Vorlesungsmaterial von Prof. Dr. Horst Völz Wie das Gedächtnis entstand Gedächtnis, althochdeutschen githehtnissi etwa Andacht; mittelhochdeutsch gilt gedaehtnisse das Denken an etwas, später Denken an früher Geschehenes, Erfahrenes, Erinnerung. Gleichbedeutend sind gedenknisse und gedenkenisse Verwandt englisch: memory, learn by heart; recall, remind, recollect, technisch: storage, recorder und writer griechisch mneme Gedächtnis Menschliches Gedächtnis Dieses Material beruht auf dem Buch Völz, H.: Handbuch der Speicherung von Information Bd. 1; Grundlagen und Anwendung in Natur, Leben und Gesellschaft. Shaker Verlag Aachen 2003 Die Genetik speichert die wesentlichen Kennzeichen des Lebewesens (nur selten als Gedächtnis bezeichnet) Sie ermöglichen ein erfolgreiches Leben und Überleben in einer relativ konstanten Umgebung Auf die meisten Reize erfolgen dabei fest programmierte, zweckmäßige Reaktionen Bei beweglichen Lebewesen kann sich die Umwelt stark und schnell ändern ⇒ Wetter, Klima, Ort Genetische Änderungen können jedoch nur langsam über viele Generation durch Mutation und Bewährung erfolgen Besser: jedes einzelne Individuum lernt schnell aus positiven und negativen Erfahrungen Dieses „Wissen“ ist für andere Individuen und insbesondere für nachfolgende Generationen meist nicht brauchbar Daher kann oder muss es mit dem Tod jedes Individuums verloren gehen Es ist u.a. auch vollständig auf der CD enthalten Völz, H.: Wissen - Erkennen - Information. Datenspeicher von der Steinzeit bis ins 21. Jahrhundert. Digitale Bibliothek Bd. 159, Berlin 2007 Der Inhalt wurde erheblich verkürzt, auf den neuesten Stand gebracht und die Bilder farbig umgesetzt Diese neuronale Speicherung wird bei höheren Lebewesen auch als Gedächtnis beschrieben Sie beginnt etwa bei den Polypen, geht über Insekten, Krebstiere, Spinnen, Weich- und Wirbeltiere bis zum Menschen Wichtige Fakten, Erlebnisse, Bedeutungen, Vorgänge, Regeln, Wissen usw. gelangen ins Gedächtnis durch Lernen Diese (mentalen) Gedächtnisinhalte werden auch Engramme (Gedächtnisspuren) genannt und betreffen Vergangenes Griechisch en in, gráphein schreiben, lateinisch mentalis geistig, vorgestellt Werden Gedächtnisinhalte zurück ins Bewusstsein gehoben, dann heißen sie Erinnerung Bei Angabe der Quelle ist das Material zum privaten Gebrauch voll nutzbar Bei kommerzieller Nutzung bzw. in Publikationen usw. ist eine Abstimmung mit mir notwendig Bilder sind in höherer Qualität ca. 2000×3000 Pixel oder *.cdr Version 12 verfügbar Denken nutzt Gedächtnisinhalte und kann daraus auch neue erzeugen. Denken = abstrakt, Erinnern = konkret Dieses Material wurde heruntergeladen: aes.cs.tu-berlin.de/voelz/Gedächtnis.pdf Email: hvoelz(at)fpk.tu-berlin.de bzw. h.voelz(at)online.de Prof. Dr. Horst Völz, Koppenstr. 59, 10243 Berlin, Tel./Fax 030 288 617 08 rein genetisch Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 1 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 2 von 93 Biologische „Speicher“-Typen Varianten zum Gedächtnis immunologisch, ergotrop genetisch festgelegt Erhaltung der Art Lebensprozesse Formal Überindividuelles: z. B. kulturelles, kollektives oder geschichtliches Gedächtnis (s. u.) Neuronal (Verhalten) Die verschiedenen Verhaltensformen von Lebewesen können grob durch 5 „Stufen“ beschrieben werden: individuell gelernt Schutz gegen externe Erb-Gedächtnis, Individualgedächtnis, Schadeinflüsse z. B. Taxis, Reflex z. B. Lernen, Denken Überindividuell, z. B. kollektiv • Taxis: (griechisch táttein ordnen, regeln) Reize bewirken gerichtete Bewegungen: Zuwendung positiv, Abwendung und Flucht negativ Bei Pflanzen auch Tropismus (griechisch tropos Wendung) und Kinesis (griechisch Bewegung) Geschwindigkeit hängt von Reizstärke ab • Reflex: (lateinisch reflexus Zurückbeugen) unwillkürlich, unmittelbar auf den Reiz folgende, genetisch vorbestimmte Reaktion • Instinkt: (lateinisch instinguere anstacheln, antreiben) typisches, angeborenes, koordiniertes Verhalten mit komplexen Bewegungsabläufen, u. a. bei Nahrungsaufnahme, Paarung, Brutpflege, Aggression bei der Evolution durch natürliche Selektion weiterentwickelt und verfeinert • Lernen: vielfältig benutzter Begriff. Vereinfacht = bewusstes und unbewusstes Aneignen von Kenntnissen und Fähigkeiten Das entsprechende Verhalten erfolgt dadurch schneller • Denken: vielfältig benutzter Begriff Vereinfacht = aktive, verstandesmäßige und ordnungsstiftende Verarbeitung von Informationen Es entstehen Begriffe, es werden Bedeutungen verstanden, Sinnzusammenhänge offen gelegt, Schlussfolgerungen gezogen, Entscheidungen getroffen und Probleme gelöst Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 3 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 4 von 93 Individuelles Gedächtnis Zum individuellen Gedächtnis gehören nicht: Reflexe, Steuerungen lebenswichtiger Prozesse usw. Auch Überindividuelles gehört nicht hierzu, setzt aber mehrere individuelle Gedächtnisse voraus Ungeklärt ist, wo sich im Gehirn die Gedächtnis-Inhalte und -Leistungen befinden, wie das Gedächtnis funktioniert Bei fast allen Schädigungen des Gehirns tritt kein Verlust genau ausgewählter Wissensinhalte ein Ausnahmen sind einige Fähigkeiten: Sprachverstehen, Wörter sprechen, Bilderkennen, schreiben und lesen können Es können 7 typische Eigenschaften des Gedächtnisses unterschieden werden (technische Analogien in Klammern): a) Alle Verhaltenmöglichkeiten eines Lebewesens sind immer 100 % gesetzt Die absolute Menge nimmt mit der Entwicklungshöhe deutlich zu Das Instinktverhalten ist bei Insekten, Fischen, Reptilien, Amphibien besonders groß b) gilt für nur den Menschen 1. Fähigkeit sich etwas merken, lernen können, an jemand/etwas denken, negativ = vergessen können (≈ Aufnahme, Speichern, Grenze = Speicherkapazität) 2. Lernleistung = wie viel Neues je Zeit ins Gedächtnis gelangt, gutes schlechtes Gedächtnis; unterschiedlich je nach Art, Individuum und Inhalt = Wissen, Verhalten, Auditives, Motorisches, Visuelles usw. Einfluss bei Tieren: Lebenswichtigkeit, beim Menschen Interesse und Aufmerksamkeit Einfluss; (≈ Datenrate Bit/s) 3. Objektbezogen: individuelles Wissen über Fakten, Personen und Zusammenhänge, wird im Laufe des Lebens erworben (≈ Gespeichertes, Speichermedium, -zustand und -kapazität) 4. Ergebnisbezogen: etwas ins Gedächtnis rufen, gegenwärtig haben; auswendig wissen, bekannt sein; sich erinnern (≈ Wiedergabe und Interpretation) 5. Inhalte festigen, konsolidieren, stabilisieren durch Wiederholen, lautes Sprechen Verknüpfungen zu anderen, mehreren Sinnen benutzen (hören + sehen + tasten) 6. Vergessen, Verlust von Inhalten (≈ Löschen); z. T. nur vorübergehend blockiert (≈ Zugriff z. Z. nicht möglich); Ursachen vorübergehende oder andauernde Krankheiten Einiges ist besonders schwer abrufbar (Unbewusstes: Freud’sche Psychoanalyse) 7. Gedächtnis-Täuschungen, es gelangt Falsches statt Gewünschtes ins Bewusstsein (≈ Adress-Fehler) Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 5 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 6 von 93 Erforschung des Gedächtnisses Foschungs-Methoden Erste bekannte systematische Analyse ARISTOTELES (384 - 322 v.Chr.), betrifft hauptsächlich Assoziationen 1862 dokumentiert medizinisch RUDOLF WAGNER (1805 - 1864). Er bemerkte, dass sein Kupferstecher LOEDEL nach einem Unwohlsein innerhalb weniger Minuten alles Mitgeteilte vergaß. Bei der späteren Obduktion stellte er fest, dass im Bereich des Ammonshorn (Hippocampus) eine deutliche Veränderung vorlag 1885 experimentelle Studien HERMANN EBBINGHAUS (1850 – 1909). Buch „Über das Gedächtnis“: assoziatives und verbales Lernen, Lernaufwand verringern, über Vergessen Gedächtnisumfang bestimmen (sinnlose Silben) 1. Gedanklich aus systematischer Beobachtung 2. Experimentell, z. B. Lernen und Abfragen von Gelerntem 3. Medizinisch-anatomisch über Krankheit, Unfall, Schlaganfall, Tumor oder Kriegsverletzung + Tierversuche; elektrophysiologische Ableitungen und Reizungen gezielte operative Läsionen (lateinisch laedere verletzen) 1890 Analysen von WILLIAM JAMES (1842 - 1910) lassen ein primäres und sekundäres Gedächtnis unterscheiden 4. Molekular-genetisch, Radionukleotide zum Ausschalten von Genen spezifisch wirkende Substanzen: Blocker und Aktivatoren 1928 postuliert OTTO PLÖTZL: Halluzinationen sind ungeordnete Inhalte aus dem Gedächtnis 5. Beobachtend: bildgebende Verfahren; Tomografie 1932 BARTLETT Vorwissen und Inferenzen (inhaltliche Verknüpfungen von Inhalten) für Erinnerung wichtig 1949 DONALS Olding HEBB (1904 – 1985) postuliert „plastische“ Neuronen, bis Ende 50er Jahre umstrittenen 1958 BROADBENT unterscheidet ein Kurz- und Langzeit-Gedächtnis 1961 HOLGER HYDÉN Postulat RNS (Molekulargenetik, Biochemie) ist entscheidend 1967 WILDER PENFIELD (1891 - 1976) entdeckt zufällig: elektrische Reizung des Schläfenlappens rufen beim Patienten Vorgänge, Erlebnisse der Vergangenheit hervor Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 7 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 8 von 93 Funktionelle Beschreibungen Achtung! Technisches Lernen (auch neuronale Netze) ist immer quantitativ und qualitativ anders als menschliches Gedächtnis betrifft komplexes Zusammenwirken fast aller Neuronen. Beteiligung von Makromolekülen mit einem Fett- und einem Kohlenhydratanteil (Ganglioside) ist wahrscheinlich 1. Klassisch: Analogie zu „technischen“ Verfahren: PLATON (427 - 347 v.Chr.) mit Wachstafel: Erinnerung (Urbild) und Wahrnehmung (Abbild) sind für Erkennen notwendig. Variante: Magazin (Archiv, Lager). Wissen wird an Orten gelagert (Achtung ⇒ Ars memoriae) Methoden haben heute kaum noch Bedeutung 2. Assoziationstheorie schon bei ARISTOTELES (384 - 322 v.Chr.) Merkfähigkeit und Abruf durch Bedingungen beeinflusst: Ähnlichkeit (Similanz), Gegenteil (Kontrast), Sinnzusammenhang (Kontext, Kohärenz), Raum ⇔ Zeit (Kontiguität) (teilweise noch heute wichtig) 3. Hologrammtheorie 1971 von K. H. PRIBRAM: Schädigungen des Gehirns betreffen so gut wie nie konkrete Inhalte Wissensverluste etwa proportional der geschädigten Rindenoberfläche Gedächtnis ist sehr regenerationsfähig. (heute keine Bedeutung mehr) 4. Filtertheorien entwickelte DONALD BROADBENT. Lernen ist erheblich von Wahrnehmungsart abhängig z. B. Hören, lautes Lesen, Aufschreiben, Sehen, Zeichnen, Fühlen, Ertasten, Rhythmen, Riechen usw. Die Selektion (Filter) ermöglicht es, die auf uns einströmende Informationsflut zu bewältigen (heute wichtig) 5. Stufentheorien, Gedächtnis kein einheitlicher Prozess, sondern vielfältig zeitlich und funktionell-inhaltlich zusammengesetzt (heute wichtig) Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 9 von 93 Griechische Rhetorik Im Athen um 510 v.Chr. war es Bürgerpflicht, zeitweilig Staatsdienste zu übernehmen U. a. vor Volksversammlung, Heer usw. Reden zu halten, um zu überzeugen und beeinflussen Daher Praxis und Theorie der Rhetorik (rhetorike techne = Redekunst, -technik) wichtig Jeder Bürger musste sie lernen Für eine Rede bereits damals fünf Phasen: 1. inventio: Stoffsammlung und Finden von Beweisgründen für die Argumente 2. dispositio: Anordnung und Gliederung des Stoffes gemäß der Dialektik 3. elocutio: Sprachliche Formulierung und stilistische Gestaltung 4. memoria: Auswendiglernen der Rede → Gedächtniskunst = Mnemotechnik, ars memoriae oder memorativa 5. pronuntiatio: Wirkungsvoller Vortrag. HOMER lässt seine Helden, Nestor in der Odyssee und Achilles in der Ilias, sehr ausgefeilte Reden halten, gilt daher als Vater der Redekunst Griechische Mythologie Griechische Göttin der Erinnerung war Mnemosyme, daher griechisch Mneme → Gedächtnis Vorolympische Titanin und Kind des Himmelsgottes Uranos und der Erdgöttin Gaia Sie gebar die neun Musen, die Zeus mit ihr in neun Nächten zeugte Ihre wichtige Aufgabe: Helden und deren große Taten den Menschen ins Gedächtnis bringen Stand der Dichtkunst vor, daher sind Dichter von der Erinnerung besessen Für HOMER (ca. 750 - 700 v.Chr.) Dichten = sich zu erinnern Mnemon ist Diener und ständige Begleiter eines Helden, erinnert ihn an den göttlichen Auftrag, dessen Vergessen → seinen Tod bedeutet Offensichtlich kein Bezug zum persischen König ARTAXERXES II. MNEMON (? - 358 v.Chr.) gilt als gerecht, mild aber beeinflussbar Der Sänger ist dagegen ein Wahrsager, der Vergangenheit und Zukunft Städte setzen Mnemon(es) als Verwaltungsbeamte ein, müssen die wichtige Dinge bewahren → später Archivare Erinnerung ist bei PYTHAGORAS (570 – 500 v.Chr.) als Gegenmittel zum Vergessen sehr wichtig In der orphischen Unterwelt (Orpheus) muss der Tote aus der Lethe = Quelle des Vergessens trinken Besser ist es seinen Durst am Brunnen der Erinnerung (Quelle der Unsterblichkeit) zu stillen PLATON (427 - 347 v.Chr.) Zusammenhang von Gedächtnis und Erkenntnis wichtig: Wieder- bzw. Rückerinnern (griechisch anamnesis, aná auf, hinauf) was die Seele einstmals (vor der Geburt) geschaut hat Heute Medizin: Anamnese = Krankheitsgeschichte eines Patienten, Amnesie Erinnerungsverlust, z.T. zeitlich begrenzt Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 10 von 93 Griechisch-Römische Ars memoriae Als Erfinder der memoria (Gedächtniskunst) gilt griechischer Dichter SIMONIDES VON KEOS (um 556 - 468 v.Chr.) Chronik von Paros (≈ 264 v.Chr.) Marmortafel besagt, dass er 477 v.Chr. in Athen Preis für Chorgesang gewann Zur Gedächtnis-Kunst gibt es keine griechischen, sondern nur drei spätere römische Quellen 1. Institutio Oratoria von QUINTILIAN (Marcus Fabius Quintilianus, ≈35 - ≈96 n.Chr.) 2. Ein anonymer Römer schrieb zwischen 86 und 82 v.Chr. Rhetorik „Ad Herennium“ natürliches Gedächtnis < durch Gedächtnis-Kunst bewirktes artifizielles Gedächtnis 3. MARCUS TULLIUS CICERO (106 - 43 v.Chr.) berichtet in „De Oratore“ (11, LXXXVI; 55 v.Chr.): Auf einem Gastmahl des thessalischen Adligen SCOPA trug SIMONIDES einen Gesang zum Lobe von CASTOR und POLLUX vor. Später wurde ihm mitgeteilt, dass ihn draußen zwei junge Männer zu sprechen wünschen. Er ging hinaus, sah aber niemanden. In diesem Augenblick stürzte das Dach über SCOPA und seine Gäste ein. Die Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit zermalmt. SIMONIDES konnte sich genau erinnern, in welcher Ordnung sie gesessen hatten. So konnte er die Personen für ihre Verwandten identifizieren. Legende zeigt wesentliche Grundlage der Mnemotechnik Verknüpfungen: Objekten der Erinnerung ⇔ zugeteilten Orte, Grundregel lautet etwa so: Lagere deine Argumente (oder was du dir merken willst) gedanklich der Reihe nach an Orten längs eines dir gut bekannten Weges. Bei deiner Rede brauchst du dann (für das Erinnern) nur gedanklich diesen Weg zu gehen und findest der Reihe nach deine Argumente. Die Orte werden auch „Kammern der Erinnerung“ genannt Für den Weg, d. h. die Reihenfolge: oft der Tierkreis oder ein Gang im eigenen Haus Diese Methode bewährt sich auch für einzelne Inhalte in dem Sinne: Wo habe ich das doch gleich abgelegt? Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 11 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 12 von 93 Spätere Ars memoriae Zwei wichtige Varianten Im Mittelalter formulierte THOMAS VON AQUIN (1225 - 1274) u. a. vier Fakten für Erinnerungen 1. an Körper gebunden → Symbole finden, die zu den Dingen passen, an die man sich erinnern will 2. Vernunft → Dinge so anordnen, dass man bei einem Ort beginnen und dann leicht zum nächsten gelangen kann 3. an Aufmerksamkeit und Absicht gebunden → mit Sorgfalt, Interesse bei Dingen aufhalten, die zur Erinnerung gehören 4. gründlich nachdenken über das, woran man sich erinnern will Im 17. Jh. gerät die Mnemotechnik in Verruf, wird vielfach als „Unsinn“ abgetan RENÉ DESCARTES (Cartesius; 1596 - 1650) warnt in seinem „Cogitationes privatae“ (1614 - 1621): Es ist keine Wissenschaft der Erinnerung notwendig, wichtig sind logische Methoden: Zurückführen der Dinge auf die Gründe Nur Freiherr von GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646 - 1716) steht positiv zur Gedächtnis-Kunst Erst in Psychoanalyse von SIGMUND FREUD (1856 - 1939) gewinnt Wiedererinnern erneut an Bedeutung; Traumdeutung: Verhalten der Erinnerung während des Traumes ist zweifelsohne von großer Bedeutung für die Theorie der Erinnerung Er will er aber nicht das Phänomen des Traumes auf das Ins-Gedächtnis-Rufen reduziert wissen Heute durch technische Speicher und Internet (u. a. googeln) wieder unwichtig geworden Ganz im Gegensatz zum Orient, ist auch das Auswendiglernen von Gedichten oder Erzählungen nicht mehr üblich deklarativ nicht-deklarativ beschreibend erklärend explizit, relational, enzyklopädisches semantisch (Zeitvarianten!) ⇔ episodisch. implizit prozedural (Fertigkeiten) ⇔ Priming (Vorwissen). „Wissen was oder dass“, Fakten, Datenbank, Lexikon, Wissen, Biographie, Denkpsychologie, Kognition. „Wissen wie“, Regeln, Abläufe, Prozesse, Fertigkeiten Behaviorismus, Verhalten. Gespeicherte Ereignisse/Fakten meist verbalisierbar, schnell, flexibel, semantische arbeitet in Zeitstufen meist bewusste Erinnerung, kann blockiert werden Schwer zu verbalisieren, langsam, unflexibel, wirkt unmittelbar, direkt meist unbewusste Ausführung, immer zugänglich. Durch Hirnschäden meist stark beeinträchtigt. Durch Hirnschäden weniger beeinträchtigt. Lateinisch declaratio Kundgebung, Offenbarung Es gibt weitere Einteilungen und Untergruppen des Gedächtnisses Sehr spezielle sind: sensorisches, eidetisches, emotionales und Todes-Gedächtnis Neuer Inhalt indirekt bei den Mnemoniks der Assembler-Programmierung In Analogie zum Gen führt RICHARD DAWKINS das (kulturelle) „Mem“ ein: „Das egoistische Gen“ Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 13 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 14 von 93 Deklaratives ⇒ semantisches Gedächtnis griechisch semantikos bezeichnend entspricht dem „Wissen was“ ≈ Schulwissen, betrifft • • Wortbedeutungen (Lexikon, semantisch-grammatikalisch), allgemeine Fakten über Realität (Bilder, Töne, Gerüche) Zusammenhänge der Welt. Elementare Wissenseinheiten sind Begriffe und semantische Relationen Nach dem Lesen einer Geschichte kann kaum der Wortlaut aber leicht der Inhalt (die Semantik) erinnert werden Wahrscheinlich ist es evolutionär Voraussetzung für ⇒ episodisches Wissen Tatsachenwissen kann nämlich auch ohne episodisches Wissen erworben werden, aber nicht umgekehrt Neuronale Substrate sind hauptsächlich die Schläfenlappen und das Diencephalon Über averbales Wissen wenig bekannt, bei Tieren ausschließlich, bei Kindern stärker als bei Erwachsenen vorhanden Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 15 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 16 von 93 Deklaratives ⇒ episodisches Gedächtnis griechisch epeisodion Zwischenspiel, Nebenhandlung, ursprünglich Chorgesang der antiken Tragödie Nichtdeklaratives Gedächtnis Ist deutlich inhomogener als deklaratives und zugleich von ihm und vom Denken getrennt Speichert Ereignisse gemäß ihrem zeitlichen Ablauf, z. T. auch im Raum Varianten: Prozedural ⇔ Priming Betrifft wichtige individuelle Erlebnisse, wie Hochzeit, Urlaub oder Prüfung Kennzeichnet wesentliche Teile der Persönlichkeit, Lebenslauf = autobiographisches Gedächtnis Enthält auch markante Ereignisse des öffentlichen Lebens (Politik, Kultur, Wirtschaft, berühmte Personen usw.) selbst dann, wenn sie das eigene Leben nicht unmittelbar beeinflusst haben Inhalte werden fast nie bewusst, verbalisierbar, sind aber immer praktisch nutzbar Es ist langsam, unflexibel, daher nur in Zusammenhängen einsetzbar, wo es erworben wurde Speicherung erfolgt intensiver bei emotionalen Erlebnissen Neurologische Basis Corpus striatum, Kleinhirn, Putamen, Caudatum und die Amygdala (Mandelkernkomplex) sowie die spezifisch