Möglichkeiten zur politischen Partizipation in der Bundesrepublik

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SIE HABEN DIE WAHL Arbeitsheft zur EKM-Kampagne 2013
Demokratie/Mitbestimmung
Möglichkeiten zur politischen Partizipation in der Bundesrepublik
André Poppowitsch
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt
und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Artikel 20 (2) Grundgesetz (GG)
In der Bundesrepublik geht alle Macht vom Volke aus. Ernüchternd scheint jedoch,
dass die Teilnahme an Wahlen – sowohl als Kandidat als auch als Wähler – im ersten Augenblick als einzige Möglichkeit existiert, an der Willensbildung mitzuwirken.
Die eigentliche Arbeit der Willensbildung und Entscheidungsfindung wird dann von
den gewählten politischen Repräsentanten ausgeübt. Zweifelsohne sind Wahlen
ein überaus wichtiges Element in Demokratien, um politische Institutionen und
ihre Arbeit zu legitimieren. Neben diesem Instrument stehen in der Bundesrepublik
jedoch eine Reihe weiterer formeller und informeller Möglichkeiten zur politischen
Partizipation zur Verfügung, durch die die Bürger aktiv an Prozessen der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung teilhaben können.
Nachfolgend soll auf drei wesentliche Bereiche eingegangen werden: die Mitwirkung in der repräsentativen Demokratie durch die Teilnahme an Wahlen, die formale und damit verbindliche Nutzung direkt-demokratischer Elemente sowie das
unverbindliche Mitwirken in Parteien, Interessenverbänden oder Initiativen und die
Nutzung von eher unverbindlichen Instrumenten.
Wahlen
Wahlen sind ein Kernelement der Demokratie. Sie sind die direkte Möglichkeit politischer Beteiligung und Einflussnahme. Zudem sind Wahlen ein entscheidendes Kontrollmittel in Demokratien: Sie geben den Wählern die Möglichkeit, die Zusammensetzung von Gemeinderäten, Kreistagen, Landesparlamenten sowie von Bundestag
und Europäischem Parlament zu beeinflussen. Damit besteht in der Bundesrepublik für die Wähler zumindest mittelbar die Möglichkeit, einen Regierungswechsel
herbeizuführen. Schließlich werden auf der Länder- und der Bundesebene Ministerpräsidenten und Bundeskanzler wiederum durch die jeweilige Parlamentsmehrheit gewählt. Auf der kommunalen Ebene besteht in den vier zur EKM gehörenden
Bundesländern darüber hinaus die Möglichkeit Bürgermeister, Oberbürgermeister
und Landräte direkt zu wählen. Für eine Mehrheit der Bürger ist die Teilnahme an
Wahlen auch die einzige regelmäßige Beteiligung am politischen Prozess.
Allgemein, direkt, frei, gleich und geheim sollen Wahlen in der Bundesrepublik
sein. Dies legen die Artikel 28 und 38 des Grundgesetzes (GG) für alle Ebenen der
Volksvertretungen fest. Die Legislaturperioden auf kommunaler und Landesebene
sowie das Alter des aktiven Wahlrechts variieren dabei zwischen den einzelnen
Bundesländern.
a) Kommunalwahlen
Die Regelungen zu den Kommunalwahlen in den vier Bundesländern, zu denen
die EKM gehört, sind recht ähnlich. Die Legislaturperioden der Gemeinderäte bzw.
Kreistage belaufen sich auf fünf Jahre. Gewählt wird nach Verhältniswahlrecht mit
offenen Listen. „Offene Listen“ bedeutet in diesem Kontext, dass die Wähler nicht
über Kandidatenlisten als Gesamtvorschlag abstimmen. Vielmehr haben sie jeweils
drei Stimmen zur Verfügung, die sie kumulieren (auf einen Kandidaten vereinen)
und panaschieren (auf bis zu drei Kandidaten verteilen) können. Sperrklauseln
existieren bei den Kommunalwahlen in den vier Bundesländern nicht. Lediglich hinsichtlich des Wahlalters existieren Unterschiede: Während das passive Wahlalter
(das Alter, in dem man für ein Amt kandidieren kann) in den vier Bundesländern bei
