Zweites Kapitel „Der Islam“ (in Deutschland) – eine

Werbung
z
Zur Produktseite
Nils Preer
mich bitte kurz zur Ruhe kommen und Ihnen erklären …« Kunigge atmet tief
Zweites Kapitel
durch und nimmt einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee, der vor ihm
„Der
Islam“Stadtratsmitglieder
(in Deutschland)
– eine
steht. Die
anwesenden
tauschen
untereinander fragende
und problemorientierte
Blicke themenspezifische
aus.
»Wie
Ihnen allen ja bekannt ist«,
schließlich,
»befinden wir
Begriffsbestimmung
imbeginnt
Sinneereines
allgemeinen
uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwerTeils
wiegender Versäumnisse können wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
Haushaltssatzung nicht fristgerecht beschließen. In den vergangenen zwei
A.
gibt es
nicht
– die
Vielgestaltigkeit
Jahren „Den
hatten Islam“
wir zumindest
Ende
Januar
eine
rechtskräftige Haushaltssatzung. Doch
es
zeichnet
sich
jetzt
schon
ab,
dass
wir
das in diesem Jahr nicht
„des Islam“
vor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
„Den
Islam“ gibt es nicht;
es gibt
vielmehr die
eineden
Vielzahl
an verschiedensten
Haushaltsführung.
Also nur
Ausgaben,
pflichtgemäßen
VerwalAusprgungen. So existiert neben den Sunniten und den Schiiten – den
tungsbetrieb garantieren.«
Sunniten gehçren 85 bis 90 Prozent, den Schiiten 10 bis 15 Prozent aller
Ein Raunen geht durch den Saal. »Der Stadtrat ist bereits von diesen
Muslime an – eine Vielzahl unterschiedlichster Glaubensrichtungen innerUmständen
unterrichtet«,
die seiner
Oberbürgermeisterin,
23
halb des Islam.
So kann unterbricht
man aufgrund
Vielgestaltigkeit Frau
auch Dr.
in
Lösungswille,
ungehalten,
»und
wir
werden
24 uns zu gegebener Zeit damit
Deutschland nicht „vom Islam“ sprechen. Dies bedingt es, dass die nachbefassen. Was
wollen Siekeine
also?«
Der Oberbürgermeisterinbesitzen
sind die
Äußefolgenden
Ausfhrungen
Allgemeinverbindlichkeit
kçnnen,
rungen
Kunigges
sichtlich
unangenehm.
vor
allem
dann nicht,
wenn
es um einzelne – aus westlicher Sicht – negaliegt doch auf
Hand:
wir alsRiten
Stadtverwaltung
nur
noch
tive»Das
Ausprgungen
desder
Islam
wieWenn
bestimmte
geht, die im
Widerunsere Pflichtaufgaben
erfüllen
und eben keine freiwilligen
Aufgaben
mehr
spruch
zu den Werten
der deutschen/westlichen
Gesellschaft
stehen.
Zudem
bestehen
auch dann
erhebliche
ist beispielswahrnehmen
können,
betrifftregionale
mich dasUnterschiede.
als Leiter desSo
Veranstaltungsweise
die
Beschneidung
weiblichen
Genitalien, die
Rechtsverwesens
sehr
wohl! Denn der
noch
fallen Veranstaltungen
inunserem
die Rubrik
der freistndnis
nach im krassen Widerspruch zu Art. 1 Abs. 1 GG steht, im nordwilligen Aufgaben!«
afrikanisch
geprgten
weit verbreitet,»dann
im trkisch
geprgten
Islam
»Ja …«, brummt
die Islam
Oberbürgermeisterin,
fallen schon
zwei Buch25
dagegen
anzutreffen.
Man sollte
daher
davon
nehmen,
lesungenkaum
und das
Kammerkonzert
aus. Tja,
wasAbstand
gibt es denn
sonst
noch sosolan
che
Extrembeispiele
auf den Islam als
wirklich
wichtigen Veranstaltungen
imWeltreligion
Frühj…« beziehen zu wollen; im
Rahmen einer sachlich gefhrten juristischen Auseinandersetzung sind sie
Das Stadtoberhaupt erblasst.
dennoch von großem Interesse.
»Oh nein …«, stammelt sie, » Sie meinen doch nicht etwa …«
»Ja«, erwidert Kunigge mit ernster Miene, »unseren Karnevalsumzug.«
B.
Die fehlende organisatorische Verfestigung des Islam
Aus rechtlicher Sicht kommt die Schwierigkeit hinzu, dass der Islam nicht
nur vielgestaltig, sondern auch hierarchiefeindlich ist. Dies bedeutet, dass
2.
Tradition in Gefahr – was nun?
23 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. (325).
24
So auch
Uhle, in: Heinig/Walter, gewusst,
Staatskirchenrecht
Religionsverfassungsrecht?,
Hätte
die Oberbürgermeisterin
welcheoder
Nachrichten
Kunigge zu
S. 299 ff. (325).
verkünden
hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
25 Aber auch in Teilen der islamischen Welt wird die Beschneidung weiblicher Genitalien im
gespart.
Die
murmeln
derweil
wild mit empfunden.
ihren Tischnachbarn
Hinblick
aufVersammelten
die Wrde der Frau
zunehmend
als problematisch
So haben die
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast panische AtmoOpfer dieser Praktik hufig ein Leben lang unter den Folgen der Genitalverstmmelung
zu
leidenzu
und
nicht selten
sind
tçdlich
verlaufende Infektionskrankheiten
Folge des Einsphäre
bringen,
muss
ein
aussichtsloses
Unterfangen sein, die
so schwant
ihr.
Heine, in: Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort: „BeschneiSiegriffs;
lässthierzu
es dennoch
nicht unversucht.
dung“, S. 101.
22
20
z
Zur Produktseite
Nils Preer
„Der Islam“ (in Deutschland) – eine Begriffsbestimmung
mich
bitte
kurz
zurkeine
RuheInstitutionen
kommen undhervorgebracht
Ihnen erklären …«
atmet
tief
der
Islam
seit
jeher
hat.Kunigge
Zum einen
liegt
durch
unddass
nimmt
von demvon
lauwarmen
vor ist,
ihm
dies
daran,
demeinen
IslamSchluck
eine Trennung
Staat undKaffee,
Kircheder
fremd
steht. Die er
anwesenden
untereinander
weswegen
keine vom Stadtratsmitglieder
Staat unabhngigentauschen
Institutionen
geschaffenfragende
hat.26
Blicke
aus. liegt dies aber vor allem im religiçsen Verstndnis des Islam
Zum
anderen
begrndet,
wonach
jeder
Muslim direkt
mit Gott
Verbindung
steht, wes»Wie Ihnen
allen
ja bekannt
ist«, beginnt
er in
schließlich,
»befinden
wir
27
halb
keines Mittelsmannes
zwischen Gott
und dem Einzelnen
bedarf.
unses
momentan
in einer sehr schwierigen
Haushaltslage.
Auf Grund
schwerDaher
hat sich
im Islam kein
Klerus
indas
derdritte
Tat kann
der
Islam
wiegender
Versäumnisse
können
wir gebildet;
nun schon
Jahr in
Folge
die
28
daher
als eine „Religion
ohne Kirche“
bezeichnetInwerden.
Dies ist der
Haushaltssatzung
nicht fristgerecht
beschließen.
den vergangenen
zwei
29
Grund
dass
Islam keinerlei
Grad an
Organisation
aufweist.