sensorischen und motorischen Systeme ≈ Quellen-Gedächtnis (wahrscheinlich im Frontallappen) = wann und wo bestimmte Informationen erworben wurde Möglicherweise ist einzige Gedächtnis-Form von Wirbellosen Neurologische Basis sind präfrontaler Kortex, Teile des Scheitellappens, limbisches System und Cingulum bevorzugt sind einige Areale der rechten Gehirnhälfte Psychogene Amnesien und manche Hirnverletzungen, retrograde Amnesien betreffen episodisches deutlich stärker als semantisches Gedächtnis Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 17 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 18 von 93 Nichtdeklaratives ⇒ prozedurales Gedächtnis Nichtdeklaratives Gedächtnis ⇒ Priming Lateinisch procedere Vorgehen, Art und Weise zu handeln Betrifft mechanische, motorische (automatisierte) Fertigkeiten, Handlungsabläufe und Gewohnheiten, z. B. Gehen, Rad- oder Autofahren, Musikinstrument oder Karten spielen Bestimmt erheblich das persönliche Verhalten (Persönlichkeit) Am prozeduralen Lernen ist meist das Bewusstsein unbeteiligt Lateinisch primus vorderster, erster, vornehmster Entspricht, betrifft: assoziative Aktivierung vorheriger Reize Begriffe wie Bahnung und Prägung sind nur bedingt richtig Betrifft sensorische, perzeptive, perzeptiv-motorische oder kognitive Fertigkeiten, z. B. Spiegelschrift lesen können Selbst bei intensivem Üben nehmen die Fertigkeiten nur sehr langsam zu Gilt auch für Regeln und deren Anwendung sowie Erwartungen, Hoffnungen usw. Hilfreich ist Biofeedback, ermöglicht u. a. ohne Medikamente krankhafte Prozesse zu lindern, z. B. Herzrhythmusstörungen, Muskelverspannungen, Migräne und Einschlafstörungen Bewirkt leichteres Erinnern von ähnlich erlebten Situationen oder früher wahrgenommenen Reizmustern Wichtig ist nicht-assoziatives Lernen ≈ Es wird nicht nur Einzelnes erinnert, sondern gleichzeitig Ähnliches „vorgewärmt“ Habituation senkt Sensivierung erhöht Wirkung der auslösenden Reize ≈ Klassische Konditionierung = bedingter Reflex, ausgelöst durch neutrale Reize Das Wort „Nagel“ wird in einer Wortliste schneller gefunden, wenn zuvor „Hammer“ genannt wurde ≠ instrumentelle (operante) Konditionierung mit speziellen Geräten, z. B. SKINNER-Box Beim Anschauen von Noten sind deutlich schneller zugehörende Melodie und Text verfügbar Ein Kontext bewirkt immer eine Beschleunigung des Erfassens, wusste bereits ARISTOTELES (384 - 322 v.Chr.) bei Mäusen durch selbst auslösbare Stromstöße im Gehirn Gewinn von „Lust“ BURRHUS FREDERIC SKINNER (1904 – 1990) lateinisch procedere verfahren, vorgehen, durchführen, einleiten lateinisch habitus Gehabe, Haltung; Körperbeschaffenheit; erworbene Eigenschaft englisch condition bedingen, in gewünschten Zustand bringen Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 19 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 20 von 93 Eidetisches Gedächtnis griechisch eidos Urbild, Gestalt, Aussehen, Wesen, Begriff, Idee; auch photographischen Gedächtnis Einmalig kurz Wahrgenommenes (Bilder, Texte, Musik usw.) wird vollständig gespeichert und ist exakt abrufbar Häufiger bei Kindern; z. B: einmalig gesehene Textseite unbekannter Sprache können sie vollständig buchstabieren Bis auf wenige Ausnahmen verliert sich diese Fähigkeit im Laufe der Jahre. Teilweise tritt ein eidetisches Gedächtnis auch zeitweilig und unter gewissen Bedingungen auf, z. B. Autisten (griechisch autós selbst), schwere Verhaltens-, Kommunikationsstörung mit extremer Selbstbezogenheit Es bestehen Zusammenhänge zu Halluzinationen, gehen teilweise auf Transmitter-Defizite zurück Eine Alzheimer-Patientin erblickte Verwandte, die gar nicht anwesend waren und unterhielt sich mit ihnen Bei einer anderen schlief angeblich ein Hund in ihrem Bett, den unbedingt die Tochter hinausbringen sollte Eidetiker können zwei zeitlich nacheinander gezeigte „Rauschbilder“ als Differenz als Raumbild sehen Es gibt aber auch „ganz normale“ Menschen mit eidetischem Gedächtnis Offensichtlich WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756 - 1791). Im Jugendalter hörte er eine Messe zum ersten Mal und konnte sie danach zu Hause vollständig notengetreu aufschreiben. Dirigent, Geiger LORIN MAAZEL (*1930) „sieht“ beim Dirigieren (geschlossene Augen) vollständig drei aktuelle Partiturseiten. Er konnte so alle neun Sinfonien BEETHOVENs an zwei Tagen mit drei Orchestern aufführen 20er Jahre: Schalterbeamte am Schlesischen Bahnhof Berlins (heute Ostbahnhof) kannte unmittelbar nach Erscheinen des neuen Fahrplan der gesamten Reichsbahn vollständig auswendig, beim Wechsel wies er umgehend auf Mängel hin DOMINIC O’BRIEN aus Gaildford, Surrey (GB) konnte am 22.7.1990 nach einmaligem Ansehen 1820 Karten (35 Kartenspiele) bis auf zwei Fehler exakt in ihrer zufälligen Reihenfolge angeben Der Psychologe ALEXANDER ROMANOWITSCH LURIJA (1902 - 1977) berichtet detailliert über Zeitungsreporter SHERESHEVSKII, der sich bis ins hohe Alter lange Listen von Wörtern, Zahlen und sogar sinnlose Silben über viele Jahre merken konnte. Er benutzte teilweise die griechische Mnemotechnik Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 21 von 93 Emotionales Gedächtnis lateinisch motionis Bewegung, etwa Gefühlsregung: 1. Art und Weise, wie Angst, Furcht die Gedächtnis-Bildung beeinflussen, meist im Sinne von Konditionierung (klassischer, bedingter Reflex), ermöglicht Zuordnung zu Priming 2. Bewusste Erinnerung von Emotionen, teilweise Zuordnung zum episodischen Gedächtnis, meist werden positiven Emotionen, wie Freude nicht einbezogen. Gedächtnis steht oft im Zusammenhang mit Erinnerung von Gerüchen und besonders intensiven Erlebnissen Details zu Emotionen s. u. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 23 von 93 Nach Entfernung eines 2,5 cm großen Hypophysen-Tumors (zentrales Hormonorgan) hatte ich für zwei Tage Zugriff auf ein „eidetisches“ Gedächtnis: Am dritten Tag nach der Operation las ich relativ kurz in der Fachzeitschrift Elektronik. Als ich mich einige Stunden später niederlegte, die Augen schloss, sah ich deutlich viele Seiten aufgereiht und konnte in ihnen lesen. Notwendig war allerdings, dass Licht von ≈300 Lux auf meine geschlossenen Augenlider fiel. Details: www.aes.cs.tu-berlin.de/voelz/PDF/Hypophysen.pdf Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 22 von 93 Todes-Gedächtnis Gilt seit einigen Jahren sehr wahrscheinlich als real Tritt kurz vor dem Tode in Erscheinung und lässt dann wesentliches Geschehen des eigenen Lebens in Zeitraffer ablaufen Wird von Personen mitgeteilt, die im letzten Augenblick gerettet werden: Einhellig berichten sie von gleißendem Licht. Meist haben sie vorher das Gefühl, ihren Körper zu verlassen und sich selbst aus großer Höhe zu sehen. Dann ziehen rasend schnell vergessen geglaubte Szenen aus dem Leben vorbei. Manche dieser Menschen sehen schließlich noch Landschaften oder filigrane Muster. In seinem Buch „Leben nach dem Tod“ beschrieb der amerikanische Arzt Raymond A. Moody erstmals diesen typischen – allerdings noch umstrittenen – Ablauf. Er führt dazu zahlreiche Beispiele an. „Es war alles pechschwarz, nur ganz weit in der Ferne konnte ich dieses Licht sehen, dieses unglaublich helle Licht“, heißt es da beispielsweise. Oder: „(Das Licht) war wunderschön und so hell, so strahlend, aber es tat den Augen nicht weh. So ein Licht kann man hier auf der Erde überhaupt nicht beschreiben.“ Solche Schilderungen erinnern frappant an Erlebnisse unter halluzinogenen Drogen. ... Das Auftauchen vergessen geglaubter Episoden aus der Lebensgeschichte dürfte durch totale Aufhebung der Gedächtnisfilter bedingt sein. Offenbar werden zudem Endorphine, körpereigene Opiate, in großen Mengen frei, was den friedlichen Gesichtsausdruck vieler Toter erklärte. Bei all diesen Zuständen dürfte das Hirnareal, das für das optische Selbstbild zuständig ist, eine Überfunktion aufweisen. Dasselbe könnte im Sterben geschehen. Ein ketamin-ähnlicher Botenstoff lässt dabei offenbar die Person sich selbst aus der Ferne sehen – als unbeteiligter Zuschauer des eigenen Todes. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 24 von 93 Zeitliche Stufen und quantitative Werte HERMANN EBBINGHAUS (1850 - 1909) fand Methoden zur quantitativen Bestimmung der Gedächtnis-Leistungen Seine Probanden mussten sinnlose Silben lernen und wurden danach zu verschiedenen Zeiten abgefragt Dadurch konnte er Semantisches und Kontext beim Lernen ausschalten Dabei zeigte sich eine exponentielle Abnahme der jeweils noch vorhandenen Silben ⇒ Vergessen! Diese Versuche wurden mehrfach wiederholt, später auch mit mehrstelligen Zufallszahlen Es zeigte sich dabei, dass es 2, 3 oder gar 4 exponentielle Anteile für die Abnahme des Erlernten gibt So entstanden mehrstufige Gedächtnis-Modelle; leider werden dabei recht unterschiedliche Namen benutzt Z. T. wird sogar der gleiche Name für unterschiedliche Gedächtnis-Abschnitte benutzt 0. Sensorisches Gedächtnis, kam erst in den beiden letzten Jahrzehnten hinzu 1. Gegenwarts- ≈ primäres, ≈Ultrakurzzeit-, ≈Operatives, ≈Arbeits-Gedächtnis, dazu gehört Bewusstsein 2. Kurzzeit- ≈ sekundäres Gedächtnis (erfasst größere Zusammenhänge) 3. Langzeit- ≈ tertiäres, dauerhaftes, Lebens-Gedächtnis 2. u. 3. werden auch zusammengefasst als Langzeitgedächtnis bezeichnet Im Folgenden werden die Bezeichnungen von HANS DRISCHEL (1915 – 1980) und HELMAR FRANK (*1931) benutzt Heute werden die Modelle durch Neuronenaktivitäten, sowie psychologische (u. a. Amnesien), mikrobiologische und anatomische Befunde gestützt, die nacheinander überlappend auftreten Die experimentell ermittelten Werte gelten nur für sinnlos Verbales, u. a. Zufallszahlen und sinnlose Silben Sie führen zu Zahlenwerten für Speicherkapazität in Bit, Zuflussrate Bit/s und Speicherzeit , Bei kontextgebundenem Wissen (inhaltsbezogenes Vorwissen) ergeben sich deutlich andere, meist größere