18 Jahren liegt, liegt das aktive Wahlalter in Sachsen-Anhalt und Brandenburg bei
16 Jahren, in Thüringen und Sachsen bei 18 Jahren.
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Neben dem Verhältniswahlrecht, das bei den Wahlen der Gemeinderäte und Kreistage angewandt wird, sind die Wahlen von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern
und Landräten durch die Persönlichkeitswahl gekennzeichnet. Der Wähler hat eine
Stimme, die er einem der Kandidaten geben kann. Gewählt ist der Kandidat, der
mindestens 50 % der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinen kann. Erzielt kein Kandidat diese Mehrheit, wird eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen notwendig.
b) Landtags- und Bundestagswahlen
Die Wahlen zu den Landtagen erfolgen in den vier Bundesländern in gleicher Weise.
Die Legislaturperiode der vier Landesparlamente dauert 5 Jahre. Gewählt wird nach
dem personalisierten Verhältniswahlrecht. Jeder Wähler hat zwei Stimmen. Die Erststimme kann er einem Direktkandidaten in seinem Wahlkreis geben, der Kandidat
mit den meisten Stimmen zieht in den Landtag ein. Die Zweitstimme vergibt der Wähler an eine Partei, die zur Landtagswahl antritt. Die Parteien erstellen dazu geschlossene Listen, auf denen die Reihenfolge der Kandidaten festgelegt ist. Die Wähler
können nicht einzelne Kandidaten auf den Listen ankreuzen, sondern ihre Stimme
lediglich der Partei und damit der Liste als Gesamtvorschlag geben. Die Zweitstimme − also die Stimmen, die eine Partei insgesamt bei einer Wahl erzielt – entscheidet über die Zusammensetzung des Landtages. In den vier Bundesländern existiert
eine Sperrklausel von 5%, das heißt nur Parteien, die mehr als 5% der Zweitstimmen
erhalten, ziehen in die Landtage ein. Das aktive und passive Wahlalter liegt bei 18
Jahren, lediglich in Brandenburg liegt das aktive Wahlalter bei 16 Jahren.
Die Bundestagswahl verhält sich analog zu den Landtagswahlen, wobei das aktive
und passive Wahlalter deutschlandweit bei 18 Jahren liegt. Auch auf Bundesebene
existiert die 5%-Hürde, jedoch gilt diese nicht, wenn eine Partei mindestens drei
Direktmandate erringen konnte. Im Gegensatz zu den Länderparlamenten dauert
eine Legislaturperiode beim Bundestag vier Jahre.
c) Europawahlen
Alle fünf Jahre haben die Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Mitgliedsstaaten
die Möglichkeit, das Europäische Parlament zu wählen. Damit können sie über die
Zusammensetzung der einzigen direkt durch das Volk legitimierten Institution der
EU mitbestimmen. Im Vorfeld dieser Wahl erstellen die antretenden (nationalen)
Parteien Kandidatenlisten, die die Wähler mit einer Stimme insgesamt bestätigen
können.
Die Kompetenzen des Europäischen Parlamentes wurden in den vergangenen Jahren stetig erweitert. Das Europäische Parlament ist an Beratungen über Vorlagen
der meisten Politikfelder in Europa beteiligt. Analysiert man die Wahlbeteiligungen
zum Europäischen Parlament und die Wahlkämpfe der nationalen Parteien in den
einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, stellt man leider fest, dass den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht die Bedeutung beigemessen werden, die sie eigentlich
verdienen.
Die Nutzung von direkt-demokratischen Elementen
a) Bundesebene
Die Bundesrepublik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst als repräsentative
Demokratie angelegt, in der die politische Willensbildung maßgeblich von den gewählten Volksvertretern gestaltet wird. Aus den Erfahrungen der Weimarer Republik
wurden im Grundgesetz direkt-demokratische Elemente außen vor gelassen. Eine
Ausnahme bildet jedoch der Artikel 29 des Grundgesetzes, nach dem Volksentscheide bei der Neuordnung von Bundesländern vorgesehen sind.
