Baugeschichtliche und kunsthistorische Beschreibung der Gebäude Raubergasse 10, Kalchberggasse 2 und Neutorgasse 45 mit einer kurz gefassten Baugeschichte des innerstädtischen Bereichs Raubergasse / Kalchberggasse / Neutorgasse Graz, im Juni 2006 2 I. Baugeschichtliche und kunsthistorische Raubergasse 10 und Kalchberggasse 2 Beschreibung der Gebäude Die Gebäude Raubergasse 10 (Stammhaus des Landesmuseum Joanneum) und Kalchberggasse 2 (Landesbibliothek) bilden einen dreigeschoßigen, großflächigen Baukomplex mit zwei Innenhöfen. Die nördliche Vierflügelanlage mit frühbarocker Fassadierung, Hofarkaden und Hauskapelle wurde von 1665 bis 1674 von Domenico Sciassia als Stadthaus für das Stift St. Lambrecht erbaut. Ab 1811 erfolgten Adaptierungen für das von Erzherzog Johann gestiftete Joanneum. 1825 bis 1826 wurde der straßenseitige Trakt nach Süden verlängert. In den Jahren von 1890 bis 1893 wurde der Zubau des Bibliotheksgebäudes nach Entwurf von August Gunolt mit neobarocker Fassadierung an der Ecke zur Kalchberggasse durchgeführt. Abbildung 01: Gebäudekomplex Raubergasse 10, Kalchberggasse 2, Grundrissschema mit baugeschichtlicher Entwicklung, Foto aus: Österreichische Kunsttopographie Band LIII Von 1665 bis 1674 ließ Abt Franz von Kaltenhausen anstelle des alten Rauberhofes ein Stadthaus für das Benediktinerstift St. Lambrecht von Grund auf neu errichten. Baumeister war der aus Roveredo, Graubünden, stammende und seit 1639 als Stiftsbaumeister von St. Lambrecht tätige Domenico Sciassia (1599/1603-1679). Wegen Verschuldung mussten die Benediktiner das Gebäude bereits im Jahr 1684 an Jakob Graf von Leslie verkaufen. Unter ihm erhielt das Gebäude seine Gestalt als zwei Stockwerke hohes Haus mit zwei Höfen. Das Gebäude, nun Lesliehof genannt, wurde im Jahr 1689 dem Fideikommiss der Familie Leslie einverleibt und vererbte nach dem Erlöschen der Grafen von Leslie im Jahr 1802 an den Fürsten Johann Karl von Dietrichstein. Im Jahr 1811 wurde es von den Steirischen Ständen angekauft, um als Standort für das von Erzherzog Johann gestiftete innerösterreichische „Nationalmusäum“ Joanneum zu dienen. 3 Abbildung 02: Lesliehof mit Garten und ehemaligem Neutor, Ölgemälde um 1800, Foto aus: Österreichische Kunsttopographie Band LIII Der im Gründungstatut von 1811 festgelegte Umfang des Museums umfasste acht Bereiche: 1. Geschichte (in sieben Untergruppen werden verschiedene Materialien dazu aufgezählt), 2. Statistik, 3. Physik und Mathematik, 4. Naturgeschichte, 5. Chemielaboratorium, 6. Praktische Landwirtschaft, 7. Technologie, 8. Bibliothek. Erzherzog Johann wollte mit dem Joanneum in erster Linie eine Lehranstalt schaffen, die ihren Unterricht durch die Verwendung authentischer Objekte veranschaulicht. Zu diesem Zweck schenkte Erzherzog Johann dem Museum seine umfangreichen naturhistorischen Sammlungen, damit sie im neu erworbenen Gebäude ausgestellt werden, und übernahm einen beträchtlichen Teil der Unterrichtskosten für die ab 1812 dem Museum angeschlossene Lehranstalt mit Lehrkanzeln für Mineralogie, Botanik, Chemie, Experimentalphysik, Astronomie und Technologie. Der Weg des Ausbaus dieser Lehranstalt führte vom regionalen Polytechnikum über die ständisch-technische Hochschule zur staatlichen technischen Hochschule und endgültigen und räumlichen Trennung von Museum und technischer Hochschule durch ihre Auslagerung aus dem Gebäude