INSTITUT FÜR HOCHSPANNUNGSTECHNIK Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Univ.-Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler INSTITUT FÜR HOCHSPANNUNGS TECHNIK RHEINISCHWESTFÄLISCHE TECHNISCHE HOCHSCHULE AACHEN Energietechnisches Praktikum I Versuch 10 Wechselspannungsmessung und Durchschlagsuntersuchungen 1.1 Einleitung Wechselspannungsmessung: Zur Wechselspannungsmessung stehen im Labor eine Reihe von Methoden zur Verfügung, zum Beispiel: - Elektrostatische Spannungsmesser - Spannungsteiler - Kugelfunkenstrecken Diese Messmethoden werden in diesem Versuch genauer betrachtet. Elektrostatische Spannungsmesser beruhen auf einer Kraft- bzw. Längenmessung, da die Ausübung mechanischer Kräfte der spannungsführenden Elektroden hier für die Messung wesentlich ist. Gemessen wird dabei der Effektivwert der Spannung. Im Versuch wird dieser Wert einer unbekannten Wechselspannung mit Hilfe eines elektrostatischen Spannungsmessers ermittelt. Spannungsteiler stellen eine der zur messenden Hochspannung proportionale Niederspannung bereit, die mittels verschiedener Geräte gemessen werden kann. Im Versuch werden kapazitive Spannungsteiler mit unterschiedlichen Teilerverhältnissen betrachtet. Es erfolgt eine Messung des Scheitelwerts mit Hilfe einer Einwegschaltung nach Davis bzw. eine Spannungsmessung mit Hilfe eines angeschlossenen Oszilloskops. Die Messung mit einer Kugelfunkenstrecke beruht auf der relativ genauen Reproduzierbarkeit des Durchschlags schwach inhomogener Anordnungen in Luft. Die Durchschlagwechselspannung ist im wesentlichen abhängig vom Kugeldurchmesser, von der Schlagweite, von der Art, Dichte und Temperatur des Gases in der Funkenstrecke und von der Oberflächenbeschaffenheit der Elektroden. Im Versuch soll eine normgerechte Wechselspannungsmessung mit Hilfe einer Kugelfunkenstrecke durchgeführt werden und der Einfluss einiger der genannten Parameter genauer betrachtet werden. Dabei sollen auch Methoden der Fehlerabschätzung zum Einsatz kommen. Durchschlagsuntersuchungen: In der Hochspannungstechnik werden zur Isolation häufig Gase verwendet. ImGegensatz zu festen und flüssigen Isolatoren haben sie unter anderem folgende spezielle Eigenschaften: - Nach einem Durchschlag in einer Gasentladungsstrecke regenerieren sich Gase. Dabei kann durch die Rekombination von Ladungsträgern zu elektrisch neutralen Molekülen wieder die gleiche elektrische Festigkeit wie vor dem Durchschlag erreicht werden. - Gase sind preiswert und speziell im Fall von Luft praktisch in unbegrenzter Menge vorhanden. - Temperatur und Druck haben einen großen Einfluss auf die Isolierfähigkeit von Gasen. Im Versuch wird der Einfluss des Gasdrucks und der Gasart auf die Durchschlagsfestigkeit untersucht. Zudem wird der Einfluss einer Störelektrode genauer betrachtet. 1.2 Physikalische und technische Grundlagen Wechselspannungserzeugung: Hohe Wechselspannungen werden vorzugsweise mit Transformatoren erzeugt. In Hochspannungsnetzen werden meist Drehstromtransformatoren eingesetzt. Bei extrem hohen Übertragungsleistungen (S ³ 1300 MVA) werden drei Einphasentransformatoren zu einer „Drehstrombank“ zusammengestellt. Im Gegensatz zu diesen Leistungstransformatoren werden Prüftransformatoren für relativ kleine Leistungen ausgelegt (einige 100 kVA). Prüftransformatoren werden nicht durch äußere Überspannungen beansprucht. Bezüglich des Prüftrafo-Aufbaus unterscheidet man hauptsächlich Prüftransformatoren in Kesselbauweise (metallisches Gehäuse um Kern und