Redaktion Wissenschaft: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 50 | Mittwoch, 29. Februar 2012 MEDIZINKOLUMNE Leben ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Der Winter will sich langsam verabschieden, der Frühling ist aber noch nicht so richtig angekommen. Tags ist es schon relativ mild, nachts bleibt es aber noch unangenehm kalt. Die Folge sind Infektionskrankheiten der Atemwege – und das bedeutet: Hochsaison für Antibiotika. Antibiotika sind eine der großen Errungenschaften der modernen Medizin. Krankheiten, die noch vor etwa 70 Jahren fast immer tödlich waren, können wir heute beinahe problemlos behandeln. Aber eben nur fast. Denn jedes Medikament, das eine Wirkung zeigt, hat leider auch Nebenwirkungen. Eine wesentliche Nebenwirkung der Antibiotika sind Durchfallerkrankungen. Von den mehr als 40 Millionen solcher Erkrankungen pro Jahr in Deutschland gehen über 25 Prozent – also mindestens 10 Millionen – auf das Konto einer Antibiotikaein- nahme. Man nennt diese Form der Durchfallerkrankung deshalb treffend auch Antibiotika-assoziierte Diarrhö, kurz AAD. Leider ein oft vernachlässigtes Problem. Warum der eine Patient eine AAD entwickelt, der andere nicht, hängt stark von dem Antibiotikum, dem Gesundheitszustand des Patienten und der Art der krankmachenden Keime ab. Nicht alle Bakterien sind Krankheitserreger. Viele nützliche Bakterien leben in unserem Darm, wo sie unentbehrlich für die Verdauungsarbeit und die Regeneration der Darmschleimhaut sind. Sie bilden unsere sogenannte Darmflora, durch die etwa Kohlenhydrate abgebaut werden. Antibiotika können leider nicht zwischen krankmachenden und nützlichen Bakterien unterscheiden. Deshalb können nach einer Therapie die nützlichen Darmbakterien angegriffen sein. STERNENHIMMEL IM MÄRZ Hauptsache gesund Dr. Barbara Richartz Krank durch Antibiotika Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz, Chefärztin in der Privatklinik Jägerwinkel in Bad Wiessee, erklärt, zu welchen Nebenwirkungen die Medikamente führen können. aus dem umliegenden Gewebe in den Darm – Durchfälle sind die Folge. Des Weiteren kann der Dickdarm seiner Funktion, dem Eindicken Die Darmflora kann aus dem Gleichgewicht geraten. Zuerst können die Kohlenhydrate nicht mehr abgebaut werden. Diese ziehen Wasser (daher der Name) der Nahrung nicht mehr nachkommen. Der Körper verliert so viel Flüssigkeit. Die problematischste Verlaufsform der AAD ist aber die Fehlbesiedlung mit einem aggressiven Krankheitskeim, dem Bakterium Clostridium difficile. Dieses sondert Giftstoffe (Toxine) ab und führt zu schwersten Entzündungen der Darmschleimhaut. Diese Situation ist fatal, denn eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö dauert meist deutlich länger als ein „normaler“ Durchfall, ist wesentlich heftiger und muss nicht selten stationär behandelt werden. Die Krankheit beginnt zwei bis acht Tage nach der Antibiotikaeinnahme, manchmal aber auch erst nach zwei bis drei Wochen. Hat Ihr Arzt nun ein Antibiotikum verschrieben, ist es trotz der Gefahr einer Durchfallerkrankung wichtig, dieses gemäß der Anweisung konsequent einzunehmen, auch wenn es Ihnen schon nach wenigen Tagen besser geht. Denn die unsachgemäße Einnahme kann dazu beitragen, dass Bakterien gegenüber Antibiotika resistent werden. Die Medikamente benötigen eine gewisse Zeit, um die Krankheitserreger komplett abzutöten. Bekommt man bei der Einnahme Durchfall, sollte mein keine Medikamente einnehmen, die die Darmbewegung hemmen. Zu empfehlen ist medizinische Hefe (Saccharomyces boulardii). Dies führt nicht zu Wechselwirkungen mit dem Antibiotikum und bringt gleichzeitig die gestörte Darmflora wieder ins Gleichgewicht. Welche Konsequenz hat das im Alltag? Sicher nicht, keine Antibiotika mehr zu verschreiben. Kinder, ältere oder geschwächte Menschen sollten aber immer gleichzeitig ein medizinisches Hefepräparat einnehmen. 