Macht Ethik ohnmächtig oder Ohne Macht keine Ethik?

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Macht Ethik ohnmächtig
oder
Ohne Macht keine
Ethik?
Implementierung der Ethik der
Hospize in Institutionen und
Einrichtungen
Josef Roß – Ltg. Sozialer Dienst
09.06.2011
„Die Vision der Hospizarbeit ist aber auch
zunehmend die Notwendigkeit der
Implementierung der Hospizidee in die
bestehenden Einrichtungen des
Gesundheitswesens. …
Die Implementierung der Hospizidee in
Einrichtungen des Gesundheitswesens setzt bei
den Kommunikationsprozessen an, erwirkt eine
veränderte Organisation im Handeln der
Einrichtung und verändert die Qualitätsstandards,
wenn sie nicht nur adaptiert, sondern wirksam
integriert wird.“
(HZ 1/1999 – Graf/Müller/Roß)
„Unter diesen Aspekten ist eine Leitbildentwicklung, die
den spezifischen Anforderungen ebenso ausdifferenzierter wie integrierter Hospizarbeit gerecht wird, noch
eine eine Frage, die durch weitere Überlegungen und
Studien zu beantworten sein wird.
Eine solche Aufgabe hat zumindest zweierlei zu leisten:
• zum einen eine Profilbeschreibung, in der die Art
ermittelt wird, wie das unter dem Begriff Hospiz
subsumierte Handlungskonzept von den jeweiligen
Hospiz- und Palliativeinrichtungen selbst rezipiert und
hinsichtlich ihrer Organisationsstrukturen
implementiert wird.
• Zum anderen geht es um eine Funktionsbeschreibung,
welche die Wechselwirkungen zwischen den
Teilstrukturen und den damit einhergehenden
Strukturwandel erfasst.“
(Höver, HZ 13/2002-2003, s. 10f)
„Wenn die Hauptamtlichen in den den
Institutionen ihre Begegnung mit dem
Kranken nicht nur bestimmen lassen von
ihrem jeweiligen fachlichen Können und
institutionellen Interessen, sondern sich
unterbrechen lassen vom Anblick des
Menschen, sich anrühren lassen, dann
haben die Menschen, zumal die Sterbenden
genau das gefunden, wonach sie suchen:
Würde, Verlässlichkeit, Gemeinschaft.“
(J. Roß - HZ, 10. Jg. Heft 38, S. 8)
Hospizliche Ethik
• „ethischen Haltung der Annahme des Anderen,
der Achtsamkeit, des Respekts und der Fürsorge
angesichts des Sterbens „
(Hospiz als Versprechen)
• Ethische Orientierung „Stationäre Hospize sehen
es als ihre Aufgabe, dem sterbenden Menschen in
Würde zu begegnen. Das Leiden eines Menschen
kann ihm seine Würde nicht nehmen. …
(Lebensbejahende Grundidee)“
(Handbuch Sorgsam)
Gestalt der Hospizidee
Zuhören – Zuwendung zum Anderen
Unbedingte Annahme
Annahme der eigenen Person
Aushalten, dableiben
Neue Macht-Ordnung: Team, Bürgerbewegung,
Patientenorientierung
Diskursiver, unterstützender Prozess
Sich lösen von einer reiner Zweckrationalität
Implementierung
• (von = anfüllen, erfüllen) ist die Umsetzung von
festgelegten Strukturen und (Arbeits-)Abläufen in
einem System unter Berücksichtigung von
Rahmenbedingungen, Regeln und Zielvorgaben, also
einer Spezifikation.
Gefunden auf http://de.wikipedia.org/wiki/Implementierung
• Einführung, Verankerung.
Gefunden auf http://www.brustkrebs-info.de/brustkrebs
• Die reale, funktionierende Umsetzung einer Idee
oder Erfindung.
Gefunden auf http://www.computer-automation.de/lexikon
• Konkreter Quelltext für eine Methode oder eine
Schnittstelle.
Gefunden auf http://web.urz.uni-heidelberg.de/saphelp
Ethik in der Klinik
Leitbildprozess
Ethikkomitee installiert
Beratungsangebot in der Klinik
Richtlinien verabschiedet
Ethik-Forum für Mitarbeitende
Anspruch und Wirklichkeit
Markenbildung: „ die kümmern sich“
Ethische Brennpunkte am
Krankenbett
a) Therapieentscheidungen bei Patienten, deren Entscheidungsfähigkeit vorübergehend oder auf Dauer beeinträchtigt ist, mit
der Folge, dass kein klarer Patientenwille ermittelt werden kann.
b) Entscheidungen, ob eine lebenserhaltende Maßnahme – wie
die Herz-Kreislauf-Wiederbelebung – angebracht ist oder
unterlassen werden soll.
c) Uneinigkeiten zwischen verschiedenen Beteiligten über
Therapieentscheidungen.
d) Es wird sowohl von Unterversorgung (z. b. Wartelisten)
und Ungleichbehandlung (Benachteiligung bestimmter Gruppen)
als auch von Überbehandlung („Futility“) berichtet.
(Reiter-Theil, Stella et al., Klinische Ethik als
Partnerschaft in: Ethik Med, Okt. 2010)
Interaktionsmodell
Steinkamp / Gordijn
Klinisches Ethikkomitee
Weiterentwickl
ung der
Richtlinien
Entwicklung
ethischer
Richtlinien
Anbindung an
die Praxis
Moderatoren
Fallbesprechun
gen
Fallbesprechung auf Station
„Speziell wirtschaftlich-ökonomische
Beweggründe können auf medizinische oder
menschliche Entscheidungen Einfluss nehmen
und Wertekonflikte auslösen. Umso wichtiger
ist es, eindeutige, nachvollziehbare und klare
Richtlinien zu erarbeiten, in denen sichere
Orientierungsrahmen für medizinische
Tätigkeiten und ärztliche Entscheidungen
geschaffen werden.“
(Bericht über positive Erfahrungen in einer Berliner Klinik;
Buscher/Steinkamp)
Patientenwille in der
Klinik
Patientenautonomie
Sorgsamer
Umgang
Patientenverfügung
Hospizliche Ethik in
Institutionen
Beziehung Patient – Mitarbeiter
Leitungsentscheidungen
diskursiver Prozess
Organisationsethik
Vernetzung
Beispiel: METAP
Modular
Ethisch
Therapieentscheid
Allokation
Prozess
Prozess Hospizliche Ethik
Entscheidung der Klinikleitung - Idee
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe
Fortbildungen
Christliche Basis
Modell METAP
Patientenvorsorge
Handreichung / Leitlinie
Vernetzung
Seelsorge, Sozialdienst, Psychologie
Hospiz, Betreuung, Beratung
Kirchengemeinden
Bildungseinrichtungen
was bleibt?