Raubergasse 10. Nachdem die Technische Hochschule 1888 den Neubau in der Rechbauerstraße bezogen hatte, wurden die im Besitz des Landes Steiermark verbliebenen Sammlungen durch das neue organische Statut vom 21. Jänner 1887 zum steiermärkischen Landesmuseum Joanneum ausgeweitet. Die neue Aufstellung der im Museumsgebäude Raubergasse 10 untergebrachten Sammlungen wurde um die Jahrhundertwende zum Abschluss gebracht. Die naturwissenschaftlichen Abteilungen sind bis heute – teilweise in ihrer historischen Aufstellung – im Museumsgebäude Raubergasse 10 verblieben, die archäologischen Sammlungen und 4 das Münzkabinett wurden Anfang der 1970er Jahre nach Schloss Eggenberg transferiert. Das Stammhaus des Landesmuseum Joanneum beherbergt zur Zeit neben den naturwissenschaftlichen Abteilungen auch die Direktion des Landesmuseum Joanneum mit ihren verschiedenen administrativen Einheiten. Es ist vorgesehen, die gesamte zentrale Administration aus dem Museumsgebäude Raubergasse 10 auszusiedeln und dieses im Rahmen des Projekts „Museumsquadrant“ als Haus der Natur neu zu gestalten. Gesamtanlage Die Gesamtanlage weist einen trapezförmigen Grundriss auf, der sich durch die ursprüngliche Lage an der mittelalterlichen Stadtmauer (entlang der heutigen gartenseitigen Hausfront) ergab. Die nördliche Vierflügelanlage mit einem westseitigen Gartenflügel wurde zwischen 1665 und 1674 erbaut. In den Jahren 1825 und 1826 wurde unter Erzherzog Johann der südliche Zubau errichtet, wodurch unter Einbeziehung des bestehenden Gartenflügels ein zweiter, kleinerer Innenhof entstand. Museumsgebäude Raubergasse 10 Baubeschreibung. Außen. Das Gebäude bietet straßenseitig eine achtzehnachsige Fassade, wobei die elf nördlichen Achsen (die ursprüngliche Länge des St. Lambrechterhofes) aus der Erbauungszeit stammen. Die südlichen sieben Achsen nach dem Fassadenknick wurden in den Jahren 1825 und 1826 verlängert; dieser Zubau war ursprünglich neunachsig und mit schlichter Kordongesims- und Parapetfeldergliederung ausgestattet, die neobarocke Gestaltung erfolgte zwischen 1890 und 1893. Die Wand ist rasterartig durch Sohlbankgesimse und eine kleine Pilasterordnung gegliedert. Im Erd- und ersten Obergeschoß sind es toskanische Pilaster, im zweiten Obergeschoß Hermenpilaster mit geschuppten Schäften. Während die barocken Pilaster-Halbfiguren am Barockbau unterschiedlich ausgeführt sind, alternieren am Zubau jeweils eine männliche und eine weibliche Halbfigur. Die Gebälkszone ist durch Maskaronkonsolen, Kartuschen und groteske Reliefs akzentuiert. Die geohrten Fensterrahmungen haben gerade Verdachungen und je drei Sohlbankkonsolen mit Schuppenfries. Das rundbogige Steinportal in rustizierter Rechteckrahmung mit Pilastern und Gebälk stammt aus der Zeit um 1670. Auf dem Gebälksfries sind sieben bemalte Wappen angebracht, im Jahr 1811 von Leopold Zeilinger gefertigt; von links nach rechts: Kaspar Andreas Edler von Jakomini-Holzapfel-Waasen (Ständischer Verordneter), Ignaz Maria Graf von Attems-Heiligenkreuz (Ständischer Verordneter), Gotthard Kuglmayr (Abt des Benediktinerstiftes Admont), Ferdinand Maria Graf Attems-Heiligenkreuz (Landeshauptmann von Steiermark, 1801-1820), Kajetan Graf von und zu Wildenstein (Ständischer Verordneter), Johann Nepomuk Edler von Kalchberg (Ständischer Verordneter), Herzogtum und Kronland Steiermark. Auch der eisenbeschlagene Torflügel mit geritzter Schlagleiste und schmiedeeisernem Oberlichtgitter gehört in die Erbauungszeit. Die Fassade zur Raubergasse wurde im Jahr 1997 in ihrem Originalzustand wieder hergestellt. 