Kriminalität und Genetik Vortrag bei der Tagung „Die Gene – Buch des Lebens“ der Evangelischen Akademie Tutzing in Schloss Thurnau am 1. Juli 2006 Norbert Nedopil Abteilung für Forensische Psychiatrie Psychiatrische Klinik der Universität München Nußbaumstr. 7, D-80336 Müchen, Germany email [email protected] www.forensik-muenchen.de Kriminalität und Genetik Historische Aspekte Valentin Magnan (1835 - 1916) Julius L.A. KOCH (1889) Cesare Lombroso (1836 - 1910) Eugen Bleuler (1911) Degenerationslehre psychopathische Minderwertigkeit Delinquente nato bestätigt Lombroso „Der geborenen Verbrecher“ Missbrauch der Erkenntnisse und Hypothesen im dritten Reich Ernst Rüdin (1874-1952) Bindig und Hoche (1920) Genealogie der Schizophrenie; medizinischer Kommentar zum NS-Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses Die Freigabe der Vernichtung unwerten Lebens, ihr Maß und ihre Form Genetische Forschung über Verhaltensvariablen war in Deutschland für Jahre diskreditiert Kriminalität und Genetik Historische Aspekte Crime runs in families Robins 1966: Der beste Prädiktor antisozialen Verhaltens bei Buben ist die Vorstrafenliste ihrer Väter Aber weswegen? • Genetische Ursachen • Vorbildfunktion des Vaters (Lernen am Modell) • Erziehungsmodalitäten in kriminellem Elternhaus • Aufwachsen im gleichen (kriminellen) Milieu wie der Vater Oder aus heutiger Sicht besser: Welchen Einfluss hat jeder dieser vier Faktoren auf die Entwicklung zur Kriminalität? Kriminalität und Genetik Untersuchungsmethoden • Zwillingsstudien • Adoptionsstudien • Molekulargenetische Studien XYY - Syndrom Geschichte 1959 Entdeckung 1965 (Jacob) Häufung bei Insassen eines schottischen Hochsicherheitsgefängnisses 1966 falsche Zeitungsmeldung über R.F.Speck Hypermale, Supermale, Mörderchromosom 1968 (Brown et al.) erhöhter Prozentsatz bei schwachsinnigen Kriminellen 1969 (Nielsen) 1-2% aller Verwahrten (Züblin) Keine größeren Auffälligkeiten 1975 (Forssmann) Kein Unterschied zu anderen Häftlingen 1983 (Theilgaard) Häufigere Verurteilungen, jedoch nicht wegen Aggressionsdelikten XYY - Syndrom Häufigkeit Allgemeinbevölkerung 1,4‰ aggressive Kriminelle 2,8% hochwüchsige Kriminelle 5,7% hochwüchsige psychisch auffällige Kriminelle 24% XYY - Syndrom Symptomatik In der Kindheit zurückgezogen, einsam, impulsiv, Anpassungsschwierigkeiten, Schulprobleme, Tagträume, verzögerte od. beschleunigte Reifeentwicklung als Erwachsener geringe Flexibilität, dumpf, interesselos, einsam, erniedrigte Intelligenz, sporadische Aggressionsdurchbrüche, verminderte Impulskontrolle Auffälligkeiten in ca: 50% aller Fälle Ist Kriminalität Symptom der Störung – oder – erhöht die Symptomatik der Störung die Wahrscheinlichkeit für Kriminalität ? Kriminalität und Genetik Zwillingsstudien Autor (Jahr) Konkordanzrate Monozygote Zw. Dizygote Zw. 35,2 % 12,5 Goldsmith&Gottesman Erwachsene (1996) 52 % 23 % McGuffin&Gottesman (1985) Jugendliche 87 % 72 % Goldsmith&Gottesman Jugendliche (1996) 95 % 73 % Christiansen (1977) Erwachsene ACE-Pfaddiagramm für Zwillinge nach Gottesman und Dilalla A Genetischer Einfluss Non shared E environment Erster Zwilling Bei MZ: 1,0 Bei DZ: 0,5 C Shared environment A Genetischer Einfluss Non shared E environment Zweiter Zwilling Kriminalität und Genetik Einflussfaktoren auf den Phänotyp Bei MZ: 1,0 Bei DZ: 0,5 Genetischer Einfluss Non shared environment Erster Zwilling Genetischer Einfluss Non shared environment Shared environment Zweiter Zwilling Weitere Einflussfaktoren, z.B.: • Gene suchen die