Hingegen existieren auf der Länder- und auf der kommunalen Ebene für die Bürger
die Möglichkeiten, durch Volksbegehren und Volksentscheide (Länder) bzw. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide (Kommunen) verbindlich an der politischen
Willensbildung mitzuwirken. Durch diese Instrumente können Abstimmungen über
Sachthemen herbeigeführt werden.
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b) Länderebene
In den Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg können die
Bürgerinnen und Bürger direkt-demokratische Elemente nutzen, um eigene Gesetzesvorschläge einzubringen oder bestehende Gesetze zu ändern. Das Verfahren ist
dreistufig:
•Volksantrag bzw. –initiative
•Volksbegehren
•Volksentscheid.
In der Thüringer Landesverfassung ist die Beantragung eines Volksbegehrens als
erste Stufe des Verfahrens vorgesehen. In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg haben die Initiatoren eines Volksantrages/einer Volksinitiative die Möglichkeit, Themen in die Landtage einzubringen. Die Parlamente müssen sich damit
beschäftigen. Stimmen die Landtage den Volksanträgen nicht bzw. in nicht unveränderter Form zu, können daraus Volksbegehren entstehen.
LANDESEBENE
1. Stufe
Bundesland
Brandenburg
Sachsen
SachsenAnhalt
Thüringen
Negativkatalog
Landeshaushalt,
Dienst- & Versorgungsbezüge, Abgaben, Personalentscheidungen
Volksinitiative: zu
Gegenständen politischer Willensbildung,
Gesetzen, Auflösung
des Landtages
Quorum: 20.000 Unterschriften / 150.000
Unterschriften bei Auflösung des Landtages
Abgaben-,
Besoldungs- und
Haushaltsgesetze
Volksantrag: mit
Begründung versehener
Gesetzentwurf muss
beigefügt sein
Quorum: 40.000
Unterschriften
Haushaltsgesetze,
Volksinitiative: zu
Abgabengesetze,
Gegenständen politiBesoldungsregelungen scher Willensbildung,
Gesetzen
Quorum: 30.000
Unterschriften
Landeshaushalt,
Dienst- & Versorgungsbezüge, Abgaben, Personalentscheidungen
Antrag auf VB:
5.000 Unterschriften
2. Stufe
Volksbegehren (VB)
3. Stufe
Volksentscheid (VE)
Unterschriften
Eintragungsfrist
Amt (A), frei (f )
Zustimmungsquorum einfaches Gesetz
Zustimmungsquorum verf.
änd. Gesetz
ca. 4%
4 Monate (A)
25 %
50% + 2/3
Mehrheit
ca. 12 %
8 Monate (F)
kein Quorum
11 %
6 Monate (F)
10% (F)
8% (A)
4 Monate (F)
2 Monate (A)
In der ersten Stufe des Verfahrens wird das Begehren beim Landtagspräsidenten
beantragt. Dabei sind bestimmte Themen durch sogenannte „Negativ-Kataloge“
in den Landesverfassungen von vorn herein ausgeschlossen. Zum anderen sind in
der ersten Phase „Quoren“ zu erfüllen, d.h. es muss eine bestimmte Zahl an Unterstützerunterschriften eingereicht werden. In der Regel müssen die Initiatoren eines
Volksbegehrens schon ausformulierte Gesetzesentwürfe bei der Beantragung vorlegen, lediglich in Brandenburg ist dies nicht notwendig. Mit dem Antrag auf ein
Volksbegehren ist eine erste wichtige Hürde zu nehmen: die präventive Normenkontrolle. Diese Prüfung beinhaltet, dass Landesregierung und Landtage bei Zweifeln
zur Zulässigkeit des Antrags die Verfassungsgerichte der Länder anrufen können.
