sonntag TIROLER Kirchenzeitung der Diözese Innsbruck Vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang sei der Name des Herrn gelobt. PSALM 113 19. September 2013 I Nr. 38 I Zum 25. Sonntag im Jahreskreis I € 1 I Tel. 0512/2230-2212 ROSENKRANZ Welche Werte halten Sie hoch? Mehr zur Nationalratswahl auf den Seiten 3-5, 20. A ltmodisch? Frauen tragen eine Statue der Gottesmutter. Sie zeigen, welche Werte sie hoch halten. Bei der Prozession in Erinnerung an die heilige Notburga sind vergangenen Sonntag hunderte Gläubige so über die Wiesen des Achentales gezogen. Und in Österreich? Eine Frage, die sich am Tag der Nationalratswahl stellt. Welche Werte zählen in unserem Land? Wer soll das Sagen haben? Der Tiroler Sonntag hat Kriterien gesammelt, die für eine Wahl entscheidend sein können. GR 2 Meinung KOMMENTAR 19. September 2013 Danke, Franziskus Umgeben von Kunststoff Immer wieder gibt es deshalb Menschen, die versuchen, ohne Plastik im Alltag auszukommen. Das kann man sich nur schwer vorstellen, wenn man sich überlegt, wo der Stoff überall eingesetzt wird. Er ist ja aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Um so ein Experiment durchzuführen, heißt es zunächst, alle Gegenstände aus Plastik zu notieren und sich zu überlegen, wie sie ersetzt werden könnten mit anderen Materialien. Anstatt eines Plastikkochlöffels oder eines -spielzeugs könnten entsprechende Gegenstände aus Holz verwendet werden. Bei Kleidung und Schuhen kann man auf Baumwolle und Leder zurückgreifen. Anstatt Plastikflaschen nimmt man in Zukunft Glasflaschen, beim Einkaufen ein Papiersackerl. Dazu ist Bewusstseinsveränderung nötig. Immer noch. Einen Versuch wäre es vielleicht dennoch einmal wert. Um die Umwelt zu schonen. Richtiges Recyceln, damit Kunststoffabfälle wiederverwertet werden können, ist natürlich auch ein guter Weg. SUSANNE HUBER Das war ein gutes erstes halbes Jahr, seit aus dem hierzulande den meisten unbekannten Jorge Mario Bergoglio Papst Franziskus geworden ist. Eine kaum mehr erhoffte Offenheit ist in die Kirche eingekehrt. Auch wenn sich Franziskus – wie Kardinal Kurt Koch meinte – in seinen theologischen Aussagen von seinem Vorgänger gar nicht so sehr unterscheidet, so entstand doch eines neues, hoffnungsvolles Klima. So empfinden es viele: Nicht die Kommandobrücke ist der Platz, von dem aus er agiert, sondern die Mitte des Volkes. Wenn sein neuer Staatssekretär Pietro Parolin das Zölibatsgesetz nicht als Tabu betrachtet, sondern vom Priestermangel als einem Problem spricht, das Lösungen braucht, so ist damit ein Damm gebrochen. Es ist gut, wenn Christinnen und Christen sich mit ihren Sorgen zu Wort melden. Die Welt mit ihren gewaltigen Spannungen braucht Christen, denen mehr am Wohl der Menschen gelegen ist, als dass sie sich von der Angst um eine Verletzung der Kirchendisziplin leiten lassen. Zugunsten des Nächsten darf man viel riskieren. Mit der Öffnung allein ist nur eine Tür aufgestoßen – durch die man auch gehen muss. Was hilft eine offene Kirche, wenn die Menschen ihre Herzen verschlossen halten? MATTHÄUS FELLINGER REDAKTEUR MATTHAEUS.FELLINGER@ KIRCHENZEITUNG.AT KOPF DER WOCHE: KLAUS SAMBOR, RUNDER TISCH GRUNDEINKOMMEN Für ein sozialeres Europa Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist „ein Menschenrecht“, sagt Klaus Sambor. Seit vielen Jahren macht sich der Attac-Mitarbeiter für ein sozialeres Europa stark und koordiniert die Europäische Bürgerinitiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“. SUSANNE HUBER KLAUS SAMBOR T-Shirts, Turnschuhe, FlipFlops, Teigschüsseln, Wasserkocher, Kugelschreiber, Getränkeflaschen, Zahnbürste, Duschgel, Schnuller, Luftmatratze, Handy, Auto, et cetera, et cetera. All diese Produkte haben eines gemeinsam: sie sind oder bestehen zu einem mehr oder weniger großen Anteil aus Plastik. Der Dokumentarfilm „Plastic Planet“ des österreichischen Regisseurs Werner Boote, der bereits 2009 in die Kinos kam, wurde erst unlängst wieder im Fernsehen ausgestrahlt und hat daran erinnert, wie stark verbreitet Plastik bzw. Kunststoff weltweit ist und welche Gefahren sich dahinter verbergen, betrachtet man alleine die enormen Mengen an anfallendem Plastikmüll. Tiroler Sonntag Es ist viel zu tun in diesen Tagen. In der Internationalen Woche des Grundeinkommens (16.–22. 9.) wird auch in ganz Österreich bei verschiedenen Veranstaltungen für das bedingungslose Grundeinkommen geworben. „Es handelt sich um ein existenzsicherndes Einkommen für alle Menschen; dafür ist es nicht notwendig, einer Erwerbsarbeit nachzuge„Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein wesentlicher Baustein zur Änderung der Gesellschaft. Es führt dazu, dass die Menschen frei werden zum Denken und zum Handeln.“ KLAUS SAMBOR hen, denn der Mensch hat generell ein Recht auf ein Leben in Würde und Sicherheit“, so Klaus Sambor. Zentrales Thema in dieser Woche ist die Bürgerinitiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“, für die insgesamt eine Million Unterschriften gesammelt werden. Bereits im Vorfeld hat der Attac-Mitarbeiter mit viel Enthusiasmus zwischen all den Gruppierungen, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintreten (darunter die Katholische Sozialakademie Österreichs), Koordinationsarbeit geleistet. „Wir wollen, dass diese EU-Bürgerinitiative in Schwung kommt.“ Gesellschaftspolitik. Bis zu seiner Pensionierung vor 11 Jahren war Klaus Sambor im Forschungsbereich der Telekom Austria voll eingespannt. Sein Leben war zum Großteil bestimmt von Technik. Als Pensionist hat er sich eines Tages auf Anregung seiner Frau mit den Inhalten des G-8-Gipfels und des gleichzeitig dazu stattfindenden Alternativgipfels beschäftigt. „Ich hab die Papiere verglichen und war überzeugt, dass das, was auf der Welt geschieht, ein Wahnsinn ist“, so der 76-Jährige. Das gesellschaftspolitische Interesse war geweckt. Gemeinsam mit seiner Frau hat er zunächst begonnen bei ESD zu arbeiten, einer Organisation im Bereich europäische nachhaltige Entwicklung. Seit 2004 ist er bei Attac Österreich u. a. für die Inhaltsgruppe Grundeinkommen verantwortlich. (Siehe Seite 12) Tiroler Sonntag Im Gespräch 3 19. September 2013 REUTERS Fernbleiben von der Wahl schiebt die Verantwortung auf andere ab, meint Univ.-Prof. Wolfgang Palaver. Grundforderung Geschwisterlichkeit Aus der Sicht der katholischen Soziallehre drängt sich angesichts der kommenden Nationalratswahl vor allem die Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts auf. Mit der Ausübung dieses Rechts beteiligen wir uns an der politischen Gestaltung unserer Gesellschaft. Passives Fernbleiben schiebt dagegen die Verantwortung auf andere ab. WOLFGANG PALAVER Konkrete Wahlempfehlungen verlautbart die katholische Kirche heute keine mehr. Diese offenere Haltung zu den politischen Parteien gehört zu den positiven Errungenschaften einer Kirche, die sich nach dem Konzil zunehmend aus ihrer Verklammerung