Wicklungen, gute Oberflächenselbstkühlung, aber hoher Aufwand für die Durchführung) und Prüftransformatoren in Isoliermantelbauweise (Isolierrohr um Kern und Wicklungen). Die Kessel können auch gegen Erde isoliert aufgestellt werden. Das Betriebsverhalten des Transformators ist hauptsächlich bestimmt durch - die Belastungskapazität des Prüflings - die Eigenkapazität der Wicklung und Hochspannungselektrode - die relativ hohe Streuinduktivität der Wicklungen Daraus ergibt sich eine kapazitive Überhöhung der Sekundärspannung. Daher muss die Ausgangsspannung grundsätzlich auf der Oberspannungsseite gemessen werden. Wechselspannungsmessung mit Hilfe eines elektrostatischen Spannungsmessers Auf die spannungsführenden Elektroden eines Kondensators werden mechanische Kräfte ausgeübt. Für die Kraftwirkung des elektrischen Feldes auf zwei kreisförmige Platten ergibt sich mit: F= d Wel dd (1) e × p × r 2 ×U 2 Þ F= ³0 2×d 2 1 Wel = × C ×U 2 2 (2) C= e ×p × r 2 d (3) (4) Da die Kraft proportional dem Spannungsquadrat ist, wird die Skala quadratisch. Bei Wechselspannung wird der Effektivwert angezeigt. Die obere Grenze für die Frequenz der zu messenden Wechselspannung liegt je nach Konstruktion bei einigen MHz. Weil die Hochspannungsmessung hier auf die Messung von Kräften und Längen zurückzuführen ist, sind elektrostatische Spannungsmesser absolute Messgeräte. Eine mögliche Ausführung eines elektrostatischen Spannungsmessers ist die Spannungswaage (Abb.1). Bei Gleichgewicht der Waage ist die Spannung U proportional zum Abstand d im mittleren Teil der Waage, ihr Effektivwert bestimmt sich zu: U eff = d × 2×a ×G p ×e × r 2 × b (5) a b 2r G d U Abb.1: Elektrostatische Spannungswaage Eine weitere Ausführung eines elektrostatischen Messgeräts ist die Anordnung nach Starcke-Schröder. In diesem Fall ist eine der Kondensatorplatten drehbar gelagert, so dass die Kraftwirkung zu einer Drehbewegung führt. Mit Hilfe eines Leuchtzeigers kann auf einer Skala nach erfolgter Kalibrierung der entsprechende Messwert abgelesen werden. Wechselspannungsmessung mit Hilfe von kapazitiven Teilern Ein kapazitiver Teiler besteht aus einer Reihenschaltung eines Oberkondensators C1 und eines Unterkondensators C2. Am Teiler liegt die zu messende Hochspannung U1 an, am Unterkondensator C2 wird die Spannung U2 abgegriffen. Eine Scheitelwertmessung erfolgt beispielsweise mit Hilfe der Einwegschaltung nach Davis (Abb.2). Die Messspannung wird beispielsweise mit Hilfe eines Elektrometers gemessen. Die Messung der Amplitude geschieht durch Gleichrichten der Spannung am Unterkondensator. Damit die Messspannung Um einer abfallenden Spannung U1 folgen kann, liegt parallel zum Kondensator Cm der Entladewiderstand Rm. Weil die Messspannung Um immer etwas kleiner als U2 bleibt, entsteht ein Entladefehler, der mit abnehmender Frequenz größer wird. Dem Kondensator C2 wird ständig ein pulsierender Gleichstrom entnommen, der das Potential am Teilerabgriff verlagert. Diese Potentialverlagerung kann nur durch einen ausreichend klein dimensionierten Ableitwiderstand R2 rückgängig gemacht werden. R2 wiederum verändert das Übersetzungsverhältnis. Eine Reduktion dieser Fehlerkomponente wäre beispielsweise durch die Verwendung von Operationsverstärkern oder einer Zweiwegschaltung nach Rabus möglich. C1 D U1 U2 Abb.2: C2 R2 Cm Rm Um Einwegschaltung nach Davis. Wechselspannungsmessung mit Hilfe von Kugelfunkenstrecken Zwei sich gegenüberliegend angeordnete Metallkugeln gleichen Durchmessers, die einen limitierten