Werte Für nicht Verbales, wie Bilder, Gerüche usw. dürfte Ähnliches gelten, zusätzliche Erscheinungen sind möglich Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 25 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 26 von 93 Gegenwarts-Gedächtnis (GG) 1971 führte ALAN BADDELY das Arbeits-Gedächtnis für alle aktuell im Bewusstsein befindliche Gedächtnis-Inhalte ein, es gilt als Erweiterung und Differenzierung des GG aufgefasst ≈ Operations-Gedächtnis Unsere Sinnesorgane nehmen sehr viel Information auf Davon gelangen nur ca. 15 Bit/s als Informationsfluss ins GG Die Auswahl wird wesentlich durch Aufmerksamkeit, Interessen und Auffälligkeit beeinflusst Der Prozess ist eng mit unserem Bewusstsein gekoppelt Das GG kann eine Informationsmenge von 7 ± 2 Chunk (englisch chunk Klotz, Stück, Einheit) aufnehmen Chunk ≈ binäre Entscheidung ⇒ Speicherkapazität von 25 = 32 bis 29 = 512 → ≈150 Bit Hierarchiebildung, Übung und Kontext können je Chunk komplexere Inhalte festgehalten (s. Superzeichen) z. B. Bildung von Ganzheiten: „tik - tik - tik - …“ → „tiktak - tiktak - …“ ähnlich ¾-, 4/4- oder 6/8-Takt Rechenkünstler gehen andere Wege (Spektrum der Wissenschaft (2001) H. 6, S. 16) Averbales ist im GG kaum vorhanden und damit auch nicht nutzbar Aktuell vorhandene Information klingt exponentiell ab, nach 10 s sind noch ca. 10 % vorhanden Diese 10 Sekunden werden als Gegenwart empfunden ≈ Gegenwartsdauer Beispiele zur Demonstration der 7 ± 2 Chunk a) bis etwa d) kann die Anzahl ohne zu zählen angegeben werden g) ab 7 ist verläuft die Zeit zur Bestimmung der Anzahl deutlich steiler Durch bewusste Wiederholung kann eine Information lange erhalten werden (Mein Vater – Einkaufen) Beispiele: kurz nach einem Verklingen der Kirchturmglocken lassen sich die Schläge noch nachzuzählen Leistung ist nahezu unabhängig von Alter, Geschlecht, Rasse und Intelligenz Ergebnisse streuen aber mit Untersuchungsmethoden und ausgewählten Inhalten In der Menschheit gibt es drei Populationen zu 68, 27 bzw. 5 % mit Korrelation zum IQ (Intelligenz-Quotient) Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 27 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 28 von 93 Zur Beeinflussung und Variabilität des möglichen Informationsflusses Zur Beeinflussung und Variabilität der Speicherkapazität Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 29 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 30 von 93 Fortsetzung GG Anwendung GG für Lesbarkeitsindex Überschreiten der 10 s. bringt Probleme des Verstehens [Schneider]: Denken Sie, wie tragisch der Krieger, der die Botschaft, die den Sieg, den die Athener bei Marathon, obwohl sie in der Minderheit waren, nach Athen, das in großer Sorge, ob es die Perser nicht zerstören würden, schwebte, erfochten hatten, verkündete, brachte, starb. Uns erscheinen die ≈10 Sekunden als Ganzheit Daraus ergibt sich eine statistische Lesbarkeit L in (normierte) % In einen Text liegen gemittelt W Wörter/Satz und S Silben/Wort vor, dann gilt L/% = 230 – 0,96⋅W - 78⋅S Typisch für deutsche verbale Klammer. Dagegen 4. Satz „Michael Kohlhaas“ HEINRICH VON KLEIST (1777 - 1811): Er ritt einst, mit einer Koppel junger Pferde, wohlgenährt alle und glänzend, ins Ausland und überschlug eben, wie er den Gewinnst, den er auf den Märkten damit zu machen hoffte, anlegen wollte - teils nach Art guter Wirte auf neuen Gewinnst, teils aber auch auf den Genuß der Gegenwart -, als er an die Elbe kam und bei einer stattlichen Ritterburg, auf sächsischem Gebiete, einen Schlagbaum traf, den er sonst auf diesem Wege nicht gefunden hatte. Je größer der Wert desto leichter ist ein Text lesbar Der zulässige Wert hängt Alter und Intelligenz ab. Für Erwachsene sind 30 bis 80 % üblich Einige Zeitschriften redigieren hiernach eingehende Artikel Ferner gibt es Kriterien für Schulbücher unterschiedlicher Altersstufen Satz ist in mehrere Einheiten zergliedert, die einzeln interpretiert werden können und daher nicht die 10-s überschreiten Längste Satz der Literatur wahrscheinlich VICTOR MARIE HUGO (1802 - 1885) „Les Misérables“ (823 Wörter) Heute gilt etwa: die Information im GG läuft über Millionen aktivierter Neuronen (evtl. + Glia-Zellen) zyklisch um Sie entspricht damit den Aktionspotentialen dieser Neuronen mit kurzzeitigen Veränderungen der synaptischen Kontakte Jeder GG-Inhalt entspricht wahrscheinlich einem typischen, elektrochemischen Erregungsmuster im Gehirn. Daher kann das GG u. a. durch Elektroschock gestört werden Intakte Schläfenlappen und Hippocampus sind nicht notwendig, auch bei Amnesie ist GG voll arbeitsfähig. Technisch kann das GG als zyklischer Umlaufspeicher über Millionen aktiver Neuronen interpretiert werden Jede neue Information verdrängt immer bereits vorhandene Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 31 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 32 von 93 Superzeichen von FELIX CUBE bestimmt: Text enthält k Wörter mit je n Zeichen, also gesamt m = k⋅n Zeichen Jedes Wort besitzt eine Einzel-Entropie (da gleichverteilt angenommen, nur ≈) H1 ≈ n⋅ld(n) Der Text enthält m Zeichen aus je k Wörtern Alle Wörter liefern folglich H2 ≈ m⋅ld(n) 1 2 3 4 5 k-1 Wörter können auch zu einem Text zusammengefügt werden. Dafür gilt m = k⋅ n 1 H3 ≈ k⋅ld(k) 2 3 n-1 n Jedes Wort besteht aus n Zeichen Beides zusammen ergibt wegen k = m/n H total ≈ m ⋅ ld(n) + m ⎛m⎞ ⋅ ld ⎜ ⎟ n ⎝n⎠ Dieser Wert besitzt ein Minimum für m = n⋅en-1 Hieraus leitet sich eine optimale Gruppenbildung im Sinne von Superzeichen nach der Tabelle ab. Wortlänge 5,44≈6 22,2≈23 80,3≈81 273 891 2824 8773 26829 81031 Gruppengröße 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 33 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 34 von 93 Kurzzeit-Gedächtnis (KG) Störungen im Kurzzeit-Gedächtnis Im KG wird Information vor allem bezüglich ihrer „Bedeutung“ und damit „komprimiert“ gespeichert Verwechselungen: GG phonetisch z. B. Laute „p“ und „b“, KG Wörter mit ähnlicher Bedeutung Vergessen im KG erfolgt weitgehend durch Interferenz mit der vorhandenen und folgenden Information Die Speicherung erfolgt relativ langsam mit einer Zuflussrate von 0,5 Bit/s Vom GG werden nur „wichtige“ Inhalte übernommen, wegen 0,5/15 (Bit/s) ist das ≈ 1/30 Was übernommen wird, kann durch gezielte Aufmerksamkeit beeinflusst werden Dies erklärt, dass in der Pädagogik die Wiederholung eine wichtige Grundlage des Lernens ist Auch die Sonatenform der Musik wiederholt das Thema ca. 30-mal variiert, ist dann zum Wiedererkennen gelernt Für Überführung GG → KG = Konsolidierung genannt – muss der Hippocampus (Thalamus) intakt sein Die Abfrage, Wiedergabe des KG → GG erfolgt wieder schnell mit etwa 20 Bit/s Funktion des KG hängt eng mit der RNS-Synthese zusammen Anhaltende die Aktionspotentiale (peaks) der Neuronen (GG) verbrauchen viel Transmittersubstanz Sie muss alsbald im zentralen Neuron erzeugt und über das Axon nachgeliefert werden Doch dazu muss die RNS-Synthese im Zellkern eingeleitet werden Halbwertszeit der RNS-Synthese beträgt ≈ 20 min ⇒ KG-Gedächtnisdauer ≈ 1 h mit Abfall auf 1 % In dieser Zeit ist das KG gefüllt und daher ist eine Pause nützlich bis notwendig, Folgerungen s. u. Gehirnerschütterungen, Hirnschlag, Ohnmacht, Elektroschock, Anästhesie usw. stören das KG Dabei werden Prozesse: Zellkern → RNS → Transmitter behindert Es gab keinen Transmitter, der die entsprechende Information stabilisierte Später existiert daher keine Information aus einer Stunde bis minimal zehn Minuten vor dem Geschehen Z. B. fragt Patient nach einer Operation, wann sie denn nun endlich beginnt, neue Anästhetika besser! In den folgenden Wochen und Monaten wird die „Wissenslücke“ meist kleiner Schrittweise gelangt das Bewusstsein immer näher an dem Zeitpunkt des Geschehens Dieses Rückgewinnen hängt auch mit der wieder anwachsenden Kapazität des GG zusammen Völlig wird die Lücke jedoch kaum aufgefüllt. Meist bleibt ein Rest von etwa zehn Minuten „verloren“ Das typische „Vergessen“ heißt retrograde Amnesie (lateinische retrogradis zurückgehend, gradi schreiten) Die Wiedergabe alter Information bleibt bei diesen Störungen im Wesentlichen immer erhalten Aus Zuflussrate ≈0,5 Bit/s und Speicherzeit ≈1 h ergibt sich eine Speicherkapazität ≈1 500 Bit Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 35 von 93 k Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 36 von 93 Krankheiten des Kurzzeit-Gedächtnisses Einige Krankheiten bzw. Fehler im Gehirn, vor allem beschädigter Hippocampus behindern die Funktion des KG Derartige gestörte Menschen leben nur in der Gegenwart = antirograde Amnesie, s. o. Beispiel Kupferstecher LOEDEL. Ein anderer Fall ist bei FISCHEL beschrieben: (1953) wurden dem 27-jährigen H.M. die medialen Schläfenlappen einschließlich der Hippocampus-Formation entfernt, um seine schweren epileptischen Anfälle zu lindern. Seither kann sich H.M. nichts Neues mehr merken. Er lebt gewissermaßen eingefroren im Jahr 1953. Seine Intelligenz und sein Kurzzeitgedächtnis (unsere Bezeichnung GG; H.V.) hingegen sind nicht eingeschränkt. Man kann sich gut mit ihm unterhalten. Doch hat man den Raum verlassen und kehrt wenige Minuten später wieder, vermag er sich an nichts mehr zu erinnern. Man könnte dasselbe wieder und wieder zu ihm sagen, es wäre für ihn stets neu. Die Tatsachen und Ereignisse aber, die er sich vor seiner Operation einprägte, sind ihm noch weitgehend gegenwärtig. H.M. hat also eine Speicher-, keine Erinnerungsstörung. Auch sein implizites Gedächtnis ist intakt. Beispielsweise lernte H.M. mit normaler Rate, spiegelverkehrt zu schreiben und Linien zwischen vorgegebene Konturen einzuzeichnen, obwohl er sich bei jedem neuen Test nicht erinnern konnte, einen solchen jemals absolviert zu haben. Ähnliche Gedächtnis-Störungen treten auch bei der ALZHEIMER-Krankheit auf Diese neuartige Krankheit fand ALOIS ALZHEIMER (1864 - 1915) im November 1901 bei der Patientin Auguste D. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 37 von 93 Wie es zur Stunde kam In der Bibel stand Stunde noch für die „rechte“ Zeit: Buch Prediger Salomo 3.1: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ... töten hat seine Zeit, ... lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.“ Etymologie: 8. Jh. gilt stunta Stunde, Zeit, Zeitpunkt Im Mittelhochdeutschen: stunde und stunt mit dem zusätzlichen Inhalt von Gelegenheit Selbst das heutige „Stunden“ als Aufschub gewähren, entspricht noch diesem Sinn Noch im frühen Mittelalter gab es nur grobe Tageseinteilungen: Die Menschen standen auf, wenn es hell wurde und gingen bei Dunkelheit zu Bett Bezahlt wurde die Arbeit nach Tagen. Im Gegensatz zu heute, hatten sie noch Zeit zum (mußereichen)Warten. Babylonier und Ägypter 3-Teilung: „Lichttag“ mit 10 Teilen + Morgen- und Abenddämmerung + 12 Teile Nacht Wegen Sonnenuhr (Länge und/oder Richtung des Schattens) wenig genau Schwankten mit der Jahreszeit umso mehr, je weiter Ort vom Äquator entfernt war Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 38 von 93 Stunde und Klöster Der tiefere Ursprung für die Stunde dürfte auf das KG zurückgehen; voll mit Information aufgefüllt Damit die alte Information gegenüber neuerer gefestigt werden kann, ist eine Pause notwendig Bereits MARTIN LUTHER (1483 - 1546) bezeichnet die Stunde als ein vernünftiges Maß für die Predigt Vielleicht gar kein so schlechter Witz: Ein Professor darf über alles reden, nur nicht über eine Stunde Leider heute unüblich ⇒ nach Stunde → Witz (?!) Anekdote usw. einflechten, s. Oper, Theater usw.! Sehr wahrscheinlich ursprünglich durch Leben in den Klöstern rntstanden Erstes Kloster: „Cönebitentum“ entstand um 320 n.Chr. in Pachomius, thebetische Wüste Ägyptens Mit der Gründung des Klosters Montecassino durch BENEDIKT VON NURSIA (um 480 bis 547) erfolgt Ausbreitung des Klosterwesens in Europa. Zeit der Mönche ist zweiteilig: Gebetsstunden (hora) für Unterbrechung der Arbeit (→ KG) Dazu gab es vielfältige, komplizierte und streng einzuhaltende Maßnahmen Noch lange nach den Kirchturmuhren (ab 1280) gab es alte „Temporalstunden“ = „kanonische Stunden“ ⇔ „bürgerliche Stunden“ Nur in der Astronomie + Kalenderangaben existierte die exakte Stunden „horae aequinoctiales“ In Europa traf man sich trotz vorhandener Uhren bis weit ins Mittelalter „bei Sonnenaufgang“, „nach der Frühmesse“, „nach dem Essen“, „zur Vesperglocke“, „auf die Nacht“ usw. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 39 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 40 von 93 Langzeit-Gedächtnis (LG) LG = Dauer- ≈ tertiäres ≈Alt- ≈ Permanent-Gedächtnis ≈ Engramm (LZG, LTS) Fakten und Inhalte sind hierin lebenslang gespeichert, können nicht mehr verloren gehen Typisch sind u. a. Kennen des eigenen Namens, Fähigkeit zum Schreiben und Lesen Zugriff kann (zeitweilig) nicht möglich sein (s. u.) „Das war doch in Dingsda. Na, Du weist schon die – fällt mir gleich wieder ein“ Vor allem im Alter kehren bislang nicht mehr erinnerbare (verdeckte) Jugenderinnerungen wieder Für LG ist ein Schlüssel-Enzym (Kalzium-Calmodulin-abhängige Kinase CaMKIV) notwendig Träume und REM-Phasen (rapid-eye-movement) unterstützen Speicherung im LG Hippocampus ist unbedingt erforderlich, bewirkt die Koordination Speicherung erfolgt sehr langsam mit 0,05 Bit/s, Wiedergabe meist mit ≈ 20 Bit/s Gespeichertes entspricht wahrscheinlich einer hoch komplexen Verschaltungen sehr vieler Neuronen Beim Lernen vergrößern sich morphologisch die Spines (Synapsen), es werden auch neue erzeugt Rückbilden von Spines ist sehr selten, nur bei nicht benutzten Arealen Wahrscheinlich liegt so etwas wie eine assoziative Organisation vor. Verschaltung ist z. T. genetische vorgegeben + individuell wird es zusätzlich verändert Neues wird erworben und erlernt Witz: Was nutzt der Braut die Kenntnis der Verschaltung des Gehirns des Bräutigams? Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 41 von 93 Kapazität des LG Ursprünglich sehr groß angenommen, heute unerwartet klein! JOHN VON NEUMAN (1903 - 1957) alle Verschaltungen, auch die genetischen Standardrezeptor (Neuron) 14 Bit/s aus × 1010 Nervenzellen × 2⋅109 s eines 60-jährigen → 2,8⋅1020 Bit (≈ 4⋅104 PByte) Andere: 2,5⋅1010 Neuronen × 15 Impulsen/s × 60-Jährigen → 7⋅1020 Impulsen: 1 Impuls = 0,15 Bit → etwa 1020 Bit Einfache Abschätzung: 1010 Neuronen × 104 Synapsen (= 1 Bit) → 1014 Bit (10 TByte) Jetzt gültig (verbal) und vielfach belegt: 106 – 108 Bit Erfasst werden: alle Fakten, meist fehlen Regeln, die viel mehr erzeugen lassen, als gespeichert ist Zusätzlich vorhanden ist: episodisches, prozedurales und kontextbezogenes Gedächtnis KARL KÜPFMÜLLER (1897 - 1977): Lernen einer Sprache: 50 000 Wörtern für Deutsch (= 1,5⋅106 Bit) Für Satzbau zusätzlich 4⋅105 Bit + Rechtschreibung, Sprechen usw. ≈5⋅106 Bit Spezialist: 10 Sprachen → 5⋅107 Bit. Zuständige Areale besitzen 5⋅108 Neuronen → 1 Bit = 10 Neuronen ⇒ Gesamter Kortex → 108 Bit Dito: Kind lernt maximal 15 Wörter/Tag, 60-jährig theoretisch etwa 300 000 Wörter Aus der Zuflussrate ≈0,05 Bit/s ergeben sich für 60-Jährigen ≤ 10 MByte HEINZ ZEMANEK (*1920) setzt maximal 50 Bit/s an und erhält mit 50 Jahren, bei 16 h/täglich 5⋅109 Bit (≈600 MByte) Abschätzung über Spiel „Begriffe-Raten“ = Ja-Nein.Fragen, Selbst extrem ausgefallener Objekte z. B. Schuh, mit dem NIKITA SERGEJEWITSCH CHRUSTSCHOFF (1894 - 1971) auf Tisch der Vereinten Nationen schlug Maximal 20 Fragen notwendig → 220 ≈106 Bit Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 42 von 93 Zusammenwirken der Gedächtnisse • Jede Information wird über eine sehr große Anzahl von Neuronen gespeichert • Für die meisten einzelnen Informationen gibt es keinen abgrenzbaren Speicherort, bei lokalen Ausfällen (Schlaganfall, Tumor usw.) geht daher fast nie bestimmbares Detailwissen verloren • Es besteht eine formale, jedoch keine funktionale Ähnlichkeit mit Holographie • Ortsgebunden sind dagegen oft nicht-deklarative Gedächtnisinhalte, z. B. sind motorische, sensorische sowie Sprachund Sehstörungen • Alle drei Gedächtnisse nutzen die gleichen Neuronenketten, jedoch unterschiedlich • Beim GG existiert eine Erregungskette über die zugehörigen Neuronen, wobei Aktionspotentiale wesentlich sind • KG: bei längerer Wiederholung wird die in den Synapsen vorhandene Transmittersubstanz verbraucht. sie muss im Zellkern über RNS-Synthese neu erzeugt werden; Halbwertszeit ≈20 Minuten. Neuronenkette bleibt leicht erregbar. 1 % Abfall ⇒ Stunde 3*20 gemäß (½)3 ≈ 0,1 • LG: Wird Stoffwechsel der Neuronenkette häufig wiederholt ⇒ für bessere Effektivität Synapsen vergrößert und eventuell zusätzliche Synapsen gebildet = strukturelle „Verschaltung“ durch Lernen! Geschieht ständig Einiges bereits genetisch festgelegt Oft wird GG und KG zum Kurz- oder Lang-Zeit-Gedächtnis zusammengefasst Andere Quellen bezeichnen KG als Langzeit-Gedächtnis Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 43 von 93 • Zeitlich begrenzte verbale Störungen durch gegenseitigen Blockierungen für bestimmte Wörter Erklärbar durch gemeinsam aktivierten Neuronen erklärt werden, sind für das gesuchte Wort nicht mehr verfügbar Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 44 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 45 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 46 von 93 Zusammenfassung der meisten Einflüsse geändert nach [Drischel] Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 47 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 48 von 93 Sensorisches Gedächtnis (SG) Zum Speichern averbaler Informationen ist wenig bekannt, sehr komplizierte Untersuchungsmethoden Besonders stark ausgeprägt bei Tieren und Kindern Erst etwa 1980 wurde vierter Gedächtnistyp bei Bildern gefunden, betrifft wahrscheinlich alle Sinnesreize Tritt meist bei allen komplexen Reizen auf, z. B. bei mehr als zehn Buchstaben (Chunk) ⇒ sensorisches, ikonisches, photographisches oder Ultrakurzzeit-Gedächtnis Existiert eventuell in den primären Sinnen und den primären corticalen Projektionsbereichen Die Speicherzeit liegt bei etwa 50 bis 200 ms, könnte mit den Aktionspotentialen zusammenhängen Gehirn-Areale, die für bestimmte Speicher-Funktionen zuständig sind Für akustische Signale könnte die Speicherzeit deutlich länger sein Informationen gelangen nicht ins GG sondern unmittelbar ins KG, bleiben unbewusst Unmittelbar nach dem Reiz können zuweilen 80 % der Information verbal benannt werden Aktivität des SG bereitet offensichtlich die Codierung für KG vor, was ≈1 s dauert Speicherkapazität ist kaum zu bestimmen, wird auf einige kBit geschätzt Prinzipiell ist sie durch den Informationsfluss aller Sensoren auf ca. 107 Bit/s begrenzt Daher große Reduzierung der Information notwendig ⇒ viele Handlungen erfolgen unbewusst Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 49 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 50 von 93 Beispiele für SG Ein Bild bleibt nach Schließen des Augenlids oder Wegnahme der Projektion als Ikon noch kurz erhalten Verkehrschilder werden z.B. sofort gesehen und befolgt, aber sofort wieder vergessen Beim Lesen bewegt sich das Auge ruckweise im etwa 100-ms-Takt (Sakkaden) von Wortgruppe zu Wortgruppe Beim Gehen sehen wir immer das, was in einiger Entfernung vor uns liegt Das braucht nur solange gespeichert zu werden, bis wir den Ort ereicht haben So gehen wir auf Treppen, erklimmen die Bordsteinkante, obwohl wir sie eigentlich nicht mehr sehen Frauen mit hohen, spitzen Absätzen treten unwahrscheinlich selten in die Spaten zwischen den Steinen Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 51 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 52 von 93 Gedächtnis-Beeinflussungen Unser Gedächtnis ist von vielen Bedingungen, z. B. dem emotionalen Zustand, abhängig In fröhlicher Stimmung kommen positive Erinnerungen leichter ins Bewusstsein, in traurigen Phasen negative Unter Stress fällt manchmal jedes Erinnern schwer, extrem bei großen Angst- oder Ermüdungszuständen Ortsbezogene Gedächtnis-Inhalte werden eher an diesen und ähnlichen Orten reaktiviert Ähnlich für Gerüche Bei einem Déjà-vu (französisch schon gesehen) glaubt der Betroffene für Sekunden bis zu Minuten fest daran, die aktuelle Situationen ganz oder teilweise schon einmal erlebt zu haben tritt insbesondere bei Krankheiten auf Bei hoher Konzentration auf einige Fakten wird vieles nebensächlich und nicht erinnerbar sprichwörtlich ist der vergessliche Professor, der seine Brille sucht, die er gerade auf die Stirn geschoben hat Um die individuelle Persönlichkeit zu erhalten, sind oft Rationalisierungen notwendig MAX FRISCH (1911 - 1991): „Jeder von uns wird sich eines Tages die Biographie erfinden, die er für sein Leben hält.