■ porträt ■ Tomi Tomek: Tierschützerin «Ich bin heute eher bereit, zu Tomi Tomek, Präsidentin des Vereins «SOS chats Noiraigue», lebt mit ihrer Partnerin und 130 Katzen im Neuenburger Jura. Sie nehmen Tiere an, mit denen andere Katzenheime überfordert wären. Tierschützerin Tomi To­ mek muss hundert Fran­ ken Busse zahlen, weil sie Katzenfelle gekauft hat (siehe «Tierwelt» 52/2013). Pure Ironie – war sie es doch, die das Verkaufsverbot für Kat­ zenfelle in der Schweiz durchgesetzt hat. 1981 war die Berlinerin nach Noiraigue im Neu­ enburger Jura gezogen, mitten ins Natur­ schutzgebiet am Fuss der spektakulären Fels­ arena Creux du Van. Im gleichen Jahr begann sie sich mit dem Katzenfellhandel zu beschäf­ tigen. Dreissig Jahre dauerte es, bis das Par­ lament die Gesetzesänderung annahm und auf Anfang 2013 in Kraft setzte. Nun wird Tomi Tomek selber belangt, weil sie mit einem Testkauf prüfen wollte, ob das Gesetz einge­ halten wird. Gegen das Gerichtsurteil wird sie Berufung einlegen, doch gleichzeitig lacht sie darüber. «Man muss allem etwas Positives abgewinnen, so entgeht man der Verbitterung», sagt sie. Mit diesem Rezept findet sie den langen Atem im Kampf für Tierrechte. Doch noch viel mehr als mit Paragrafen beschäftigt sie sich direkt mit Tieren. Bald nach ihrem Umzug in die Schweiz hatte sie mit ihrer Lebenspartnerin Elisabeth Djordjevic einige Katzen von einem Tierheim aufgenommen; vorübergehend, wie sie glaubten. Das Tierheim wollte neue Plät­ ze für die Tiere suchen, doch es fanden sich keine. Da entschieden sich die beiden Frauen, selber weiterzumachen. Und zwar richtig. Ein Heim für Extremfälle 1985 gründeten sie den Verein «SOS chats». Im Jahr davor war Tomi Tomek zum letzten Mal in die Ferien gefahren, nach Berlin. Doch eingesperrt fühlt sie sich keineswegs auf dem Bauernhof mit ihren 130 Katzen. Sie steht in Kontakt zu Tierschützern auf der ganzen Welt. Der Alltag ist dreisprachig, mit ihrer welschen Lebensgefährtin spricht sie eine Mischung aus Deutsch und Französisch, und es klingelte auch schon das Telefon um zwei Uhr nachts, weil das Management von Film­ star Michael Douglas anrief, um die Unter­ stützung einer Kampagne zu besprechen. Das hindert die beiden Frauen nicht dran, früh aufzustehen. Noch vor sechs Uhr kriegen die ersten Katzen ihre Diabetes­Spritzen. Vie­ 14 le der Katzen sind krank, die Frauen nehmen überhaupt nur noch Tiere auf, mit denen an­ dere Tierheime überfordert wären. Dazu ge­ hören auch Katzen, deren Verhalten als un­ tolerierbar gilt, etwa weil sie ihre Besitzer immer wieder bissen – normalerweise ein Todesurteil für eine Hauskatze. 328 Tiere waren es vor zehn Jahren. «Da­ mals schläferten Tierschutzvereine noch alte, leicht behinderte Katzen ein», erklärt Tomi Tomek. Inzwischen wird weniger schnell eu­ thanasiert, sodass bei «SOS chats» nur noch Extremfälle landen. «Lara Croft» etwa, die von einem Bauern erschossen werden sollte, der dann aber nur das Vorderbein traf. Die Tierschützerin kennt jede einzelne ihrer 130 Katzen beim Namen. Mit vielen hat sie sich intensiv auseinandergesetzt, als sie zu ihr kamen. «Eine aggressive Katze beachten wir erst mal nicht. Wenn sie angreift, besprü­ hen wir sie mit Wasser – sie will sich dann putzen und lässt von uns ab. Irgendwann kommt sie von selber zu uns.» Auch zu ängst­ lichen Tieren versuchen die Frauen so viel Vertrauen aufzubauen, dass sie aus ihren Händen fressen, denn so können sie ihnen falls nötig auch Medikamente verabreichen. Unterstützung von Brigitte Bardot Nur vereinzelte Tiere lassen sich nicht anfas­ sen, die meisten akzeptieren die körperliche Nähe. Das beruht natürlich auf Gegenseitig­ keit. Keine Tür ist zu, in allen Zimmern des