Jahrendafr,
hatten
wirder
zumindest
Ende Januar
eine
rechtskräftige
HaushaltssatVielmehr sind die in Deutschland lebenden Muslime in zahlreichen teilzung. Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
weise miteinander konkurrierenden islamischen Vereinigungen lose orgavor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
nisiert – hauptschlich handelt es sich hierbei um çrtliche Moschee- und
Haushaltsführung. Also nur Ausgaben, die den pflichtgemäßen VerwalKulturvereine –, die sich teilweise zu Dachorganisationen und Spitzenvertungsbetrieb
garantieren.«
bnden
zusammengeschlossen
haben.30 Die vorhandenen vereinsartigen
Ein
Raunen
geht
durch
den
Saal.
»Dernicht
Stadtrat
ist bereits 31
von diesen
Strukturen sind fr Außenstehende
nahezu
durchschaubar.
Umständen
unterrichtet«,
unterbricht die
Oberbürgermeisterin,
Frau Dr.
Eine Folge der
fehlenden Organisation
ist es
auch, dass es keine einheitLösungswille,
ungehalten,
»und Auffassung
wir werdenin
uns
zu gegebener Zeit damit
liche
und verbindliche
religiçse
Glaubensangelegenheiten
32
befassen.
WasLehren
wollenhaben
Sie also?«
Der Oberbürgermeisterin
die Äußegibt.
Smtliche
sich traditionell
herausgebildet.sind
rungen Kunigges sichtlich unangenehm.
26 So»Das
Uhle, liegt
in: Heinig/Walter,
Staatskirchenrecht
S. 299
ff.
doch auf der
Hand: Wennoder
wir Religionsverfassungsrecht?,
als Stadtverwaltung nur
noch
(327).
unsere
Pflichtaufgaben
erfüllen
und
eben
keine
freiwilligen
Aufgaben
mehr
27 So Jochum, in: Haratsch/Janz/Rademacher/Schmahl/Weiß, Religion und Weltanschauung im
wahrnehmen
dann
betrifftZAR
mich
das
Leiter des Veranstaltungsskularen Staat, können,
S. 101 ff. (112);
Bergmann,
2004,
135als
(139).
28wesens
So auch v.
Campenhausen/de
S. 89.
sehr
wohl! Denn Wall,
nochStaatskirchenrecht,
fallen Veranstaltungen
in die Rubrik der frei29willigen
Das FehlenAufgaben!«
einer festen Organisation und folglich das Fehlen von Institutionen machen es fr
den Islam schwierig, Ansprechpartner des Staates sein zu kçnnen. Mit aus diesem Grund ist
»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei Buchdem Islam das institutionelle Staatskirchenrecht nahezu verschlossen. Relevant wird diese
lesungen
und
das Kammerkonzert
aus. Tja,Religionsunterrichts
was gibt es dennund
sonst
so an
Problematik
im Rahmen
der Einfhrung islamischen
der noch
Verleihung
des Kçrperschaftsstatus
werden (hierzu spter).
sind in den letzten Jahren im Zuge
wirklich
wichtigen Veranstaltungen
imDennoch
Frühj…«
der
vermehrten
Bildung von
Dachverbnden Bestrebungen zum Schaffen von Strukturen
Das
Stadtoberhaupt
erblasst.
unbersehbar. Zwar kann hierin sicher noch keine „Verkirchlichung“ des Islam gesehen wer»Oh nein …«, stammelt sie, » Sie meinen doch nicht etwa …«
den. Dennoch kann hierin sicher ein Schritt in Richtung eines „Deutschen Islam“ erkannt
»Ja«, ein
erwidert
Kunigge
ernster
Karnevalsumzug.«
werden;
Schritt hin
zu einemmit
Islam,
der sichMiene,
nach und»unseren
nach den deutschen
Gegebenheiten und rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst hat.
30 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. (318);
Kloepfer, DV 2006, 45. Die wichtigsten Spitzenverbnde in Deutschland sind die TrkischIslamische Union der Anstalt fr Religion (DITIB), der Islamrat fr die Bundesrepublik
2.Deutschland,
Tradition
in Gefahr
– was
nun? (VIKZ), der als fundamentalistisch einder Verband
Islamischer
Jugendzentren
gestufte Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), die ebenfalls als fundamentalistisch
eingeschtzte
Islamische Gemeinschaftgewusst,
Milli Gçrswelche
und die Nachrichten
Islamische ReligionsgemeinHätte
die Oberbürgermeisterin
Kunigge zu
schaft Hessen (IRH). In ihnen sind ca. 390.000 Muslime organisiert; so o.V., Muslime in
verkünden
hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
Deutschland, Handelsblatt v. 10. Februar 2006, S. 11. In diesem Rahmen ist vor allem aber
gespart.
Die Versammelten
murmeln
derweil
wild mit
ihren Tischnachbarn
auch der 2007
im Zuge der Deutschen
Islamkonferenz
gegrndete
Koordinierungsrat
der Musund
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fastWeg
panische
Atmolime in Deutschland (KRM) zu nennen. Seine Aufgabe sollte es sein, den
zum institutionellen Staatskirchenrecht
zu ebnen;
hierzu spter mehr.
sphäre
zu bringen, muss
ein aussichtsloses
Unterfangen sein, so schwant ihr.
31 So Hillgruber, JZ 1999, 538 (539).
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
32 So Hillgruber, JZ 1999, 538 (541).
20
23
z
Zur Produktseite
Der
Nils Islam
Preer – eine Herausforderung fr das deutsche Staatskirchenrecht
mich bitte
Ruhe kommen
undTradition
Ihnen erklären
Kunigge
atmet tief
C.
Derkurz
im zur
Wesen
und in der
des…«
Islam
angelegte
durch und nimmt einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee, der vor ihm
Konflikt mit der deutschen Verfassung, ihren
steht. Die anwesenden Stadtratsmitglieder tauschen untereinander fragende
und Werten
Blicke Grundentscheidungen
aus.
Ihnen
allen ja bekannt
ist«,
beginnt er
schließlich,
I. »WieDie
weitgehend
fehlende
Trennung
von
Staat und»befinden
Kirche wir
uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwerDem islamischen Religionsrecht – der Scharia – ist eine Trennung von geistwiegender Versäumnisse können wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
licher und weltlicher Sphre grundstzlich fremd. Religiçse und politische
Haushaltssatzung nicht fristgerecht beschließen. In den vergangenen zwei
Ziele sind daher oft untrennbar miteinander verwoben. Die zwingende
Jahrenist,
hatten
Ende Januar
eine rechtskräftige
Folge
dass wir
demzumindest
Islam der Grundsatz
staatlicher
NeutralittHaushaltssatin Glaubenszung.
Doch
es
zeichnet
sich
jetzt
schon
ab,
dass
wir
das in diesem
Jahr nicht
angelegenheiten – der als Folge einer aufgeklrten Trennung
von Staat
und
33
vor
Ende
März
schaffen
werden.
Was
das
für
uns
bedeutet
ist
klar:
vorläufige
Kirche verstanden werden kann – fremd ist.
