Predigt zu Apostelgeschichte 2, 1-18 von Pfarrer Helge Voigt Liebe Gemeinde, ich möchte mit Worten von Dorothee Sölle beginnen. Sie hat geschrieben: „Ich möchte hier einen Grund nennen, warum ich die Kirche brauche und ihre Tradition liebe. Sie ist ein Raum langfristiger Erinnerung der Geschichten vom möglichen Leben. Die Kirche stellt einen Raum dar, in dem solche Geschichten erzählt werden. Ich muss mich nicht nur auf meine Hoffnung verlassen, nicht nur meine Glaubenskraft stark machen. Über Tausend Jahre lang werden buchstäblich Tag für Tag in den Einrichtungen der Synagoge und dann der Kirche die Geschichten vom Geist Gottes erzählt, vom Charme der Gnade, vom Gott der Armen, von der Bergung des verlorenen Lebens. Es wird erzählt, dass die Weinenden lachen werden, dass Tyrannen gestürzt werden und dass die Lahmen einmal springen werden wie Hirsche. Es wird nicht verschwiegen, was dem Leben versprochen ist und wie es sein soll. Tag für Tag, Sonntag für Sonntag werden die Geschichten vom Zusammengehören, von der Geschwisterlichkeit erzählt. … Manchmal wird diese Geschwisterlichkeit im Raum der Kirche verdunkelt; die Hierarchie hat strukturell etwas Geschwisterfeindliches an sich. Aber es stehen immer wieder Menschen und Gruppen auf, die die alten Geschichten ausgraben und ans Licht zerren, vielleicht auch gegen die Kirche selber.“ (Dorothee Sölle: Den Rhythmus des Lebens spüren…, Freiburg 2003, S. 223-241) Geschichten vom Geist Gottes, vom Charme der Gnade, vom Leben wir feiern Pfingsten! Keiner könnte glauben ohne die Gegenwart Gottes durch seinen Geist. Unsere Kirchen würden zusammen fallen. Die Gemeinden eingehen. Ohne Geist würden wir in unserem eigenen kleinen Horizont gefangen sein. Ohne Geist würden unterschiedliche Menschen kei- nen Nenner finden. Ohne Geist wäre Jesus eine Person der Geschichte, vielleicht für Experten von Interesse, aber niemals für viele Leute. Der Heilige Geist - wichtig und unfassbar ist er wie der Wind, in dem Urkräfte stecken. Der Heilige Geist - wärmend ist er, tut dem Herzen gut und der Welt, denn er brennt wie Feuer im Gewissen. Der Heilige Geist - er lässt mich von Gott reden. Er lässt mich fragen, ob das überhaupt geht. Er lässt mich von Gott schwärmen. Er lässt mich mit Gott sperrig, kritisch sein. Er macht, dass verstanden wird. Verstehen braucht Verstand. Geschichten vom Geist Gottes, vom Charme der Gnade, vom Leben wir feiern Pfingsten! In der Apostelgeschichte haben wir vom Geist Gottes gehört, der auf die Freunde Jesu gekommen war. Es sind ganz klare Bilder, die den nicht greifbaren Heiligen Geist beschreiben: Ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen, kraftvollen Wind erfüllte das ganze Haus. Zungen, zerteilt wie von Feuer kamen über die Freundinnen und Freunde von Jesus. Sie redeten in anderen Sprachen - aber eben nicht irgendwas, sondern von den großen Taten Gottes. Und, was noch schöner ist - sie wurden verstanden! Da war Verstand. Es gab welche, die merkten, dass da etwas Faszinierendes geschah. Dass in vielen Muttersprachen die alten und die neuen Geschichten von Gott erzählt wurden, Visionen, Mahnungen, Hoffnungen! Und unüberbietbar, es wurde vom Leben gepredigt, dass stärker ist als der Tod! Einer der Jünger wird hier sogar mit Namen genannt. Es ist Petrus. Er hat ganz offenbar wieder zur Sprache gefunden. Petrus war ein einfacher Mann. Fischer. Kräftig. Geschickt. Ein Mann großer Worte und weitreichender Wünsche. Und dieser Petrus, eigentlich Simon, er erlebt die absolute Katastrophe während der Folterung Jesu. Da hat er nicht die Kraft für Jesus zu kämpfen oder selbst zu leiden. Da verrät er dessen Sache. Aber jetzt ist Petrus so weit. Er tritt offen für Jesus ein. Er verteidigt, was vom ihm gesagt wird, dass Jesus die Macht des Todes gebrochen hat. Und dass er von Gottes Gnade nicht nur erzählt hat, sondern sie praktizierte. Was hat Dorothee Sölle gesagt? „Über Tausend Jahre lang werden buchstäblich Tag für Tag in den Einrichtungen der Synagoge und dann der Kirche die Geschichten vom Geist Gottes erzählt, vom Charme der Gnade, vom Gott der Armen, von der Bergung des verlorenen Lebens. Es wird erzählt, dass die Weinenden lachen werden, dass Tyrannen gestürzt werden und dass die Lahmen einmal springen werden wie Hirsche. Es wird nicht verschwiegen, was dem Leben versprochen ist und wie es sein soll. Tag für Tag, Sonntag für Sonntag werden die Geschichten vom Zusammengehören, von der Geschwisterlichkeit erzählt.“ Erzählen wir sie nur? Oder lassen wir uns von ihnen bewegen? Die Person des Petrus zeigt mir, dass es nicht einfach ist zu unserem Gott zu stehen. Es wäre ja so schön… Und was hindert mich eigentlich daran vom Gott der Gerechtigkeit zu reden, vom Gott der Güte, vom Geistgeber, vom Gott der Liebe und des Friedens? Möge Gott uns den Mut des Petrus geben bei allem Zweifel und möge er uns starken Verstand geben und uns bewegen durch seinen Heiligen Geist. Amen.