Insekten - Hafl - Berner Fachhochschule

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Insekten – das Fleisch der Zukunft?
Ergebnisse aus einer Schweizer Bevölkerungsbefragung
Dr. Thomas Brunner, Professor für Konsumentenverhalten
Zollikofen, 30. März 2017
Berner Fachhochschule
Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL
Food Science & Management
Warum Insekten?
Ab dem 1. Mai dieses Jahres dürfen in der Schweiz Lebensmittel mit oder aus Insekten vermarktet
werden. Verschiedene Grossverteiler haben angekündigt, möglichst bald Hamburger, Schnitzel oder
Nuggets aus Insekten in ihr Sortiment aufzunehmen. Doch wer wird diese Produkte kaufen? Gibt es
tatsächlich eine Nachfrage? Und warum sollten Konsument/innen in der Schweiz damit beginnen
Insekten zu essen? Hierzulande werden Insekten vor allem mit Schädlingen und lästigen Mücken in
Verbindung gebracht – verständlich, dass sie die meisten Konsument/innen in der Schweiz nicht
essen wollen.
In einem Bericht hat die Welternährungsorganisation (FAO) 2013 aber den Konsum von Insekten
propagiert. Laut ihren Schätzungen werden bis 2050 über neun Milliarden Menschen auf der Erde
leben. Zudem übernehmen Menschen in weniger entwickelten Ländern immer mehr die
Essgewohnheiten des Westens. Um eine wachsende Weltbevölkerung in dieser Art ernähren zu
können, muss sich die Lebensmittelproduktion überproportional entwickeln und bis dahin beinahe
verdoppeln. Vor allem an Proteinen könnte es mangeln. Da Insekten sehr gute Proteinlieferanten sind,
sieht die FAO in der Entomophagie, also dem Verzehren von Insekten, eine mögliche Lösung.
Nachhaltig und gesund
Insekten weisen eine Reihe von Vorteilen auf: Sie brauchen viel weniger Futter und Platz als
beispielsweise Schweine oder Rinder, um die gleiche Menge an Proteinen zu liefern. Ausserdem
erzeugen sie nur einen Bruchteil an Treibhausgasen. Das ist das Argument der Nachhaltigkeit, aber es
gibt noch das Argument der Gesundheit: Aus Insekten gewonnene Proteine sind äusserst hochwertig
und auch der Fettgehalt ist deutlich geringer als der von Schweinen oder Rindern.
Wollen es die Konsument/innen?
Trotzdem stellt sich die Frage: Wollen Konsument/innen in der Schweiz Insekten oder Produkte mit
zermahlenen Insekten essen? Um diese Frage zu beantworten haben Wissenschaftler/innen für
Konsumentenverhalten an der Berner Fachhochschule eine umfassende Bevölkerungsbefragung in der
deutsch- und französisch-sprachigen Schweiz durchgeführt. Knapp 600 Befragte haben den
Fragebogen ausgefüllt. Diese haben die Forschenden in Segmente eingeteilt, die punkto Akzeptanz
von Insektenkonsum möglichst homogen sind. Dabei haben sie vier Segmente identifiziert:
Konsument/innen, die Insekten nie im Leben essen würden; solche, welche die Argumente zwar
nachvollziehen können, aber trotzdem dankend ablehnen; Konsument/innen, die erst einmal
abwarten wollen und schliesslich diejenigen, die bereit sind und sagen: «Her damit!»
Insekten? Her damit!
Letztgenanntes Segment ist mit rund 9 Prozent der Stichprobe eher klein. Es sind Konsument/innen,
die gut ausgebildet sind und viel über das Thema Ernährung wissen. Sie achten auf ihre Gesundheit
und legen auch Wert darauf, dass etwas gut schmeckt. Sie mögen Fisch, Sushi und Meeresfrüchte und
probieren generell gerne neue Speisen aus. Jeder Dritte von ihnen hat schon einmal Insekten
gegessen, beispielsweise auf einer Reise in einem exotischen Land. Es ist dasjenige Segment mit den
meisten Kindern im Haushalt.