Haushaltsführung.
nur Ausgaben,Trennung
die den pflichtgemäßen
Dass dem Islam Also
die institutionelle
von Staat und VerwalKirche
tungsbetrieb garantieren.«
wesensfremd
ist, zeigt sich daran, dass der klassische islamische Staat
Ein
Raunen geht
durch
dentheokratisches
Saal. »Der Stadtrat
ist bereits von
eine
Theokratie
ist; so
ist ein
Herrschaftsmodell
wiediesen
etwa
der
Iran gerade
dadurch gekennzeichnet,
Theologen politische
Umständen
unterrichtet«,
unterbricht die dass
Oberbürgermeisterin,
FrauEntDr.
scheidungsfindungsprozesse
maßgeblich
und letzten
Lösungswille, ungehalten, »und
wir werdensteuern
uns zu gegebener
Zeit Endes
damit
34
(mit)entscheiden.
befassen. Was wollen Sie also?« Der Oberbürgermeisterin sind die ÄußeSelbstKunigges
der Trkei
– sie versteht
sich seit Mustafa Kemal („Atatrk“) als
rungen
sichtlich
unangenehm.
laizistisch
–
mag
die
Trennung
zwischen
staatlichen
und religiçsennur
Angele»Das liegt doch auf der Hand: Wenn wir
als Stadtverwaltung
noch
genheiten nicht durchgngig und in aller Konsequenz gelingen. Dies zeigt
unsere Pflichtaufgaben erfüllen und eben keine freiwilligen Aufgaben mehr
sich beispielsweise daran, dass der trkische Staat die staatliche Religionswahrnehmen können, dann betrifft mich das als Leiter des Veranstaltungsbehçrde Diyanet unterhlt, deren Aufgabe es unter anderem ist, Prediger fr
wesens sehr wohl! Denn noch fallen Veranstaltungen in die Rubrik der freiden Einsatz in nicht-islamischen Lndern anzuwerben.35
willigen
Aufgaben!«
Dass ein
wie in der Trkei gelebter Laizismus dem Islam seinem Wesen
»Ja
…«,
diesich
Oberbürgermeisterin,
»dann
schonmit
zwei
Buchnach fremdbrummt
ist, zeigt
zudem auch daran,
dass fallen
die Trkei
erheblilesungen
und
das
Kammerkonzert
aus.
Tja,
was
gibt
es
denn
sonst
noch
an
chen Re-Islamisierungstendenzen zu kmpfen hat. Beispielhaft hierfrsowar
wirklich
wichtigen
Veranstaltungen
Frühj…«
die
von der
Partei fr
Gerechtigkeitim
und
Entwicklung (AKP) im Februar
Daserwirkte
Stadtoberhaupt
erblasst.
2008
Verfassungsnderung,
in deren Folge das Tragen von Kopftchern
an trkischen
Universitten
war. etwa
Anfang
»Oh nein
…«, stammelt
sie, » Sie wieder
meinenerlaubt
doch nicht
…«Juni 2008
verwarf
Verfassungsgericht
in Ankara
die Entscheidung
des Parlaments.
»Ja«, das
erwidert
Kunigge mit ernster
Miene,
»unseren Karnevalsumzug.«
Das Gericht war der Auffassung, dass die Verfassungsnderung mit dem
Laizismus unvereinbar sei.36
II.
2.
Das
andere
von
Menschenrechten
Tradition
inVerstndnis
Gefahr – was
nun?
Darber hinaus vermittelt die Scharia – wenn sie streng ausgelegt wird –
ein
unsdie
gnzlich
fremdes Bild von
Menschenrechten.
So kennt Kunigge
die Scharia
Hätte
Oberbürgermeisterin
gewusst,
welche Nachrichten
zu
verkünden hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
33 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. (327 f.).
gespart.
Die
Versammelten murmeln
derweilStichwort:
wild mit
ihren Tischnachbarn
34
Heine, in:
Khoury/Hagemann/Heine,
Islam-Lexikon,
„Gottesstaat“,
S. 251.
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast panische
35 So auch Huber, in: FS Huber, S. 27 ff. (35 f.); Ladeur/Augsberg, Toleranz
– Religion –AtmoRecht,
S. 96. zu
Nebenbei:
Deren
Auslandsorganisation
ist dieUnterfangen
DITIB, die in Deutschland
u. a. aufwnsphäre
bringen,
muss
ein aussichtsloses
sein, so schwant
ihr.
Moscheebauten finanziert.
Siedige
lässt
es dennoch nicht unversucht.
36 O.V., Kopftuchverbot in Trkei wieder in Kraft, Eßlinger Zeitung v. 6. Juni 2008, S. 2.
24
20
z
Zur Produktseite
Nils Preer
„Der Islam“ (in Deutschland) – eine Begriffsbestimmung
michReligionsfreiheit,
bitte kurz zur Ruhe
kommen
und Ihnen erklären
…« Kunigge
tief
keine
was
sich beispielsweise
darin zeigt,
dass einatmet
Abfall
durch
und nimmt
Schluck
vondrastischen,
dem lauwarmen
derStrafen
vor ihm
vom
Glauben
– die einen
Apostasie
– mit
teils Kaffee,
tçdlichen
steht. Die anwesenden
Stadtratsmitglieder
untereinander
fragende
sanktioniert
wird.37 So bezeichnet
der Korantauschen
die Apostasie
in 3, 86–91;
16,
Blicke aus.
106–107;
4, 137; 5, 7 als schwere Snde, die zu einem vollstndigen und
irreparablen
Bruch
mitjaGott
fhrt.ist«,
Beispielhaft
ist Sure »befinden
16 Vers 106:
»Wie Ihnen
allen
bekannt
beginnt hierfr
er schließlich,
wir
uns „Wer
momentan
in
einer
sehr
schwierigen
Haushaltslage.
Auf
Grund
schwerGott verleugnet, nachdem er glubig war – außer dem, der gewiegender
Versäumnisse
können
nun
dasRuhe
drittegefunden
Jahr in Folge
die
zwungen
wird, whrend
sein wir
Herz
im schon
Glauben
hat –,
Haushaltssatzung
nicht
fristgerecht
beschließen.
In
den
vergangenen
zwei
nein, diejenigen, die ihre Brust dem Unglauben çffnen, ber die
Jahren
hatten
zumindest
Ende
Januar
eine rechtskräftige
Haushaltssatkommt
einwir
Zorn
von Gott,
und
bestimmt
ist fr sie eine
gewaltige
zung.
Doch38es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
Pein.“
vor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
Hieraus und aus der Tradition des Propheten – „wer seine Religion wechHaushaltsführung. Also nur Ausgaben, die den pflichtgemäßen Verwalselt, den tçtet!“ – leiten Gelehrte verschiedener Rechtsschulen die Todestungsbetrieb garantieren.«
strafe fr den Apostaten ab. Dass im Islam ein anderes Verstndnis von „ReEin Raunenherrscht,
geht durch
den
Saal.
Stadtrat
ist sich
bereits
von diesen
ligionsfreiheit“
zeigt
auch
der»Der
Umstand,
dass
verschiedene
Umständen
unterrichtet«,
unterbricht
die
Oberbürgermeisterin,
Frauder
Dr.
islamische Staaten am Inhalt des Art. 18 der allgemeinen Erklrung
Lösungswille, ungehalten,
»und
werden
Zeit damit
Menschenrechte
(AEMR) von
1948wir
stießen.
In uns
ihm zu
ist gegebener
von der Gedanken-,
befassen. Was
Sie also?« Der
sind
die ÄußeGewissensundwollen
Religionsfreiheit
die Oberbürgermeisterin
Rede. Im Jahre 1966
wurde
die
rungen Kunigges
sichtlichverschiedener
unangenehm. islamischer Staaten abgendert.
Bestimmung
auf Drngen
»Dasnun
liegt
doch
auf der
wir
alsRecht
Stadtverwaltung
nur noch
Es hieß
nicht
mehr,
dassHand:
jeder Wenn
Mensch
das
habe, seine Religion
zuunsere
wechseln,
es hieß vonerfüllen
nun an,
dass
jeder
dasfreiwilligen
Recht habe,Aufgaben
die Religion
Pflichtaufgaben
und
eben
keine
mehr
seiner
Wahl auszuben;
ein kleiner,
signifikanter
Unterschied.
wahrnehmen
können, dann
betrifftaber
mich
das als Leiter
des Veranstaltungshnlichsehr
verhlt
sich noch
mit der
Menschenwrde,
nach
der Scharia
wesens
wohl!esDenn
fallen
Veranstaltungendie
in die
Rubrik
der freiausschließlich
dem Muslim „als Anhnger der einzig wahren Offenwilligen Aufgaben!«
39
barungsreligion“
uneingeschrnkt
zuteilwerde.