Abstand besitzen, bilden eine Kugelfunkenstrecke. Die Limitierung des Abstandes (Schlagweite) garantiert dabei eine lediglich schwach inhomogene Feldverteilung, so dass keine Vorentladungsmechanismen berücksichtigt werden müssen. Eine derartige Anordnung zeichnet sich dabei durch eine sehr geringe statistische Streuung der Durchschlagspannung unter identischen Messbedingungen aus. Es gibt eine Reihe von Anforderungen an eine Kugelfunkenstrecke, die normgerechte Messungen der Durchschlagspannung (Scheitelwertmessung) ermöglichen soll. Diese sind in den VDE-Bestimmungen 0433 Teil 2 festgelegt und betreffen unter anderem die folgenden Aspekte: a. Allgemeine Ausführung (waagerechte Anordnung, senkrechte Anordnung). b. Werkstoff der Kugeln (vorzugsweise Kupfer). c. Durchmesser und Durchmesserabweichungen der Kugeln. d. Zulässige Oberflächenunregelmäßigkeiten. e. Allgemeine Oberflächenbeschaffenheit (glatt, sauber aber nicht notwendigerweise poliert, frei von Schutzüberzügen). f. Anforderungen an die Kugelschäfte. g. Anforderungen an die (Isolationsabstände etc.). Geometrie h. Elektrische Anschlüsse, Vorwiderstände. i. Bestrahlungen. j. Einfluss der Luftfeuchte. einer Kugelfunkenstreckenanordnung Unter der Annahme, dass diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Durchschlagwechselspannung in Abhängigkeit der Kugeldurchmesser und der Schlagweite in Tabellen abgelesen werden (Tab.1). D = 5,0 8,0 9,6 17,4 32,0 a = 2,0 a = 2,5 a=5 a = 10 a = 15 a = 20 a = 30 a = 35 a = 40 a = 50 a = 100 a = 150 a = 200 Tab.1: D = 6,25 D = 12,5 D = 15 17,2 31,9 45,5 59,5 79,5 16,8 31,7 45,5 59,0 85,0 97,0 108 129 16,8 31,7 45,5 59,0 85,5 98,0 110 133 D = 25 31,7 45,5 59,0 86,0 99,0 112 137 244 D = 100 D = 200 86,0 99,0 112 138 266 390 510 266 390 510 Durchschlagwechselspannung (Scheitelwert) von Kugelfunkenstrecken (Kugeldurchmesser D [cm], Schlagweite a [mm]; Luft; Normalbedingungen). Diese Angaben gelten jedoch nur unter Normalbedingungen (1,013·105 Pa, 20°C). Liegen diese nicht vor, so kann die korrekte Spannung nach folgender Korrekturformel ermittelt werden: Û D korr = k ×Û D (6) mit k = 2890 × p / 10 6 Pa 273 + T / °C (7) p: tatsächlicher Luftdruck in Pascal (Pa) T: tatsächliche Temperatur in Grad Celsius (°C) Dieser Korrekturfaktor ist nur anwendbar, solange für k gilt: 0,95 £ k £ 1,05 (8) Für k-Werte außerhalb dieses Bereiches kann in Tabellen ein entsprechender Korrekturfaktor nachgeschlagen werden. In der Nähe der Kugelfunkenstrecken-Anordnung installierte geerdete Objekte setzen die Durchschlagspannung herab. Die Stärke dieses Effektes ist dabei neben dem Abstand der Hochspannungselektrode zum geerdeten Objekt vor allem von der Geometrie des Objektes abhängig. Durchschlaguntersuchungen Ein Atom oder Molekül ist im Grundzustand elektrisch neutral. Ein Stromfluss durch ein Gas wäre somit unmöglich. Bei ausreichender Energiezufuhr kann jedoch ein Teil der Moleküle und Atome in ein negatives Elektron und ein positives Ion aufgespalten werden. Man bezeichnet diesen Vorgang als Ionisation. Stoff Ionisierungsenergie Wi in eV Helium He 24,6 Neon Ne 21,6 Argon Ar 15,8 Schwefelhexaflorid SF6 15,6 – 19,3 atomarer Stickstoff N 14,5 atomarer Sauerstoff O 13,6 Tab. 2: Ionisierungsenergie von Gasen Im wesentlichen unterscheidet man Volumenionisationsprozesse und Oberflächenemissionsprozesse: Volumenionisationsprozesse: I. Thermische Ionisation: Bei hohen Gastemperaturen besitzen die Moleküle aufgrund der Temperatur genügend kinetische Energie, um durch