5 Abbildung 03: Fassade des Museumsgebäudes Raubergasse 10 zur Raubergasse, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum Abbildung 04: Eingangsportal des Museumsgebäudes Raubergasse 10, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum 6 Die aus der Erbauungszeit stammende Gartenfassade ist siebzehnachsig und weist eine kleine, toskanische Pilasterordnung auf. Den horizontalen Ausgleich bilden Sohlbank- und Kordongesimse. Die Traufe wird durch Putzfaschen unterteilt. Die Fenster verfügen über eine kräftig profilierte Rahmung mit Ohren. In den Obergeschoßen sind flach gerahmte Parapetfelder vorhanden. Im Erdgeschoß sind die Steinfensterrahmen niedriger und mit Mittelpfosten ausgeführt. Das RundbogenSteinportal stammt aus der Erbauungszeit. Baubeschreibung. Großer Innenhof. Die je sechsachsige Nord- und Westfassade haben die gleiche Fassadengliederung wie an der Gartenseite. Die Fassaden des Innenhofes sind mit einem rundum führenden, abschließenden Fries mit Maskarons in den Fensterachsen ausgestattet. Die Ost- und Südseite verfügt in allen drei Geschoßen über korbbogige Pfeiler-Arkadengänge, die Obergeschoßarkaden wurden im 19. Jahrhundert verglast. Die Gliederung der Pfeilerarkaden erfolgt durch vorgelegte toskanische Pilaster sowie Sohlbank- und Kordongesimse. Im ersten Obergeschoß schmücken Maskaronschlusssteine die Arkadenscheitel. In der Hauptachse befinden sich die zweiachsigen, kreuzgratgewölbten Hausdurchfahrten, aus der Erbauungszeit stammend. Die Portierloge wurde 1972 eingebaut. Die platzlgewölbte Hausdurchfahrt zwischen großem und kleinem Innenhof stammt aus den Jahren 1825 bis 1826. Der gesamte Bereich des großen Innenhofs wurde in den Jahren 1997 und 1998 zur Gänze restauriert. Abbildung 05: Innenhof des Museumsgebäudes Raubergasse 10, Ost- und Südfassade, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum 7 Abbildung 06: Innenhof des Museumsgebäudes Raubergasse 10, Nord- und Westfassade, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum Baubeschreibung Kleiner Innenhof. Die Nord- und Westfassade stammen aus der Erbauungszeit mit gleicher Fassadengliederung wie an der Gartenseite. Der Westflügel von 1825/26 wurde gleichzeitig mit der Errichtung des südlichen Bibliothekszubaues zwischen 1890 und 1893 mit geohrten Fensterrahmungen wie am Altbestand, jedoch ohne Pilasterordnung überarbeitet. In den ebenerdigen Arkadengängen des großen Innenhofes sowie in den Hausdurchfahrten sind aus der Erbauungszeit stammende Türen und Fenster mit profilierten, geohrten Rahmungen angebracht. Dort befinden sich auch eingemauerte kleine Wappen sowie Grab- und Gedenksteine, z.T. reliefiert, die von den ab 1782 aufgelassenen innerstädtischen Kirchenfriedhöfen stammen und nach 1811 im Sinne eines Lapidarium hier angebracht wurden. In die Wand eingemauert ist auch ein Steinwappen mit dem steirischem Panther, vermutlich von der Grillbüchelbastei von Wilhelm Prantner, 1549. In der Eingangsdurchfahrt befindet sich über einer Tür ein Sandsteinrelief „Tod des hl. Franz Xaver“, aus dem 2. Viertel des 18. Jahrhunderts. Baubeschreibung. Innen. Keller z. T. von Vorgängerbauten. Die Stichkappen- bzw. Kreuzgratgewölbe des Erdgeschoßes sowie der Arkadengänge