50%
25%
entfällt, wenn
Landtag eigenen Gesetzentwurf vorlegt
50% + 2/3
Mehrheit
25 %
40%
Stufen und Quoren direkt-
demokratischer Verfahren
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Diese entscheiden schließlich über die Zulässigkeit eines Antrages auf ein Volksbegehren. Ist der Antrag zulässig, wird ein Volksbegehren auf den Weg gebracht.
In der zweiten Stufe sind ebenfalls bestimmte Quoren an Unterstützerunterschriften zu erreichen. Der Gesetzgeber schreibt gewisse Fristen vor, in denen die Unterschriften zu sammeln sind. Zu unterscheiden ist hier zwischen der „amtlichen
Sammlung“, also dem Sammeln von Unterschriften in amtlichen Räumen, und der
„freien Sammlung“, d.h. der Sammlung auf Straßen und Plätzen. Ist ein Volksbegehren erfolgreich, müssen die Landtage darüber beraten. In dieser zweiten Stufe gewinnt ein Volksbegehren seine Legitimation. Durch das Sammeln von Unterschriften und das Erreichen der Quoren wird verdeutlicht, dass das Anliegen des
Volksbegehrens relevant genug ist, um der gesamten Bevölkerung in einem Volksentscheid vorgelegt zu werden.
Stimmen die Landtage einem Volksbegehren nicht zu, kommt es in der dritten Stufe zum Volksentscheid. Dabei haben Volksentscheide die gleiche Verbindlichkeit
wie Parlamentsentscheidungen. Entsprechend hoch sind die Zustimmungsquoren
für einen erfolgreichen Volksentscheid. Natürlich können die Landtage bei einem
Volksentscheid auch einen eigenen Gesetzesentwurf – neben dem Entwurf der Initiatoren – zur Abstimmung stellen.
c) Kommunale Ebene
In ähnlicher Weise haben die Bürger in Städten und Gemeinden die Möglichkeit
über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide politische Sachthemen auf die Agenda
zu bringen oder sie zu beeinflussen. Die Ergebnisse von Bürgerentscheiden sind
ebenso verbindlich und müssen wie Beschlüsse der Gemeinderäte umgesetzt werden.
KOMMUNALE EBENE
2. Stufe
Bürgerentscheid
(Zustimmungsquorum)
Frist bei BB gegen
GR-Beschlüsse
Brandenburg
eng gefasst
8 Wochen
10 %
keine Frist
25 %
Sachsen
weit gefasst
2 Monate
5% - 15 %
keine Frist
25 %
SachsenAnhalt
eng gefasst
6 Wochen
6% - 15 %
keine Frist
25 %
Thüringen
weit gefasst
4 Wochen
7% (6% bei
Amtseintrag)
4 Monate (F) /
2 Monate (A)
10 - 20 %
Stufen und Quoren direkt-
demokratischer Verfahren
Mehr Demokratie e.V.
... ist ein überparteilicher,
gemeinnütziger Verein mit
dem Ziel, direkte Mitbestimmung zu fördern und
auszubauen.
www.mehr-demokratie.de
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1. Stufe
Bürgerbegehren
(Unterschriftenquorum)
Themenvielfalt
Die Regelungen zu Bürgerbegehren und -entscheiden sind in den einzelnen Bundesländern recht unterschiedlich und werden in den Kommunalordnungen entsprechend geregelt. Das Verfahren der direkt-demokratischen Elemente ist auf der
kommunalen Ebene zweistufig:
•Beantragung / Durchführung des Bürgerbegehrens
•Bürgerentscheid nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren.
Lediglich in Thüringen ist das Verfahren dreistufig, der Antrag zum Bürgerbegehren
stellt die erste Stufe des Prozesses dar.
Auch in den Kommunalordnungen sind unter Umständen Negativkataloge zu Themen erarbeitet, die von Bürgerbegehren ausgeschlossen sind. Ebenso sind bestimmte Quoren zu erzielen, damit Bürgerbegehren und -entscheide erfolgreich
sind.