Stoß ein anderes Molekül zu ionisieren. Dieser Prozess wird jedoch erst für Temperaturen von mehreren tausend Kelvin relevant. II. Photoionisation Mit Photoionisation bezeichnet man die Generation von Ionen durch hochenergetische, kurzwellige, elektromagnetische Strahlung, also zum Beispiel durch ultraviolettes Licht, Röntgenstrahlen, g-Strahlen, kosmische Höhenstrahlung. III. Stoßionisation Zu den Stoßprozessen zählen Stöße genügend schneller geladener Teilchen gegen ein neutrales Molekül. Beispiele sind Elektronen z.B. in Form von aoder b-Strahlen sowie Ionen in Form von Protonen-Strahlen, d.h. ionisierte Wasserstoffatome. Als Voraussetzung für die Ionisierung gilt: die Energie der stoßenden Teilchen ist größer oder gleich der Ionisierungsenergie des betreffenden Gases, und die Dichte der Gasmoleküle ist groß genug, so dass überhaupt Stoßprozesse stattfinden können. Elektronen: Elektronen können beim Durchlaufen der Gasentladungsstrecke mehrfach Ionisation bewirken. Ist ka die Zahl der Ionisierungen längs einer zurückgelegten Strecke d, so ist der Elektronenstoß - Ionisierungskoeffizient definiert als: a= ka d (9) Die Anzahl der zu einer Anregung fähigen Elektronen ist eine Funktion der Feldstärke E und der mittleren freien Weglänge s. Bei konstanter Temperatur ist die mittlere freie Weglänge umgekehrt proportional zum Gasdruck p. Hält man das Verhältniss E/p konstant, so steigt aufgrund der höheren Packungsdichte die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstosses proportional mit dem Druck. Daraus ergibt sich folgende Beziehung: B a = A× e E / p p (10) mit den stoffabhängigen Konstanten A und B. Ionen: Prinzipiell treten bei Ionen die gleichen Ereignisse auf wie bei Elektronen, da auch sie im elektrischen Feld beschleunigt werden und Energie aufnehmen. Hier muß man jedoch berücksichtigen, daß die Ionenmasse sehr viel größer als die Elektronenmasse ist. Daraus ergibt sich eine kleinere Beweglichkeit. Ferner ist ihr (Wirkungs-)Querschnitt sehr groß. Daraus folgt, daß die Wahrscheinlichkeit, ein anderes Ion zu treffen, steigt. Gleichzeitig sinkt aus dem gleichen Grund die mittlere freie Weglänge. Die Möglichkeit, eine Energie in der Größenordnung der Ionisierungsenergie aufzunehmen, nimmt dementsprechend ab. Der Ionenstoß-Ionisierungskoeffizient ß ist definiert: b= kb d (11) In der Praxis hat sich herausgestellt, daß b << a ist. Oberflächenemissionsprozesse: I. Sekundärelektronenemission Positive Ionen bewegen sich im elektrischen Feld zur Kathode. Treffen sie dort mit genügender Energie auf das Kathodenmaterial, so können aus der Oberfläche Elektronen ausgelöst werden. Der Ionisierungskoeffizient g gibt das Verhältnis der Anzahl ke der ausgelösten Elektronen zu der Anzahl ki der auftreffenden Ionen an. g= ke ki (12) g liegt in der Größenordnung 0,09....0,2. II. Feldemission Bei genügend starkem äußeren elektrischen Feld können die Elektronen aufgrund ihrer Welleneigenschaften die Potentialbarriere an der Grenzfläche zwischen Leiter (Elektrode) und Gasraum durchtunneln. Dieser Effekt tritt bei ideal glatten Oberflächen bei Feldstärken von etwa 1 MV/cm auf. Weitere Prozesse sind Thermoemission ( Wärmewirkung) und Photoemission ( Lichtwirkung). Rekombinations- und Anlagerungsprozesse: I. Rekombination Gleichzeitig mit der Generation von Ladungsträgern findet auch Rekombination statt, das heißt, Ionen und Elektronen verbinden sich wieder zu elektrisch neutralen Teilchen. Die Wiedervereinigungsrate ist durch die Konzentration der