“ Daher korrigieren, interpretieren, zensieren und erfinden wir ständig Erinnerungen Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 53 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 54 von 93 Gedächtnis-Täuschungen Beispiel Gedächtnis-Täuschungen [Loftus] Falscherinnerungen treten umfangreich bei längeren Befragungen auf, werden teilweise sie erst durch Forderungen zum gründlichen Nachdenken über das Geschehene bewirkt Die Phantasie schmückt dann alles reichlich aus Kommentare der Fragenden wirken bestärkend, ablenkend oder falsch hinweisend: z. B. „Wiederholen Sie doch bitte die Geschichte von der ‚homosexuellen‘ Person noch einmal.“ Insbesondere Kinder schmücken dann Episoden großartig und wirkungsvoll aus Gilt vor allem, wenn ihnen Eltern oder Verwandte über ihr erstes, zweites Lebensjahr erzählt haben Sie können von damals noch keine Erinnerungen besitzen, denn der für LG notwendige Hippocampus war noch nicht ausgereift (Beispiel verloren im Kaufhaus) [Fischer] berichtet über den Streit von zwei Psychologieprofessoren um das Datum des Todes eines Kollegen. Obwohl das Datum leicht nachprüfbar ist, nimmt der Streit kein Ende Ähnliche wird zuweilen fest an Vergewaltigung, Abtreibung usw. geglaubt, sogar selbst dann, wenn im Nachhinein Jungfräulichkeit bewiesen wird. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 55 von 93 Im Jahre 1986 suchte Nadean Cool, eine Schwesternhelferin im US-Bundesstaat Wisconsin, Hilfe bei einem Psychiater, um ihre Reaktion auf eine traumatische Erfahrung ihrer Tochter besser verarbeiten zu können. Der Therapeut setzte Hypnose und andere Suggestionsverfahren ein, um verdrängte Erinnerungen an verstörende Geschehnisse, denen Nadean Cool angeblich selbst ausgesetzt gewesen war, zutage zu fördern. Im Laufe der Therapie kam die Patientin zu der Überzeugung, sie sei Mitglied eines satanischen Kults gewesen: Sie habe Säuglinge verspeist, sei vergewaltigt worden, habe Geschlechtsverkehr mit Tieren gehabt und sei gezwungen worden, den Mord an ihrer achtjährigen Freundin mitanzusehen. Schließlich glaubte sie, mehr als 120 Persönlichkeiten zu haben - die von Kindern, Erwachsenen, Engeln und sogar einer Ente. All das, so sagte der Psychiater, komme davon, dass sie als Kind auf brutale Weise sexuell missbraucht und körperlich misshandelt worden sei. Er versuchte sich sogar als Exorzist; eine dieser Beschwörungen zur Teufelsaustreibung dauerte fünf Stunden, wobei er die Frau mit Weihwasser besprengte und schrie, Satan solle ihren Körper verlassen. Als Nadean Cool endlich begriff, dass ihr falsche Erinnerungen eingepflanzt worden waren, zeigte sie den Psychiater wegen Kurpfuscherei an. Im März 1997 wurde das Verfahren nach fünfwöchiger Dauer durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet, als der Arzt sich zu 2,4 Millionen Dollar Schadenersatz verpflichtete. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 56 von 93 Lernen Lernen = Aufzeichnen, Einspeichern, wird sehr vielfältig und recht unterschiedlich behandelt und betrachtet: 1926 fand IWAN PETROWITSCH PAWLOW (1849 - 1936) den bedingte Reflex (Beginn 1889) Prägung = angeborene Sensibilität, besteht nur in genetisch bestimmten Zeitraum, erstmalig von KONRAD LORENZ (1903 - 1989) bei den Graugänsen beschrieben trial and error gehört zur Kybernetik von NORBERT WIENER (1894 - 1964) = Lernen durch Versuch und Irrtum Instrumentelles Konditionieren entwickelte B. F. SKINNER (1904 - 1990): „Skinner-Box“ (Glücksstimulation) Mäuse werden Elektroden in bestimmten Hirnregionen implantiert, Selbstauslösen von Stromstößen Psychologie wird häufig assoziatives Lernen untersucht, z. B. Priming, Lernen durch Ähnlichkeit beschleunigt Lernen durch Einsicht ist eine besonders hoch entwickelte Form Umfangreiche Literatur, z. B. [Klix], [Cube], [Vester] [Fischer]: Wir ändern Zahlenwerte rückwirkend. Probanden wurden nach der Höhe des Eiffelturms gefragt. Später wurde ihnen die richtige Höhe genannt und noch später wurden sie gefragt, welche Höhe sie ursprünglich genannt hätten. Fast immer erfolgten deutliche Verschiebungen in die „wirkliche“ Richtung. Dann wurde zusätzlich getestet, ob das eigene Urteil oder die gegebene Information vollständig erinnert wurden. Besonders häufig wird nur das ursprünglich eigene Urteil vergessen und dann entsteht die Verteilung der rechten grünen Kurve. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 57 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 58 von 93 Lernen und Musik Hörer können bei einiger Erfahrung problemlos Musik aller europäischen Epochen mit Genuss rezipieren Dem muss etwas Gemeinsames zu Grunde liegen ⇒ Untersuchung von 35 Kompositionen von 24 Komponisten Wurde mit WOLFRAM HEICKING (*1931) und MANFRED NITSCHKE untersucht [Völz75] Mit Stoppuhr wurde die Dauer der Motive in all ihren Variationen bestimmt und statistisch ausgewertet Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 59 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 60 von 93 Ausgewertete Werke J. S. Bach Ch. W. Gluck W. A. Mozart 1685 - 1750 1714 - 1787 1756 - 1791 L. v. Beethoven 1770 - 1827 C. v. Weber F. Schubert 1786 - 1826 1797 - 1828 H. Berlioz R. Schumann R. Wagner 1803 - 1869 1810 - 1856 1813 - 1883 A. Bruckner J. Strauß, Sohn 1824 - 1896 1825 - 1899 J. Brahms M. Musorgski P. I. Tschaikowski 1833 - 1897 1839 - 1881 1840 - 1893 R. Strauß A. Scrjabin M. Ravel B. Bartok I. Stravinski P. Hindemith 1864 - 1949 1871 - 1915 1875 - 1937 1881 - 1945 1882 - 1971 1895 - 1963 D. Schostakowitsch R. Zechlin G. Kochan 1906 - 1975 1926 1930 D-Dur Suite, Air Ballettmusik „Reigen seliger Geister“ 1. Thema; Orpheus und Eurydike Ouvertüre „Die Hochzeit des Figaro Ouvertüre „Don Giovanni“ Eine kleine Nachtmusik, 1. Satz Eine kleine Nachtmusik, 2. Satz Romanze F-Dur für Violine und Orchester Sinfonie Nr. 3; 1. Satz Sinfonie Nr. 3; 2. Satz Ouvertüre „Der Freischütz“ Musik aus Rosamunde Scherzo B-Dur Faust‘s Verdammung, Marsch Aus den Kinderszenen die „Träumerei“ Vorspiel 3. Akt z. Oper „Lohengrin“ Tannhäuser-Ouvertüre „Die Meistersinger von Nürnberg“, Vorspiel Sinfonie Nr. 6; 1. Satz Kaiserwalzer Ouvertüre „Die Fledermaus“ Sinfonie Nr. 1; 4. Satz Eine Nacht auf dem kahlen Berge Serenade für Streicher, Walzer Sinfonie Nr. 5; 1. Satz Sinfonie Nr. 6; 3. Satz Till Eulenspiegels lustige Streiche Prelude Nr. 13a; Opus 11 Bolero Klavierkonzert Nr. 3; 2. Satz Ballett-Suite „Petruschka“; 1. Satz „Niblissima Visione“; Marsch u. Pastorale. Sinfonia Serena; 1. Satz Sinfonie Nr. 7; 1. Satz Violinkonzert; 1. Satz Klavierkonzert; 2. Satz 3-Stufentheorie des Lernens Maximum bei 5 s ⇒ das halbe GG wird für die aktuelle Musik, Rest zum Vergleich mit Gelerntem benutzt Phase Wirkung Verwirrung Informationsflut ist zu groß, keine merkliche Rezeption möglich Wieder erkennung Einige Strukturen sind erkannt und werden wieder erkannt. Das bereitet Genuss Analytische Phase, Strukturierung Strukturen und Verknüpfungen sind erkannt und gespeichert. Ähnliches ist gut rezipierbar. Vergleich von aktueller und gespeicherter Information Beispiele Erleben von Neuem Musik aus unbekanntem Kulturkreis. Klassen und Begriffsinhalte werden gebildet; klassikgewohnter Hörer rezipiert unbekanntes Werk der Klassik. Begriffe können durch Eigenschaften beschrieben werden. Rezeption eines Musikkenners, analytisches Hören nach THEODOR ADORNO (Wiesengrund, 1903 – 1969) Später zeigte sich, dass diese Theorie wahrscheinlich universell gilt Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 61 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 62 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 63 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 64 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 65 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 66 von 93 Zur Zwölftonmusik Im Sonatensatz sind ca. 30 Variationen typisch, die um das, die Themen „spilen“ Der 1928 uraufgeführte Bolero von JOSEPH MAURICE RAVEL (1875 - 1937) Ausnahme recht langes Thema von ca. 45 Sekunden, das aber dennoch 21-mal wiederholt wird Zur Zwölftonmusik (serielle Technik), Zitat aus THOMAS MANN (1875 - 1955) von 1947 „Doktor Faustus: Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde“: „Es geht auch so einfach nicht. Man müsste alle Techniken der Variation, auch die als künstlich verschrienen, ins System aufnehmen, also das Mittel, das einmal der Durchführung zur Herrschaft über die Sonate verhalf. Ich frage mich, wozu ich so lange unter Kretzschmar die alten kontrapunktischen Praktiken geübt und so viel Notenpapier mit Umkehrungsfugen, Krebsen und Umkehrungen des Krebses vollgeschrieben habe. Nun also, all das wäre zur sinnreichen Modifizierung des Zwölftönewortes nutzbar zu machen. Außer als Grundreihe könnte es so Verwendung finden, dass jedes seiner Intervalle durch das in der Gegenrichtung ersetzt wird. Ferner könnte man die Gestalt mit dem letzten Ton beginnen und mit dem ersten schließen lassen, dann auch diese Form wieder in sich umkehren. Da hast du vier Modi, die sich ihrerseits auf alle zwölf verschiedenen Ausgangstöne der chromatischen Skala transponieren lassen, so dass die Reihe also in achtundvierzig verschiedenen Formen für eine Komposition zur Verfügung steht, und was sonst noch für Variationsscherze sich anbieten mögen. Eine Komposition kann auch zwei oder mehrere Reihen als Ausgangsmaterial benutzen, nach Art der Doppel- und Tripelfuge. Das Entscheidende ist, dass jeder Ton darin, ohne jede Ausnahme, seinen Stellenwert hat in der Reihe oder einer ihrer Ableitungen. Das würde gewährleisten, was ich die Indifferenz von Harmonik und Melodik nenne.