Mehr Informationen zu der Nutzung von direkt-demokratischen Elementen finden
Sie auf der Internetpräsenz von Mehr Demokratie e.V., einem überparteilichen und
gemeinnützigen Verein, der das Ziel verfolgt, die Möglichkeiten direkter Mitbestimmung für Bürgerinnen und Bürger zu fördern und auszubauen.
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Informelle Möglichkeiten der Einflussnahme
Neben den verbindlichen Möglichkeiten der politischen Partizipation steht eine
Bandbreite an informellen Einflussmöglichkeiten zur Verfügung. An erster Stelle sei
das Engagement in politischen Parteien bzw. Initiativen, Vereinen sowie Interessenverbänden genannt.
Im politischen System der Bundesrepublik Deutschland nehmen Parteien eine
wichtige Rolle im politischen Meinungsbildungsprozess ein. Diese wird im Artikel
21 GG festgelegt. Parteien wirken demnach an der politischen Willensbildung des
Volkes mit und dienen als wichtigstes Instrument zur Bündelung und Vermittlung
politischer Ziele von Einzelpersonen und Gruppen. Jedem Bürger steht es frei, eine
Partei zu gründen, solange diese ihren Zielen nach die freiheitliche demokratische
Grundordnung respektiert. Der bereits erwähnte Artikel 21 GG verpflichtet die Parteien zur Einhaltung einer innerparteilichen Demokratie. Ihre Mitglieder müssen
durch Wahlen zu den Parteigremien, durch Diskussionen und durch Wahrung der
freien Meinungsäußerung an der politischen Willensbildung beteiligt werden.
Neben Parteien übernehmen auch Interessenverbände oder Initiativen wie die Kirchen eine wichtige Funktion bei der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.
Längst ist das Agieren von Interessenverbänden zum etablierten Bestandteil politischer Entscheidungsfindung und Mehrheitsbildung geworden, da sie durchaus
zwischen gesellschaftlichen Interessen und der politischen Elite vermitteln. Die Interessenverbände und Initiativen variieren in ihrer Organisationsform von Kirchen
über Verbände, Kammern, Vereine, Initiativen bis hin zu Public-Affairs-Agenturen.
Ihre Arbeit ist immer auf konkrete Adressaten ausgerichtet. Dabei verfolgen sie den
Anspruch, mehr oder weniger breit gefächerte Interessen durchzusetzen. Schließlich nutzen Interessengruppen eine Bandbreite an Mitteln, Methoden und Kommunikationsformen zur Durchsetzung ihrer Ziele.
Bürgerinnen und Bürger können sich also zu Initiativen oder Interessenverbänden
zusammenschließen, um Sachthemen auf die Agenda zu setzen und Interessen
durchzusetzen, beispielsweise zum Bau einer Ortsumgehungsstraße, zum Erhalt
des Schwimmbades oder zum Ausbau von Kindertagesstätten und Schulen.
Auf der kommunalen Ebene existieren daneben eine Reihe von Möglichkeiten, die
Bürger zur Partizipation an Willensbildungsprozessen vor Ort nutzen können. So
wird in den Kommunalordnungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg beschrieben, dass die Bürger über wichtige Vorhaben in geeigneter Form
informiert werden müssen. Als Instrument dazu wird die Einwohnerversammlung
angeführt, die sowohl vom Bürgermeister anberaumt als auch von einer bestimmten Anzahl an Bürgern beantragt werden kann. Daneben ist in den Kommunalordnungen das Instrument der Einwohner- oder Bürgeranträge vorgesehen. Mit diesen
Anträgen können die Einwohner einer Gemeinde bestimmte Themen auf die Tagesordnung der Gemeinderäte bringen, über die beraten werden muss. Jedoch entstehen daraus nicht zwangsläufig konkrete Vorlagen.
Oftmals sind in den Hauptsatzungen der Landkreise und Gemeinden weitere Optionen aufgeführt, die zur Partizipation der Bürger genutzt werden können. So haben Bürger häufig die Möglichkeit, in öffentlichen Sitzungen von Kreistagen und
Gemeinderäten Fragen zu stellen. Diese werde im Vorfeld schriftlich eingereicht
und durch die Kommunalverwaltungen öffentlich beantwortet. Dadurch besteht die
Möglichkeit, wichtige Themen aufzugreifen und am Agenda-Setting mitzuwirken.