im Erd- und ersten Obergeschoß stammen aus der Erbauungszeit. Ebenso die barocke zweiarmige Haupttreppe mit Steinbalustraden. Zweites Obergeschoß: Der ehemalige Festsaal (heute so genannter Stucksaal) zeigt einen symmetrischen Dekorationsaufbau um zwei profilierte Deckenspiegel, in der Saalmitte ist das Allianzwappen Leslie-Eggenberg angebracht. Die äußerst qualitätvolle Stuckornamentik wird durch spielende, bewegte Putti mit 8 Blütengirlanden, Musikinstrumenten und Notenblättern bereichert. Der Stucksaal verfügt über zwei venezianische Glasluster (2. Viertel des 18. Jhs.) und Bronzebüsten Kaiser Franz´ I. und Erzherzog Johanns auf Marmorsockeln, von Leopold Kissling (1812/1813) angefertigt. Abbildung 07: Stucksaal Landesmuseum Joanneum des Museumsgebäudes Raubergasse 10, Foto: Archiv Die ehemalige Sala terrena im westlichen Gartenflügel des ursprünglichen Stiftshofes mit beidseitigen Fensterreihen und vierjochigen Stichkappengewölben, die unter den Grafen Leslie um 1700 als Festsaal bemalt und von der 1972/73 ein Joch freigelegt und restauriert worden war, gehört heute zur Landesbibliothek. Die Gewölbestege sind durch Lorbeerstäbe betont, am Gewölbeansatz findet sich eine von Ignudi gehaltene Scheinarchitektur, in den Gewölbewangen Büsten sowie Putti mit Degen und Fanfaren. Den Scheitel schmücken zwei Rundmedaillons mit je zwei Putti, die das Wappen der Familie Leslie bzw. Rüstungstücke halten. Hauskapelle. Die Hauskapelle – ein über zwei Geschoße reichender Raum mit dreijochigem Stichkappengewölbe und geradem Chorabschluss – stammt aus der Erbauungszeit des St. Lambrechterhofes. Der Eingang verfügt über ein reich geschnitztes Holzportal mit Schmiedeeisenbeschlägen, darüber ist eine Kartusche mit der Inschrift „Gelobt Sey Jesus Christus“ angebracht. Die Wandgliederung in der Kapelle erfolgt durch Pilaster mit korinthischen Kapitellen. Die Gewölbe werden von schwerem, für das 3. Viertel des 17. Jahrhunderts typischen Ohrmuschel- und Knorpelwerk mit Fruchtgehängen und plastischen Putti überzogen, wobei sich Kartuschen für Freskenfelder bilden; der Gewölbeschmuck wurde von Giovanni Rocco Bertoletti um 1668 angefertigt. Im Gewölbescheitel sind zwei oblonge Deckenbilder angebracht, die den Tod des hl. Benedikt sowie seine Aufnahme in den Himmel zeigen. In den kleineren, herz- und birnenförmigen 9 Kartuschen sind Putti mit Blumen, Abtinsignien und Regelbuch dargestellt. Laut Signatur auf dem Regelbuch stammen die Fresken von Giovanni Battista Columba. Der Altaraufbau mit Stuccolustro-Säulen und Gebälk an der Chorwand, stammt aus der Erbauungszeit. Das ursprüngliche Altarblatt mit einer Darstellung des hl. Benedikt wurde zu Ehren Erzherzog Johanns durch ein Gemälde mit Taufe Christi ersetzt (Johannes der Täufer, Namenspatron Erzherzog Johanns), sign. STARK 1818. Über der Innenseite der Eingangstür ist eine Stuckkartusche mit Wappen der Grafen Leslie angebracht, nach 1684. Abbildung 08: Hauskapelle des Museumsgebäudes Raubergasse 10, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum 10 Gebäude Kalchberggasse 2 (Landesbibliothek) Das Gebäude der Landesbibliothek wurde anstelle des schmalen Südflügels, der den Gartenflügel von 1665/74 und den straßenseitigen Zubau von 1825/26 verband, zwischen 1890 und 1893 nach einem Entwurf von August Gunolt mit historischer neobarocker Fassadierung und Dachbalustrade errichtet. Die fünfachsige