Auch
»Ja …«, brummt
die Oberbürgermeisterin,
»dann
fallenallgemeine
schon zweiFreiBuch40
heitsrechte werden nur Muslimen gewhrt.
lesungen und das Kammerkonzert aus. Tja, was gibt es denn sonst noch so an
Sehr deutlich wird das uns fremde, in der Scharia enthaltene, Verstndwirklich wichtigen Veranstaltungen im Frühj…«
nis von Menschenrechten auch am Beispiel von Gleichheitsrechten.
Das Stadtoberhaupt erblasst.
Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Mann und Frau kennt die
»Ohim
nein
…«, stammelt
sie, » Sie
doch
nicht etwa …«
Scharia
Grunde
nicht; angelegt
istmeinen
die teils
weitreichende
Benachtei»Ja«,
erwidert
Kunigge
mit
ernster
Miene,
»unseren
ligung von Frauen im Koran selbst. So fhrt der Koran, derKarnevalsumzug.«
Teil der Scharia
ist, in Sure 4, 34 aus:
37 Hierzu und zum Nachfolgenden Khoury, in: Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Stichwort: „Abfall vom Glauben/Apostasie“, S. 18.
Tradition
in bersetzungen
Gefahr – was
nun?soweit nicht anders gekennzeichnet, von
382.
Diese und
alle anderen
stammen,
Khoury/Abdullah, Der Koran.
39Hätte
So Uhle,
Heinig/Walter, Staatskirchenrecht
Religionsverfassungsrecht?,
S. 299 ff.
diein:Oberbürgermeisterin
gewusst,oder
welche
Nachrichten Kunigge
zu
(330 f.). Der Islam anerkennt auch das Christen- und das Judentum als Offenbarungsreligioverkünden
hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
nen, weshalb Juden und Christen Muslimen nicht gnzlich fremd seien. Juden und Christen
gespart.
Die als
Versammelten
murmeln
derweil
wild
werden daher
„Teil-Unglubige“
bezeichnet,
mit denen
man mit
zwar ihren
nicht inTischnachbarn
voller, jedoch in
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast panische
Atmosog. „Teilgemeinschaft“ leben drfe. So Khoury, in: Khoury/Heine/Oebbecke,
Handbuch
Recht und
des Islams,
S. 273
ff.
sphäre
zu Kultur
bringen,
muss ein
aussichtsloses
Unterfangen sein, so schwant ihr.
40 So Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff.
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
(330 f.).
20
25
z
Zur Produktseite
Der
Nils Islam
Preer – eine Herausforderung fr das deutsche Staatskirchenrecht
mich „Die
bitte kurz
zur Ruhe
kommen
und Ihnen
erklären …« Kunigge
atmetden
tief
Mnner
haben
Vollmacht
und Verantwortung
gegenber
durchFrauen,
und nimmt
einendie
Schluck
demanderen
lauwarmen
Kaffee,hat
derund
vor weil
ihm
weil Gott
einen von
vor den
bevorzugt
steht.sie
Dievon
anwesenden
Stadtratsmitglieder
tauschen
untereinander
fragende
ihrem Vermçgen
(fr die Frauen)
ausgeben.
Die rechtschaffeBlickenen
aus.(Frauen) sind demtig ergeben und bewahren das, was geheim
gehalten
da Gott
bewahrt.
Ermahnt diejenigen,
»Wie
Ihnen werden
allen ja soll,
bekannt
ist«,(es)
beginnt
er schließlich,
»befinden von
wir
denen ihr in
Widerspenstigkeit
befrchtet,
und entfernt
von
ihnen
uns momentan
einer sehr schwierigen
Haushaltslage.
Aufeuch
Grund
schwerin denVersäumnisse
Schlafgemchern
und
sie. Wenn
sie Euch
gehorchen,
wiegender
können
wirschlagt
nun schon
das dritte
Jahr in
Folge die
dann wendetnicht
nichtsfristgerecht
Weiteres gegen
sie an. Gott
ist erhaben
und groß.“
Haushaltssatzung
beschließen.
In den
vergangenen
zwei
Jahren
hatten
wir
zumindest
Ende
Januar
eine
rechtskräftige
HaushaltssatDer niederere Rang einer Frau kommt auch in Sure 2, 282 deutlich zum
zung. DochGeht
es zeichnet
sichBeweis
jetzt schon
dass wir das in diesem
nicht
Ausdruck:
es um den
von ab,
Vertragsschlssen,
zhlen Jahr
die Stimvor Ende
März
schaffen
werden.
WasStimme
das für uns
bedeutet
ist41klar:
vorläufige
men
zweier
Frauen
so viel
wie die
eines
Mannes.
So formuliert
Haushaltsführung.
Ausgaben, die
den pflichtgemäßen
VerwalBertrams
zu Recht, Also
dass nur
die islamische
Vorstellung
von einem niederen
Rang
der Frau
unsere deutsche Verfassung „in ihren Grundfesten betungsbetrieb
garantieren.«
42
rhrt“.
Ein Raunen geht durch den Saal. »Der Stadtrat ist bereits von diesen
Umständen unterrichtet«, unterbricht die Oberbürgermeisterin, Frau Dr.
D.
Fundamentalistische
Lösungswille,
ungehalten, »und Strçmungen
wir werden uns zu gegebener Zeit damit
befassen. Was wollen Sie also?« Der Oberbürgermeisterin sind die ÄußeRelevant werden die folgenden Ausfhrungen vor allem im Rahmen des
rungen KuniggesStaatskirchenrechts.
sichtlich unangenehm.
institutionellen
»Das liegt
doch auf der
Hand:
Wenn wir
Neben
der Einfhrung
des
Gottesstaates
istals
es Stadtverwaltung
das erklrte Ziel nur
des noch
Fununsere Pflichtaufgaben
erfüllen und
eben keine
freiwilligen
Aufgaben
mehr
damentalismus,
das „islamische
Modell“
als das
einzig wahre
gewaltsam
wahrnehmen können, dann betrifft mich das als Leiter des Veranstaltungs41
Zu diesem
Khoury/Hagemann/Heine,
Islam-Lexikon,
Stichwort:
„Frau“,
wesens
sehrBeispiel
wohl!Khoury,
Denn in:
noch
fallen Veranstaltungen
in die Rubrik
der
freiS. 199, und
auch Rohe, Der Islam, S. 55.
willigen
Aufgaben!«
42 Bertrams, DVBl. 2003, 1225 (1232). Die Problematik der Unterdrckung der Frau in der isla»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei Buchmischen Welt kommt hufig auch im Rahmen der „Kopftuchflle“ zum Vorschein: So wird
lesungen
undAutoren
das Kammerkonzert
aus.Kopftuch
Tja, was
gibtnur
es das
denn
sonst
noch
so an
von einigen
vorgebracht, dass das
nicht
Symbol
einer
antiwestlichen Abgrenzungsideologie
sei; Oebbecke,
Khoury/Heine/Oebbecke, Handbuch Recht
wirklich
wichtigen Veranstaltungen
imin:Frühj…«
und
des Islams, S.erblasst.