Umwelt, in der sie sich ausprägen können • Assortative Mating Antisoziale Entwicklung nach Moffitt (1993) 80 Häufigkeit antisozialen Verhaltens 70 60 50 40 30 10 0 20 0 10 Persistierende Antisozialität 20 30 40 Alter Antisoziale Entwicklung nach Moffit 50 60 70 Verlaufstypen delinquenten Verhaltens (schematisch nach Hodgins 1998) 40 Relative Häufigkeit der Delinquenten 30 20 10 0 0 10 20 30 Alter 40 early onset stable antisocial adolescent limited adult starters discontinuous offenders Verlaufstypen delinquenten Verhaltens nach Hodgins 1998 50 60 Kriminalität und Genetik Zwillingsstudien Autor (Jahr) Konkordanzrate Monozygote Zw. Dizygote Zw. 35,2 % 12,5 % Goldsmith&Gottesman Erwachsene (1996) 52 % 23 % McGuffin&Gottesman (1985) Jugendliche 87 % 72 % Goldsmith&Gottesman Jugendliche (1996) 95 % 73 % Christiansen (1977) Erwachsene Kriminalität und Genetik Varianzeinteile der wesentlichen Einflussfaktoren Bei Erwachsenen: • Erbanlagen erklären ca. 50 % der Varianz kriminellen Verhaltens (und auch anderer Verhaltensweisen) • Shared environment erklärt ca 10 bis 15 % der Varianz • Non-shared environment erklärt ca 35 bis 40 % der Varianz Bei Jugendlichen: • Erbanlagen erklären ca. 20 bis 40 % der Varianz kriminellen Verhaltens • Shared environment erklärt ca. 40 bis 45 % der Varianz • Non-shared environment erklärt ca. 10 bis 40 % der Varianz Kriminalität und Genetik Adoptionsstudien Mednick et al. 1984 Danisches Adoptionsregister 14427 Adoptionen außerhalb der Familie Adoptivvater nicht kriminell Adoptivvater kriminell Leiblicher Vater nicht kriminell 13,5 % 14,7 % Leiblicher Vater kriminell 20 % 24,5 % Kriminalität und Genetik Adoptionsstudien Mednick et al. 1984 Danisches Adoptionsregister 14427 Adoptionen außerhalb der Familie Adoptivvater nicht kriminell Leiblicher Vater nicht kriminell Leiblicher Vater kriminell Adoptivvater kriminell 13,5 % 14,7 % 20 % 24,5 % Je mehr Vorverurteilungen die biologischen Väter hatten, desto höher war die Verurteilungsrate der Söhne Aber 70% der Söhne von Vätern mit 3 und mehr Verurteilungen waren nicht kriminell Wenn die leibliche Mutter kriminell war, war die Verurteilungsrate der Söhne noch höher Kriminalität und Genetik Was wird genetisch bestimmt? Was wird vererbt? • Die Neigung zu bestimmter Delinquenz (z.B. Vergewaltigung)? • Die Neigung zur Delinquenz allgemein? • Die Neigung zur Überschreitung von Normen? • Persönlichkeitszüge, die für Delinquenz disponieren können? • Der Endophänotyp (Gottesman)? Kriminalität und Genetik Verhaltenskorrelationen bei Zwillingen oder zwischen Eltern und Kindern Geringe Korrelationen bei spezifischen Verhaltensweisen (z.B. Weinen oder Vergewaltigung) Relativ hohe Korrelationen bei syndromaler Betrachtungsweise (z.B. Emotionale Reaktionsweise vs. Rationale Reaktionsweise oder Bereitschaft zum Einsatz instrumentaler Aggression Es wird in der Regel nicht ein spezifisches Verhalten sondern ein Verhaltensstil vererbt Endophänotyp Gottesman u. Shields 1972 Zwischenstufe, die als Phänomen erfasst werden kann, d.h. • Ätiologische Assoziation mit einem Verhaltensmuster • Vorhandensein bei Angehörigen, die dieses Verhaltensmuster nicht haben • Objektive Erfassbarkeit Betrifft z.B. Biochemie, Neurologie, Anatomie, Psychophysiologie, Wahrnehmung, Affektivität Kriminalität und Genetik von den Genen zum Phänotyp des Verhaltens Gene produzieren Eiweiße • Wie gestaltet sich der Weg vom Eiweiß zum Verhalten? • Welche epigenetischen Regeln gibt es hierfür? • Welche Gene schalten sich ein und wieder