alten Bauernhofs wimmelt es von Katzen, sie springen auf jeden Tisch, jedes Regal, jede Sitzgelegenheit, auch im Badezimmer, in der Küche, im Schlafzimmer. Dabei ist Tomi To­ mek mit Hunden aufgewachsen – ihr Vater war Hundeausbildner. Die beiden Frauen achten peinlich auf Sauberkeit. «Wir ertragen es nicht, wenn es, wie in manchen Tierheimen, nach Katzen­ pisse riecht», sagt Tomi Tomek. Zudem gilt es zu verhindern, dass Infektionen über den Kot übertragen werden. Das Tierheim hat inzwischen vier Angestellte, von denen jeden Vormittag zwei oder drei zum Putzen kom­ men und bei der Pflege der Katzen helfen. Damit ist es für die beiden Gründerinnen ruhiger geworden – früher hatten sie alle Ar­ beiten zu zweit verrichtet. Selber bezieht Tomi Tomek keinen Lohn, sie ist Rentnerin. In den ersten Jahren arbei­ tete sie nebenbei noch als Sozialpädagogin mit Drogenabhängigen in Biel. Die Öffent­ lichkeit interessierte sich damals nicht für den Verein, entsprechend knapp waren die Spen­ den. Das änderte sich, als Elisabeth Djordjevic die ehemalige Filmschauspielerin und Tier­ schützerin Brigitte Bardot anrief. Bardot er­ wirkte bei einem befreundeten Journalisten einen Artikel, und damit ging es so richtig los. 130 Katzen, über 30 Jahre Kampf für Tierrechte: Tomi Tomek, 62, nimmt es auch mal etwas ruhiger. Tomi Tomek, die auch eine Ausbildung als Pantomime hat und einst in Theatergruppen in Deutschland und den USA mitwirkte, schätzt die Aufmerksamkeit der Öffentlich­ keit. Doch da ist auch eine Schattenseite, denn längst nicht alle waren begeistert darüber, als sie etwa ihre Kampagne zur Sterilisisation von Bauernhofkatzen startete. Die beiden Frauen erhielten Drohanrufe, fanden die Radmuttern neben dem Auto, und – der Tiefpunkt – eines Tages eine verbrannte Katze im Garten. Seit­ her holen sie die Tiere jeden Abend ins Haus. In den letzten Jahren hat sich die Aufre­ gung allerdings etwas gelegt. Dazu hat einer­ TIERWELT / 7, 12. fEbRuaR 2015 ■ porträt ■ diskutieren» seits die Unterstützung des Vereins durch Promis wie Michael Schumacher beigetragen, anderseits ist Tomi Tomek, inzwischen 62 Jahre alt, selber ruhiger geworden. Zwar nimmt sie noch immer kein Blatt vor den Mund, sagt der Schuhverkäuferin auf der Suche nach lederfreien Schuhen auch mal, dass sie keine Kadaver an den Füssen tragen wolle. «Aber ich bin auch älter und vernünftiger geworden und heute eher bereit, zu diskutieren.» Was die beiden Frauen mit ihrem Heim schon alles erlebt haben, gibt genug Stoff für ein Buch – und dieses ist tatsächlich schon TIERWELT / 7, 12. fEbRuaR 2015 geschrieben. Autorin ist die Journalistin Bernadette Richard aus La Chaux-de-Fonds, das Vorwort steuerte Brigitte Bardot bei: «Ich bewundere und liebe euch», schreibt die Französin darin. Erschienen ist das Buch 2012, doch die Geschichte von «SOS chats» ist noch nicht zu Ende. Zwar geht Tomi Tomek nach vier Rückenoperationen derzeit am Stock und darf nicht mehr selber Katzen einfangen. Und an Nachmittagen nehmen es die Frauen etwas gemütlicher, schauen hin und wieder fern oder lesen einen Krimi (nicht allzu blutig, die Realität im Tierschutz ist hart genug). Doch eine Reihe von Projekten steht noch an. Zum Beispiel das Verbot des Verzehrs von Hunde- und Katzenfleisch. Im Dezember haben sie dem Parlament eine Petition mit 45 000 Unterschriften übergeben, zuoberst steht wie immer der Name von Brigitte Bardot. Nun suchen sie Politiker, die eine Motion im Parlament einreichen oder zumindest unterzeichnen. Doch auch hier ist Tomi Tomek darauf gefasst, dass der Erfolg noch Jahre auf sich warten lässt. Einen langen Atem hat sie ja schon oft Text und Bilder: Niklaus Salzmann bewiesen. www.soschats.org 15