311. Es stelle auch ein Symbol fr die Unterdrckung der Frau
DasKultur
Stadtoberhaupt
dar, da jene Strçmungen, die das Tragen eines islamischen Kopftuchs als religiçs geboten
»Oh nein …«, stammelt sie, » Sie meinen doch nicht etwa …«
erachten, die Ansicht vertreten, die Frau genieße eine dem Mann untergeordnete Rolle; dazu
»Ja«, NVwZ
erwidert
mit
Miene,
»unseren
Karnevalsumzug.«
Hufen,
2004,Kunigge
575 (576 f.).
Dasernster
durch das
Kopftuch
propagierte
Frauenbild kollidiere
stark mit den verfassungsstaatlichen Grundprinzipien. Muslimische Schlerinnen kçnnten
so durch ihre Eltern dazu gezwungen werden, ebenfalls ein Kopftuch zu tragen, was eine
integrationshemmende Wirkung zur Folge htte; so Schavan, ZAR 2004, 5. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag neben der
2. reinenTradition
in Gefahr
– was
nun?freiheitlich-demokratischer Werte umfasst;
Stoffvermittlung
ebenfalls die
Vermittlung
so Bertrams, DVBl. 2003, 1225 (1233 f.). Eine Lehrkraft muss daher die Gewhr dafr bieten,
dass die
ihr Oberbürgermeisterin
Tun mit der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung
der Bundesrepublik
Hätte
gewusst, welche
Nachrichten
Kunigge zu
Deutschland, den sich an ihr orientierenden Erziehungszielen der Schule sowie den Grundverkünden
hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
rechten der Eltern und Schler stets bereinstimmt; so Hufen, NVwZ 2004, 575 (576). In der
gespart.
Die
Versammelten
derweil wild
mitLehrerin,
ihren Tischnachbarn
Literatur
wird
daher des fterenmurmeln
die Frage aufgeworfen,
ob eine
die darauf besteht,
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast der
panische
Atmoim Unterricht ein Kopftuch tragen zu drfen, diesem Anspruch (wegen
gerade diskutierten Wirkung
des Kopftuchs)
berhaupt
gerecht werden
kçnne; hierzu
u. a.so
Kstner,
in: Liber
sphäre
zu bringen,
muss ein
aussichtsloses
Unterfangen
sein,
schwant
ihr.
Oppermann, S. 827 ff. (839), und Bertrams, DVBl. 2003, 1225 (1234). LetzSieamicorum
lässt esThomas
dennoch
nicht unversucht.
terer verneint diese Frage entschieden.
26
20
z
Zur Produktseite
Nils Preer
„Der Islam“ (in Deutschland) – eine Begriffsbestimmung
43zur Ruhe kommen und Ihnen erklären …« Kunigge atmet tief
mich bitte kurz
durchzusetzen.
Erreicht werden soll dies durch die Instrumentalisierung
44 der vor ihm
durch
und nimmt
einen Schluck
von dem lauwarmen Ziele;
Kaffee,
der
Religion
zur Durchsetzung
politisch-ideologischer
in diesem
45
steht.
Die
anwesenden
Stadtratsmitglieder
tauschen
untereinander
fragende
„Polit-Islam“ ist ein Missbrauch des Islam als Religion zu erblicken.
Blicke aus.
Schlagwortartig
kann Fundamentalismus als „aggressive Unterwerfung“46
47
oder»Wie
als „stark
Abgrenzungsideologie“
bezeichnet
werden,
Ihnenantiwestliche
allen ja bekannt
ist«, beginnt er schließlich,
»befinden
wir
die
Widerspruch
zursehr
freiheitlich-demokratischen
Grundordnung
der
unsim
momentan
in einer
schwierigen Haushaltslage.
Auf Grund schwerBundesrepublik
Deutschland
steht.wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
wiegender Versäumnisse
können
Hillgruber ist der nicht
Ansicht,
die berwiegende
Zahl
der islamischen
Haushaltssatzung
fristgerecht
beschließen.
In den
vergangenenVerzwei
eine
in
Deutschland
sei
demokratiefeindlich
und
lehne
den
skularen
und
Jahren hatten wir zumindest Ende Januar eine rechtskräftige
Haushaltssatpluralistischen Staat ab; dies verdeutlicht Hillgruber am Beispiel der
zung. Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
Gemeinschaft „Milli Gçrs“, die sich in aller ffentlichkeit dazu bekenne,
vor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
„weltweit die gerechte Ordnung an die Macht bringen zu wollen“.48
Haushaltsführung. Also nur Ausgaben, die den pflichtgemäßen VerwalHierbei handelt es sich um eine sehr pauschale Aussage, die in dieser
tungsbetrieb
garantieren.«
Absolutheit
keinesfalls
aufrechterhalten werden kann. Tatschlich ist nur
Ein
Raunen
geht
durch den Vereinigungen
Saal. »Der Stadtrat
ist bereitsBoden
von diesen
ein kleiner Teil der
muslimischen
auf deutschem
funUmständen unterrichtet«,
unterbricht
die muslimischen
Oberbürgermeisterin,
Frau Dr.
damentalistisch
orientiert. Der
Großteil der
Organisationen
Lösungswille,
ungehalten,
»und
wir werdenvorgegebenen
uns zu gegebener
Zeit(s.damit
bewegt
sich innerhalb
der von
der Verfassung
Grenzen
o.).
befassen.
Was wollen
Sie also?«
Der muslimischen
Oberbürgermeisterin
sind dieunter
ÄußeMan
sollte daher
keinesfalls
smtliche
Vereinigungen
einen
Generalverdacht
stellen.
rungen
Kunigges sichtlich
unangenehm.
Dennoch
ist die
Gefahr,
dieHand:
von einzelnen
und fundamentalis»Das liegt
doch
auf der
Wenn wirradikalen
als Stadtverwaltung
nur noch
tisch
organisierten
Vereinigungen
ausgeht,
nicht freiwilligen
gnzlich vonAufgaben
der Handmehr
zu
unsere
Pflichtaufgaben
erfüllen und
eben keine
weisen.
So lsst
sich tatschlich
feststellen,
in islamischen
Staaten
wahrnehmen
können,
dann betrifft
mich dasdass
als Leiter
des Veranstaltungseine
zunehmende
zu verzeichnen
ist und
Islamismus
auch
wesens
sehr wohl!Islamisierung
Denn noch fallen
Veranstaltungen
in die
Rubrik der
freihierzulande
zunehmend als Bedrohung empfunden wird.49 So wurde der
willigen Aufgaben!«
Islamismus vom Kçlner Bundesamt fr Verfassungsschutz (BfV) bereits im
»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei BuchJahr 1997 zum „Sicherheitsproblem Nummer eins“ erklrt.50
lesungen und das Kammerkonzert aus. Tja, was gibt es denn sonst noch so an
Um sich vom Fundamentalismus ausdrcklich zu distanzieren, haben
wirklich wichtigen Veranstaltungen im Frühj…«
sich zahlreiche islamische Vereinigungen in einer Erklrung vom 20. FeStadtoberhaupt
erblasst.
bruarDas
2002
– der sogenannten
„Islamischen Charta“ – zu den Werten der
»Oh
nein
…«,
stammelt
sie, »hierzu
Sie meinen
nicht etwa
…«11. Sepwestlichen Welt bekannt; Anlass
waren doch
die Anschlge
vom
51
»Ja«,
erwidert
Kunigge mit ernster Miene, »unseren Karnevalsumzug.«
tember
2001.
Tradition
in Gefahr – was nun?
432.
So Jochum,
in: Haratsch/Janz/Rademacher/Schmahl/Weiß,
Religion und Weltanschauung im
skularen Staat, S. 101 ff. (118).