ab (z.B. Verhaltensauffälligkeiten in der Pubertät)? • Wie viele Gene sind für eine Verhaltensdisposition verantwortlich • Wie reagiert eine genetisch bedingte Verhaltensdisposition mit ihrer Umwelt? • Wie reagiert die Umwelt auf genetisch bestimmte Verhaltensweise? • Welcher Prozess der Verhaltensausprägungen resultiert daraus? Kriminalität und Genetik Von evolutionsbedingenten Erbanlagen zu individuellem Verhalten (nach Rushton 1988) Evolutionsbiologie (Evolutionsgeschichte bis zum homo sapiens) DNA-Struktur des Individuums Genetisch vererbte Dispositionen Umgebungsfaktoren in der Sozialentwicklung Dauerhafte Persönlichkeitsakzentuierung Individuelle Erfahrung und Gedächtnis Situative Einflussfaktoren Unbewusste Informationsverarbeitung und emotionale Reaktionen Verhalten Das Schwellenmodell von Gottesman et al. Das Schwellenmodell von Gottesman et al. Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Struktur der Persönlichkeit • Temperament • Charakter • Psyche Komplexes adaptives System auf genetischer Grundlage Komplexe, dynamische, nicht-lineare Selbstorganisation unter familiären und soziokulturellen Einflüssen Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Struktur der Persönlichkeit Temperament • erbliche Disposition der Verhaltensmöglichkeiten, • Emotionsregulation, • beeinflusst das Lernverhalten im proceduralen Gedächtnis, • Lernen durch Konditionierung, • bestimmt den Stil des Verhaltens Charakter Psyche Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Struktur der Persönlichkeit Temperament Charakter • konzeptioneller Kern der Persönlichkeit, • rational und willensgesteuerte Einstellungen und Verhaltensweisen, • Kodierung kognitiver Schemata, • mentale Selbststeuerung, • Lernen durch semantisches Gedächtnis Psyche Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Struktur der Persönlichkeit Temperament Charakter Psyche • Intuitive Selbstwahrnehmung, • Bewusstsein, • Ästhetische Sensibilität, • Erfinden von Symbolen, • Spiritualität Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Vier genetisch bedingte Temperamentszüge • harm-avoidance: Vermeiden von Schaden, Schmerz und Leiden, Angst vor Bestrafung • novelty seeking: Suche nach Neuigkeit und Spannung • reward dependence: Abhängigkeit von Belohnung und sozialer Anerkennung • Persistence: Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Zähigkeit Kriminalität und Genetik Genetik und Umwelteinflüsse bei der Persönlichkeitsentwicklung (Cloninger et al.2004) Vier genetisch bedingte Temperamentszüge • harm-avoidance: Vermeiden von Schaden, Schmerz und Leiden, Angst vor Bestrafung GABA und Serotonin im dorsalen Nucleus raphe • novelty seeking: Suche nach Neuigkeit und Spannung Dopaminerge Überaktivität im N. accumbens u. Striatum • reward dependence: Abhängigkeit von Belohnung und sozialer Anerkennung Noradrenerge u. serotonerge Überaktivität im medialen N. raphe • Persistence: Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Zähigkeit Glutaminerge Projektionen im orbitofrontalen Cortex und N. accumbens Dimensionales Persönlichkeitsmodell Cloninger et al 1987 -2004 novelty seeking Reward dependence Harm avoidance Dimensionales Persönlichkeitsmodell Cloninger et al 1987 -2004 novelty seeking Reward dependence Harm avoidance Dimensionales Persönlichkeitsmodell Cloninger et al 1987 -2004 novelty seeking dissozial Emotional instabil histrionisch zyklothym schizoid abhängig vermeidend zwanghaft Harm avoidance Reward dependence Mehrdimensionales Persönlichkeitsmodell Cloninger