Menschen
Klarheit
Zuwendung
Eine Antwort?
Ethik macht
ohnmächtig!
Ohne Macht keine
Ethik!
Macht Ethik ohnmächtig, oder Ohne Macht keine Ethik?
Implementierung der Ethik der Hospize in Institutionen und Einrichtungen
Essen – 09.06.2011 1. Das Thema begleitet die Hospizbewegung durch seine ganze Geschichte in der Bundesrepublik.
Zunächst stand die Person des Einzelnen, seine Haltung, seine Zuwendung zum Anderen im
Vordergrund. Dann aber ging es schnell um die Frage der interdisziplinären Zusammenarbeit in
der ambulanten Versorgung, dem Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt. Hospiz sollte und
wollte in die Strukturen (Forderung nach einer qualifizierten palliativen Versorgung) und
dennoch löste das Ankommen in den Strukturen zumindest bei manchen Unbehagen aus. Am
Ende des Prozesses zur Erarbeitung des Qualitäshandbuches für die stationären Hospizes steht
der Begriff ‚sorgsam‘ dafür, „wie die gesamt Organisation in einem qualitativen Prozess
eingebunden ist, welcher der Individualität des Einzelnen verpflichtet ist.“
Die Frage nach der Implementierung der Hospizidee in Einrichtungen ist seit langen Jahren in der
Hospizbewegung virulent. Dafür hier zwei Hinweise auf frühere Veröffentlichungen:
1999 in der ersten Ausgabe der Hospiz Zeitschrift: „Die Vision der Hospizarbeit ist aber auch
zunehmend die Notwendigkeit der Implementierung der Hospizidee in die bestehenden
Einrichtungen des Gesundheitswesens. … Die Implementierung der Hospizidee in Einrichtungen
des Gesundheitswesens setzt bei den Kommunikationsprozessen an, erwirkt eine veränderte
Organisation im Handeln der Einrichtung und verändert die Qualitätsstandards, wenn sie nicht
nur adaptiert, sondern wirksam integriert wird.“ ( HZ 1/1999 – Graf/Müller/Roß)
2002, ebenfalls in der Hospiz Zeitschrift geht es um das Leitbild als Schlüsselbegriff hospizlichen
Handelns: „Unter diesen Aspekten ist eine Leitbildentwicklung, die den spezifischen
Anforderungen ebenso ausdifferenzierter wie integrierter Hospizarbeit gerecht wird, noch eine
eine Frage, die durch weitere Überlegungen und Studien zu beantworten sein wird. Eine soche
Aufgabe hat zumindest zweierlei zu leisten: zum einen eine Profilbeschreibung, in der die Art
ermittelt wird, wie das unter dem Begriff Hospiz subsumierte Handlungskonzept von den
jeweiligen Hospiz- und Palliativeinrichtungen selbst rezipiert und hinsichtlich ihrer
Organisationsstrukturen implementiert wird. Zum anderen geht es um eine
Funktionsbeschreibung, welche die Wechselwirkungen zwischen den Teilstrukturen und den
damit einhergehenden Strukturwandel erfaßt.“ (Höver, HZ 13/2002-2003, s. 10f)
2008 werden in der Hospizzeitschrift die Verbindung zwischen Spiritualität und Ethik der
Hospizbewegung benannt: „Wenn die Hauptamtlichen in den den Institutionen ihre Begegnung
mit dem Kranken nicht nur bestimmen lassen von ihrem jeweiligen fachlichen Können und
institutionellen Interessen, sondern sich unterbrechen lassen vom Anblick des Menschen, sich
anrühren lassen, dann haben die Menschen, zumal die Sterbenden genau das gefunden, wonach
sie suchen: Würde, Verlässlichkeit, Gemeinschaft.“ (J. Roß - HZ, 10. Jg. Heft 38, S. 8)
2. Was ist ‚Ethik der Hospize‘ oder ‚hospizliche Ethik‘
ethischen Haltung der Annahme des Anderen, der Achtsamkeit, des Respekts und der Fürsorge angesichts
des Sterbens
Ethische Orientierung (Handbuch Sorgsam)
„Stationäre Hospize sehen es als ihre Aufgabe, dem sterbenden Menschen in Würde zu begegnen. Das
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
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Leiden eines Menschen kann ihm seine Würde nicht nehmen. Sterben ist Leben – Leben vor dem Tod.
Schwerstkranke Menschen erhalten im Hospiz ein Begleitungsangebot, um diese schwierige Situation
gestalten zu können. Das Angebot einfach da zu sein und notwendige Hilfe zu geben (Solidarität und
Subsidarität) gilt in besonderer Weise den Menschen, die für sich angesichts ihrer fortgeschrittenden
Erkrankung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen keine Kraft mehr verspüren, die Zeit bis zum
ende auszuhalten. Diese lebensbejahende Grundidee, solche Erfahrungen als zum Leben gehörend zu
betrachten und als Herausforderung zum gemeinsamen Bestehen anzunehmen: schließt aktive Sterbehilfe
aus.“ (sorgsam, S. 8)
Diese ethische Orientierung drückt sich aus in zentralen Elementen der Hospizarbeit:
Zuhören – Zuwendung zum Anderen
Unbedingte Annahme
Annahme der eigenen Person
Aushalten, dableiben
Neue Macht-Ordnung: Team, Bürgerbewegung, Patientenorientierung
Diskursiver, unterstützender Prozess
Sich lösen von einer reiner Zweckrationalität
3. Ethik der Hospize und Prozess der Implementierung
Die `Implementierung` (von = anfüllen, erfüllen) ist die Umsetzung von festgelegten Strukturen
und (Arbeits-)Abläufen in einem System unter Berücksichtigung von Rahmenbedingungen,
Regeln und Zielvorgaben, also einer Spezifikation.
