationär von Post bis FU2 erstreckte.
Zudem fehlt auch bei dieser Arbeit eine Kontrolle der Einflüsse begleitender
Maßnahmen. Um den individuellen Beitrag der beschriebenen Interventionen
genauer fassbar zu machen, sollten Moderator- und Mediatoranalysen untersucht werden. Die Effekte können nicht definitiv der beschriebenen manualgeleiteten kognitiv-behavioralen Behandlung zugeschrieben werden. In der Übersichtsarbeit von Pina von 2009 resultiert diese Forderung bei der Bewertung
psychosozialer Interventionen im Vergleich der verschiedenen Behandlungsdesigns bei Schulabsentismus als eine der Kernforderungen.
Als weitere methodologische Schwäche wird ebenfalls die Art der eingebrachten Kontrolleinheit gelten müssen. Kritisch könnte man nach einer Kontrollgruppe in randomisiertem Stil fragen, die mit einem alternativen Verfahren auch aktiv behandelt würde. Dann wäre eine höhere methodologische Qualität zu erzielen.
62
4.4 Ausblick
Neben diesen Einschränkungen liefern diese Ergebnisse einen weiteren Beleg
für die Wirksamkeit stationärer kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) bei Jugendlichen mit Schulverweigerung und einer zusätzlichen Mischung von emotionalen
und expansiven Symptomen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass es von großem Wert sein kann, die Eltern in
die Therapie aktiv einzubeziehen und eine enge Zusammenarbeit mit der Institution Schule herzustellen. Offenbar benötigt ein Teil der Jugendlichen nach
Abschluss der Therapie zusätzlich eine Schulform in geschütztem Raum. Kleinere Klassengrößen und speziell geschulte Lehrer mögen da hilfreich sein. Es
ist wahrscheinlich, dass ein nahtloser Übergang in eine ambulante verhaltenstherapeutische Weiterbehandlung notwendig ist, um Therapieeffekte längerfristig aufrechterhalten zu können.
Für die Zukunft bedeutet dies, dass weitere klinische Studien in randomisiertem
Design und mit größerer Stichprobe zur weiteren Bekräftigung dieser Ergebnisse bezüglich der Behandlung von schulabsentistischen Jugendlichen mit
komorbiden psychischen Beeinträchtigungen erforderlich sind. Spezifische Moderator- und Mediatoranalysen werden Einblick in den therapeutischen Ablauf
schaffen können und so hilfreiche Schlüsse zum Verständnis der sich abspielenden Mechanismen liefern können.
Ebenso berücksichtigt diese Arbeit nicht die Gruppe von Jugendlichen und Kinder, die der Schule fernbleiben, um attraktiveren Dingen nachzugehen. Grund
für die unterrepräsentierte Gruppe kann sein, dass die betroffenen Jugendlichen eher in Kontakten zu Jugendämtern auffällig werden (Pina 2009; Lyon &
Cotler 2007) und hier eine bessere Vermittlung zu kinder- und jugendpsychiatrischen Institutionen hergestellt werde sollte.
Die Prüfung eines erfolgreichen Schulabschlusses oder einer beruflichen Ausbildung in einer Langzeitbeobachtung sowie des Verlaufs und der Behandlung
der psychischen Probleme werden zeigen, ob die hier gewählte Form der Intervention zu einem hoffentlich besseren Outcome im jungen Erwachsenenleben
führt.
63
5 Zusammenfassung
Hintergrund: Der regelmäßige Besuch der Schule wird von der Gesellschaft
erwartet und ist im deutschen Gesetz im Sinne der Schulpflicht verankert. Er
bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Schulabschluss und hat damit bedeutenden Einfluss auf spätere berufliche Qualifikationen und die soziale Position im gesellschaftlichen Leben (Walter et al. 2005). Doch nicht allen Jugendlichen gelingt der regelmäßige Besuch der Schule.
Die Ursachen für Schulabsentismus sind vielfältig und komplex. Studien aus
jüngster Zeit sind sich jedoch einig, dass unentschuldigtes Fehlen stark im Kontext mit dem Umfeld der Jugendlichen, insbesondere den sozialen und psychiatrisches Gegebenheiten steht (Kearney 2008; Walter 2010).
In Hinblick auf das häufige Vorkommen des Phänomens Schulabsentismus und
die damit verbundenen weitreichenden sozioökonomischen und gesundheitlichen Folgen, die im Kapitel 1 dargestellt wurden, stellt sich seit einigen Jahren
die notwendige Forderung nach einem validen Konzept, um den Jugendlichen
und ihren Familien sinnvoll begegnen zu können.