mit dem Staat oder bestimmten politischen Parteien befreit hat. Wichtige Grundhaltungen. Die Kirche setzt sich aber für wichtige Grundhaltungen im Bereich der Politik ein. Besonders betont sie heute die Geschwisterlichkeit (früher Brüderlichkeit), die neben Freiheit und Gleichheit zu den drei Grundforderungen moderner Demokratie zählt, aber bisher noch zu sehr im Schatten der beiden anderen stand. Papst Franziskus hat sie ins Zentrum seiner Botschaft für den kommenden Weltfriedenstag gestellt: „Geschwisterlichkeit: Grundlage und Weg für den Frieden“. In seiner Vorankündigung verweist er auf die Armen und Bedürftigen, die oft nur als Hindernisse und nicht als Geschwister gesehen werden, um mit ihnen unsere Güter zu teilen. Die Haltung der Geschwisterlichkeit umfasst alle Menschen. An die Stelle der globalen Gleichgültigkeit soll nach Papst Franziskus die „Globalisierung der Geschwisterlichkeit“ treten. Dieses Prinzip betreffe alle Lebensbereiche, insbesondere auch die Politik. Einheit zwischen allen Menschen. Die von Gott geschenkte Gabe der Geschwisterlichkeit überschreitet herkömmliche Formen von politischer Solidarität. Sie beschränkt sich nicht auf die Sorge um die eigene Gruppe oder die eigene Interessensgemeinschaft. Auch eine bloße Beschränkung auf „Österreicher“ widerspricht ihr. Geschwisterlichkeit zielt auf die Stärkung der Einheit zwischen allen Menschen und auf die Sorge für jene Menschen, die am notwendigsten unsere Hilfe brauchen. Welche konkreten politischen Folgerungen lassen sich für die Geschwisterlichkeit nennen? Geschwisterlichkeit kann sich z. B. darin zeigen, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund an wählbarer Stelle gereiht sind, damit sie am politischen Leben teilnehmen können. Auch die Solidarität mit Asylsuchenden gehört zur gelebten Geschwisterlichkeit. Sie übersteigt die Grenzen Österreichs und zielt auf ein solidarisches Europa, ohne aber an dessen Grenzen Halt zu machen. Gerade am Rande Europas stoßen wir nämlich wiederum auf die schrecklichen Folgen jener globalen Gleichgültigkeit, vor der der Papst vor kurzem auf der durch ihre Flüchtlingsdramen bekannt gewordenen Insel Lampedusa warnte. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver ist Sozialethiker und Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck PRIVAT Die Geschwisterlichkeit stärken. Alle politischen Parteien sind heute dazu aufgerufen, die Geschwisterlichkeit in unserer Welt zu stärken. Damit sie dazu aber die Kraft haben, brauchen sie geschwisterliche Menschen als Mitglieder und Wähler. Ich wünsche mir kirchliche Gemeinden und Gemeinschaften, die der Politik hier vorbildhaft voraus gehen. Keine Politik der Gönner Es ist auffällig, dass viele Gesetze in der Weise konzipiert sind, dass durch verschiedene Klauseln die Rechte für bestimmte Gruppierungen (z. B. Migrant/innen) nicht zum Tragen kommen. Für mich stellt sich die Frage, wo und wie weit werden Angehörige von Minderheiten bei Gesetzesentwürfen, Programmen etc., die sie betreffen, einbezogen. – Durften sie auch mitarbeiten, gerade dann, wenn ihre Wünsche und Anliegen nicht jenen der Mehrheitsbevölkerung entsprechen oder werden manche geködert, um ein „gutes“ Bild zu machen? Immer wieder gibt es Mängel bei der Umsetzung, Durchführung und Kontrolle (wie z. B. beim Anti-Diskriminierungsgesetz). Ich wünsche mir, dass Minderheiten ernster genommen werden in der Mitbestimmung und in ihrer Kritik – nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Tun. DOMINIK TOPLEK, DIÖZESANJUGENDSEELSORGER, FELDKIRCH Was will die Jugend? Ich frage mich, welche Themen bzw. welche Fragen Jugendliche haben, die der Wahlkampf noch nicht diskutiert hat. Und stelle mit Erschrecken fest, dass auch ich kaum etwas von der Jugend und ihren politischen Anliegen weiß. Warum ist das so? Ich hege den Verdacht, dass Jugendliche wenig bis gar nicht gefragt werden, sondern es wird von den Parteien vermutet, was sie für ihr Wohl in der Zukunft brauchen könnten. In Zukunft sollte es keine Politik der Gönner geben, sondern eine Politik, deren ernsthaftes Anliegen es ist, „Minderheiten“ – viele sind Randgruppen – in die Mitte zu holen. Für sie MONIKA SCHEWEK, Sprachrohr zu sein REFERENTIN FÜR ROMAist wichtig, jedoch PASTORAL, EISENSTADT nicht, um sie in „Formen“ zu pressen, wie wir es uns wünschen. Großes Beispiel ist Papst Franziskus, der dort hingeht und hinsieht, wo längst schon alle wegsehen, der aufmerksam macht, dass es um die Würde und den Wert jedes Menschen geht. Papst Franziskus, der versucht zu leben, was er predigt. – Das wünsche ich mir auch von unseren Politiker/innen. Und ich lese von der guten Idee, „Demokratie 2.0“ zu entwickeln, eine interaktive Plattform, welche es der Politik ermöglicht, über die Interessen der Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Wonach orientiert sich ein 16-Jähriger, der zur Wahl gehen möchte? Wälzt er sich durch die Programme der Parteien und schaut, wo er mit seinen Fragen vorkommt? Ich befürchte, er wird in An- oder Ablehnung zu seinen Eltern die Wahl treffen, nur wenige machen sich die Mühe, sich Klarheit zu verschaffen. Einige Jugendliche haben Glück, gute Lehrer zu haben, die helfen, sich eine Meinung bilden zu können. Ich vermisse gute Begleiter der Jugendlichen, die verständlich und mit viel Wissen die Vorgänge und Themen der Politik vor Augen führen. Politik sollte für entsprechende Politikexperten sorgen. Wandel und Verlässlichkeit Vor einiger Zeit habe ich von Mag. Rudolf Schipfer vom Österreichischen Institut für Familienforschung den ungewöhnlichen Begriff „Dislocierte Bohnenstangenfamilie“ gehört. Bohnenstangen stützen rankende Pflanzen. Familien wachsen heute oft 4 bis 5 Generationen in die Länge. In einer Generation gibt es aber im Gegensatz zu früher viel weniger Personen. Es gibt weniger Geschwister, Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins, mit denen mehr oder weniger eng zusammengelebt wird. Heute wohnen viele Menschen allein oder in vielfältigen Teilfamilien an verschiedenen Orten. Zur Wahl: Was ist im Wahlkampf offen geblieben? Wofür sollen sich die Parteien öffnen? Das fragten wir Vertreter/innen aus den Diözesen Eisenstadt, Feldkirch, Linz und Innsbruck (Kirchenzeitung-Kooperation). ERNST GANSINGER Was kostet der Mensch? Bisweilen scheint es, dass sich das Werbelogo „kost' fast nix!“ auch auf den Menschen bezieht. Dabei wird vergessen, dass der arbeitende Mensch auch letztes und höchstes Ziel der Wirtschaft ist. Das christliche Gottes- und Menschenbild gibt uns zu bedenken, dass Forderungen nach wirtschaftlichem Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Flexibilisierung der Arbeitszeit ohne Blick auf den Menschen zur gesellschaftlichen Farce werden. König David betet im Psalm 8: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Der Psalmist beantwortet diese Frage ermutigend: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ PAUL F. RÖTTIG, DIAKON, UNIV.