Gefunden auf http://de.wikipedia.org/wiki/Implementie
Einführung, Verankerung.
Gefunden auf http://www.brustkrebs-info.de/brustkrebs
Die reale, funktionierende Umsetzung einer Idee oder Erfindung.
Gefunden auf http://www.computer-automation.de/lexiko
Umsetzung, konkrete Realisierung
Gefunden auf http://www.it-administrator.de/lexikon/i
Die Beschäftigung mit dem Begriff ‚Implementierung‘ in Zusammenhang mit unserem Thema
macht schon auf eine Schwierigkeit aufmerksam. Wir würden vermutlich nie davon sprechen,
dass die ‚Hospizidee‘ in Deutschland implementiert wurde. Eine Bürgerbewegung implementiert
niemand. Die Bürgerbewegung ist Ausdruck von Haltung gegenüber Sterbenden und deren
Angehörigen, die konkret wird im Engagement in den ambulanten und stationären Hospizen. Ich
würde es momentan nur als Frage formulieren, ob mit der Institutionalisierung von
Hospizeinrichtungen auch ein Vorgang der Implementation der Hospizidee einher gegangen ist.
Das entscheidende der Hospizbewegung ist doch gewesen, dass es zwei Elemente gab und gibt,
auf denen alles fußt: es ist die Selbstvergewisserung der eigenen Person und die Wahrnehmung
des Anderen in seiner Not, sowie die daraus folgende und sich ereignende Begegnung im
unbedingten Respekt.
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
Wenn wir also hier von einem Prozess der Implementierung und von Ethik der Hospize oder
hospizlicher Ethik sprechen und dies in einem Atemzug, dann dies mit aller Vorsicht und eher als
Ausdruck eines Wunsches, eine Zieles, dass das, was in der Hospizbewegung geglückt ist, auch in
Institutionen glücken kann und soll.
4. Ethik im Krankenhaus
Die Präambel des Leitbildes im Krankenhaus beschreibt das Verhältnis von Mitarbeitenden zu
den Patienten als Verantwortungsgemeinschaft auf der Grundlage gelebter Nächstenliebe. „Als
innovatives Krankenhaus mit hoch spezialisierten Abteilungen bieten wir optimale
Behandlungen mit modernen Mitteln und Methoden, wir tun dies mit menschlicher Zuwendung
auf christlicher Basis.“1 Die Formulierungen des Leitbildes spiegeln deutlich die Spannungen
wider, die die Behandlungssituationen im Krankenhausalltag prägen, beispielsweise die
Konflikte um ‚Ethik oder Monetik‘ oder auch um Autonomie des Patienten vs. der Fürsorge der
Ärzte oder Heilungsauftrag vs. Forschungsinteresse.
Seit etwa 10-15 Jahren wird die Einrichtung von Ethik-Komitees in Krankenhäusern
forciert, ausgehend zunächst von konfessionell gebundenen Häusern, dann aber
zunehmend in Zusammenhang mit Prozessen der Zertifizierung und des
Qualitätsmangagementes. Inzwischen findet sich eine Fülle an Literatur, zahlreiche
Fortbildungsangebote und eine Konzentration auf verschiedene Elemente der EthikArbeit in Kliniken und teilweise in Altenpflegeeinrichtungen: das (schon fast klassische
Ethik-Komitee), Ethik-Konsile, ethische Fallbesprechungen, Ethik-Foren oder EthikCafes.
Als ein Ergebnis des Leitbildprozesses wurde im Jahr 2004 das Ethikkomitee im
Krankenhaus installiert. Auf Initiative von Mitarbeitern wurde von der Geschäftsführung
eine Projektgruppe eingesetzt, die eine Satzung erarbeitete und diese dem Direktorium
zusammen mit einer Liste von künftigen Mitgliedern zur Verabschiedung vorlegte. Mit der
Verabschiedung der Satzung und Berufung der Mitglieder sollte dokumentiert werden,
dass die Arbeit des Ethikkomitees von der Krankenhausleitung gewollt ist. Gleichzeitig
wurde in der Satzung festgelegt, dass künftige Mitglieder des Komitees auf Vorschlag der
bisherigen Mitglieder im Ethikkomitee berufen werden sollen, was die Eigenständigkeit
belegen sollte.
Das Ethikkomitee hat sich nach der Konstituierung im Krankenhaus zwar bekannt
gemacht, aber zunächst sich auf einen internen Lernprozess eingelassen, Anfragen nach
Ethikberatung abgewartet, ohne offensiv zu werden. Zu den Themen
‚Patientenverfügung‘ und ‚Entscheidungen zur Therapiezielveränderung‘ wurden
Empfehlungen erarbeitet, die auch vom Direktorium des Hauses in Kraft gesetzt wurden.
Nachprüfbare Erkenntnisse über die Umsetzung gibt es nicht.
