Umfassung von Ortslagen Wie bereits beim 1. Planentwurf wird

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Umfassung von Ortslagen
Wie bereits beim 1. Planentwurf wird auch im Rahmen der 2. Anhörung und Offenlegung
vielfach eine Überlastung bestimmter Bereiche der Planungsregion durch die Ausweisung der
Windvorranggebiete beklagt. Dabei wird insbesondere der im 2. Planentwurf eingeführte
Prüfaspekt der Umfassung aufgegriffen und eine entsprechende „Umzingelungs“-Problematik
für die eigene Ortslage bzw. das persönliche Umfeld reklamiert. Vor allem wird auch die im
Ergebnis unzureichende Anwendung kritisiert, da vielfach die Erwartung besteht, dass eine
Überschreitung der 120°-Marke automatisch zu einer Reduzierung bzw. Streichung sämtlicher Vorranggebietsflächen führt, die über diesen Wert hinausgehen.
Neben der Forderung nach Berücksichtigung einer möglichen Umfassung auch bei Einzelgebäuden wird insbesondere gefordert, diesen Prüfaspekt nicht nur als Restriktions-, sondern als
Ausschlusskriterium zu handhaben. Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Berücksichtigung des Altbestandes an Windenergieanlagen bei der Ermittlung eines möglichen Umfassungstatbestandes.
Beschlussvorschlag
Der Problematik der Umfassung von Ortslagen wird weiterhin im Rahmen der Einzelfallprüfung in begründeten Einzelfällen Rechnung getragen.
Dabei bleibt die Prüfung des Umfassungstatbestandes auf die Flächenkulisse der Vorranggebiete des Teilregionalplans beschränkt, und zwar in Bezug auf die regionalplanerischen Siedlungsgebiete.
Flächenreduzierungen, die sich gegebenenfalls aus einer erneuten Überprüfung ergeben, werden im Rahmen einer Einzelabwägung detailliert erläutert und einer gesonderten Beschlussfassung zugeführt.
Begründung
Der Begriff der „Umfassung“ ist in Gesetz und Rechtsprechung weder normiert noch als Ausschluss- oder Restriktionskriterium bisher in der Regionalplanung verankert, ein Verbot der
räumlichen Umfassung kann sich allenfalls aus dem baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme ergeben. Daher kann, vor allem unter Vorsorgegesichtspunkten, nur im Rahmen der Einzelabwägung eine Überprüfung der Ortslagen unter Umfassungsaspekten durchgeführt werden. Eine pauschale Anwendung eines wie auch immer festgelegten Summenwinkels als Ausschlusskriterium wäre aber vor dem Hintergrund der strengen Anforderungen an die Planungsmethodik zur Einschränkung der Privilegierung rechtlich nicht haltbar.
Für die Planungsregion Nordhessen wird von der Situation einer möglichen Umfassung immer dann ausgegangen, wenn eine Ortslage im 5 km-Radius um einen (fiktiven) Ortsmittelpunkt entweder von einer mehr als 120° einnehmenden Windfläche betroffen ist (wobei mehrere Flächen mit weniger als 20° Abstand als eine Fläche gewertet werden) oder auch von
mehreren Windflächen, die aufsummiert mehr als 120° einnehmen. Ein solcher Sachverhalt
führt aber nicht automatisch dazu, dass sämtliche über einen 120°-Winkel hinausgehenden
Flächen pauschal „abgeschnitten“ werden, sondern ist Auslöser für ein weiteres Prüfverfahren, in dem ermittelt werden soll, ob tatsächlich mit einer Umfassung im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung zu rechnen wäre. Nur in einem solchen Fall kann es zu einer Reduzierung oder Streichung von Vorranggebieten kommen.
In diesem Prüfverfahren sind Flächen in einem nördlichen Viertel für eine optische Bedrängung nachrangig wirksam, da Wohngebäude in der Regel in südöstlicher bis südwestlicher
Richtung ausgerichtet sind. Zudem sind Flächen in einer Entfernung zwischen drei und fünf
km für eine optische Bedrängung schwächer zu bewerten als eine Umfassung im Nahbereich
zwischen einem und drei km Entfernung. Zu prüfen ist auch, ob sich unter dem Aspekt der
Fokussierung des Blickwinkels ein ausreichend großer Bereich zwischen zwei Windgebieten
befindet, wobei Himmelsrichtung und Entfernung erneut eine Rolle spielen.
