Taufe Julian Kuhn und Trauung Dirk Kuhn und Marion Porzucek 22.6.2007 Goßfelden Liebes Ehepaar, liebe Familien, liebe Gemeinde, hören wir zuerst den Taufspruch für Julian aus dem Buch des Propheten Jesaja in Kapitel 54, 10: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.“ Ein Taufspruch wird über ein ganzes Leben gesetzt. Er gilt an allen starken Tagen, die in großem und ruhigem Selbstverständnis gelebt werden. Kinder leben oft so, die kleinen ganz besonders. Ihr Vertrauen ist ungebrochen, und wenn es ihnen dennoch irgendwie nicht gut geht, sind andere für sie da, Eltern, Paten, Großeltern, wer auch immer. Man könnte auch sagen: Kinder leben in einem Bund des Friedens. Sie erwarten, dass die Gnade nicht von ihnen weicht. Sie vertrauen darauf, dass immer jemand für sie da ist. Im Grunde haben sie keine andere Wahl, weil sie zu klein sind. Und wir Großen tun gut daran, ganz verlässlich da zu sein. Menschen, die etwas anderes tun, hat Jesus einmal einen Mühlstein an den Hals gewünscht, weil er wusste, um welchen Wert es bei einer Kinderseele geht. Andererseits machen alle Menschen früher oder später die Erfahrung, die Jesaja mit dem Bild des Erdbebens charakterisiert. Das, was so fest steht, was so vertrauensvoll erscheint, kann sehr wohl ins Wanken geraten. Berge weichen, Hügel fallen hin. Physiker vergleichen den so genannten festen Boden unter den Füßen, also unsere Erdkruste, mit der Haut auf der Tasse Kakao. Wie schnell kann das Feste labil werden! Wie leicht lassen sich Dinge erschüttern! Auch das gehört ja zu den zukünftigen Einsichten eines Menschen hinzu. Und ich halte es für notwendig, dass die Erwachsenen in diese Wahrheit einführen. Es ist nicht Aufgabe christlicher Erziehung, Illusionen zu vermitteln. Die Vorläufigkeit und auch die Hinfälligkeit unserer Natur werden auch von Kindern erlebt. Und es spricht ja nichts dagegen, dass ein Kind seine Eltern auch wankend und weichend erfährt, eben nicht so felsenfest und hundertprozentig, wie manche glauben wirken zu müssen. Jesaja zieht das alles in Betracht, alles, was da im Leben hineingehören mag an sich auflösenden festen Gewohnheiten und Strukturen und Gewissheiten. Von Gott hat er aber etwas anzusagen, was dieses nicht einfach übersteigt oder was eine heile Welt des Glaubens wäre oder eine Sonderwelt von Sonntag und Gebet. Die Zusagen Gottes sind unverbrüchlich. Und sie gelten gerade uns, die wir nicht ewig sind, auch in allem, was uns bewegt und angeht und umtreibt nicht. „Meine Gnade soll nicht von dir weichen“, also von dir flüchtigem und vorläufigem Menschen. Und was da nicht weichen soll, ist die Gnade. Das ist nicht das Gesetz, etwa das Gesetz und alle Regeln, an die wir uns leicht klammern, wenn etwas im Leben labil wird. Sonder es ist die Gnade, die nicht weichen soll. Und es ist der Bund des Friedens, der nicht hinfallen soll. Was für eine Gewähr gewinnt unser Leben, da wir das glauben, da wir darauf vertrauen! Und welche Lebensart umspielt ein Kind, das nicht nur zwangsläufig auch die Erschütterungen des Lebens kennen lernt, und die merken Kinder ja in besonders sensibler Weise, sondern das auch an seinen Eltern und den anderen, die es umgeben, lernen kann, dass es ein größeres Vertrauen gibt, dass es eine Gnade und einen Frieden gibt, der nicht fällt, dass Gott in seinem Leben ist, der treu ist. Welche Freiheit kann es erleben, wenn die Erwachsenen nicht mit Zwängen und Beton auf die Ungewissheiten reagieren, sondern derer ganz bewusst, auch in sich selbst, den Glauben vorleben, den Frieden, der höher ist als alle Vernunft, das Vertrauen in Gottes Gnade und Treue. Ich denken, das gibt nicht nur eine schöne Kindheit, sondern auch das notwendige Rüstzeug für die Zukunft. Darum geht es auch in den Worten des Trauspruches aus dem Kolosserbrief 3,12-15, den ich vorlese: 12 So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. Auch in diesen Worten geht es um die Oberfläche, jedoch nicht in labilen Bildern wie Bergen und Hügeln, denken Sie an die Tasse Kakao. Was hier über das Leben gelegt werden soll, was es zeigen und was es schmücken soll, das sind Dinge aus Gottes ewiger und unverbrüchlicher Welt. Sie sollen sie anziehen und tragen wie man ein Gewand anzieht und trägt, etwa am Hochzeitstag. Paulus beschreibt zuerst die Träger von Gottes schönen Kleidern, als die wir uns ebenfalls verstehen dürfen. Sie sind Auserwählte Gottes, also nicht selbst gemachte oder selbst soweit gekommen oder selbst so tolle. Gottes Wahl ist ein Bekenntnis zu uns Menschen. Und es ist immer ein besonderes Gefühl, der oder die Auserwählte zu sein, für Sie als Paar gilt das ja heute auch wie an allen Tagen. Wen Gott auserwählt, der ist immer ein Heiliger. Denn heilig heißt zu Gott gehörig, und das nimmt niemand wieder weg. Es ist kein menschliches Können, und es kann auch niemand einen Menschen für heilig erklären als Gott alleine. Auserwählt und heilig, und zwar aus Liebe, als „die Geliebten“, aus diesem inneren Kern gilt es das Äußere zu gestalten. Mit dem Bild der Kleidung verbindet Paulus alles, was an christlichen Tugenden Rang und Namen hat: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Sanftmut, Demut, Geduld, Vergebung, vollkommene Liebe, Frieden im Herzen, Dankbarkeit. Es steht also nicht zu befürchten, dass es Ihnen in der Ehe langweilig werden wird. Aber dafür wird auch Julian sorgen, und Sie beide selber. Dabei wäre es zu wenig, die beschriebenen Eigenschaften als Äußerlichkeiten anzusehen. Am Äußeren lässt sich eben auch das Innere ablesen, die Treue zueinander, die Aufrichtigkeit voreinander, das Vertrauen ineinander. Sie haben die vergangenen Jahre genutzt, um sich gut kennen zu lernen. Kennen tun Sie sich ja schon viel länger als die vier Jahre, die Sie zusammen sind. Und bestimmt sind viele Beobachtungen dem Entschluss zur Freundschaft und zur Heirat vorausgegangen. Gut, dass Sie die Einsicht gewonnen haben, dem richtigen Menschen begegnet zu sein. Die Freude aneinander spürt man Ihnen wirklich ab, und so wird es auch bleiben, wenn man ganz für sich selbst Gottes Berufung im Herzen trägt und pflegt. Auserwählt, heilig, geliebt, das gilt mir, das gilt immer auch dem anderen, das bestimmt unsere Beziehung. Dem Gestalt zu geben ist dann weniger eine Aufgabe als vielmehr eine Freude. Das wünsche ich Ihnen für Ihre Ehe und Ihre Familie: die Freude im Herzen, die auch in wechselnden Erfahrungen bleibt. Gottes Gnade ist jeden Morgen neu. Er segne Sie und Ihr Kind an jedem Tag. Amen.