Das seit Jahren bestehende Ethik-Komitee, hat in der Alltagspraxis der Klinik bisher
kaum wirkliche Relevanz gehabt. Dies trifft sich mit den Erfahrungen in anderen Kliniken
der Region2. Die Zahl der Fallberatungen ist gering, häufig beruht Mitarbeit auf
persönlichen Engagement neben dem normalen Dienst, Eindruck von Alibifunktion für
Zertifizierung und Präsenz in der Öffentlichkeit. Demgegenüber zeigen Studien (aber
auch subjektive Wahrnehmungen), dass die Zahl ethischer Konflikte bedeutend ist und
auf dem Hintergrund der ökonomischen Veränderungen eher gestiegen ist. 3
Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße die bisherigen
Instrumente zur Klärung ethischer Konflikte im Krankenhaus, speziell im Krankenhaus,
beitragen können oder ob eine andere Ausrichtung erforderlich ist. Dies soll anhand der
Diskussion um die Bedeutung der Patientenverfügung im Krankenhausalltag reflektiert
1
http://www.hospital.de/01_03.php (eingesehen zuletzt am 13.03.2010), interne Veröffentlichung
Ergebnis einer Tagung von Vertretern der Ethikkomitees in der Region Oldenburg am 07.10.2010
3
vgl. Reiter-Theil et al. 2010
2
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
werden. Es geht konkret um die Frage, ob die vom Ethikkomitee vorgesehenen Schritte4
tauglich erscheinen, so dass die im Leitbild beschriebene Verantwortungsgemeinschaft
entstehen kann. Weiterhin soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung
Ethik in und für die Organisation Krankenhaus hat.
In der Entwicklung der Ethikarbeit im Krankenhaus orientierte sich das Ethikkomitee an
dem Nimwegener Modell von Gordijn/Steinkamp.5 Das Ethikkomitee versteht sich als
Gremium, das allgemeine Fragestellungen sowohl hinsichtlich der Patientenbetreuung
als auch der Organisation des Krankenhauses zur Sprache bringen kann, als auch für die
individuelle Beratung der Mitarbeitenden in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen zur
Verfügung steht. Grundlegend ist diesem Modell das Prinzip der ‚Freiwilligkeit‘, d.h. dass
es den Mitarbeitenden in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen überlassen bleibt, ob
sie das Angebot einer ethischen Fallberatung annehmen. Die Mitglieder des
Ethikkomitees übernehmen diese Aufgabe in der Regel neben ihrer normalen Tätigkeit
im Krankenhaus und verfügen so auch nur über begrenzte Ressourcen und gehen nicht
offensiv auf die Arbeitsbereiche zu, um das Bewusstsein für ethische Anfragen zu
schärfen. Entsprechend ist die Erstellung von Empfehlungen auch nicht von den
Erfahrungen der Fallbesprechungen ausgegangen, sondern auf Initiative der Mitglieder
im Ethikkomitee. Die von Gordijn/Steinkamp avisierte Regelhaftigkeit, dass über die
Fallbesprechungen auch Reflexionen über die Ethik in der Organisation in Gang gesetzt
wird erscheint so sehr optimistisch.6
Regelrechte Fallbesprechungen hat es bisher in der Praxis des Ethikkomitees noch nicht
gegeben. Die unterschiedlichen Konzeptionen von Fallbesprechungen (Basler Modell,
Nimwegener Modell, Neitzke) spielen insofern keine Rolle zur Erklärung der Situation.
Vielmehr ist bzgl. aller Modelle zu fragen, ob sie geeignet sind, die Alltagskonflikte zur
Sprache zu bringen. Durch die Konstruktion, dass einzelne oder mehrere ‚Experten‘
involviert sind, ist der Maßstab zur Definition eines ‚ethischen Konfliktes‘ möglicherweise
so hoch angesetzt ist, dass viele Alltagssituationen nicht mehr erfasst werden. Ist dies
so, müsste gefragt werden, ob die Struktur der Ethikarbeit verhindere, dass Interessen
der Betroffenen zur Geltung kommen. Die Frage ist dann nicht, ob die Methode
Fallbesprechung die Berücksichtigung von Patienteninteressen ermöglicht, sondern ob
diese Methodik allein genügt, um Patientenorientierung (im Sinne einer hospizlichen
Ethik) in der Alltagspraxis der Mitarbeitenden im Krankenhaus zu fördern und zu
gewährleisten.
Nach einer längeren Zeit, in der sich zwar das Ethikkomitee getroffen hat, aber innerhalb
des Hauses keine Resonanz gefunden hatte, wurde Anfang 2010 eine neue Initiative
gestartet, um mehr Menschen in die ethische Diskussion einzubeziehen. Auch die
Krankenhausleitung hatte nach Aktivitäten gefragt, weil im Rahmen der Zertifizierung des
Krankenhauses Ethik zum Thema wurde. Ein entsprechender Arbeitsplan des
Ethikkomitees wurde mit der Geschäftsführung abgestimmt. Neu angeboten wird seit
Herbst 2010 monatlich ein offenes Ethik-Forum für Mitarbeitende. Obwohl viele
Gespräche mit Kollegen und auch die Führungsseminare 2009 den dringenden Wunsch
nach Austausch und Reflexion in offener Form bestätigt hatten, hat es bisher nur eine
geringe Resonanz gegeben. Die weitere Idee eines Angebotes von Ethikberatung für
Patienten und Angehörige wurde zunächst noch zurückgestellt, um weitere Mitarbeiter für
diese Beratung fortzubilden. Das Ethikkomitee selbst hat sich vorgenommen, die
vorhandenen Empfehlungen zu überprüfen und zu aktualisieren, sowie weitere Themen
in die Diskussion zu bringen. Die erste Diskussion zur Empfehlung ‚Patientenverfügung‘
dazu hat ergeben, den Blick noch stärker auf den Umgang mit dem Patientenwillen im
4
vgl. Vorlage Arbeitsplan Ethikkomitee im Direktorium, April 2010: ausführlicher hierzu auch Abschnitt
Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.
5
Steinkamp und Gordijn 2003
6
Krobath und Heller 2010a; vgl. hierzu auch unten Abschnitt
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
Krankenhausalltag und seinen Abläufen zu richten. Beigetragen haben hierzu konkrete
Erfahrungen mit missbräuchlichem Umgang mit Verfügungen: ohne genaue
Kenntnisnahme wurde die Existenz einer Verfügung mit dem Wunsch nach
Behandlungsabbruch identifiziert, trotz Bekanntgabe der Patientenverfügung und
Vorsorgevollmacht ging im späteren Behandlungsverlauf diese Kenntnis verloren,
fehlende Sachkenntnis führt zur Missachtung des Wunsches nach Beendigung der
Behandlung.