Fassade in der Kalchberggasse ist als Pendant zum gleichzeitig errichteten Museumsneubau in der Neutorgasse gestaltet und mit diesem durch neobarocke Parkeinfriedung und Schmiedeeisentor verbunden. Über dem rustizierten Erdgeschoß mit Rundbogenfenstern sind kolossale, die beiden Obergeschoße verklammernde Pilaster angebracht. Im ersten Obergeschoß sind die Fenster höher, an den Seitenrisaliten verfügen sie über Augenbrauengiebel. Das Eingangsportal befindet sich an der dreiachsigen Parkseite. Die zweiarmige Treppenanlage mit Schmiedeeisengländer sowie Türen stammt weitgehend aus der Erbauungszeit. Im ersten Obergeschoß ist der Lesesaal untergebracht. Abbildung 09: Das Gebäude der Landesbibliothek von der Kalchberggasse aus gesehen, Foto aus: Kuratorium (Hrsg.), Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911, 432. 11 Abbildung 10: Blick auf die Parkseite des Gebäudes der Landesbibliothek, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum 12 Abbildung 11: Das Gebäude der Landesbibliothek, das Eingangstor zum Joanneumsgarten und das Museumsgebäude Neutorgasse 45, Foto eines unbekannten Fotografen, nach 1903, Archiv Landesmuseum Joanneum Joanneumsgarten Der Joanneumsgarten ist die Parkanlage zwischen dem Gebäudekomplex Raubergasse 10, Landhausgasse 7 (Landesbaudirektion) und Kalchberggasse 2 (Landesbibliothek). Die Anlage, die im Zuge der Errichtung des Museumsgebäudes Neutorgasse 45 mit einem neobarocken Parkabschluss entlang der Kalchberggasse die heutige Größe erhalten hat, stellt den Restbestand des im Jahr 1889 aufgelösten Botanischen Gartens am Joanneum dar. Diese ursprüngliche Gartenanlage – ab 1811 auf dem Gartengrund (eine barocke Gartenanlage mit Statuen) des Lesliehofes angelegt – war bis 1836 durch Einbeziehung der Befestigungsanlage zwischen Neutor und Eisernem Tor ständig vergrößert, dann aber ab 1886 zur Verbauung freigegeben worden. Im Garten steht seit 1953 das Denkmal des Mineralogen Friedrich Mohs. Diese Bronzebüste – sie trägt die Signatur „Modelliert von A. DIETRICH, gegossen von J. GLANZ in Wien 1841“ – war 1841 im Joanneumsgarten aufgestellt und 1890 in den großen Innenhof des Museumsgebäudes Raubergasse 10 versetzt worden, um dann im Jahr 1953 auf einem neuen Postament an der Rückseite des Museumsgebäudes Neutorgasse 45 seinen jetzigen Standort zu erhalten. Zum Bestand an Gehölzen in der Parkanlage gibt es eine botanische Untersuchung, die zum Ergebnis kommt, dass das Vorhandensein von Resten eines Gehölzbestandes aus dem ehemaligen Botanischen Garten am Joanneum in der heutigen Parkanlage ausgeschlossen werden kann und bei künftigen 13 Bepflanzungsmaßnahmen grundsätzlich nur auf die Bestimmungen der Grazer Baumschutzverordnung Bedacht zu nehmen ist. Verwendete Literatur Die Kunstdenkmäler der Stadt Graz. Die Profanbauten des I. Bezirkes (= Österreichische Kunsttopographie Band LIII), Wien 1997, 445-452; A. LuschinEbengreuth, Das Joanneum, dessen Gründung, Entwicklung und Ausbau zum steiermärkischen Landesmuseum 1811-1911, in: Kuratorium (Hrsg.), Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911, 67148, 75 ff.; D. Ernet, Erhebung des Bestandes an Gehölzen in der Parkanlage zwischen den Museumsgebäuden Raubergasse 10 und Neutorgasse 45 mit einem Ausblick auf künftige Gestaltungsmöglichkeiten, Jahresbericht 2001 des Landesmuseum Joanneum, N. F. 31, Graz 2002, 178-193. II. Baugeschichtliche