Das Reich und der Dreißigjährige Krieg

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Aufbrüche im 16. Jahrhundert
Das Reich und der Dreißigjährige Krieg
i Plünderung eines Dorfes.
Gemälde (75 x 107 cm) des
flämischen Malers Sebastian
Vrancx, um 1620 (Ausschnitt).
Heiliges Römisches Reich
Deutscher Nation: seit 1512
gebräuchliche Gesamtformel
für den Herrschaftsbereich
des von den Kurfürsten (seit
1356 sieben, ab 1648 acht) gewählten römisch-deutschen
Kaisers und der in ihm verbundenen Reichsterritorien;
es bestand bis 1806.
Reichsstände: reichsunmittelbare, d. h. dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Deutscher Nation direkt unterstellte geistliche und weltliche Herrscher, die über eigene Territorien verfügten,
sowie die freien Reichsstädte.
Die Reichsstände hatten Sitz
und Stimme im Reichstag
und tagten in drei Kollegien
(Kurien): dem Kurfürstenrat,
dem Reichsfürstenrat und
dem Rat der Reichsstädte.
Neue Konflikte Die religiös und politisch motivierten Auseinandersetzungen im
Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zwischen dem Kaiser und den Reichsständen wurden 1555 im Augsburger Religionsfrieden beigelegt. Die Vereinbarung ließ zwei
Konfessionen im Reich zu: die katholische und die evangelische. Die Reichsstände
konnten in ihren Territorien die Konfession bestimmen. Untertanen mit einer anderen
Konfession durften auswandern, tatsächlich wurden sie aber oft vertrieben. Etwa dreißig Jahre lang lebten die Konfessionen friedlich nebeneinander.
Seit 1590 jedoch kippte die Stimmung. Eine neue Generation, die in den Konfessionsschulen und -universitäten ausgebildet worden war, begann über die Auslegung
des Religionsfriedens zu streiten. Zum Streitobjekt wurde vor allem das Kirchengut. Die
katholischen Fürsten forderten die Güter zurück, die die evangelischen Reichsfürsten
nach 1555 eingezogen hatten. 1608 schlossen sich einige evangelische und reformierte*
Fürsten zu einem militärischen Schutzbündnis zusammen: der Union. Ein Jahr später
verbündeten sich katholische Fürsten in der Liga. Beide Bündnisse bemühten sich um
Unterstützung: die Union in Frankreich, England und den Niederlanden, die Liga in
Spanien und Polen.
Woran entzündete sich der Krieg? 1618 erhoben sich protestantische Adlige Böhmens
gegen ihren erst seit einem Jahr regierenden katholischen König Ferdinand. Sie wollten
sich von der Herrschaft des Habsburgers emanzipieren und warfen ihm vor, gegen das
verbriefte Recht der freien Religionsausübung verstoßen zu haben. Auf dem Höhepunkt des Konfliktes warfen am 23. Mai 1618 Abgesandte der böhmischen Ständever* Reformierte: die Anhänger Calvins, siehe S. 133.
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Das Reich und der Dreißigjährige Krieg
sammlung zwei kaiserliche Räte aus einem Fenster der Prager Burg (Hradschin) und erklärten die Macht des Königs über sie für beendet. Ein
Vierteljahr später wählten die Anführer der protestantischen Stände Friedrich von der Pfalz zum neuen König von Böhmen.
Trotz dieser Ereignisse wurde der abgesetzte König von Böhmen 1619
von den Kurfürsten in Frankfurt am Main zum neuen römisch-deutschen
Kaiser gewählt. Ferdinand II. bekämpfte nun den Aufstand des protestantischen Adels in Böhmen mithilfe bayerischer und spanischer Truppen. In
dem Zusammenhang versprach er dem Herzog von Bayern im Falle eines
Sieges die Kurfürstenwürde. Friedrich I. von Böhmen konnte nur bis 1620
regieren, das trug ihm später den Namen „Winterkönig“ ein. Er, der aufständische Adel und 150 000 böhmische Protestanten mussten fliehen. Kaiser
Ferdinand II. beschlagnahmte ihren Besitz. Am Anfang des Krieges stand
also ein religiöser und verfassungsrechtlicher Konflikt zwischen dem katholischen König und den protestantischen Großen Böhmens.