Mit einem offenen Leitbildprozess haben sich Mitarbeitende und Geschäftsführung des
Krankenhauses ab dem Jahr 2000 auf einen Prozess eingelassen, sich den
Herausforderungen einer veränderten Medizin zu stellen. Anlass war u.a. die Erfahrung
vieler Mitarbeitenden in den Konfliktlinien zwischen Optimierung von Wirtschaftlichkeit
und Aufbau einer exzellenten High-Tech-Medizin, sowie Veränderungen in der
Gesellschaft einerseits und der Sorge, den Menschen in der unmittelbaren Begegnung
und ihren Bedürfnissen noch gerecht werden zu können andererseits. 7 Der
Leitbildprozess war als Verständigungsprozess angelegt. Die Mitarbeiter haben jeder
einzelnen Formulierung zugestimmt, dies war von der Geschäftsführung als
Voraussetzung gemacht worden, damit es ein solches Leitbild überhaupt geben kann. So
finden sich darin auch Hinweise auf moralische Wertvorstellungen, wie z. B in dem
Verweis auf die ‚christliche Basis‘ in Bezug auf die Zuwendung zum Menschen. Wenn
hier nicht kirchliche Vorstellungen normativ eingeführt werden sollen, dann bedarf es
einer Verständigung darüber, was denn die Mitarbeitenden unter diesem Begriff
‚christliche Basis‘ verstehen und gemeinschaftlich vertreten wollen. An dieser Stelle ist
wichtig deutlich zu machen, dass es nicht Aufgabe der Ethik sein kann, diese ‚christliche
Basis‘ normativ ins Spiel zu bringen. Hier läge gerade eine Aufgabe der
Krankenhausseelsorge, mit und für die Mitarbeiter etwas zur Sprache zu bringen. Der
Vorschlag von Mitarbeitenden zur Einrichtung eines Ethikkomitees war mit der Hoffnung
verbunden, einen Ort zu erhalten, an dem die gespürten ethischen Fragen auf die
Tagesordnung kämen. Eine im Jahr 2008 abgehaltene zweite Leitbildkonferenz hat dann
bestätigt, dass ethische und spirituelle Fragen ganz zentrale Fragen der Mitarbeitenden
an ihre eigene tägliche Arbeit sind. Auch die jährlichen Strategiegespräche aus einer
Runde von leitenden Mitarbeitern des Krankenhauses hat die Dringlichkeit dieser Fragen
bestätigt.8 Parallel zu einer fachlichen Spezialisierung und Qualifizierung der
medizinischen Fachbereiche bestätigten Untersuchungen zur Markenbildung, dass das
‚Sich-Kümmern um den Menschen‘ zu den zentralen Merkmalen des Krankenhauses
gehört.
Insgesamt lässt sich so feststellen, dass die Zielsetzung, die dem Wunsch nach einem
Ethikkomitee auf der Leitbildkonferenz zugrunde lag, bislang nicht erreicht werden
konnte: die damals beschriebenen ethischen Konflikte haben bis heute noch keinen Ort
der Auseinandersetzung gefunden.
5. Überlegungen zur Implementierung der Hospizidee am Beispiel der Berücksichtigung des
Patientenwillens
Die gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung hat dazu beigetragen, dass im
Krankenhausalltag, die Frage nach der Existenz einer Patientenverfügung immer häufiger gestellt
wird. Zugleich scheint damit die Sicherung der Autonomie des Patienten als zentraler Maßstab
für das Handeln der im Gesundheitsbereich Tätigen zu werden. In der Folge entwickeln
Krankenhäuser Leitlinien / Empfehlungen zum Umgang mit Patientenverfügungen, die teils
7
8
Roß 2002
vgl. dazu die internen Protokolle bzw. Dokumentationen,Krankenhaus
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
verbunden sind mit einer Empfehlung zum Umgang mit Therapiezielveränderungen.9 In erster
Linie dienen diese Empfehlungen dazu, das Anliegen des Gesetzgebers, dem Patientenwillen
durch eine Patientenverfügung Geltung zu verschaffen, aufzunehmen. Der Gesetzgeber hat sich
vornehmlich der Frage gewidmet, wie der Autonomie des Menschen Rechnung getragen werden
kann.
Respektierung und Umsetzung des Patientenwillens ist ein Grundthema des gesamten
Behandlungsprozesses im Krankenhaus. Eine Reduktion auf die Frage der Berücksichtigung von
Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten würde das Thema verkürzen. Auch wenn der
Gesetzgeber sich auf den Aspekt der Patientenautonomie konzentriert hat, so muss das
Geschehen zwischen Patienten bzw. deren Bevollmächtigten und Mitarbeitenden im
Krankenhaus auch als Beziehungsgeschehen erkannt werden.
Patientenverfügungen können aber auch als Aufforderung verstanden werden, eine ‚fürsorgliche‘
Beziehung im Sinne von ‚palliative Care‘ zu entwickeln. In der Hospizbewegung wird immer
wieder betont dass „Patientenverfügungen Verfügungen von Menschen sind, die sich beziehen
auf ihre Situation als Patient, als Leidende. Es sind Verfügungen, die unseren Umgang mit ihrem
Leiden betreffen.“10
An diesem Beispiel wird die zweifache Fragerichtung nach der Implementierung hospizlicher
Ethik deutlich.
Die Reduktion auf die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen offenbart ggf. eine ethische
Konfliktlage, wenn es zu einer mangelnden Beachtung oder gar Missachtung der Bedürfnisse
von Patienten kommt, die eine von ‚Sorge‘ und Respekt getragene Beziehung in
Kommunikation von den im medizinischen Bereich Tätigen erwarten
Die grundsätzliche Frage aber, ob die quasi normativ übernommene Vorgabe einer
Patientenautonomie im Sinne des BGB tatsächlich der von der Institution Krankenhaus
angestrebten Patientenorientierung gerecht wird, wird in der Regel unreflektiert bleiben.