Muss unter den vorstehenden Gesichtspunkten eine Umfassung konstatiert werden, die voraussichtlich zu einer erheblichen optischen Beeinträchtigung einer Ortslage führt, ist im Rahmen der weiteren Abwägung zu entscheiden, ob und inwieweit diese ggf. durch Änderung des
Flächenzuschnittes oder Streichung von Flächen aufgelöst werden kann.
Durch diese Vorgehensweise kann sichergestellt werden, dass auch bei einer maximalen Auslastung der verbleibenden Vorrangflächen mit WEA eine optische Überbeanspruchung von
Ortslagen vermieden wird.
Prüfgegenstand sind dabei die Siedlungsgebiete des Regionalplans Nordhessen sowie benachbarte Ortslagen außerhalb der Planungsregion, eine Ausdehnung auf Einzelbebauungen im
Außenbereich ist nicht verhältnismäßig – weder im Hinblick auf den Aufwand noch die Maßstabsebene der Regionalplanung. Zudem ist angesichts der Privilegierung der Windkraft im
Außenbereich davon auszugehen, dass eine dort grundsätzlich nicht oder nur als untergeordneter Teil einer sonstigen privilegierten Nutzung (Land- und Forstwirtschaft) zulässige
Wohnnutzung einen geringeren Schutz gegenüber Immissionen jeglicher Art beanspruchen
kann als in einem Siedlungsgebiet. So ist führt der VGH Baden-Württemberg bereits in seinem Beschluss vom 25. Juni 1996, Az. 10 S 200/96, aus, für Wohnbebauung im Außenbereich ergebe sich „ein gegenüber einem in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet liegenden Wohngebäude verminderter Schutz schon daraus, dass der Außenbereich für einfache
Wohnbebauung oder Erholungsbebauung grundsätzlich nicht intendiert “ sei.
Ebenso beschränkt sich die Prüfung auf die zur Ausweisung vorgesehenen Vorranggebiete für
die Windenergienutzung, sowohl innerhalb der Planungsregion Nordhessen als auch im
Grenzbereich zu den beiden benachbarten hessischen Planungsregionen. Eine Berücksichtigung von ausgewiesenen oder zur Ausweisung vorgesehenen Vorranggebieten der nichthessischen Nachbarregionen kann aufgrund der unterschiedlichen Planungssystematik nicht erfolgen. Soweit dort überhaupt Planungen oder Planungsabsichten vorliegen, handelt es sich um
kommunale oder landkreisweite Konzepte ohne Ausschlusswirkung, so dass die Errichtung
von Windenergieanlagen im Außenbereich aufgrund der baurechtlichen Privilegierung dort
ohne Einschränkung möglich ist. Eine Einbeziehung aller vor diesem Hintergrund theoretisch
denkbaren Windenergiestandorte unter dem Aspekt der Umfassung erscheint daher unverhältnismäßig. Soweit in den grenznahen Bereichen künftig die Ausweisung von Vorranggebieten
mit Ausschlusswirkung durch die zuständigen Planungsträger vorgenommen wird, wird die
Regionalplanung im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Träger öffentlicher Belange
hingegen darauf drängen, die (nord)hessischen Vorranggebiete bei der Prüfung von Umfassungs- und Überlastungskriterien zu berücksichtigen.
Die in der Regel inzwischen recht alten Windenergieanlagen aus dem Bestand, die keinen
Eingang in die regionalplanerischen Vorranggebiete gefunden haben, genießen zwar Bestandsschutz, können jedoch nicht repowert werden, womit im Zeitverlauf mit einer optischen
Entspannung vor Ort zu rechnen ist. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind sie auch deutlich kleiner als WEA neueren Typs und lösen damit auch eine deutlich geringere Fernwirkung
aus.
In einigen Fällen haben die vorgetragenen Hinweise oder Bedenken aus der 2. Offenlegung
dazu geführt, dass der Umfassungs-Sachverhalt einer neuerlichen Überprüfung unterzogen
wurde. Der daraus resultierende vereinzelte Handlungsbedarf wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Einzelabwägung für das jeweilige Vorranggebiet detailliert erläutert
und einer gesondert Beschlussfassung zugeführt.
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