und kunsthistorische Beschreibung des Museumsgebäudes Neutorgasse 45 Das Museumsgebäude Neutorgasse 45 tritt uns als historischer Monumentalbau mit exedraförmigem Vorhof und neobarocker Fassadierung entgegen, der einen zweigeschoßigen, konkaven Haupttrakt mit konvex vorgewölbtem Eingangsrisalit und dominanter Kuppelbekrönung, flankiert von dreigeschoßigen Seitenflügeln, aufweist. Das Gebäude wurde zwischen 1890 und 1894 als Kulturhistorisches Landesmuseum und Kunstgewerbemuseum nach Entwurf von August Gunolt von Josef Bullmann erbaut. Abbildung 12: Museumsgebäude Neutorgasse 45 (Gesamtansicht), Foto aus: Kuratorium (Hrsg.), Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911 14 Abbildung 13: Museumsgebäude Landesmuseum Joanneum Neutorgasse 45 (Detailansicht), Foto: Archiv Abbildung 14: Museumsgebäude Neutorgasse 45, rechts vorne der südliche Seitentrakt, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum 15 Seit dem Jahr 1863 wollte man auf dem Areal des Joanneumsgartens zwischen dem Museumsgebäude Raubergasse 10 und der Neutorgasse einen neuen Museumsbau errichten. Schließlich wurde August Gunolt – Schüler Heinrich Ferstels, ab 1876 Professor an der k.k. Staatsgewerbeschule in Graz – mit der Erstellung konkreter Entwürfe beauftragt. Als Grundlage für die bauliche Ausführung des Museumsgebäudes diente schließlich ein Entwurf Gunolts vom März 1889, den der Architekt kurze Zeit später noch um einige Details verfeinerte. Im September 1889 nahm er an der südlichen Stirnseite des Gebäudes Abänderungen vor, da ein Raum für Wechselausstellungen gewünscht wurde, der direkt von der Straße aus begehbar sein sollte. Der Architekt dimensionierte dafür die Parterrefenster größer und wandelte das mittlere zu einem Eingang um. Dadurch ergab sich ein Eingriff in die auf Symmetrie ausgelegte Gesamtkonzeption. Gunolt wurde zu seinem Plan von Barockbauten im Stile J. B. Fischer von Erlachs inspiriert. Erkennbar ist dies vor allem an der geschwungenen Fassade in Exedraform, die im ersten Projekt Fischer von Erlachs für das kaiserliche Lustschloss Schönbrunn zu finden ist. Die Form taucht aber auch im Entwurf eines „königlichen Lustgebäudes“ für Friedrich I. von Preußen auf. Direkt beeinflusst wurde Gunolt durch die im Jahr 1889 endgültig in Angriff genommene Fertigstellung des Michaelertraktes der Wiener Hofburg, der zwar nach Entwürfen Fischer von Erlachs begonnen, dann aber unvollendet geblieben war. Auch die Kuppel des Museumsgebäudes Neutorgasse 45 lässt sich auf Fischer von Erlach zurückführen: Sie leitet sich direkt von Fischers Winterreitschulkuppel ab, die nach den Plänen Fischer von Erlachs von seinem Sohn Josef Emanuel ausgeführt wurde. Das Museumsgebäude Neutorgasse 45 repräsentiert die architektonische Auseinandersetzung mit dem Barock im Geiste des Historismus in Graz. 16 Abbildung 15: August Gunolt, Project für das Kulturhistorische Landesmuseum in Graz, Hauptansicht, September 1889, Foto: Archiv Landesmuseum Joanneum Nachdem am 15. Juli 1890 der Grazer Stadtrat die Baubewilligung erteilt hatte, wurde am 4. August desselben Jahres die Grundsteinlegung für das Museumsgebäude durchgeführt. Drei Jahre später wurde am 20. Juli 1893 der Rohbau kommissioniert. Die Finalrevision fand am 8. November 1894 statt. Am 5. Juni 1895 wurde das neue Museum von Kaiser Franz Joseph persönlich feierlich eröffnet. Das Gebäude blieb in Graz