Hier lässt sich auch die von Krobath/Heller geäußerte Kritik am Konzept von Steinkamp/Gordijn
deutlich machen. Schwierige Entscheidungssituationen z. B. in Zusammenhang mit einer
Patientenverfügung könnten sehr wohl mit einer ethischen Fallbesprechung gut und zur
Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt werden, so sie denn in dieser Form thematisiert wird. Es
wird aber kaum gelingen, über die Durchführung einer Fallbesprechung auch zur generellen
Reflexion im Umgang mit Verfügungen und Patientenwillen zu kommen.
Diese Überlegungen treffen sich mit dem Begriff der ‚Patientenvorsorge‘, mit dem die
christlichen Kirchen dazu beitragen möchten, „den Dialog zwischen der Ärzteschaft, dem
Pflegepersonal, der Krankenhausseelsorge, den Patientinnen und Patienten sowie ihren
Angehörigen über die verschiedenen Möglichkeiten der Patientenvorsorge zu intensivieren.“11
In der Konsequenz erscheinen für die Ethikarbeit zwei Aspekte künftig wichtig: Zum einen muss
Ethik im Alltag der Mitarbeitenden im Krankenhaus ankommen und organisiert sein, damit ein
Beziehungsgeschehen real werden kann. Zum anderen muss Ethik auch in der Organisation,
seinen Entscheidungsgremien und Leitungshandeln zur Praxis werden.
1. Ethik im Krankenhaus bedarf der bewußten Entscheidung der Leitung.
Ethisches Handeln ist nicht nur im verantworteten Handeln des Einzelnen angesiedelt,
sondern es bedarf dazu auch einer unterstützenden Struktur durch die Institution
9
Solche Empfehlungen finden sich z. B an der LMU München, bei den BBT, der Universitätsklinik Mainz,
dem Klinikum Nürnberg u.a., die zumeist von klinischen Ethikkomitees erarbeitet wurden.
10
Graf 2000
11
Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
2011
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
Krankenhaus. Die Hospizbewegung ist entstanden aus der Sammlung von Menschen mit
zumindest ähnlicher Grundhaltungen, freiwillig. Die berufliche Situation ist dem konträr
organisiert: Soll der Umgang, die Begegnung mit dem Kranken nicht in die Subjektivität des
einzelnen Mitarbeiters anheim gestellt werden, bedarf es der klaren Entscheidung der
Leitung, diese Subjektivität aufzuheben in die gemeinschaftlich praktizierte Form des
Handelns. Eine klare Entscheidung äußert sich dann in der Art und Weise des eigenen
Handelns gegenüber dem Mitarbeitern und Patienten und in der Zurverfügungstellung von
Ressourcen z. B in Form von Dienstzeit, Fortbildungen und Zuhören.
Ein Beispiel für Leitungshandeln: Lange war es eine gute und erfolgreiche Tradition, dass bei
einer wöchentlichen Besprechung alle Mitarbeiter einer Station zusammen kamen, um
kursorisch die Patienten zu besprechen und dabei wesentlich auch die nicht-medizinischen
Aspekte wahrzunehmen. Zunehmend wird nun die Nichtanwesenheit (oder nur sporadische)
von Pflegenden bei einer zentralen Stationsbesprechung wegen knapper Personalressourcen
akzeptiert, obwohl dadurch die Interessen der Patienten weniger gut vertreten sind und es
zu diesem Vorgehen keine explizite Entscheidung der Leitung gegeben hat. Gleichwohl trifft
dieses Vorgehen die Mitarbeiter in nicht unbedeutendem Maße, weil sie sich in ihrer
Kompetenz nicht gewürdigt sehen und enttäuscht sind über ihre fehlenden
Unterstützungsmöglichkeiten für die Patienten.
2. Unterstützung bei der einer hospizlichen Ethik im Alltag
Dabei sollte eine solche Unterstützung möglichst niedrigschwellig ansetzen, nämlich an den
„Brennpunkten, die von den klinisch Tätigen selbst und von Patienten oder Angehörigen
artikuliert werden.“12 Th. Wigant weist in der Reflexion über den Heidelberger Arbeitskreis
Ethik-Konsil darauf hin, dass es ein Modell klinisch-ethischer Interaktion geben müsse, dass
nicht auf Ethikberatung als Beratung von Spezialisten setzt, sondern das „ethische Expertum
eines jeden erst zu nehmen und dabei zu unterstützen, sich selbst als eigener Ethik-Spezialist
in einen Diskurs einzubringen.13
Eine solche unterstützende Struktur in der Institution Krankenhaus könnte durch die
Implementierung des Projektes METAP14 gebildet werden, in dessen Zentrum „der ethische
Therapieentscheid, der als Prozess die Allokation von Ressourcen am Krankenbett
systematisch reflektieren soll“15, steht. Ziel ist es, dass die klinisch Tätigen in der Lage sind,
mit Hilfe eines Eskalationsmodelles unmittelbar auf Problemsituationen angemessen zu
reagieren. Erste Anläße können dafür gerade die subjektiven Wahrnehmungen und Zweifel
an der Angemessenheit von Behandlungen sein. In einem Vier-Stufen-Modell werden dabei
durch unterschiedliche Vorgehensweisen zusätzliche Problemlösungspotentiale zur
Verfügung gestellt:16 Werden in Stufe 1 die ethischen Fragen unter zur Hilfenahme von
METAP-Materialen erkannt und geklärt, kann in Stufe 2 ein intensiver geschulte Person zu
Rate gezogen werden, in Stufe 3 kann dies intensiviert werden durch eine strukturierte
Fallbesprechung und ggf. durch ein Ethik-Konsil abschließend geklärt werden. Wesentlicher
12
Reiter-Theil 2010
Wigant 2010
14
METAP – Modular Ethical Treatment Allocation Process steht für die Schlüsselwörter modular, ethisch,
Therapieentscheid, Allokation und Prozess; vgl. Reiter-Theil et al. 2010, S. 4
15
Reiter-Theil et al. 2010, S. 4
16
vgl. hierzu die Beschreibung in Reiter-Theil et al. 2010
13
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
Bestandteil dieses Modells ist die fachliche und persönliche Fortbildung aller Beteiligten
durch eine Erarbeitung der METAP-Materialien.