44Hätte
So Bttner,
Marr/Schmmelfelder/Kmper,
Essener
Gesprche
33 (1999), S. Kunigge
107 ff. (117).zu
die in:
Oberbürgermeisterin
gewusst,
welche
Nachrichten
45 Rohe, Der Islam, S. 39.
verkünden hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
46 So Hassemer, Religiçse Toleranz im Rechtsstaat, S. 34.
Diein:Versammelten
murmeln
derweil
wildS.mit
47gespart.
So Albrecht,
Marr/Stting, Essener
Gesprche
20 (1986),
82 ff.ihren
(98). Tischnachbarn
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast
panische Atmo48 Hillgruber, JZ 1999, 538 (546).
49sphäre
v. Campenhausen/de
Staatskirchenrecht,
S. 85. Unterfangen sein, so schwant ihr.
zu bringen,Wall,
muss
ein aussichtsloses
50 Bttner, in: Marr/Schmmelfelder/Kmper, Essener Gesprche 33 (1999), S. 107 ff. (115).
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
51 v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 86.
20
27
z
Zur Produktseite
Nils Preer
mich bitte kurz zur Ruhe kommen und Ihnen erklären …« Kunigge atmet tief
Zweiter Teil
durch und nimmt einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee, der vor ihm
auftretende rechtliche
Konfliktfelder
steht.Typischerweise
Die anwesenden Stadtratsmitglieder
tauschen untereinander
fragende
Blickeund
aus. deren Ursachen – eine systematische
»Wie
Ihnen allen ja bekanntdes
ist«,Themas
beginnt er„Islam
schließlich,
Gesamtdarstellung
und»befinden wir
uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwerGrundgesetz“
wiegender Versäumnisse können wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
Haushaltssatzung nicht fristgerecht beschließen. In den vergangenen zwei
Jahren hatten wir zumindest Ende Januar eine rechtskräftige Haushaltssatzung. Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
Flle mit „Islam-Bezug“ beschftigen das deutsche Staats- und Verwalvor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
tungsrecht seit Jahren. Die Komplexitt des Themas wird alleine schon
Haushaltsführung.
Also nur Ausgaben,
die
pflichtgemäßen
Verwaldaran
deutlich, dass verschiedene
Instanzen
oftden
vçllig
entgegengesetzt
enttungsbetrieb
garantieren.«
scheiden; dies zeigte sich zum Beispiel im Rahmen des „legendren“ Kopf52 Stadtrat ist bereits von diesen
Ein Raunen
durch
»Der
tuchstreits,
der imgeht
Jahre
2003den
vomSaal.
BVerfG
unter vçlliger Abweichung von
Umständen
unterrichtet«,
Fraudes
Dr.
den
Entscheidungen
des VGunterbricht
Stuttgart53,die
desOberbürgermeisterin,
VGH Mannheim54 und
55
Lösungswille,
ungehalten,
»und wir werden uns zu gegebener Zeit damit
BVerwG
, entschieden
wurde.
befassen.
Was
Sie dass
also?«verschiedene
Der Oberbürgermeisterin
die ÄußeAber auch
derwollen
Umstand,
Gerichte einensind
identischen
Sachverhalt
(!) rechtlich
unterschiedlich behandeln, zeigt, wie
rungen Kunigges
sichtlichvçllig
unangenehm.
schwer
die
Thematik
rechtlich
in den
Griff
zuals
bekommen
ist. Das nur
Parade»Das
liegt
doch auf
der Hand:
Wenn
wir
Stadtverwaltung
noch
beispiel
auch hier wieder
der und
Kopftuchstreit
der FereshtaAufgaben
Ludin. Whunsere ist
Pflichtaufgaben
erfüllen
eben keine freiwilligen
mehr
rend
das VG Stuttgart
Tragen
eines
Kopftuchs
durchdes
eine
Lehrerin an
wahrnehmen
können,das
dann
betrifft
mich
das als Leiter
Veranstaltungseiner
staatlichen
Schule
desVeranstaltungen
Unterrichts in in
seinem
Urteilder
vom
wesens
sehr wohl!
Dennwhrend
noch fallen
die
Rubrik
frei56 sah das VG Lneburg, das sich
24.
Mrz
2000
als
unzulssig
erachtete,
willigen Aufgaben!«
im selben Jahr mit einem identisch gelagerten Fall zu befassen hatte, hierin
»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei Buchkein Problem.57 Hierbei handelt es sich keinesfalls etwa um eine Lappalie:
lesungen und das Kammerkonzert aus. Tja, was gibt es denn sonst noch so an
Man bedenke, welche politische und juristische Lawine das VG Stuttgart
wirklich
wichtigen
Veranstaltungen
im Frühj…«
im
Jahr 2000
aus heutiger
Sicht losgetreten
hat, welche personellen und
Das
Stadtoberhaupt
erblasst.
finanziellen Mittel der Instanzenzug bis 2004 und das Gesetzgebungsver»Ohdas
nein
» Sie
nicht
…«heutigen
fahren,
in…«,
der stammelt
Schaffungsie,
des
§ 38meinen
Abs. 2 doch
SchulG
in etwa
seiner
erwidert
Kunigge
mit ernster haben.
Miene, Und
»unseren
Karnevalsumzug.«
Form»Ja«,
gipfelte,
bis heute
verschlungen
dennoch
ist in dieser
Sache – auch nach einer fast ber zehn Jahre andauernden Rechtsentwicklung – lngst kein Rechtsfrieden eingetreten. Nach wie vor werden einzelne
Entscheidungen sowie die Novellierung des baden-wrttembergischen
Schulgesetzes
von der
Literatur
2.
Tradition
in Gefahr
– und
wasnicht
nun?zuletzt auch von der ffentlichkeit scharf kritisiert. So bemngelte der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft
Baden-Wrttemberg
Riadwelche
Ghalaini
im April 2009,
dasszu
Hätte die Oberbürgermeisterin
gewusst,
Nachrichten
Kunigge
verkünden hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
52 BVerfGE 108, 282.
DieNVwZ
Versammelten
53gespart.
VG Stuttgart,
2000, 959. murmeln derweil wild mit ihren Tischnachbarn
und
jeder
Versuch,
Ruhe in die aufgeschreckte, fast panische Atmo54 VGH Mannheim, DVBl. etwas
2001, 1534.
55sphäre
BVerwGE
359.
zu116,
bringen,
muss ein aussichtsloses Unterfangen sein, so schwant ihr.
56 VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959.
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
57 VG Lneburg, NJW 2001, 767.
20
29
z
Zur Produktseite
Systematische
Gesamtdarstellung des Themas „Islam und Grundgesetz“
Nils Preer
mich
bitte
kurz
zur Ruhe
kommen
und Ihnen erklären
…« Kunigge
atmet
tief
das
seit
fnf
Jahren
bestehende
Kopftuchverbot
muslimische
Frauen
diskridurch und
einen Schluck Wirkung
von demhabe,
lauwarmen
der vor
miniere
undnimmt
eine antiintegrative
und soKaffee,
bezeichnete
er ihm
das
steht. Die anwesenden
Stadtratsmitglieder
tauschen untereinander
fragende
fnfjhrige
Bestehen des
baden-wrttembergischen
Kopftuchverbots
als
Blicke aus.Jubilum“.58
„trauriges
Die
Schwierigkeit,
dasbekannt
Thema ist«,
„Islam
und Grundgesetz“
rechtlich
zu fas»Wie
Ihnen allen ja
beginnt
er schließlich,
»befinden
wir
sen,
zeigt sich auch
beim
Schchten.