Ladungsträger bestimmt. Je größer die Ladungsträgerdichte ist, umso größer ist die Rekombinationsrate. Es stellt sich ein Gleichgewicht ein. II. Elektronenanlagerung Freie Elektronen können sich an Moleküle anlagern und negative Ionen bilden. Durch die geringere Beweglichkeit der negativen Ionen wird der Leitungsprozess behindert. Die Elektronenaffinität (Energie, die frei wird, wenn ein Elektron sich anlagert) ist ein Maß für die Neigung der Moleküle, Elektronen einzufangen. Die Gasentladungsstrecke: Als eine Gasentladungsstrecke bezeichnet man eine Anordnung nach Abbildung 3. U Abb.3: Gasentladungsstrecke. Legt man an diese Anordnung eine Gleichspannung an, so fließt durch die Gasentladungsstrecke ein Strom I. Abb.4 gibt den qualitativen Verlauf der StromSpannungskennlinie wieder. J 1 2 4 - 17 A 10 cm2 V 0,1 cm Abb.4: kV 20 cm kV 27 cm E Strom-Spannungskennlinie einer Gasentladungsstrecke (schematisch). Unselbständige Gasentladung Bei kleinen Spannungen (Abb.4, Bereich 1) wird nur ein Teil der durch natürliche Ionisation erzeugten Ladungsträger abgesaugt. Es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen durch Ionisation erzeugten und durch Rekombination im Gasraum bzw. in den Elektroden verloren gehenden Ladungsträgern ein. Mit zunehmender Spannung steigt der Strom an. Bei höheren Spannungen (Abb.4, Bereich 2) stellt sich ein Sättigungsstrom ein. Hier werden alle durch Ionisation erzeugten Ladungsträger in die Elektroden abgeführt. Bereich 1 und Bereich 2 kennzeichnen die unselbstständige Gasentladung. Eine zusätzliche Ionisierungsquelle (energiereiche elektromagnetische Strahlung, radioaktive Strahlung,...), bewirkt im wesentlichen nur eine Erhöhung der Generationsrate und damit eine Verschiebung der Strom-Spannungskennlinie (in Abb.4 gestrichelt dargestellt). Selbständige Gasentladung Zusätzliche Ionisierungsvorgänge sind Ursache für das Selbständigwerden einer Entladung (Bereich 3): Steigert man die Spannung weiter, so tritt ein deutlicher Stromanstieg ein. Ursache hierfür ist eine Zunahme der Ladungsträger und damit der verstärkte Ladungstransport in der Entladungsstrecke. Im wesentlichen werden zwei Ionisationsprozesse unterschieden. 1. 2. Die Stoßionisation a) durch Elektronen = a-Stoßprozess b) durch Ionen = b-Stoßprozess = g-Theorie Die Sekundärelektronenemission Ab 27 kV/cm kommt es zum Durchschlag in Luft (Bereich 4). Townsendmechanismus Der Stromdichteanstieg unmittelbar vor dem Durchschlag (Abb.4, Bereich 3) wurde von Townsend beschrieben. Für den Townsendmechanismus sind drei vereinfachende Voraussetzungen zu machen. 1. Jeder Zusammenstoß Elektron - neutrales Gasteilchen führt zur Ionisation, wenn WElektron ³ Wi ist; es erfolgt keine Ionisation, wenn WElektron < Wi ist. 2. Nach jedem Stoß ist die kinetische Energie des Elektrons gleich null. 3. Jedes Elektron bewegt sich parallel zur Feldrichtung. Eine anschauliche Erklärung der Entstehung einer selbständigen Gasentladung kann z.B. anhand des a - g Mechanismus erfolgen. Laufen z.B. 2 Elektronen in Kathodennähe los und ionisieren je 1 Atom, dann sind nach der Ionisation 4 Elektronen und 2 Ionen vorhanden. Diese 4 Elektronen ionisieren 4 weitere Atome und man erhält insgesamt 8 Elektronen und 6 Ionen. Dieses lawinenartige Anwachsen setzt sich solange fort, bis die Elektronen die Anode erreichen und dort neutralisiert werden. Die Ionen (Anzahl: p(x) = n(x)-2) treffen auf die Kathode. Lösen sie dort nur 2 Sekundärelektronen aus, so wird sich der Ablauf wiederholen. In diesem