Die Konfliktparteien auf deutscher und europäischer Ebene Aus dem
Ständeaufstand in Böhmen entwickelte sich ein ganzes Bündel von verschiedenen Konflikten in Europa, die alle irgendwie miteinander verflochten waren. Das ebenfalls von Habsburgern regierte Spanien half dem
Kaiser. Es brauchte ihn, um Oberitalien zu kontrollieren und um vom Reich
aus gegen die niederländischen Provinzen vorgehen zu können, die seit
1568 um ihre Unabhängigkeit kämpften. Der gemeinsame Gegner des Kaisers und der
spanischen Herrscher waren die französischen Könige. Das katholische Frankreich sah
seine Grenzen durch das übermächtige Spanien bedroht, das zahlreiche Länder von
Oberitalien bis hinauf in die Niederlande beherrschte. Im Innern geschwächt, schaltete
sich Frankreich erst 1624 politisch und 1635 militärisch ein – im Wesentlichen um Spanien niederzuringen. Inzwischen hatten sich auch Dänemark (ab 1624) und Schweden
(ab 1630) in den Krieg eingeschaltet, um den Ostseeraum für sich zu sichern.
Als der Kaiser und der sächsische Kurfürst in die Defensive gerieten, vereinbarten
sie 1635 den Prager Frieden, dem die meisten Reichsstände beitraten. Ein allgemeiner
Friede, konnte aber nicht hergestellt werden, da Frankreich und Schweden weiter gegen den Kaiser kämpften. Zuletzt ging es den Mächten nur noch darum, Entschädigungen und Beute aus dem Reich zu holen. Die Konfession spielte dabei keine zentrale Rolle
mehr. Das katholische Frankreich kämpfte mit dem protestantischen Schweden gegen
die katholischen Habsburger und unterstützte nach Belieben entweder die protestantischen, katholischen oder calvinistischen Reichsstände.
Folgen und Charakter des Dreißigjährigen Krieges Der Dreißigjährige Krieg war eine
Katastrophe. Die Zeitgenossen erlebten ihn als Abfolge von Kriegszügen, Einquartierungen, Belagerungen und Schlachten, unter denen manche Gegenden gar nicht, andere Jahr um Jahr zu leiden hatten. lm Winter schien der Krieg zu pausieren. Stets aber
waren irgendwo schlecht bezahlte Söldner unter Waffen, die raubten, plünderten,
brandschatzten und mordeten. Oft besetzten sie im Auftrag ihrer Kriegsherren weite
Landstriche oder Städte, deren Bewohner ihren Peinigern Nahrung und Sold zu zahlen
hatten, sodass ihnen kaum mehr das Notwendigste zum Leben blieb. Missernten vergrößerten den Hunger, Seuchen breiteten sich aus, denen mehr Menschen erlagen als
den Waffen der Söldnerhaufen.
i Gewalt der Söldner.
Gemälde des niederländischen
Malers Pieter Codde, 17. Jh.
Im Februar 1645 bestand beispielsweise eine bayerische
Söldnereinheit unter anderem
aus: 534 Deutschen, 218 Italienern, 15 Franzosen, 24 Lothringern, 43 Burgundern, 26 Griechen, 54 Polen, 5 Ungarn,
51 Tessinern, 2 Kroaten, 1 Iren,
11 Spaniern, 1 Sizilianer, 15 Türken und 18 Dalmatiern.
p Erläutere, was die Zusammensetzung der Einheit über
die Motive der Söldner sowie
der Kriegsherren aussagt.
Lesetipp:
Hans-Joachim Müller, Der Dreißigjährige Krieg. Leben und
Überleben im konfessionellen
Zeitalter, Stuttgart 2015
Filmtipp:
Mit Gottes Segen in die Hölle.
Der Dreißigjährige Krieg (ZDF),
Buch: Hans-Christian Huf,
2003
Internettipp:
Link zum Dreißigjährigen Krieg
siehe Code 4663-13
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