Methoden: Die vorliegende Studie (Walter 2010 und 2011) prüft an einer klinischen Population von Jugendlichen mit chronifiziertem, primär ängstlichdepressivem Schulabsentismus mit oder ohne begleitende expansive Auffälligkeiten die Wirksamkeit stationärer, kognitiv-behavioraler Therapie (CBT). Das
Schulverhalten und der Verlauf von psychischen Störungen (ADHS, Depression
und Angststörungen) stellen die Hauptkriterien der untersuchten Wirksamkeit
dar. Dabei kann die Studie in zwei Ebenen unterteilt werden. Im ersten Teil wird
die Effektivität der Therapieform auf ihre statistische Signifikanz hin untersucht.
Im zweiten Schritt wird die klinische Signifikanz der Ergebnisse geprüft.
36 Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren, die den Schulbesuch entweder
komplett eingestellt hatten oder ausgeprägte Fehlzeiten aufwiesen und eine
psychiatrische Komponente aufwiesen, wurden offen stationär und kognitivverhaltenstherapeutisch in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum der Universität zu Köln behandelt.
Zwischen Dezember 2006 und Februar 2008 wurden 61 Jugendliche, die sich
mit schulabsentistischem Verhalten in der Schwerpunktambulanz der Klinik vorstellten, auf die in Kapitel 2.1 beschriebenen Ein- und Ausschlusskriterien hin
bemessen. Die Rekrutierung fand kontinuierlich statt.
64
Mit der Installation eines Eigenkontrollgruppendesigns analysierte man die Veränderungen des Schulverhaltens und die der mentalen gesundheitlichen Probleme. Die Behandlung erfolgte manualgeleitet unter Einschluss der Eltern und
in enger Zusammenarbeit mit den Institutionen der Schule und Jugendfürsorge.
Die Studie teilte sich in 3 Beobachtungsphasen, die Datenerhebungen fanden
zu 5 Messzeitpunkten (Prä1, Prä2, Post, FU1 und FU2) statt: Die prästationäre
Wartezeit, in der die Jugendlichen nicht behandelt wurden, diente als Kontrolleinheit. Dieser schloss sich die Behandlungsphase an. Nach Entlassung wurde
ein Follow-up implementiert, das aus Katamnesen nach 2 Monaten (FU1) und
nach 9 Monaten (FU2) bestand.
Ergebnisse: Während der Wartezeit konnten keine signifikanten Veränderungen bei den unbehandelten Jugendlichen festgestellt werden. Mit Beginn der
stationären Therapie zeichnete sich ein signifikanter Rückgang der Schulfehlzeiten bis zur ersten katamnestischen Untersuchung 2 Monate nach Beendigung des stationären Aufenthalts ab. 86,1 % der Jugendlichen besuchten 2
Monate nach Abschluss der Therapie regelmäßig die Schule oder gingen einer
anderen beruflichen regelmäßigen Beschäftigung nach; 9 Monate später waren
es 63,9 %. Poststationär benötigten 25,2 % der Stichprobe nach 2 Monaten
weiterhin einen geschützten schulischen Rahmen (Förderschule oder Klinikschule), nach 9 Monaten nahmen 16,8 % der Jugendlichen diesen in Anspruch.
Symptome von Angststörungen und Depression sowie von Störungen des Sozialverhaltens und Lernverhaltens konnten von Beginn der Therapie bis zur ersten Katamnese signifikant gesenkt werden, wobei sich die Effektgrößen im Bereich zwischen d = 0 ,40 und d = 1,17 ansiedelten. Allerdings blieben statistisch
signifikante Veränderungen der psychischen Auffälligkeiten bei der Vergleichsanalyse der Warteperiode und der Behandlungsphase aus.
Bei der Analyse auf Ebene des Reliable Change Index zeigte sich eine deutliche Verlagerung der Qualität der psychischen Probleme in Richtung einer reliablen Verbesserung im Zuge der Behandlung. Fasste man die Aussagen aller
Fragebogen zu den Störungsfeldern Angst, Depression und ADHS zusammen,
wurden in der Selbst- und Fremdbeurteilung in der Wartephase in 82,4 % der
Fälle keine Veränderungen angegeben. Während der Behandlungsphase sank
diese Zahl auf 56,9 %. Dafür wurde eine reliable Verbesserung der Symptomatiken erkannt, denn diese stieg von 12,0 % in der Wartephase auf 37,5% in der
Behandlungsphase an.