Fall wäre g = 2/p . Lösen die Ionen jedoch mehr als 2 Sekundärelektronen aus (g > 2/p), so steigt der Strom an, da mehr Anfangselektronen zur Verfügung stehen. Lösen die auftreffenden Ionen weniger als 2 Sekundärelektronen aus (g < 2/p), so stehen weniger Elektronen als zu Beginn zur Verfügung, die Entladung kommt zum Erliegen. Die selbstständige Gasentladung lässt sich nicht allein mit der lawinenartigen Bildung von Ladungsträgern in der Gasentladungsstrecke (Volumenionisation) modellieren. Erst eine Betrachtung von mindestens zwei Ionisationsmechanismen ermöglicht die Formulierung einer Zündbedingung für die Gasentladungsstrecke. Betrachtet man weiterhin den a-gMechanismus, so ergeben elementare Rechnungen die Townsend’sche Zündbedingung: aZ ×a = k k = const.; a: Schlagweite (13) Unter Verwendung von (10) ergibt sich damit das Paschengesetz für UD: UD = B p×a æA ö ln ç p × a ÷ èk ø (14) Damit hängt die Durchschlagfeldstärke außer vom Gas (A, B, k) nur noch vom Produkt aus Druck p und Schlagweite a ab. Wichtige Eigenschaften von Isoliergasen Die Durchschlagsfestigkeit ist im wesentlichen durch vier Eigenschaften festgelegt: a. der Ionisierungsenergie b. der mittleren freien Weglänge c. der Ionenbeweglichkeit d. der Elektronegativität Hohe Ionisierungsenergien, kleine mittlere freie Weglängen, eine kleine Ionenbeweglichkeit und eine hohe Elektronegativität bewirken eine hohe Durchschlagsfestigkeit. Beispiel: Schwefelhexafluorid Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein farbloses, geruchloses, nicht brennbares Gas. Es besteht zu 22% seines Gewichts aus Schwefel und zu 78% aus Fluor. Es ist so aufgebaut, daß das Schwefelatom im Zentrum eines regelmäßigen Oktaeders und die Fluoratome an dessen sechs Ecken sitzen. Die Dielektrizitätskonstante von SF6 ist gleich 1 und frequenzunabhängig. Es ist ein stark elektronegatives Gas. Die Theorie über den Durchschlagsmechanismus von SF6 ist noch nicht völlig geklärt, dennoch zeigen Messergebnisse, daß der Entladungsprozeß durchaus in Einklang mit den Vorstellungen des Townsend-Mechanismus zu bringen ist. 1.3 Versuchsbeschreibung und Aufgabenstellung Der Versuchsaufbau besteht aus einem Basismodul zur Wechselspannungserzeugung und Referenzmessung sowie einer Messschaltung, die je nach Versuchsteil variiert wird. Den prinzipiellen Versuchsaufbau für alle Teilversuche gibt Abb.5 wieder: RV V 1.3.1 C SM V 1.3.2 V 1.3.3 V1.3.4 Kugelfunkenstrecke Kugelfunkenstrecke im Druckbehälter V 1.3.3 C1 ES kV V ReferenzMessung Abb.5: C2 Elektrostatischer Spannungsmesser V Kap. Teiler + Einwegschaltung/ Oszilloskop Versuchsaufbau. Die Komponente auf der rechten Seite variiert je nach Versuchsteil. 1.3.1 Messung von Wechselspannungen mit Hilfe eines elektrostatischen Voltmeters Versuchsdurchführung: Schließen Sie gemäß Abb.5 das statische Spannungsmessgerät an (Details zum Anschluss des Messgeräts sind im Anhang zu finden). Stellen Sie die gestellte Spannung auf einen Wert von Ueff = 20 kV ein (Referenzmessgerät) und lesen Sie den Wert für die Spannung auf dem statischen Messgerät ab. Nehmen Sie auf diese Weise 5 Werte auf. Wiederholen Sie diesen Vorgang für Ueff = 25 kV, 30 kV, 35 kV und 40 kV. Versuchsauswertung: Bilden Sie für jede der gestellten Spannungen den Mittelwert aus den Einzelmessungen und tragen Sie diese Werte in ein Diagramm gegen die gestellte Spannung auf (Effektivwerte). Zeichnen Sie zusätzlich die Kurve in das Diagramm ein, die sich im Fall einer exakten Übereinstimmung der Messgeräte ergeben würde. Diskutieren Sie eventuell auftretende Abweichungen der Messpunkte von der Kurve. 