-LEHRER UND PERSONALBERATER Wirtschaftliches Wachstum, das den arbeitenden Menschen nicht wachsen lässt, Schaffung von Arbeitsplätzen, die den Menschen zum entseelten Roboter machen, und Flexibilisierung der Arbeitszeit, die den Flexibilisierungswunsch des „Brotverdieners“ missachtet, verletzt den Willen Gottes, sein geliebtes Geschöpf „Mensch“ für die Welt verantwortlich zu machen, über die er ihn als Herrscher eingesetzt hat. Der Mensch als Gottes Ebenbild ist unbezahlbar. Auch in Vorwahlzeiten. Familie ist sinnstiftender und verlässlicher Lebensraum mit gegenseitiger Fürsorge. Kinder, Frauen und Männer haben Bedürfnis nach Beziehung, Bindung, Sicherheit, Autonomie, Selbstverantwortung und Wachstum. Das heil(ig)e Familienbild Vater, Mutter, Kind entspricht kaum der Wirklichkeit. Welche Parteien setzen abseits dieses idealisierten Familienbildes wirksame Maßnahmen, die Benachteiligung von Kindern und Frauen zu verbessern und Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Einkommen und unbezahlter Arbeit zu beseitigen? Es braucht unterstützende Rahmenbedingungen, ökonomische, soziale und zeitliche Ressourcen, damit Menschen in unterschiedlichen Familienformen als verlässliche Gemeinschaft leben können. DIPL.-PÄD. ERIKA KIRCHWEGER, VORSITZENDE DER KATH. FRAUENBEWEGUNG IN OÖ Tiroler Sonntag Thema 5 19. September 2013 Vieles offen Die unsichtbare Partei Die Parteien suchen Mehrheiten. Die findet man naturgemäß in den Mittelschichten. Denn die Reichen können ihre Interessen recht gut selbst vertreten oder gründen eine eigene Partei. So locken die Plakate mit Erfolgen und allerlei Versprechungen. „Wahltag ist Zahltag“, hört man oft, und so dienen immer mehr Parteien als Sammelbecken des Protestes der Wähler gegen „die da oben“, die doch die Verwalter jener Macht sein sollen, die vom Volk ausgeht. Macht ist aber auch Verantwortung. Und so tragen wir alle, über das Kreuzchen bei der Wahl hinaus, Verantwortung für unsere Gesellschaft und jene Menschen, die am unteren Rand dieser Gesellschaft stehen. Niemand hat auf der Agenda seines Lebens „Armut“ als Ziel stehen. Auf den Wahlplakaten sind diese Menschen, deren Alltag aus der Suche nach Arbeit, leistbarem Wohnraum und Menschenwürde besteht, unsichtbar. Lösungen für ihre Probleme sind im Wahlkampf kaum ein Thema. Dennoch werden diese MAG. (FH) ALEXANDRA Themen die Zukunft entscheidend prägen. RIEGLER-KLINGER, Die Nächstenliebe richtet sich auf die ganze GESCHÄFTSFÜHRERIN Schöpfung und ist unser aller Auftrag. Auch CARITAS FÜR MENSCHEN über alle Wahltage hinaus. IN NOT, OÖ Verantwortung übernehmen? Tragen wir als Wähler/innen auch Verantwortung für die Armen in der Welt? Ist es wurscht, wenn Frauen bei der Geburt sterben, wenn Menschen um Wasser betteln müssen, wenn Kinder verhungern? Ist Ihnen die Verbesserung der Lebensbedingungen in den ärmsten Ländern auch ein Anliegen, wenn Sie Ihre Stimme zur Nationalratswahl abgeben? Ist grenzenlose Nächstenliebe auch in der Wahlkabine ein Thema? Für globale Armutsbekämpfung, humanitäre Hilfe und nachhaltige Entwicklung ist ausreichende Finanzierung Grundvoraussetzung. Die internationale Zielvorgabe liegt bei 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Österreich zählt hier zu den europäischen Schlusslichtern. Die Ideen zur Umsetzung der 0,7-Prozent-Vorgabe blieben bislang aus, die Regierung kürzte Entwicklungsgelder. In den Wahlprogrammen findet man allerdings von SPÖ und