Voraussetzung für METAP ist auch die Entscheidung der Leitung der jeweiligen Klinik, da
entsprechende personelle Ressourcen (u.a. für die Schulungen) zur Verfügung gestellt
werden müssen.
3. Ethik benötigt einen diskursiven Prozess
Ethik kann als Reflexion der moralischen Vorstellungen und Handlungen definiert werden.
Auch wenn Ethik als Reflexion sich meist außerhalb des normalen Alltagsbetriebes ansiedelt,
so geht es doch nicht nur um sogenannte Ausnahmesituationen, die dann als ethische
Konflikte benannt werden, sondern auch um die Alltagspraxis, die in der Routine aus
unterschiedlichen Gründen nicht als so problematisch erkannt wird. Nach Reiter-Theil
werden genau diese Alltagserfahrungen in verschiedenen Studien belegt, die vor allem drei
Brennpunkte benennen: Therapieentscheidungen bei in der Entscheidung beeinträchtigten
Patienten, Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen sowie Uneinigkeiten
zwischen Beteiligten über Therapieentscheidungen.17 All dies schlägt sich in Spannungen
zwischen den Berufsgruppen nieder, da nun Entscheidungen ärztlicherseits über das
Behandlungsprocedere noch weniger nachvollziehbar erscheinen. Hinzu kommt, dass gerade
in diesen Konfliktfeldern das Auseinanderklaffen von Leitbild der Einrichtung und Praxis des
Alltags erlebt wird.
Das Ethikkomitee selbst wird in diesem Vorgehen sein Selbstverständnis verändern. Das zwar
in der Organisation verankerte (von der Geschäftsführung ernannt), aber doch irgendwie
außerhalb stehende (berufsgruppenunabhängige Sichtweise) Komitee hatte die Aufgabe „die
ethische Seite des auf den Patienten gerichteten professionellen Handelns in die Welt von
managed care, Fallpauschalen, hoch entwickelter Arbeitsteilung und chronischer
Zeitknappheit einzuführen.“18 Der in anderen Bereichen des Krankenhauses begonnene
Prozess, sich als lernende Organisation zu gestalten und zu agieren, war leider an der
Installation des Ethikkomitees vorbei gegangen. Ebenso blieb die Frage nach den moralischen
Grundsätzen in der Institution undiskutiert beantwortet mit dem Hinweis, dass alles Handeln
auf der Basis der christlichen Tradition erfolge. Von jedem Mitarbeitenden wird erwartet,
dass er eine entsprechende Grundhaltung persönlich teilt und so in den Dienst einbringt. Ist
aber die Moral einer Institution schon die Addition der subjektiven Wertvorstellungen?
Gerade die Einrichtung von Ethikkomitee und ethischer Fallbesprechung wird mit der
Entwicklung einer pluralistischen Gesellschaft begründet, die sich ja auch in der
Mitarbeiterschaft einer Institution widerspiegelt. In einer Institution bedarf es daher einer
Verständigung über die Grundhaltungen der jeweils Beteiligten, und dies auf allen Ebenen
der Organisation. Diese Verständigung kann nicht nur individuell und persönlich erfolgen,
sondern bedarf in der Institution der gemeinschaftlichen Kommunikation. Die Patienten
haben ein Recht darauf zu wissen, wie in einem Krankenhaus gehandelt wird und in einer
auch unter den Ärzten zunehmend arbeitsteiligen Welt ist die Verständigung auf eine
gemeinsame Ausrichtung erforderlich. Nur dann kann ich eine Kontinuität der
zwischenmenschlichen Fürsorge als Beziehungsgeschehen aufrecht erhalten, auch wenn
Mitarbeiter aus dienstlichen Gründen wechseln.
17
18
vgl. Reiter-Theil et al. 2010
Steinkamp und Gordijn 2003, S. 291
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
4. Ethisches Handeln bedarf der Organisation und einer Organisationsethik
Erforderlich ist hier eine Ethik in der Organisation, die die Entscheidung zwischen
Patienteninteressen und wirtschaftlichem Notwendigkeiten klärt und nicht auf der Ebene
eines Konfliktes zwischen den unterschiedlichen Berufsethiken von Medizin und Pflege
belässt. Eine solche „Organisationsethik ist geprägt von einer Verbindung von
Organisationsentwicklungsprozessen und einer transparenten und partizipativen
Organisationskultur. Ein wesentlicher Bestandteil ist die reflexive Rückbindung an die Vision
der Einrichtung.“19
Die Mitarbeitenden ebenso wie die Leitung des Krankenhauses benötigen in diesem Bereich
jedenfalls Klarheit, damit sie Ethik im Krankenhausalltag als Prozess gestalten können. Die
Verständigung über die gemeinsamen Wertvorstellungen kann nur diskursiv geschehen und
„erfordert Verständigungs- und Aushandlungsprozesse aller Beteiligten und Betroffenen vor
dem Hintergrund gemeinsam zu balancierender Organisationswidersprüche.
Menschenwürdige PatientInnenorientierung betrifft organisationsethisch gesehen auch die
Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Fragen der Ressourcenverteilung, die Würde der
MitarbeiterInnen, die Anerkennung von Entscheidungsverantwortung auf unterschiedlichen
Ebenen, die Glaubwürdigkeit der normativen Ansprüche des Trägers, der Leitung, der
professionell Tätigen, der Hilfskräfte, der BewohnerInnen und der Angehörigen.“20
In der Konsequenz soll durch das Thematisieren der Frage, was das Krankenhaus als
Institution und die Mitarbeitenden in ihrem Handeln dazu beitragen können, den
Patientenwillen zu respektieren und umzusetzen, ethische Reflexion auf allen Ebenen und
Bereichen des Krankenhauses Einzug halten. Ohne die formalen Verantwortlichkeiten
aufgeben zu müssen, schafft hospizliche Ethik eine Gemeinsamkeit aus dem Blick des
Patienten. In diesem Sinne macht Ethik tatsächlich ohn-mächtig, aber schafft so das, was die
Kranken ebenso suchen wie die Mitarbeiter in den Institutionen: Würde, Verlässlichkeit und
Gemeinschaft.