So Haushaltslage.
verwarf das BVerwG
seineschwerRechtuns momentan
in einer
sehr
schwierigen
Auf Grund
sprechung
aus dem Jahr 1995
zu wir
einer
derschon
elementarsten
in Bezug
wiegender Versäumnisse
können
nun
das dritte Fragen
Jahr in Folge
die
auf
die Dogmatik nicht
des Art.
4 GG – nmlich
zur Frage
der
objektiven zwei
oder
Haushaltssatzung
fristgerecht
beschließen.
In den
vergangenen
subjektiven
Schutzbereichsbestimmung
–59eine
undrechtskräftige
entschied im Jahr
2000 vçlJahren hatten
wir zumindest
Ende Januar
Haushaltssat60
lig entgegengesetzt. Ein und dasselbe Gericht (!) sah sich dazu gezwunzung. Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
gen, innerhalb von fnf Jahren einen Paradigmenwechsel vorzunehmen;
vor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
hierzu spter.
Haushaltsführung. Also nur Ausgaben, die den pflichtgemäßen VerwalAllein diese wenigen Beispiele zeigen, wie widersprchlich und uneintungsbetrieb
garantieren.«
heitlich
die zum
Thema „Islam und Grundgesetz“ ergangene RechtspreEin
Raunen
geht
durch den
»Der Stadtrat
ist bereits
von diesen
chung ist und wie
komplex
sich Saal.
die Thematik
insgesamt
darstellt.
Umständen
unterrichtet«,
unterbricht
diesetzt
Oberbürgermeisterin,
FrauanDr.
Es wird aber
vor allem deutlich
– hieran
die vorliegende Arbeit
–,
Lösungswille,
ungehalten,
»und
wir werden
zuaktuelle
gegebener
Zeit„Islam
damit
dass
man das juristisch
hoch
brisante
und vor uns
allem
Thema
befassen.
Was wollen
Sie also?«
Dernicht
Oberbürgermeisterin
die Äußeund
Grundgesetz“
in seiner
Ganzheit
durch das Lçsen sind
einzelner
Flle
zufriedenstellend
lçsen kann.
rungen Kunigges sichtlich
unangenehm.
Angesichts
der Tatsache,
der
Islamwir
dieals
zweitgrçßte
Glaubensgemein»Das liegt doch
auf der dass
Hand:
Wenn
Stadtverwaltung
nur noch
schaft
Deutschland ist,
dass der
an Muslimen
unserein
Pflichtaufgaben
erfüllen
undBevçlkerungsanteil
eben keine freiwilligen
Aufgaben stetig
mehr
zunimmt
und können,
dass in dann
Zukunft
mit mich
einer das
Vielzahl
hnlich
Flle
wahrnehmen
betrifft
als Leiter
des gelagerter
Veranstaltungsgerechnet
werden
aber
gerade
dies notwendig.
wesens sehr
wohl!muss,
Denn ist
noch
fallen
Veranstaltungen
in die Rubrik der freiUm dieAufgaben!«
Problematik ganzheitlich und umfassend in den Griff zu bekomwilligen
men und um die Masse der Flle einheitlich und in sich widerspruchsfrei
»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei Buchlçsen zu kçnnen, bençtigt der Rechtsanwender Systemverstndnis. Systemlesungen und das Kammerkonzert aus. Tja, was gibt es denn sonst noch so an
verstndnis erlangt er nicht durch das Analysieren einzelner Flle. Er
wirklich wichtigen Veranstaltungen im Frühj…«
erlangt dies, indem er smtliche Flle mit Islam-Bezug daraufhin unterDas welche
Stadtoberhaupt
erblasst. beim Aufeinandertreffen von Islam und
sucht,
Spannungsfelder
»Oh
nein
…«,
stammelt
» Sie meinen
doch nicht
etwaihnen
…« jeweils
Grundgesetz typischerweisesie,
entstehen
und welche
Ursachen
»Ja«, erwidert
Kunigge
ernster Miene,
»unseren
Karnevalsumzug.«
zugrunde
liegen. Dies
soll mit
im Folgenden
geschehen;
dabei
ist es unerlsslich, auf Widersprche innerhalb der Rechtsprechung einzugehen.
Flle mit Islam-Bezug fhren im Wesentlichen zu drei großen verfassungsrechtlichen Spannungsfeldern. Das erste typischerweise auftretende
Spannungsfeld
darin,
dass nun?
durch Art. 4 GG geschtzte religiçse
2.
Traditionbesteht
in Gefahr
– was
Gebote vielfach im Konflikt mit dem deutschen (Verfassungs-)Recht stehen
(Kapitel
Das zweite verfassungsrechtliche
Spannungsfeld
darin zu
Hätte die1).Oberbürgermeisterin
gewusst, welche
Nachrichten ist
Kunigge
zu
erblicken,
die sie
Grundstze
derdas
Neutralitt
Paritt auf Flle mit
verkündendass
hatte,
hätte sich
Verlesenund
derder
Tagesordnungspunkte
Islam-Bezug
oft nur sehr schwer
anwendbar
nicht Tischnachbarn
selten zu fraggespart. Die Versammelten
murmeln
derweil sind
wild und
mit ihren
und jeder Versuch, etwas Ruhe in die aufgeschreckte, fast panische Atmo58
O.V., Muslime
rffelnmuss
5 Jahre
Kopftuchverbot,
Eßlinger
Zeitung v. 9./10.
April
2009, S. 5. ihr.
sphäre
zu bringen,
ein
aussichtsloses
Unterfangen
sein,
so schwant
59 BVerwGE 99, 1.
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
60 BVerwGE 112, 227.
30
20
z
Zur Produktseite
Nils Preer Systematische Gesamtdarstellung des Themas „Islam und Grundgesetz“
mich bitte
kurz zur Ruhe
und Ihnen
…«
Kunigge
atmet tief
wrdigen
Ergebnissen
undkommen
Folgen fhren,
dieerklären
ihrerseits
mit
dem Neutralidurch und nimmt
einen vereinbar
Schluck von
dem
lauwarmen
ihm
ttsgrundsatz
nur schwer
sind
(Kapitel
2). DasKaffee,
dritte der
undvor
letzte
steht. Die anwesenden
tauschen untereinander
fragende
Spannungsfeld
besteht Stadtratsmitglieder
darin, dass das institutionelle
Staatskirchenrecht
Blicke
aus.zumindest derzeit noch weitgehend vorenthalten bleibt (Kapidem
Islam
tel 3).
»Wie Ihnen allen ja bekannt ist«, beginnt er schließlich, »befinden wir
uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwerwiegender Versäumnisse können wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
Haushaltssatzung nicht fristgerecht beschließen. In den vergangenen zwei
Jahren hatten wir zumindest Ende Januar eine rechtskräftige Haushaltssatzung. Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass wir das in diesem Jahr nicht
vor Ende März schaffen werden. Was das für uns bedeutet ist klar: vorläufige
Haushaltsführung. Also nur Ausgaben, die den pflichtgemäßen Verwaltungsbetrieb garantieren.«
Ein Raunen geht durch den Saal. »Der Stadtrat ist bereits von diesen
Umständen unterrichtet«, unterbricht die Oberbürgermeisterin, Frau Dr.
Lösungswille, ungehalten, »und wir werden uns zu gegebener Zeit damit
befassen. Was wollen Sie also?« Der Oberbürgermeisterin sind die Äußerungen Kunigges sichtlich unangenehm.