1.3.2 Messung von Wechselspannungen mit Hilfe von Spannungsteilern Versuchsdurchführung: Es stehen vier kapazitive Teiler zur Verfügung: T1: Teilerverhältnis Oberkapazität:Unterkapazität: 100 pF : 500 nF T2: Teilerverhältnis Oberkapazität:Unterkapazität: 50 pF : 500 nF (Oberkapazität durch geeignete Kombination von 100 pF-Kapazitäten) T3: Teilerverhältnis Oberkapazität:Unterkapazität: 66 pF : 500 nF (Oberkapazität durch geeignete Kombination von 100 pF-Kapazitäten) T4: Teilerverhältnis unbekannt Zur Scheitelwertmessung wird die Einwegschaltung nach Davis (Abb.2) benutzt. Schließen Sie den Teiler T1 sowie die Einwegschaltung und das Elektrometer gemäß Abb.5 an. Lesen Sie für die gestellten Spannungen Ueff = 20kV, 30kV und 40kV die Spannungswerte ab (5 Wiederholungen). Wiederholen Sie diesen Vorgang für die Teiler T2, T3 und T4. Führen Sie anschließend diese Untersuchungen unter Verwendung des Oszilloskops anstelle der Einwegschaltung und des Elektrometers durch. Versuchsauswertung: Verwenden Sie für die Auswertung die Ergebnisse der Messungen mit dem Oszilloskop. Berechnen Sie die Mittelwerte aus den Einzelmessungen. Berechnen Sie für T1, T2 und T3 unter Berücksichtigung der Teilerverhältnisse die Effektivwerte der Hochspannungen. Tragen Sie diese in einem Diagramm gegen die gestellten Spannungen auf und diskutieren Sie das Ergebnis. Geben Sie mit Hilfe dieses Diagramms und des Mittelwerts für die Spannungsmessung mit Teiler T4 eine Abschätzung des Teilerverhältnisses von T4 ab. 1.3.3 Messung von Wechselspannungen mit Hilfe einer Kugelfunkenstrecke Versuchsdurchführung: Schließen Sie gemäß Abb.5 die Kugelfunkenstrecke an das System an (Durchmesser der Elektroden: 15 cm). Betrachten Sie nacheinander folgende Schlagweiten der Kugelfunkenstrecke: a=15mm, 20mm, 30mm, 35mm und 40mm. Steigern Sie für jeden dieser Werte die gestellte Spannung bis zum Durchschlag und notieren Sie den entsprechenden Wert der Referenzspannung (5 Wiederholungen pro eingestellter Schlagweite). Lesen Sie die Raumtemperatur und den Raum-Luftdruck auf dem zur Verfügung stehenden Messgerät ab. Montieren Sie anschließend bei einer Schlagweite von a=30mm die Störelektrode an der Kugelfunkenstrecke (Abstand d=50mm und d=70mm; s. Abb.6) und messen Sie erneut die Durchschlagspannung (5 Wiederholungen). Versuchsauswertung: Bestimmen Sie die Mittelwerte der abgelesenen Werte für die Durchschlagspannung. Berechnen Sie auf der Grundlage der Datentabelle Tab.1 für jede eingestellte Schlagweite die Durchschlagspannung für die verwendete Kugelfunkenstrecke unter Normbedingungen. Führen Sie anschließend für jeden Wert eine Korrektur gemäß des gemessenen Luftdrucks und der gemessenen Temperatur durch. Berechnen Sie die Effektivwerte und tragen Sie diese Werte in einem Diagramm gegen die errechneten Mittelwerte der gestellten Spannung auf. Zeichnen sie dann „per Augenmaß“ eine Verbindungskurve der Punkte in das Diagramm ein und diskutieren Sie die Kurve bzw. die Messpunkte. Nehmen Sie folgende Werte für die Messunsicherheit der Temperatur- und Luftdruckmessung an: DT = 1°C; Dp = 5 mbar Berechnen Sie für jede Schlagweite den sich daraus ergebenden maximalen Fehler der Durchschlagfeldstärke und zeichnen Sie diese als Fehlerbalken in das Diagramm ein. Diskutieren Sie die Höhe der Fehlerbalken. 