ÖVP ein klares Bekenntnis, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit zu verwenden (2012 waren es 0,28 Prozent). Konkrete Umsetzungspläne legen nur DIE GRÜNEN vor. – Will ich mit meiner Stimme globale Verantwortung übernehmen? ANDRÄ STIGGER, LEITER WELTHAUS INNSBRUCK X Zusammenschau der Wahlprogramme zum Thema EZA: www.koo.at DR. JUSSUF WINDISCHER, INNSBRUCK, GENERALSEKRETÄR PAX CHRISTI ÖSTERREICH DR. MICHAEL WILLAM, ETHIKCENTER, KATHOLISCHE KIRCHE VORARLBERG Frieden ernst nehmen Die Scheuklappen öffnen Abschreckend, wenn sich Politiker respektlos in Duellen untergriffig verhalten, wenn sie sehr viel versprechen und sich dem Wähler anbiedern. Abschreckend, wenn der Ton aggressiv wird, wenn Slogans gedroschen werden oder wenn christliche Grundwerte pervertiert werden. Wohltuend und offen, wenn man merkt, dass Politiker/innen und Parteien das Grundanliegen des „Friedens“ ernst nehmen. Es geht um unsere Zukunft: Wie äußert sich eine Partei zur Außen-und Friedenspolitik, wie engagieren sich unsere politischen Vertreter/innen, wenn es um nukleare und konventionelle Abrüstung geht? Wünschen wir uns nicht alle, dass die ökonomischen Interessen dem Friedensinteresse hintangestellt werden, dass Menschenrechte wichtiger sind als gute Geschäfte? Parteien sollen sich klar zu den Friedensdiensten äußern und diese auch ernsthaft fördern. Oder schwimmen wir im Strom von NATO oder der Außenpolitik von großen Nationen und vergessen dabei die Kraft des neutralen Österreichs. Österreich hat keine Atomkraftwerke. Nach Fukushima sind viele froh darüber. Offen wären wir für eine Politik, die sich für ein nuklearfreies Europa einsetzt, für ein Europa ohne nukleare Bedrohungen – egal woher sie kommt. Welche Partei empört sich, wenn, statt der angestrebten (vorgegebenen) 0,7% nur mehr 0,3% an öffentlichen Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werden? Viele Österreicher/innen schämen sich, wenn sich das reiche Österreich immer mehr aus der internationalen Solidarität zurückzieht! Österreich wählt einen neuen Nationalrat. Steuersystem, Wirtschaft, Bildung und die Sicherung der Pensionen zählen zu den zentralen Themen, die häufig angesprochen werden. Vergeblich wartet man als interessierter Wähler darauf, dass in einem der reichsten Länder der Welt der Blick über den eigenen Tellerrand gewagt wird. Vergeblich ist die Suche nach Themen wie z. B. der globalen Solidarität oder der Verantwortung für die Schöpfung. Wir kreisen um innenpolitische Streitigkeiten und vergessen dabei gänzlich, dass eine Milliarde Menschen an Hunger leidet. Kein Parteienvertreter bringt das Thema auf die Tagesordnung, dass wir in Österreich durch unser Konsumverhalten und unseren Lebensstil auf Kosten von Millionen von Menschen im Süden leben. Es besteht die Vermutung, dass sich mit diesem Thema keine Wahl gewinnen lässt. Ist dies wirklich der Fall? Denken denn wirklich die meisten Österreicherinnen und Österreicher nur an sich selbst und an ihr eigenes Hemd? Wo werden wir landen, wenn die Scheuklappen sich immer weiter schließen, die „Festung Österreich“ weiter ausgebaut wird und wir ökologisch weiter nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut“ leben? Wie wohltuend wäre eine Partei, welche diese Themen mit im Blick hätte: Beitrag Österreichs für die Friedensarbeit in Krisengebieten, aktive Solidarität mit den Ärmsten der Armen im Süden, Verantwortung für die Schöpfung für mehr globale Klimagerechtigkeit.