et al 1987 -2004 Temperaments faktoren Charakter- (selffaktoren directedness) Selbstbestimmtheit Harm avoidance Vermeiden v. Schmerz, Leiden, Schaden Novelty seeking Suche nach Neuigkeit und Spannung Reward dependence Abhängigkeit von Belohnung Persistence Beharrlichkeit (cooperativeness) Kooperationsbereitschaft (selftranscendence) ideeller Bezug zur Umwelt Mehrdimensionales Persönlichkeitsmodell Cloninger et al 1987 - 2004 Wahrscheinlichkeit für Kriminalität z.B. bei folgender Konstellation erhöht Temperaments faktoren Charakter- (selffaktoren directedness) Selbstbestimmtheit Harm avoidance Vermeiden v. Schmerz, Leiden, Schaden Novelty seeking Suche nach Neuigkeit und Spannung niedrig niedrig (cooperativeness) Kooperationsbereitschaft niedrig niedrig hoch (selftranscendence) ideeller Bezug zur Umwelt niedrig niedrig hoch hoch Reward dependence Abhängigkeit von Belohnung Indifferent niedrig niedrig Persistence Beharrlichkeit indifferent niedrig niedrig Kriminalität und Genetik Molekulargenetische Erkenntnisse Versuche mit Tieren, denen ein definiertes Gen fehlt, (knock-out Mäuse) haben aggressive oder sozial schädliche Verhaltensweisen gezeigt: fehlender 5-HT1ß Rezeptor Gen Aggression g. andere Mäuse fehlendes MAO Gen Aggression g. andere Mäuse Kriminalität und Genetik Molekulargenetische Erkenntnisse Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) Störung der dopaminergen Funktionen (z.B. therapeutische Wirkung von Methylphenidat (Ritalin®)) Dopamin-Transporter Gen (DAT1), Dopaminrezeptorgen (DRD4) betroffen Allerdings haben beide Defekte nur geringe Effektstärken Aggression Amonamineoxidase (MAO-A) Gen verändert, aber nicht in allen Untersuchungen Selbst bei bekannten und gut definierten Störungen (z.B. ADHD oder Schizophrenie) sind einzelne Gene oder Allele derzeit noch nicht eindeutig zuzuordnen…. …aber die Entwicklung schreitet schnell voran. Kriminalität und Genetik Molekulargenetische Erkenntnisse Untersuchungen des Gesamt-Genoms könnten deutliche Fortschritte bringen Auffälligkeiten des Verhaltens werden nicht auf ein Gen lokalisiert , vielmehr sind multiple Gen-loci für Temperamentsfaktoren wie Novelty-seeking, Harm avoidance, reward dependence, persistence oder dimensionale kriminogene Risikofaktoren wie Impulsivität, Mangel an Erfahrungslernen, emotionale Fehlregulation angenommen. Sie werden auf quantitativen trait loci gesucht Kriminalität und Genetik Diathese – Umwelt – Prozess Vater: Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger) Soziale Randständigkeit Assortative Mating Hohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung Minor physical abnormalities (MPA) + Gene beider Eltern Passive Fehlen der intakten Familie als protektiver Faktor Interaktion: Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind Soziales Fehlverhalten des Kindes z.B. Aggression, Verweigerung Kriminalität und Genetik Diathese – Umwelt – Prozess Vater: Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger) Soziale Randständigkeit Assortative Mating Hohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung Minor physical abnormalities (MPA) + Gene beider Eltern Passive Interaktion: Fehlen der intakten Familie als protektiver Faktor Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung Evokative Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität und Interaktion: Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von Eltern und Umgebungspersonen hervor Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden Fehlverhaltens