der einzige monumentale Museumsneubau des 19. Jahrhunderts. Sowohl im Erdgeschoß als auch im ersten Obergeschoß fehlte es jedoch bald an Platz. Deswegen bewilligte der Steiermärkische Landtag eine schon im ursprünglichen Bauplan vorgesehene Erweiterung des Museumsgebäudes. Die gartenseitig unausgebaute Flucht wurde auf die Höhe des zweiten Stockwerkes gehoben, sodass man dort die Landesbildergalerie und das Kupferstichkabinett unterbringen konnte. In den frei gewordenen Räumen des ersten Obergeschoßes wurde die kunstgewerbliche Mustersammlung eingerichtet. Bei dieser Aufstockung, die man in den Jahren 1901 und 1902 durchführte, wurde das zweite Obergeschoß nicht vom Hauptstiegenhaus her erschlossen, der Zugang zum zweiten Obergeschoß ist vielmehr nur durch zwei separate und isolierte Stiegenhäuser im Inneren des Gebäudes möglich. 17 Abbildung 16: Grundriss des Gebäudes nach der Aufstockung mit der historischen Raumverteilung, aus: Kuratorium (Hrsg.), Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911, 141 18 Am landhausgassenseitigen Nordtrakt des Gebäudes erfolgte im Jahr 1949 ein Zubau. An der Nordostecke befindet sich ein Erker mit eingebautem RenaissanceFenster von 1563 (aus Schloss Radmannsdorf, Weiz). Baubeschreibung. Außen. Die zweigeschoßige, konkav rückschwingende Schaufront orientiert sich in der Gesamtanlage am Michaelertrakt der Hofburg in Wien. Das Erdgeschoß ist als rustizierte Sockelzone für die Doppel-Halbsäulengliederung des Obergeschoßes konzipiert. In beiden Geschoßen befinden sich Rundbogenfenster. Die Fassade wird durch ein Gebälksfries und eine Dachbalustrade abgeschlossen. Am konvex vorgewölbten dreiachsigen Eingangsrisalit ist ein rundbogiges Hauptportal angebracht, flankiert von gekuppelten Halbsäulen mit Volutengiebel. Im Obergeschoß sind die Halbsäulen durch Pilaster ersetzt. Über den seitlichen Obergeschoßfenstern befinden sich Medaillons mit Porträtreliefs der Kaiser Franz I. und Franz Joseph, von Karl Lacher (dem Vorstand des „Vereins zur Förderung der Kunstindustrie“, Direktor des Kunstgewerbemuseums am Joanneum und einem der Hauptverantwortlichen für die Reorganisation des Landesmuseum Joanneum) angefertigt, darüber befindet sich das Schriftband „Steierm. Landesmuseum Joanneum“. Der Kuppeltambour ist geschwungen und weist Voluten, Rundbogenöffnungen und einen Balustradenabschluss auf. Die Mittelachse schmückt ein von Putti gehaltene Wappenkartusche mit dem steirischen Panther (von Rudolf Vital). An den dreigeschoßigen Seitentrakten, sind die beiden Obergeschoße jeweils durch eine kolossale Pilasterordnung zusammengefasst, die höheren Fenster des ersten Obergeschoßes an den seitlichen Risaliten durch Augenbrauengiebel und Stuck betont. Der Südtrakt wird in der Kalchberggasse durch eine neobarocke Gartenportalanlage und schmiedeeisernem Zaun mit dem gleichzeitig errichteten Bibliothekszubau verbunden. An der Gartenseite ist die Fassadengliederung sparsamer. Sie verfügt über einen mittleren, dreiachsigen Portalrisalit, der – ursprünglich zweigeschoßig – 1901 mit Ovalfenstern ausgesteckt wurde. Baubeschreibung. Innen. In der Mittelachse befindet sich die repräsentative Raumfolge von Vestibül, Treppenanlage und Kuppelsaal, wobei die seitlich angeordneten Ausstellungsräume von den übereinanderliegenden, runden Sälen – Vestibül und Kuppelsaal – aufgeschlossen werden. Die monumentale, dreiarmige