1.3.4 Durchschlagsuntersuchungen Versuchsdurchführung Schließen Sie die in einem Druckbehälter installierte Kugelfunkenstrecke (Schlagweite a = 2,5 mm, Kugeldurchmesser D = 50 mm) gemäß Abb.5 an. Erhöhen Sie die gestellte Spannung bis zum Durchschlag und lesen Sie den Wert der gestellten Spannung ab (5 Wiederholungen). Variieren Sie anschließend der Reihe nach folgende Parameter und bestimmen Sie für jeden Fall in 5 Wiederholungen die gestellte Spannung beim Durchschlag: 1. 2 3 a Gasart: Luft Druck p = 1 bar (Raum-Luftdruck) b Gasart: Luft Druck p = 2 bar c Gasart: Luft Druck p = 3 bar a Gasart: Argon Druck p = 1 bar (Raum-Luftdruck) b Gasart: Argon Druck p = 2 bar c Gasart: Argon Druck p = 3 bar a Gasart: SF6 Druck = 1 bar (Raum-Luftdruck) b Gasart: SF6 Druck = 2 bar c Gasart: SF6 Druck = 3 bar Versuchsauswertung: Berechnen Sie die Durchschlagfeldstärke dieser Anordnung. Bestimmen Sie die Mittelwerte der abgelesenen Werte für die Durchschlagspannungen. Tragen Sie das für Luft bei p = 1 bar ermittelte Wertepaar (Effektivwert der berechneten Durchschlagspannung / Mittelwert gestellte Spannung beim Durchschlag) in das Diagramm aus Versuchteil 1.3.3 ein und diskutieren sie die Lage dieses Punktes. Erstellen Sie ein Diagramm, in denen die Mittelwerte der ermittelten DurchschlagSpannungen für die untersuchten Gasarten gegen den Druck aufgetragen werden und diskutieren Sie ebenfalls die Ergebnisse. 1.4 Literaturquellen Bey 86 M. Beyer, W. Boeck, K. Möller, W. Zaengl; Hochspannungstechnik; Springer-Verlag; Berlin, Heidelberg 1986. Hes 76 H. Hess; Der elektrische Durchschlag in Gasen; Vieweg Verlag Braunschweig 1976. Kin 95 D. Kind, K. Feser; Hochspannungsversuchstechnik; Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH; Braunschweig, Wiesbaden, 1995. Kuf 84 E. Kuffel, W.S. Zaengl; High-Voltage Engineering; Pergamon Press; Oxford, New York; Toronto, Sydney, Paris, Frankfurt, 1984. VDE 61 VDE-Bestimmungen VDE 0433, Teil 2 / 8.61: Erzeugung und Messung von Hochspannungen, Teil 2 Bestimmungen für Spannungsmessungen mit einpolig geerdeten Kugelfunkenstrecken, VDE-Verlag GmbH 1.5 Anhang: Bedienung des elektrostatischen Messgeräts 1. Anschluss der Projektionslampe: Anhang 17 Schließen Sie das Gerät an das Netz an. Die Projektionslampe leuchtet und wirft ein Lichtdreieck auf die Messskala. 2. Einstellung der Optik: Sollte das Lichtdreieck nicht oder nur teilweise sichtbar sein, bzw. sollte es unscharf oder verdreht sein, so wenden Sie sich bitte an Ihren Betreuer. 3. Wahl des Messbereichs: Es sind auf der Skala drei Messbereiche angegeben: Maximalauschlag bei 20 kV, 50 kV bzw. 100 kV. Im Versuch werden Spannungen im Bereich 10 kV – 50 kV untersucht, so dass der mittlere Messbereich gewählt werden sollte. Der dazugehörige Abstand der Elektroden wird mit Hilfe einer Schieblehre eingestellt: o Klappen Sie den Hebel an der Hochspannungselektrode hoch. o Schieben Sie die Elektrode vorsichtig (!) auf die Erdelektrode zu, bis sie sich berühren. o Drehen Sie die große Stellmutter unterhalb des Hebels bis an den Elektrodenkopf heran. o Ziehen Sie nun die Elektroden bis zu dem gewünschten Abstand auseinander (Schieblehre). o Klappen Sie den Hebel wieder herunter und arretieren Sie so die Elektrode. 4. Nullstellung: Kontrollieren Sie, ob die Lichtmarke auf Null steht. Falls dies nicht der Fall ist, so wenden Sie sich bitte an Ihren Betreuer. 5. Anschluss der Messspannung: Schließen Sie an die Hochspannungselektrode die Hochspannung an. Verbinden Sie die andere Elektrode mit dem Erdstecker am Fuss des Messgeräts und zusätzlich mit einer geeigneten Erde (Drahtkäfig o.ä.).