“ „Ein magisches Quadrat“, sagte ich. „Aber hast du Hoffnung, dass man das alles auch hören wird?“ „Hören?“ erwiderte er. „Erinnerst du dich an einen gewissen gemeinnützigen Vortrag, der uns einmal gehalten wurde, und aus dem hervorging, dass man in der Musik durchaus nicht alles hören muss? Wenn du unter ‚Hören‘ die genaue Realisierung der Mittel im einzelnen verstehst, durch die die höchste und strengste Ordnung, eine sternensystemhafte, eine kosmische Ordnung und Gesetzlichkeit zustande kommt, nein, so wird man's nicht hören. Aber diese Ordnung wird oder würde man hören, und ihre Wahrnehmung würde eine ungekannte ästhetische Genugtuung gewähren.“ Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 67 von 93 Folgerungen Unser GG strebt an, immer 15 Bit/s zu bekommen Bei weniger erleben wir Langeweile und suchen nach Information Bei mehr tritt Verwirrung, Unsicherheit, es muss nach Strukturen und Zusammenhängen gesucht werden Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 68 von 93 Vergessen als Geschehen Erfolgt entweder um unser Gedächtnis zu entlassen oder ist unerwünscht • Geschieht immer nicht bewusst • absichtlich nicht möglich • wird z. T. nicht bemerkt Vergessen im Alter Kohorten-Problem (lateinisch cohors Hof; eingeschlossener Haufe, Schar) Vergleich von Menschen unterschiedlichen Alters: haben zumindest teilweise ganz andere Erfahrungen gesammelt Witz: Bürgermeister und Apotheker gehen gemeinsam spazieren Apotheker: „Ja, ja wir werden immer älter.“ Bürgermeister: „Ich merke aber gar nichts davon.“ Apotheker: „Du nicht, aber die Anderen.“ Bei Fertigkeiten erfolgt Vergessen selten, man fragt „Warum kann ich das jetzt nicht mehr?“ und denkt an eine Störung Sind weitgehend im Kleinhirn fixiert, oft wird dem aber kein Gedächtnis zugeordnet Unvergessliche Schlüssel-Erlebnisse entstehen, wenn weitreichende Konsequenzen bis in die Gegenwart vorliegen Heute 80-Jähriger ↔ 20-Jährigen, war 1950 bereits 20 Jahre alt, Damals kein Fernsehen, Wasch- oder Spülmaschine, Computer, Handy hat andere Schulbildung erfahren, andere Lernmethoden erworben und andere Erinnerungen gewonnen Nur scheinbar hat ein alter Mensch ein schlechteres Gedächtnis, eventuelle Verluste sind aber unwesentlich GG ist praktisch nie beeinträchtigt LG zeigt erst jenseits von 60 Jahren eine deutliche Abnahme Vergleiche deuten darauf hin, dass Gedächtnis der Alten heute besser als vor ein oder zwei Generationen ist Wahrscheinlich traten früher auch verstärkt Senilitätsabnahme und Alzheimer-Krankheit auf Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 69 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 70 von 93 Vergessen ethisch-moralisch Vergessen-Sollen Erfolgt zur der Erhaltung des Ich, der Persönlichkeit durch Verdrängen SIEGMUND FREUD (1856 - 1939): Unterbewusstes, Psychotherapie Antike: Kam ein Mensch in der Unterwelt an, musste er aus dem Fluss Lethe trinken, um alles Irdische zu vergessen. Der Strom schwemmt es unwiederbringlich fort Durch Rationalisierung, jeder Mensch hat daher eine Art „Un-Gedächtnis“ HOMER (ca. 750 - 700 v.Chr.) 11. Gesang der Odyssee: Odysseus in der Unterwelt: Die Toten, denen er im Hades begegnet sind stumm; haben Sprache und Erinnerung verloren Schwierig ist Umgang mit Personen, die ihr Gedächtnis weitgehend verloren haben Später Kraut des Vergessens (Niezwurz) Tragik des Nicht-Vergessen-Könnens, u.a. in Märchen, Sagen und Anekdoten, bis zur Blutrache Doch Trinken auch zur Erinnerung. Für Dichter heilige Quelle Kastalia von Delphi: Es gibt kein Verkünden ohne Erinnern, kein Dichten außerhalb der Tradition, bzw. ohne Trunk aus dem Musenquell 1993 „Einstein-Forum in Berlin“: Vergessen und Verdrängen, Ergebnis (Berliner Zeitung, 14.12.93, S. 29: „Diskussionen um das Vergessen führen in Deutschland fast zwangsläufig zu unterschiedlicher politischer Kritik. ... Die Vorstellungen Nietzsches aber auch Heideggers wurden genauso betrachtet, wie das historische Wissen über die Leistung des Vergessens in der antiken Demokratie Athens. In all diesen unterschiedlichen Sichtweisen wurde deutlich, dass es zum einen zwar illegitimes Vergessen gibt, aber andererseits auch die Notwendigkeit, Bestimmtes zu vergessen. »Ein Mensch, der nichts vergessen kann, ist wie jemand, dem der Schlaf entzogen wird« , hatte Nietzsche einmal gesagt. Man war sich im wesentlichen einig, dass es ein »heilendes Vergessen« gebe. Allzuoft wird dies in Deutschland jedoch mit Verdrängung gleichgesetzt, denn vergessen kann man nur wirklich, wenn man die Konflikte zuvor gelöst hat.“ Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 71 von 93 Überredung, Bestechung, Erpressung bis zur Gehirnwäsche mit total geistig-seelischer Umstimmung eines Menschen meist bei Häftlingen (engl. brain washing) einschließlich Folter u. a. pausenloses Verhör, grelles Licht, Terrorisierung durch Mitgefangene, Isolierung, Schlaf-, und Nahrungsentzug, illegale Drogen Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 72 von 93 Geistige Tätigkeiten Kreativität Lateinisch kreativ schöpferisch, Ideen habend u. diese gestalterisch verwirklichend Bei geistigen Tätigkeiten nutzen wir je nach der Art des Problems individuell unterschiedliche Methoden [Müller] • Gut bekannte Aufgaben werden voll routinegemäß behandelt. Dabei läuft alles fast automatisiert ab • Bei komplizierten Aufgaben, Problemen erweisen sich oft streng logisch-rationale Regeln oft als vorteilhaft. • Für sehr komplexe Probleme sind heuristische, unscharfe Methoden nützlich, müssen nicht zum Erfolg führen • Bei wenig definierten Problemen können fast nur intuitiv-spontan gefundene Lösungen genutzt werden • Ist zwischen Lösungen auszuwählen, erfolgt dies meist nach ästhetischen Gesichtpunkten (schönste Formel) Häufig bringen Problem-Lösungen Neues hervor. Das wird durch Kreativität ausgedrückt Alle Menschen sind kreativ, nicht nur Künstler und Wissenschaftler Neues ist schwer zu definieren. Besonders klar ist es für Patente festgelegt. Dabei werden geprüft: • formale Neuheit im Sinne des noch nie Dagewesenen • Größe des technischen Fortschritts • Originalität im Sinne einer Erfindungshöhe Kreativität bringt oft Vorteile, daher möchte es jeder sein • Kreativität bietet Erfolgserlebnisse, u. a. das Aha-Moment • Kreative Menschen werden überwiegend hoch geschätzt. Sie sind meist geachtet und begehrt Kreativität bringt auch Schwierigkeiten, frustriert • setzt viel Wissen, Können und Erfahrung voraus. Erst wenn etwas oft (unzufrieden) getan wurde, wird nach einer neuen, d. h. kreativen Lösung gesucht • verlangt Phantasie. Sie wurde aber vielen Menschen während der Kindheit ab-erzogen • erzwingt veränderte Denkgewohnheiten und/oder Arbeitsmethoden bringt dadurch Unruhe und Unsicherheit bezüglich des Gewohnten daher erscheinen kreative Menschen zuweilen recht unbequem Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 73 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 74 von 93 Kreativitäts-Raten Zahlenwerte für Kreativität Es gibt drei Arten für die Breite der Anerkennung des Neuen • subjektive K.: Ich empfinde, spüre, dass ich etwas Neues gefunden habe, z. B. Aha-Moment Jeder freut sich über eine Idee, selbst wenn sie „nur“ den Haushalt oder das Basteln betrifft • objektivierte K.: Das Kollektiv erkennt meine Idee an Häufig wird sie mittels Killerphrasen abgelehnt. Ist frustrierend und verhindert weiteren Ideen Bedeutet systematische Senkung von Kreativität. Gilt auch bei der Erziehung von Kindern • absolute K.: Die Idee wird international akzeptiert, z. B. über anerkannte Publikation, Patent, Nutzung, Gewinn Menschen sind unterschiedlich kreativ Ausführlich an viele Beispiele untersucht [Völz82] S. 326 ff. Werte besitzen große Unsicherheit (Faktor 100), sind dennoch sehr aufschlussreich Werte in Bit/s maximal grober Richtwert gemittelt grober Richtwert subjektiv objektiviert absolut 10-6...10-2 1 Bit/Stunde 10-4...10-3 1 Bit/Tag 10-7...10-3 1 Bit/Tag 10-6...10-5 1 Bit/Woche 10-8...10-7 1 Bit/Jahr 10-9...10-8 1 Bit/Leben Die absoluten Kreativitätswerte machen deutlich, wie dringend jegliche Kreativität ist Ursachen nicht bekannt. Daher zwei Fälle wichtig: • gemittelte Kreativität: Annahme: alle Menschen sind gleich kreativ ⇒ heutiges Weltwissen geteilt durch Anzahl aller Menschen, die gelebt haben ⇒ Mittelwert eines Menschen • maximale Kreativität: Es gibt besonders kreativer Menschen, wie EINSTEIN oder EDISON Ihre Lebensleistung kann zur Abschätzung benutzt werden Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 75 von 93 Werte stimmen gut mit Erfahrungen beim Programmieren überein Im Mittel bei größeren Programmen nur 3 gültige Zeilen/Stunde Zeitweilig erreichen Spitzenprogrammierer jedoch 200 Zeilen/Stunde aber an manchen Tagen auch keine gültige Zeile Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 76 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 77 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 78 von 93 Killerphrasen Biologische Evolution ergibt über Jahrmillionen ein Zuwachs an Genen von 10-10 bis 10-8 Bit/s. Er liegt deutlich unter dem für die Menschheit, obwohl die Anzahl der beteiligten