17 DIE AKTUELLE MEDIZIN Wie wird man Narben wieder los? Ob nach einer Operation oder einem Unfall – nicht immer verheilen Narben so, dass man sie später kaum noch sieht. Rote, juckende Wucherungen entlang der Wundränder sehen nicht nur unschön aus und können Schmerzen bereiten. Doch gibt es Verfahren, um Narben weniger auffällig zu machen und die Beschwerden zu lindern. Vor allzu großen Erwartungen warnen Mediziner indes. „Dort, wo eine Narbe ist, wird immer eine bleiben“, sagt Dr. Gerd Gauglitz von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Universität München. „Man kann sie leider nicht wegzaubern.“ ...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Wettlauf von Venus und Jupiter Im März zaubern die Planeten besonders strahlende Bilder an den Himmel: Zunächst zieht die Erde am Mars vorbei. Dann überholt die kleine Venus den Gasplaneten Jupiter. Auch der flinke Merkur ist kurz zu sehen. Der Sternenhimmel im März Himmelsanblick am 15. März um 22 Uhr MEZ N Deneb NO VON HANS-ULRICH KELLER, DPA Der Wettlauf der beiden hellsten Planeten erreicht Mitte März seinen Höhepunkt: Am 15. überholt Venus den Riesenplaneten Jupiter im Sternbild Widder. Beide Planeten leuchten bei Einbruch der Dunkelheit unübersehbar am Westhimmel. Der Blick zum Abendhimmel lohnt sich vor allem am 25. und am 26., wenn die Sichel des zunehmenden Mondes zuerst an Jupiter und am nächsten Abend an Venus vorbeizieht. Während Venus und Jupiter noch weit vor Mitternacht vom Himmel verschwinden, beherrscht ein anderer heller Planet die gesamte Nacht: Mars. Der rötliche Wüstenplanet steht am 3. im Sternbild Löwe in Opposition zur Sonne. Da Mars der Sonne gegenübersteht, erscheint er mit Sonnenuntergang am Osthimmel, ist um Mitternacht hoch im Süden zu sehen und geht in der Morgendämmerung im Westen unter. Kurz danach überholt die Erde Mars auf seiner inneren Nachbarbahn. Am 5. errei- 2012 SCHWAN LEIER NW KEPHEUS KASSIOPEIA HERKULES ANDROMEDA DRACHE Polarstern KL. WAGEN NÖRDL. KRONE BOOTES O Arktur JUNGFRAU GIRAFFE GR. WAGEN DREIECK WIDDER PERSEUS Venus Jupiter Kapella GR.BÄR HAAR DER BERENIKE LÖWE FUHRMANN ZWILLINGE KL.HUND EKLIPTIK RABE SO Prokyon Mars ÄQUAT OR W Beteigeuze KREBS Saturn STIER ORION Rigel EINHORN HASE Sirius GR. SCHIFF HUND WASSERSCHLANGE SW KOMPASS S 16187 00000 chen die beiden Planeten mit 101 Millionen Kilometer die geringste Entfernung voneinander. Das Licht vom Mars ist damit knapp sechs Minu- ten zur Erde unterwegs. Die diesjährige Marsopposition ist vergleichsweise ungünstig, da die Erde den Mars nahe der Stelle überholt, an der er sich auf seiner elliptischen Bahn in Sonnenferne befindet. Bei seiner Opposition Ende August 2003 war Mars nur etwa halb so weit von uns entfernt wie in diesem Jahr. Die nächste sehr günstige Marsopposition findet am 27. Juli 2018 statt. Die Erde nähert sich dann bis auf knapp 58 Millionen Kilometer dem kalten, trockenen Planeten. Am 30. beginnt auf der Nordhalbkugel des Mars der Sommer, die nördliche Polarkappe verschwindet dann fast völlig. Auch Merkur zeigt sich im März. Der flinke Himmelskörper ist immer nur wenige Tage im Jahr entweder in der Abenddämmerung weit im Westen oder in der Morgendämmerung knapp über dem Osthorizont sichtbar. In den ersten Märztagen kann man ihn am Abend erspähen. Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang ist der sonnennächste Planet knapp über dem Westhorizont als fahler, gelblicher Lichtpunkt auszumachen. Nach dem 7. ist Merkur allerdings ohne Fernglas nicht mehr zu erkennen. Auch der Ringplanet Saturn zeigt sich am Nachthimmel und erscheint immer früher im Südosten. Obwohl mehr als eine Größenklasse lichtschwächer als Mars, zählt er zu den Glanzpunkten am Sternenhimmel. Anfang März taucht er kurz nach 22 Uhr auf, Ende März schon zwei Stunden früher. Am 8. sieht man den Vollmond um 10.39 Uhr im Sternbild Löwe. Neumond ist am 22. um 15.37 Uhr. Am 10. passiert der Mond seinen erdnächsten Bahnpunkt, wobei ihn 362 400 Kilometer von uns trennen. In Erdferne am 26. hält er sich in 405 780 Kilometer Distanz von uns auf. Noch ziehen die hellen Wintersternbilder die Blicke auf sich. Sie sind aber schon allesamt weit in die westliche Himmelshälfte gerückt. Der Himmelsjäger Orion neigt sich dem Westhorizont zu. Sirius im Großen Hund funkelt bläulich im Südwesten. Im Westen strebt der Stier seinem Untergang entgegen. Sein rötlicher Augenstern steht schon recht tief. Hoch im Nordosten ist der Große Wagen zu sehen. Das mächtige Sternentrapez des Löwen hat fast seine Gipfelposition im Süden erreicht. Der Löwe ist das typische Frühlingssternbild. Die Basislinie des Löwentrapezes wird von den beiden Sternen Regulus und Denebola aufgespannt. Regulus bedeutet so viel wie kleiner König während der arabische Name Denebola schlicht Schwänzchen heißt. Die Sonne verlässt am 12. frühmorgens das Sternbild Wassermann und tritt in das Sternbild Fische. Am 20. überschreitet sie exakt um 6.14 Uhr den Himmelsäquator und wechselt damit von der Süd- auf die Nordhalbkugel des Firmaments. Dieser Zeitpunkt markiert den astronomischen Frühlingsbeginn, die Tagundnachtgleiche. Am 25. März beginnt die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ). Um 2 Uhr morgens werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Merkur-Sprechstunde: Experten beantworten Fragen zum Knie Wie gut helfen Spritzen? Wann ist eine Knieprothese nötig? Die Besucher der Merkur-Sprechstunde hatten viele Fragen zum Thema Knie. Nicht alle konnten bei der Veranstaltung geklärt werden. Eine Auswahl der Antworten: - Ich (über 60) habe einen Knorpelschaden von Grad IV. Ist in meinem Alter noch eine Mikrofrakturierung ratsam? PD Dr. Bernd Baumann: Studien haben gezeigt, dass die Ergebnisse nach Mikrofrakturierung mit zunehmendem Alter schlechter werden. Vor allem weil sich der Körper im Alter schlechter regeneriert. Dennoch ist die Altersgrenze von 50 bis 60 Jahren nicht starr. Aufgrund der Gesamtkonstellation kann es durchaus Ausnahmen geben. - Ich habe von einem individuellen Knieimplantat (digitales 3-D-Verfahren) gehört. Was ist das? Prof. Volkmar Jansson: Im Moment gibt es die Idee, beim Operieren individuell angefertigte Schneidblöcke oder sogar individuell an die Geometrie des Patienten angepasste Implantate zu verwenden, um die Achsausrichtung des Kunstgelenks zu verbessern. Leider ist letztere nur eines von vielen Problemen, die der Operateur berücksichtigen muss, sodass die „individuelle“ Anpassung der Implantate zwar sehr gut klingt, in der jetzigen Form aber keinen wirklichen Vorteil bietet. In Zukunft sind aber in dieser Richtung weitere interessante Entwicklungen zu erwarten. - Wie wirkt das Mittel Suplasyn? Mir wurde eine Spritzenkur empfohlen, als IGEL-Leistung für 338 Euro! PD Dr. Stefan Hinterwimmer: Der Wirkstoff der Spritze ist Hyaluronsäure. Diese verbessert die „Fließeigenschaft“ der Gelenkflüssigkeit und so das Milieu im Knie. Die Be- tridschicht überzogen ist. Bei den Polyethylenen werden heute bevorzugt quervernetzte Materialien verwendet, welche eine höhere Abriebfestigkeit aufweisen. - Knie-Experten: PD Dr. Bernd Baumann, Prof. Christian