Kriminalität und Genetik Diathese – Umwelt – Prozess Vater: Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger) Soziale Randständigkeit Assortative Mating Hohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung Minor physical abnormalities (MPA) + Gene beider Eltern Passive Interaktion: Fehlen der intakten Familie als protektiver Faktor Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung Evokative Interaktion: Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität und Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von Eltern und Umgebungspersonen hervor Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden Fehlverhaltens Aktive Erfahrungssuche, welches der genetisch bedingten Interaktion: Disposition zum Novelty seeking entspricht und nicht durch andere Dispositionen (z.B. harm avoidance) gehemmt wird Abenteuerlust; Mutproben, Suche nach Kick, Vermeiden von Langeweile durch Fehlverhalten Kriminalität und Genetik Diathese – Umwelt – Prozess Vater: Genetische Belastung für Novelty Seeking, niedrige Persistence, Fehlen von Harm Avoidance Impulsivität, Alkoholmissbrauch (Typ 2 Alkoholiker nach Cloninger) Soziale Randständigkeit Assortative Mating Hohe Wahrscheinlichkeit ähnlicher Gene bei der Mutter Höhere Rate fetaler Schädigungen durch mütterlichen Substanzkonsum, Nikotin, Fehlernährung Minor physical abnormalities (MPA) + Gene beider Eltern Passive Interaktion: Fehlen der intakten Familie als protektiver Faktor Aggressive, dissoziale Vorbilder in der Familie, Substanzkonsum der Eltern, Ablehnung u. Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind Soziales Fehlverhalten des Kindes, z.B. Aggression, Verweigerung Evokative Interaktion: Genetisch bedingte und erworbene Aggressivität und Ablehnung ruft feindselige und zurückweisende Reaktionen von Eltern und Umgebungspersonen hervor Unfähigkeit, emotionalen Beziehungsfähigkeit und Loyalität aufzubauen, Verstärkung des störenden und abweisenden Fehlverhaltens Aktive Interaktion: Erfahrungssuche, welches der genetisch bedingten Disposition zum Novelty seeking entspricht und nicht durch andere Dispositionen (z.B. harm avoidance) gehemmt wird Abenteuerlust; Mutproben, Suche nach Kick, Vermeiden von Langeweile durch Fehlverhalten Erwerb eingeschliffener dissozialer Reaktionsmuster, die den genetischen bedingten Bedürfnissen entspricht und durch die Struktur der genetisch festgelegten Temperamentzüge begünstigt wird. Kriminalität und Genetik Offene Fragen Die politische Frage: Können wir intervenieren bevor etwas passiert? z.B. in England DPSPD Gesetze Die Frage an den Wissenschaftler: Können wir in Zukunft eine Gen-Umwelt- Interaktion identifizieren, die frühzeitige Interventionen rechtfertigen würde? Die ethische Frage: Welche Sicherheit müssen wir haben, um eine Intervention – und wenn, welche? – zu zu lassen? Kriminalität und Genetik Grenzen der Aussagemöglichkeiten • Selbst bei konkret definierten Störungen sind Gene nicht deterministisch sondern erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit des Auftretens • Bei Wahrscheinlichkeitsaussagen ist nicht nur die vorhergesagte Störung von Bedeutung, sondern auch die Probabilität ihres Auftretens • Kriminalität ist keine Störung sondern ein Verhalten in einem vielschichtigen Bedingungsgefüge • Eine der Bedingungen kann eine genetisch transmittierte Verhaltensdisposition sein • Verhaltensprognosen aufgrund genetischer Erkenntnisse sind Wahrscheinlichkeitsaussagen mit relativ geringem zusätzlichen Erkenntnisgewinn (Effektraten)