Individuen viele Zehnerpotenzen größer war Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 79 von 93 Ich bin nicht sicher, ob das meinem Chef gefällt Das ist viel zu ehrgeizig Uns fehlen die Voraussetzungen Es tat unrealistisch Es ist zu teuer Wir geraten damit in die Schusslinie Mich hat bisher niemand gefragt Wir haben kein Budget dafür Mir fehlt die Entscheidungskompetenz Dafür ist jemand anders verantwortlich Das funktioniert doch nie Das tat nicht mein Problem Das dauert viel zu lange Es ist hoffnungslos Wir können diese Chance gar nicht nutzen Das Tagesgeschäft geht vor Es ist zu kompliziert Was bringt uns das? Dafür bekommen wir keine Unterstützung Das ist zu radikal Es ist zu politisch Wir haben noch keinen Konsens Das widerspricht der Unternehmenslinie Wir sind zu vielschichtig organisiert So wie wir es jetzt machen, ist es doch OK Das ist gar nicht zu bewältigen Das ist gar nicht unsere Aufgabe Das scheitert an der Bürokratie Uns fehlen die Leute Das haben wir schon mal ausprobiert Das verstößt gegen die Tradition Darüber müssen wir noch eingehender nachdenken Das soll mal erst eine andere Abteilung versuchen Auf uns hört ja doch keiner Das fällt der Sparpolitik zum Opfer Das ist doch nur eine Mode Wir haben nicht genügend Zeit Wir warten auf eine Richtlinie dafür Das können wir nicht Uns fehlt ein eindeutiges Mandat Für diese Abteilung passt das gar nicht Vielleicht funktioniert es, vielleicht auch nicht Bergauf läuft das nicht So etwas haben wir noch nie getan Damit sollten sich zuerst die Fachleute befassen Dazu hat keiner den Mut Ich bin ja sehr dafür, aber … Wer will diese Veränderung denn wirklich? Am Ende wird wieder nichts passieren Das ist alles viel zu visionär Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 80 von 93 Gefühle ⇔ Emotionen Gefühle und Emotionen lateinisch motio, movere, motum bewegen, erregen; erschüttern, emovere hinaus, wegschaffen, entfernen, erschüttern Begriff von EUGEN BLEULER (1857 - 1939) geprägt Typisch sind: Aggression, Angst, Antipathie, Ärger, Besorgnis, Freude, Liebe, Trauer, Wut und Zorn Umgangssprachlich Emotion ⇔ Gefühl fast synonym Gefühl wird in der Tendenz eher positiv, Emotion eher negativ wahrgenommen Emotionalität gilt als sozialer Kitt ⇒ schafft persönliche Beziehungen, verbessert Kommunikation Gefühl ≈ Empfindung, Empfinden, Feeling, Flair, Gespür, Instinkt, Spürsinn, salopp „einen Riecher für etwas haben“ oder „eine Ahnung haben“ Vielfalt menschlicher Gefühle ist sehr groß, erheblich größer als die der Rationalität Dennoch gibt es einige Menschen, die nur erstaunlich schablonenhafter Gefühle fähig sind Doch jeder kann durch Übung und Erfahrung sein Gefühlsleben bereichern, wichtig ist dafür die Kunst ≈1990 ergänzend zum IQ der EQ (emotionaler Quotient) eingeführt, mit hohem EQ im Leben erfolgreicher Häufig Gegensatz angenommen: Wissenschaft (Vernunft, Rationalität) ⇔ Kunst (Gefühl) Doch Wissenschaft braucht genauso Gefühl wie die Kunst auch Vernunft, beides ist notwendig Emotion ist keine Information, sondern primär biologische Reaktion = Grundphänomen des individuell-subjektiven inneren und äußeren Erlebens Ins Bewusstsein gelangen sie erst – wenn überhaupt – bei oder kurz nach ihrem Auftreten Sie sind Bewertungen bzgl. Ziele, Vorstellungen, Wünsche, Hoffen usw. Großer Unterschied: Emotionen selbst erleben ⇔ abstrakt beschreiben Sie sind teilweise messbar, z. B. Pupillenreflex, Puls, Blutdruck, Atem, Hautwiderstand, EEG und Erröten Intensität unabhängig von Richtung (positiv ⇔ negativ) Bei anderen daher teilweise sichtbar, z. B. Mimik und Gestik Sind höchst komplex und erfordern daher mehrere Klassifikationen Bezug Gegensätze, Extreme (Beispiele) Objektbezug Richtung Intensität Dauer Realität Werte Handeln Teilnahme Neuronal Werden in Umgebung des lymbischen Systems (lateinisch limbus Gürtel) erfasst und reguliert = Gürtel um den Balken (Corpus callosum), älterer Gehirnteil mit Verbindung zum Neocortex Emotionale Tränen chemisch (anders Zwiebelschneiden), enthalten Stresshormon + schmerzlinderndes Endorphin Rechtes, linkes Großhirn unterschiedliche Funktionen (zerebrale Lateralisation) besonders rechte Hemisphäre berücksichtigt Emotionen ⇒ Emotionales Gedächtnis gerichtet (Moral, Ästhetik) positiv (Lust, Freude) stark anhaltend (Leidenschaft) adäquat, angemessen höhere, geistige, kulturelle (Kopf) fördernd aktiv handelnd neutral (Stimmung) negativ (Wut, Angst) schwach vergänglich (Affekt) inadäquat niedere, leibliche (Bauch, Unterleib) hemmend passiv erlebend Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 81 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 82 von 93 Objektbezug zu Personen, Sachen und Prozessen Richtung • Lebensnotwendigkeit, z.B.: Sattsein, Sicherheit, Sexualität • Intellekt, z. B.: Aha-Moment bei neuer Einsicht • Ethik, Moral, z.B.: Liebe, Achtung, Güte, Mitgefühl, Hingabe, Takt, Schuld, Hass, Rache • Ästhetik, z. B.: Erhabenes, Komisches, Tragisches, Anmut, Charme, Charisma • Bewegung, z. B.: Tanz, Wandern, Spiel, Sport • Wiedererkennen, z. B.: Erlebnis, Menschen, Kunst, Musik • Religion, z. B.: Gott, Gnade, Erlösung – ist umstritten • Ungerichtetheit, z. B.: Stimmungen, Ursachen meist unklar, erreichen nicht Bewusstsein • Negativ (Ärger, Angst, Aggressivität, Trauer, Trotz, Wut, Zorn) entstehen, wenn subjektiv gesehen wichtige Bedürfnisse nicht befriedigt werden können und auch momentan kaum befriedigbar erscheinen. • Positiv (Freude, Lust, Glück, Zufriedenheit, Hochgefühl), Wunsch nach Wiederholung (Suchtgefahr) bewirken aktives Suchen nach neuen Bedürfnissen tragen so zur weiteren Evolution des Verhaltens bei. Dauer kurz aufwallend Affekt etwas anhaltend länger anhaltend Wut, Ärger Trauer, Stimmung dauerhaft Liebe, Leidenschaft Adäquatheit Bezug Erlebender Fremder Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 83 von 93 Zum Zeitpunkt des Erlebens Im Nachhinein immer adäquat adäquat oder inadäquat adäquat oder inadäquat Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 84 von 93 3-Ebenen-Modell Wirkungsschema ermöglicht eine funktionelle Beschreibung von Emotionen [Völz, Emotion] Absichten, Wollen, Verhalten, Handeln betreffen Ziele, meist mehrere zugleich ⇒ Optimierung Ebene 1 Ziele werden aus Bedürfnissen, Tendenzen, Motiven, Bestrebungen usw. abgeleitet Objektiv zugängliche Umwelt, Realität. Subjekt beobachtet, nimmt wahr, erkennt und filtert die Umwelt durch Aufmerksamkeit, Interesse usw. Subjekt handelt, nimmt mehr oder weniger bewusst Veränderungen vor ≈Bewusstes nach FREUD, zugehörig GG Um Ziele zu erreichen sind in der Realität (Ebene 1) aktive Handlungen notwendig Beim Denken sind die Ziele abstrakter, z. B. Lösung eines Problems Der dazu erforderliche Aufwand wird mittels internen Welt-Modells abgeschätzt Dabei erfolgen Vergleiche bezüglich mehrerer möglicher Wege und deren individueller „Wichtigkeit“ Vergleiche sind kompliziert-ganzheitliche Differenzbildungen, bestimmen notwendigen Aufwand ⇒ Emotion Ebene 2 = Extern Beobachtbares: a) Handlungen und Verhalten des Menschen b) Begleit-Erscheinungen, wie Tränen, Freude, Erröten, Erblassen, Ausdrucksbewegungen (Minen, Gesten) objektiv „messbare“ Größen, Herzschlag, Puls, Pupillenreflex, Hautwiderstand, Gesichtstemperaturen, EKG ≈Vorbwusstes, dazu LG • • Geringer Aufwand ⇒ positive, das Handeln verstärkende Emotionen Schwierige oder gar hoffnungslose Situationen ⇒ negative, das Handeln lähmende Emotionen Weitere Einflüsse: subjektive Zustände, wie Müdigkeit, Agilität, Trunkenheit, Drogen usw. Alles ändert sich mit der Zeit Plötzliche, unerwartete Änderungen ⇒ Ursachen für Komik, Witz, Tragik und Aha-Erlebnis Ebene 3 erreichbar durch Selbstbeobachtung oder Verallgemeinerung → inneres Modell des Menschen enthält Aspekte des Entstehens und Wirkung von Emotionen Wichtig ist individuelles Gedächtnis, mit internen Weltmodell, Zielen, Bedürfnissen, Motiven usw. ≈Unbewusstes, Im LG vorhanden, jedoch meist nicht zugreifbar Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 85 von 93 Direkte Übertragung von Emotionen: verschiedene Auffassungen: möglich ⇔ unmöglich Erzeugt Musik Emotionen? usw. Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 86 von 93 Zur Differenzbildung Bezug Erfüllbarkeit Äußerer Zwang Modellfehler Einflüsse Objektive Gegebenheiten Subjektive Ziele Forderungen aus der Umwelt und Gesellschaft Eigene, interne Interessen, Zielvorstellungen Reales Umweltverhalten Verhaltens des inneren Modells Hineindenken, Subjektive Identifizierung mit handelnder Person Mitfühlen, Bewerten Kunst: Übertragung von Emotion?! (Musik?) Übliches oder vermeintliches eigenes Verhalten Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 87 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 88 von 93 Überindividuelle Gedächtnisse Der Begriff ist u. a. auf Kollektive, Teams, Mythen, Religionen, Gesellschaften; Geschichte usw. übertragen Gilt z. T. auch für Genetik usw. bis Tiere, z. B. Ameisen- und Bienen-Staaten Kommt auch in der Technik zur Anwendung Diese Fülle bedarf dann einer gründlichen Betrachtung [Völz, Handbuch I bis III] Hier folgen nur zwei Bilder Informationsfluss beim Witz, für Tragik gilt ähnlicher Verlauf Kein Einfluss postive ⇔ negative Emotionen Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 89 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 90 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 91 von 93 Gedächtnis.doc h. völz angelegt 28.6.09, alte Version 3.10.09 aktuell 02.05.2011 Seite 92 von 93 Literatur Cube, F. von: Kybernetische Grundlagen des Lernens und Lehrens. Stuttgart 1965 Dawkins, R.: Das egoistische Gen. Rororo, Reinbek bei Hamburg 1996 Drischel, H.: Das neuronale Gedächtnis. Nova acta Leopoldina Band 37/1, Nr. 206. S. 325-353. J. A. Barth, Leipzig 1972 Ebbinghaus, H.: Über das Gedächtnis. 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