5. Vernetzung
Bereits 2008 wurde ein Konzept beschrieben, dass Patientenverfügungen in ein
Gesamtkonzept der Beratung und Kooperation der im Gesundheitswesen Tätigen stellte.21
Ethisches Handeln im Krankenhaus zur Unterstützung des Patientenwillens muss daran
interessiert sein, dass Autonomie nicht auf das bloße Erstellen einer Verfügung reduziert
wird. Ziel muss sein, den Umgang mit ethischen Konflikten derart zu verbessern, dass
Konfliktlagen transparenter werden und alle Beteiligten sich an der Lösung beteiligen
können. Patienten und Angehörige benötigen dazu frühzeitig Informationen und
Unterstützung zur Klärung ihrer eigenen Haltung. Entscheidungen zu den Fragen des
Umgehens miteinander in der Zeit von Krankheit und Sterben fallen nicht erst im
Krankenhaus. Daher ist ein institutionenübergreifendes Vorgehen erforderlich. In diesem
Rahmen könnte z. B der Sozialdienst (ggf. in Kooperation mit der Seelsorge und den
Psychologinnen) mit dem örtlichen Sozialdienst Kath. Frauen, der Caritas und den
Kirchengemeinden zur Verständigung auf ein gemeinsames Konzept der ‚Patientenvorsorge‘
eine Kooperation suchen. Ziel könnten regelmäßige gemeinsame offene Beratungsangebote
für Menschen in der Stadt sein. Die Kooperationspartner könnten gemeinsam eine
Fortbildung für ‚Berater zur Patientenvorsorge‘ in den Kirchengemeinden anbieten und so
das Thema Patientenvorsorge auf eine breite Basis stellen.
19
Dinges 2010
Krobath und Heller 2010b S. 440
21
Schmidt et al. 2006
20
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
6. Perspektiven
Unter den oben genannten Zielen und Prämissen kann das Vorhaben des Ethikkomitees
‚Patientenwille im Krankenhaus‘ nur ein offener Prozess sein, in dem es um die strukturierte
Selbstvergewisserung und Etablierung eines gemeinsam getragenen Umganges mit dem
Patientenwillen gehen kann. Die Aktivitäten entfalten sich dabei in drei Richtungen, nämlich
einmal im Blick auf Patienten und Angehörige, dann auf der Mikroebene bezogen auf die
Mitarbeitenden einer Klinik im Krankenhaus sowie bezogen auf die Institution Krankenhaus.
In verschiedenen Aktivitäten werden durch die Reflexion dieser Fragestellung durch
unterschiedliche Beteiligte institutionelle Rahmenbedingungen für ethisches Handeln
geschaffen.
•
Dieser Prozess muss von der Krankenhausleitung, der jeweiligen Klinikleitung gewollt
sein und unterstützt werden, einschließlich einer Entwicklung der Ethik in der Organisation.
•
Das Ethikkomitee gibt Anstoß zur interdisziplinären Arbeitsgruppe ‚Patientenwille im
Krankenhaus‘, die den Umgang damit überprüft und ggf. neu gestaltet.
•
Fortbildungsinitiative ‚Gesetzliche Regelung zur Vorsorge‘ und das Konzept der
Christlichen Patientenvorsorge durch den Sozialdienst des Krankenhauses
•
Seelsorge, Psychologie und Sozialdienst befassen sich im Rahmen ihrer Kooperation
mit Bedeutung der ‚christlichen Basis‘ zur Berücksichtigung des Patientenwillens
(Selbstbestimmung ist auf Fürsorge angewiesen)
•
Am Ende des Prozesses steht eine Handreichung / Leitlinie zum Umgang mit
Patientenwillen im Krankenhaus.
Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die bisherigen Ansätze zur Etablierung von
Ethikarbeit Krankenhaus nicht ausreichend waren, um den Erwartungen der Mitarbeitenden
aus dem Leitbildprozess gerecht zu werden. Ohne eine Öffnung der Organisation des
Krankenhauses mit seinen unterschiedlichen Gremien und Hierarchien für ethische Reflexion
wird eine Organisationsethik nicht zu entwickeln sein. Das Modell METAP erscheint geeignet
auf der Handlungsebene der Mitarbeitenden ein Instrumentarium zu schaffen, das eine
regelmäßige ethische Reflexion ermöglichen kann.Erscheinen im medizinisch-pflegerischen
Bereich ethische Fragen als relativ selbstverständlich, werden in der Ebene der Organisation
die impliziten Normen bisher wenig hinterfragt. Ebenso ist erforderlich, Ethik und Moral nicht
zu verwechseln, sondern in der Institution auch Orte zu schaffen, die zur Transparenz und
Klärung der eigenen Moral verhelfen.
Das Ethikkomitee wird sich die Zusammenarbeit mit vielen Mitarbeitenden im Krankenhaus
vergewissern und viel Motivationsarbeit leisten müssen, um die Widerstände der Pragmatik
zu überwinden.
Hilfreich könnte es daher für alle Beteiligten sein, wenn in Zukunft mehr von Etablierung der
Disziplin Ethik gesprochen würde, als von der Implementierung eines Komitees oder der
Fallbesprechung. Weiterhin stellt sich die Frage an das Qualitätsmanagement einer Klinik,
wie es in Zukunft erkennen will, ob und in welchem Maße ethische Reflexion ein
tatsächlicher Bestandteil der Organisation geworden ist.
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Hinweis: Vortragsunterlagen 09.06.2011 – der mdl. Vortrag weicht vom Text ab, Literaturangaben beim Autor, Unterlagen sind in der
vorliegenden Form noch nicht zur weiteren Veröffentlichung bestimmt.
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