Stief, Prof. Volkmar Jansson, PD Dr. Stefan Hinterwimmer (v. li.). KH schwerden, verursacht durch Knorpelschäden oder -verschleiß, können dadurch erfolgreich behandelt werden. - Welche Materialien setzt man heute für Ersatzprothesen ein? Jansson: Bei Kunstgelenken spielt die Härte des Metalls und die Verschleißfestigkeit des Polyethylens eine entscheidende Rolle. Deswegen bevorzugt man als Metall Kobalt/Chrom-Legierungen, in denen auch etwas Nickel steckt, wenn der Patient keine Allergien dagegen hat. Bei allergischen Patienten kann man auf beschichtete Implantate zurückgreifen, bei denen das Metall mit einer Titanni- Ich habe nach einer Mikrofrakturierung das Gelenk gleich wieder voll belastet. War das sinnvoll? Baumann: Im Allgemeinen wird nach einer Mikrofrakturierung eine Teilbelastung mit Unterarm-Gehstützen für sechs Wochen empfohlen. Sicherlich haben aber auch Größe und Lokalisation des Knorpelschadens einen Einfluss auf die Nachbehandlung, was in Ihrem Fall eine Rolle spielen könnte. Nach der OP ist die Verwendung einer Motorschiene zur Erhaltung des Beweglichkeitsumfangs und der Ernährung des Knorpels wichtig. Trotzdem sind manchmal Einschränkungen in der Beweglichkeit nicht ganz zu vermeiden, die man dann mit Physiotherapie und gegebenenfalls weiteren Maßnahmen angehen muss. - Ich habe einen Schaden am Innenmeniskus. Kann eine Änderung an der Schuhsohle am Außenrand helfen? Hinterwimmer: Die Schuhaußenranderhöhung ändert nichts am Meniskusschaden selbst. Sie führt aber zu einer geringfügig anderen Belastung im Kniegelenk, in Ihrem Fall zu weniger Belastung auf der Innenseite und zu mehr auf der Außenseite. Damit können die Beschwerden durch den Meniskusschaden durchaus besser werden. Die Experten: Prof. Volkmar Jansson ist Direktor der Orthopädischen Klinik in Großhadern, LMU München. PD Dr. Stefan Hinterwimmer ist Orthopäde am TU-Klinikum rechts der Isar in München. PD Dr. Bernd Baumann ist Chefarzt an der Schön-Klinik München Harlaching. Die Operation entscheidet mit, wie deutlich die Narbe sichtbar ist. DPA Kälte und Kortison Ob eine deutlich sichtbare Narbe bleibt oder diese kaum auffällt, darüber entscheidet bereits die Operation. Zu viel Zug und Spannung auf den Wundrändern führt oft zu größeren Narben. Doch kann man auch hinterher noch etwas tun. Eine Behandlung bietet sich an, solange die Narbe noch rot ist und juckt, selbst wenn sie schon zwei Jahre alt ist. Ein oft eingesetztes Verfahren besteht darin, die Narbe erst zu vereisen und in das dadurch weichere Gewebe Kortison zu spritzen. „Das sollte man aber nur von jemandem machen lassen, der sich gut damit auskennt“, empfiehlt Gauglitz. Eine Narbe lässt sich nicht völlig zum Verschwinden bringen. DPA Farbstofflaser Auch Laser und die Radiofrequenztherapie kommen laut Berufsverband der Deutschen Dermatologen oft zum Einsatz. Damit lässt sich die Narbe glätten, geschmeidiger machen oder abtragen. Ein Farbstofflaser könne einem roten Keloid die Farbe nehmen und ihn abflachen, sagt Gauglitz. Von einem Keloid sprechen Mediziner, wenn die Narbe weit über die Wundränder hinausreicht. Ist sie auf diese beschränkt, nennt man das hypertrophe Narbe. Wurde nicht gut operiert und liegt zu viel Zug auf der Wunde, könne es bei hypertrophen Narben helfen, dies in einem Eingriff zu korrigieren, sagt Gauglitz. Im Idealfall bleibe nur eine feine Linie zurück. Bei Keloiden sei eine weitere Operation nur selten die richtige Wahl. Denn die Narbe kommt meist wieder. Allgemein gilt: Wer über eine Behandlung nachdenkt, sollte sich gut beraten lassen. Auch sollte man sich genau über die Kosten informieren und ob diese von der Krankenkasse erstattet werden. dpa