Treppenanlage weist eine Steinbalustrade und neobarocke Deckenstuckierung auf. Die Wände verfügen über eine Pilastergliederung sowie vier in Stuckrahmungen integrierte Ölgemälde von Francesco de Mura (1699-1782): „Auffindung des Moses“, „Moses beschützt die Töchter des Raguel“, „Besuch der Königin von Saba“ und „Urteil Salomos“. Zudem ist eine Marmortafel mit dem Portraitrelief des Begründers des Kunstgewerbemuseums Karl Lacher, (von August Rantz, 1908) angebracht. Am Zwischenpodest befindet sich eine Gedenktafel, die an die Grundsteinlegung am 4.8.1890 durch Kaiser Franz Joseph erinnert. 19 Abbildung 17: Museumsgebäude Neutorgasse 45, Treppenanlage Verwendete Literatur A. Luschin-Ebengreuth, Das Joanneum, dessen Gründung, Entwicklung und Ausbau zum steiermärkischen Landesmuseum 1811-1911, in: Kuratorium (Hrsg.), Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911, 67-148, 140 ff.; Die Kunstdenkmäler der Stadt Graz . Die Profanbauten des I. Bezirkes Altstadt (= Österreichische Kunsttopographie Band LIII), Wien 1997, 393-396; H. Stocker, Das Museumsgebäude in der Neutorgasse. Ein Werk von August Gunolt, einem Architekten des Grazer Historismus, Jahresbericht 1996 des Landesmuseum Joanneum, N. F. 26, Graz 1997, 35-46. 20 III. Kurzgefasste Baugeschichte des innerstädtischen Bereichs Raubergasse / Kalchberggasse / Neutorgasse Raubergasse Die Raubergasse ist ein parallel zur Herren- und Schmiedgasse verlaufender, von der Landhausgasse bis zur Radetzkystraße reichender Straßenzug. Die östliche, leicht gekrümmte Straßenseite bis zur Wurmbrandgasse zählt zum ältesten Stadtkern. Die drei- bis viergeschoßigen, trauf- und giebelständigen Häuser mit unterschiedlichem Fassadenbild stammen überwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert. An der Westseite ist nach der Neugestaltung der Landhausgasse (1905 bis 1908: Abbruch des Vorauer und Seckauer Hofes für den Durchbruch der Landhausgasse zu Neutorgasse) nur das Museumsgebäude Raubergasse 10 als bedeutender Altbau erhalten, der mit seiner qualitätvolle barocke Schauseite die Zeile akzentuiert. Das Gebäude Raubergasse 8 wurde auf den Fundamenten des 1905 abgebrochenen Seckauer Hofes (1604 bis 1783 im Besitz des Stiftes Seckau) im Jahr 1908 als „Landes-Amtshaus“ errichtet und wurde 1968/1969 aufgestockt. Kalchberggasse Die Kalchberggasse stellt einen einheitlichen Straßenzug mit Bauten des Späthistorismus dar. Die Gebäude Kalchberggasse 1 bis 5 wurden auf dem Grund der ehemaligen Bürgerbastei errichtet. Raubergassenseitig bildet die altdeutsche Fassade des Städtischen Amtshauses mit integriertem Durchgang zur Schmiedgasse den östlichen Straßenabschluss. Neutorgasse Der auf den Gründen der ehemaligen Neutorbastei angelegte Straßenzug der südlichen Neutorgasse wurde nach der Schleifung dieser Befestigungswerke – das zwischen den Gebäuden Neutorgasse 44 und Neutorgasse 45 gelegene Neutor wurde 1866 abgebrochen – ab 1886 errichtet. 21 Abbildung 18: Lageplan der Gebäude des Landesmuseum Joanneum, aus: Kuratorium (Hrsg.), Das Steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen, Graz 1911 Verwendete Literatur Die Kunstdenkmäler der Stadt Graz. Die Profanbauten des I. Bezirkes (= Österreichische Kunsttopographie Band LIII), Wien 1997; Die Kunstdenkmäler Österreichs. Graz (Dehio-Handbuch), Wien 1979; W. Brunner (Hrsg.), Geschichte der Stadt Graz, Band 4, Stadtlexikon, Graz 2003