Warten und schauen, was passiert
Das nächste Segment, das noch eine gewisse Offenheit gegenüber der Entomophagie zeigt, ist mit
rund einem Drittel der Stichprobe deutlich grösser. Vor allem die Argumente bezüglich Nachhaltigkeit
und Gesundheit scheinen dieses Segment zu überzeugen. Dass Insekten auch sensorisch neue Welten
eröffnen und mit der Zeit preislich im Vergleich zu anderem Fleisch attraktiv sein könnten, zieht bei
ihnen weniger. Wie das erste Segment wissen auch diese Konsument/innen viel über Ernährung und
jeder vierte von ihnen hat schon einmal Insekten probiert.
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Macht Sinn – aber nein danke!
Dieses Segment ist mit 27 Prozent etwas kleiner als die Abwartenden. Was diese Konsument/innen
auszeichnet ist, dass sie die verschiedenen Argumente zwar nachvollziehen können und die
Wichtigkeit von Nachhaltigkeit und Gesundheit bejahen. Trotzdem wollen sie keine Insekten essen. Sie
sind eher zurückhaltend gegenüber neuartigen Lebensmitteln und mögen in der Regel auch keinen
Fisch, Sushi oder Meeresfrüchte. Aus marktwirtschaftlicher Sicht wäre es ein interessantes Segment,
da diese Konsument/innen nicht preissensitiv sind.
Nie im Leben!
Schliesslich gibt es noch die Konsument/innen, die es sich schlicht nicht vorstellen können, Insekten
zu essen. Mit knapp einem Drittel der Stichprobe ist es wieder ein grösseres Segment. Diese Personen
haben oft Vorbehalte gegenüber neuartigen Lebensmitteln und lehnen Fisch sowie Meeresfrüchte
meist entschieden ab. Dafür essen sie gerne «richtiges» Fleisch. Es sind gewohnheitsgetriebene
Konsumenten, die ungern Neues ausprobieren. Sie wissen eher wenig über Ernährung und haben im
Vergleich zu den anderen Segmenten die tiefste Bildung und das tiefste Einkommen. Gesundheitliche
Aspekte interessieren sie eher wenig; was wichtig ist, ist ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis und
sensorische Aspekte. Dieses Segment hat am wenigsten Kinder im Haushalt.
Eine unmögliche Mission?
Die Befragung zeigt, dass Lebensmittel mit Insekten in der Schweiz zu vermarkten keine unmögliche
Mission ist. Es wird aber Zeit brauchen. Je besser die Produkte von Beginn weg schmecken, desto
schneller wird die Entomophagie voranschreiten. Knapp 10 Prozent der Befragten sind bereit für den
Insektengenuss. Diese Konsument/innen werden die Produkte ausprobieren, sobald sie erhältlich
sind. Wenn sie ihnen nicht schmecken, war es das für eine längere Zeit. Mögen sie aber die Produkte,
werden sie diese erneut kaufen und auch weiterempfehlen. In diesem Fall werden auch die
Abwartenden folgen. Zusammen machen diese beiden Segmente über 40 Prozent der Befragten aus.
Das ist eine Grösse, die sich für die Produzenten und für den Handel lohnt.
Zentral ist also, ob der Einstieg im Mai klappt. Ausgehend von den Personen, die der Entomophagie
gegenüber aufgeschlossen sind, sollten die Produkte in einem etwas gehobenen Segment angeboten
und – wie damals Sushi – als Delikatesse vermarktet werden. Auch damals gab es zuerst grosse
Vorbehalte und heutzutage ist es ein akzeptiertes und nachgefragtes Lebensmittel.
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Abbildung 1. Grössenverhältnisse der vier identifizierten Konsumentensegmente
9.3%
31.2%
Her damit
32.5%
Mal abwarten
Ja, aber
Nie im Leben
27.0%
Abbildung 2. Zustimmung bezüglich des Arguments Nachhaltigkeit (1 = stimme gar nicht zu / 6 =
stimme sehr zu)
6
Nachvollziehbarkeit
Bewegt mich zum Konsum
5
4
3
2
1
Her damit
Mal abwarten
Ja, aber
Nie im Leben
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