Auch bieten Landräte und Bürgermeister Bürgersprechstunden an. In einzelnen
Hauptsatzungen ist weiterhin die Möglichkeit für Gemeinderäte verankert, Bürgerbefragungen zu strittigen oder besonders wichtigen Themen durchzuführen. So
wird ein Eindruck von dem Stimmungsbild der Bevölkerung generiert, das in die
weiteren Beratungen einfließen kann.
Mittlerweile gehen mehrere Städte in Deutschland einen neuen Weg der Bürgerbeteiligung. Im Verfahren des sogenannten Bürgerhaushalts kann die Bürgerschaft
direkt an der Aufstellung eines Teils des kommunalen Haushalts mitwirken. Bürgerschaft, Verwaltung und die gewählten Gremien kooperieren und kommunizieren im
Verfahren eng miteinander, eine effektive bürgerschaftliche Mitwirkung an öffentlichen Angelegenheiten wird ermöglicht. Wichtige haushaltspolitische Themen, wie
die Haushaltskonsolidierung, erhalten einen höheren Rückhalt in der Bevölkerung
und die politische Prioritätensetzung in der Haushaltsplanung orientiert sich an
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den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Dabei laufen die Beratungen der
Bürgerhaushalte meist länger (1 Jahr) im Voraus. In Arbeitsgemeinschaften oder öffentlichen Foren interagieren Verwaltung und Bevölkerung miteinander. So fließen
die Meinungen der Bürger in die Planungen und Beratungen ein. Oder die Meinung
der Bevölkerung wird in repräsentativen Befragungen eingeholt. Letztlich werden
die Ergebnisse des Bürgerhaushaltes in die Gemeinderäte eingebracht und verabschiedet.
Als Instrument zur Bürgerbeteiligung haben sich sogenannte Beiräte bewährt, die
bestimmte Bevölkerungsgruppen repräsentieren wie zum Beispiel Senioren-, Baukunst-, Naturschutz-, Ehrenamts-, Studenten-, Behinderten- oder Ausländerbeiräte
Sie beraten die Gemeinderäte sachkundig zu bestimmten Politikfeldern.
Ein wichtiges Feld für die Bürgerbeteiligungen sind darüber hinaus Vorhaben im
Bau- und Planungsrecht. Die Bürgerschaft muss bei größeren Bauvorhaben frühzeitig unterrichtet und angehört werden. Im Rahmen sogenannter Planfeststellungsverfahren werden die Pläne zum jeweiligen Projekt konkretisiert und in beschlussreifer Form ausgelegt. Bürgerinnen und Bürger können die Pläne nun einsehen und
Stellungnahmen zu konkreten Bauvorhaben abgeben. Erst nach dieser Phase fassen die Gemeinderäte konkrete Beschlüsse.
Bild: Uwe Steinbrich | pixelio.de
Wegweiser Bürgergesellschaft
Diese Internetplattform
der Stiftung Mitarbeit informiert über Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung.
www.buergergesellschaft.
de
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Schließlich können sich Bürgerinnen und Bürger auf vielfältige Art und Weise an
Prozessen der Entscheidungsfindung oder Planung beteiligen: Foren (Stadtteilforen, Bürgerforen, Planungszellen) oder Werkstätten (Planungswerkstatt, Kompetenzwerkstatt, Gemeinsinn-Werkstatt, etc.) bei Befragungen oder Diskussionen.
Der Fantasie sind hierbei kaum Grenzen gesetzt: von A, wie aktivierende Befragung,
bis Z, wie Zukunftswerkstätten, wird bürgerschaftliche Partizipation ermöglicht.
Weitere Informationen dazu findet man im Internet beim „Wegweiser Bürgergesellschaft“ der Stiftung Mitarbeit.
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