65
Der gleiche positive Trend zeigte sich auf Ebene der normorientierten Berechnungen. Die Symptome minderten sich bei vielen Jugendlichen in ihrer Ausprägung so stark, dass sie nach der Behandlung als im Normbereich klassifiziert
werden konnten. Der Anteil der klinisch auffälligen Kindern und Jugendlichen, in
allen drei Störungsfeldern zusammenfassend betrachtet, verringerte sich von
56,9 % (123 klinische Klassifikationen) zu Prä1 auf 22,2 % (48 klinische Klassifikationen) zu FU1.
Die Ergebnisse zur poststationären Beobachtung über einen Zeitraum von 9
Monaten zeigten eine zufriedenstellende Stabilität.
Schlussfolgerungen: Für die Behandlung von Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus ist eine frühe Diagnostik und Intervention essenziell.
Diese kontrollierte Studie liefert Belege für die Wirksamkeit von stationärer,
kognitiv- behavioraler Therapie bei stark beeinträchtigten Jugendlichen mit
Schulabsentismus mit und ohne begleitende expansive Störungen. Die Ergebnisse zeigen eine starke Reduktion des schulvermeidenden Verhaltens und eine Besserung der psychischen Probleme unter angewandter Therapie. Auch
kann eine zufriedenstellende Stabilität der Therapieeffekte festgestellt werden.
Diese Studie bestärkt das konzeptuelle Bemühen, schulabsenten Jugendlichen
sinnvoll zu begegnen. Methodologisch von großem Vorteil sind die Stichprobengröße und die Installation einer Kontrollgruppe.
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Eingereicht.
65. Walter D, Hautmann C, Rizk S, Petermann M, Minkus J, Sinzig
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cognitive
behavioral
treatment
of
adolescents
anxious72
depressed school absenteeism − an observational study. European Child & Adolescent Psychiatry 19, 835−44
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73
7 Vorabveröffentlichung von Ergebnissen
Teilergebnisse aus dieser Arbeit wurden in folgenden Arbeiten vorabveröffentlicht:
Walter D, Hautmann C, Rizk S, Lehmkuhl G, Doepfner M. Shortand long term effects of inpatient treatment of adolescents with
anxious-depressed school absenteeism – a controlled study. European Child & Adolescent Psychiatry. 2011 eingereicht.
Walter D, Hautmann C, Rizk S, Petermann M, Minkus J, Sinzig J,
Lehmkuhl G, Doepfner M (2010). Short term effect of inpatient
cognitive behavioral treatment of adolescents anxious-depressed
school absenteeism − an observational study. European Child &
Adolescent Psychiatry 19, 835−44
74
8 Anhang
8.1 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 - Art der Intervention und prozentualer Einsatz ................................ 28
Tabelle 2 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der
Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) –
Composite Scores .......................................................................... 45
Tabelle 3 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der
Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) –
DISYPS-KJ ..................................................................................... 47
Tabelle 4 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n = 36) − DISYPS-KJ ................ 48
Tabelle 5 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) −
DISYPS-KJ ..................................................................................... 52
Tabelle 6 - Ergebnisse der Multilevel-Analysen und Darstellung der
Effektstärken (Cohen′s d) im Jugend- und Elternurteil (n = 36) −
SELBST .......................................................................................... 55
Tabelle 7 - Ergebnisse der RCI-Berechnung im Jugendund Elternurteil (n = 36) − SELBST ................................................ 56
8.2 Abbildungssverzeichnis
Darstellung 1 - Verteilung der Diagnosen psychischer Erkrankungen
nach ICD-10 (n = 36)……………………………………………...25
Darstellung 2 - Ergebnisse der Analysen zum Schulbesuch (n = 36):
regelmäßig vs. Unregelmäßig……………………………………41
Darstellung 3 - Anbindung an die verschiedenen Schulformen………………...43
Darstellung 4 - Ergebnisse der RCI-Berechnung bei den 216 insgesamt
ausgewerteten Fragebogen (n= 36) – DISYPS-KJ…………….49
Darstellung 5 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n =36) − DISYPS-KJ:
Depression: Warte- und Behandlungsphase im Vergleich……50
Darstellung 6 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) −
DISYPS-KJ: Depression und Angst, Prozentsatz klinisch
auffälliger Kinder…………………………………………………...53
Darstellung 7 - Ergebnisse der normorientierten Berechnung (n = 36) −
DISYPS-KJ: ADHS, Prozentsatz klinisch auffälliger Kinder…..54
Darstellung 8 - Ergebnisse der RCI-Berechnung (n = 36) – SELBST………….56
75
9 Lebenslauf
Mein Lebenslauf wird aus Gründen des Datenschutzes in der elektronischen
Fassung meiner Arbeit nicht veröffentlicht.
76
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