»Das liegt doch auf der Hand: Wenn wir als Stadtverwaltung nur noch
unsere Pflichtaufgaben erfüllen und eben keine freiwilligen Aufgaben mehr
wahrnehmen können, dann betrifft mich das als Leiter des Veranstaltungswesens sehr wohl! Denn noch fallen Veranstaltungen in die Rubrik der freiwilligen Aufgaben!«
»Ja …«, brummt die Oberbürgermeisterin, »dann fallen schon zwei Buchlesungen und das Kammerkonzert aus. Tja, was gibt es denn sonst noch so an
wirklich wichtigen Veranstaltungen im Frühj…«
Das Stadtoberhaupt erblasst.
»Oh nein …«, stammelt sie, » Sie meinen doch nicht etwa …«
»Ja«, erwidert Kunigge mit ernster Miene, »unseren Karnevalsumzug.«
2.
Tradition in Gefahr – was nun?
Hätte die Oberbürgermeisterin gewusst, welche Nachrichten Kunigge zu
verkünden hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
gespart. Die Versammelten murmeln derweil wild mit ihren Tischnachbarn
und jeder Versuch, etwas Ruhe in die aufgeschreckte, fast panische Atmosphäre zu bringen, muss ein aussichtsloses Unterfangen sein, so schwant ihr.
Sie lässt es dennoch nicht unversucht.
20
31
z
Zur Produktseite
Nils Preer
mich bitte kurz zur Ruhe kommen und Ihnen erklären …« Kunigge atmet tief
Erstes Kapitel
durch und nimmt einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee, der vor ihm
Das
erste Spannungsfeld:
Art.
4 GG fragende
steht. Die
anwesenden
StadtratsmitgliederDurch
tauschen
untereinander
religiçse Gebote im Konflikt mit dem
Blicke geschtzte
aus.
»Wie
Ihnen allen (Verfassungs-)Recht
ja bekannt ist«, beginnt er schließlich, »befinden wir
deutschen
uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwerwiegender Versäumnisse können wir nun schon das dritte Jahr in Folge die
Haushaltssatzung nicht fristgerecht beschließen. In den vergangenen zwei
Jahren hatten wir zumindest
Januar
HaushaltssatSelbstverstndlich
untersteht Ende
der Islam
alseine
einerechtskräftige
der großen Weltreligionen
61
zung.
Doch
es
zeichnet
sich
jetzt
schon
ab,
dass
wir
das
in
diesem
Jahr nicht
dem Schutz des Art. 4 GG. Art. 4 GG ist ein sogenanntes „Jedermanns62 mit
vor Ende
März
schaffen
werden.
dasAuslnder
für uns bedeutet
ist klar: vorläufige
recht“
der
Folge, dass
sichWas
auch
muslimischen
Glaubens
Haushaltsführung.
die den
Verwalauf
den Schutz des Also
Art. 4nur
GG Ausgaben,
berufen kçnnen.
Diespflichtgemäßen
gilt selbst dann,
wenn
sie
die verfassungsstaatliche
Ordnung des Grundgesetzes im Einzelfall
tungsbetrieb
garantieren.«
63
ablehnen
und von
derdurch
Religionsfreiheit
lediglich
profitieren
mçchten.
Ein Raunen
geht
den Saal. »Der
Stadtrat
ist bereits
von diesen
Die
Religionsfreiheit
kommt
Muslimen
auch
insoweit
vorbehaltlos
zuguUmständen unterrichtet«, unterbricht die Oberbürgermeisterin, Frau Dr.
te,
als das vçlkerrechtliche
Prinzip
der Gegenseitigkeit
im Rahmen
des
Lösungswille,
ungehalten, »und
wir werden
uns zu gegebener
Zeit damit
64
Art.
4
GG
keine
Anwendung
findet.
Begrndet
wird
dies
zum
einen
mit
befassen. Was wollen Sie also?« Der Oberbürgermeisterin sind die Äußedem
besonderen
Gewicht
des
Art.
4
GG,
zum
anderen
mit
der
berlegung,
rungen Kunigges sichtlich unangenehm.
dass es geradezu dem Wesen des freiheitlichen Rechtsstaates entspreche,
»Das liegt doch auf der Hand: Wenn wir als Stadtverwaltung nur noch
auch demjenigen Rechte zuzubilligen, der diese selbst nicht gewhrt.65 So
unsere Pflichtaufgaben erfüllen und eben keine freiwilligen Aufgaben mehr
warnt Rohe ausdrcklich davor, sich auf das „rechtliche Niveau von Diktawahrnehmen
können,
betrifftAnsichten
mich das als
Leiterzu
desmachen;
Veranstaltungsturen“
zu begeben
unddann
sich deren
zu eigen
die verwesens
sehr
wohl!
Denn
noch
fallen
Veranstaltungen
in
die
Rubrik der freifassungsmßigen Freiheiten Europas sollten vielmehr als „Exportschlager“
willigen Aufgaben!«
verstanden
werden.66 Das Prinzip der Gegenseitigkeit auf Art. 4 GG anzu»Ja
…«,
brummt
die Oberbürgermeisterin,
»dann
schon
zwei
Buchwenden verbietet sich
schon deshalb, weil –
auchfallen
hierauf
weist
Rohe
zu
lesungen
dasder
Kammerkonzert
aus. Tja,
was gibtfr
es die
denn
sonst noch
so an
Recht
hinund
– viele
in Europa lebenden
Muslime
Zustnde
in ihren
wirklich wichtigen
Veranstaltungen
Frühj…«
Heimatlndern
nicht
verantwortlich im
gemacht
werden kçnnen; Rohe weist
darauf
hin, dass viele erblasst.
der hier lebenden Muslime ihren Heimatlndern
Das Stadtoberhaupt
67
gerade
der stammelt
dort herrschenden
entflohen
sind.…«
»Ohwegen
nein …«,
sie, » Sie Unfreiheit
meinen doch
nicht etwa
»Ja«, erwidert Kunigge mit ernster Miene, »unseren Karnevalsumzug.«
61 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. (302);
Heun, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 339 ff. (344).
62 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 107.
63 Uhle, in: Heinig/Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, S. 299 ff. (303).
2. Vgl. hierzu
Tradition
in Gefahr
– was
auch Schmieder,
VBlBW
2002, nun?
146 (147). Einschrnkungen erfhrt die religiçse
Freiheit daher erst im Rahmen der Rechtfertigung von Eingriffen.
64
v. Campenhausen,
ZevKR 25 (1980), 135
ff. (137). welche Nachrichten Kunigge zu
Hätte
die Oberbürgermeisterin
gewusst,
65 Stollmann, NVwZ 2005, 1394 (1395).
verkünden hatte, sie hätte sich das Verlesen der Tagesordnungspunkte
66 Rohe, Der Islam, S. 135.
gespart.
Die
Versammelten
murmeln
derweil
wild mit
ihren
Tischnachbarn
67
Dennoch
werden
auch in der Politik
Rufe nach
der Anwendung
des
Gegenseitigkeitsprinzips
und
jeder
Versuch,
etwas
Ruhe
in
die
aufgeschreckte,
fast
panische
laut. So ußerte sich die CDU von Castrop-Rauxel dahingehend, dass MoscheebautenAtmoselbstverstndlich
zu genehmigen
seien,
ihr Flchengebrauch
aber strikt begrenzt
werden
msse.
Es
sphäre
zu bringen,
muss ein
aussichtsloses
Unterfangen
sein, so
schwant
ihr.
hierbei die Maßstbe anzulegen, die fr den Neubau christlicher Kirchen in
Siewerde
lässtangeregt,
es dennoch
nicht unversucht.
der Trkei gelten; Bçlsche, Die Lanzen der Eroberer, SPIEGEL SPECIAL 2/2008, S. 79. Die
32
20
Herunterladen