Planetenentstehung 7. Kapitel: Entwicklung von Planetensystemen

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Planetenentstehung
7. Kapitel: Entwicklung von
Planetensystemen
Wilhelm Kley
Institut für Astronomie & Astrophysik
Abtlg. Computational Physics
Wintersemester 2012/13
W. Kley:
Planetenentstehung (WS 2012/13)
7. Systementwicklung
Übersicht
7.1 Planet-Scheibe Wechselwirkung
7.2 Resonante Planetensysteme
7.3 Populationssynthese
7.4 Das Nizza-Modell zum Sonnensystem
7.5 Zusammenfassung
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1
7.3 Populationssynthese
Grundlagen
Suche Erklärung für Verteilung der Exoplaneten, z.b. im mp − ap Diagramm.
Bimodale Verteilung ?
Idee: Kombiniere Scheibenentwicklung mit Planetenachstum und dynamischer Entwicklung
Variiere Einfangsparameter, berechne statistische Verteilung, Vergleich mit Beobachtung
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7.3 Populationssynthese
Statistische Rechnungen:
Methodik
Zwei Gruppen: (Ida & Lin; und Alibert, Mordasini & Benz)
• Anfangsbedingungen
- große Halbachsen ap (der Protoplaneten, Bruchteile von MErde )
- Gas-Oberflächendichte Σgas(r)
- Staub-Oberflächendichte Σdust(r)
• Planetenwachstum und Bahnentwicklung (bis 109 Jahre)
- anfängliche runaway/oligarchische Wachstumsphase
- post-oligarchische Akkretion (vgl. terrestr. Planeten)
- Gas-Akkretion auf Planeten
- Staub-Akkretion auf Planeten
- Migration, Typ-I und Typ-II
- Viskose Scheibenentwicklung (Diffusionsgl. für Σgas(t))
- Scheiben-Dissipation, Σgas ∝ exp (−t/τdiss)
• Untersuche z.B. Metallizitätsabhängigkeit
- Σdust = fdust × Σgas (plus Eis)
- fdust = fgas × 10Z∗−Z
( Z Metallizitätsindex [Fe/H] eines Sterns)
• Monte-Carlo:
- variiere Anfangsverteilung der Planeten und phys. Parameter (Z, α, τdiss, ..)
- z.B. Gauss-verteilt um mittleren Wert
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7.3 Populationssynthese
Wachstum eines Gasriesen
Einfluss der Metallhäufigkeit (bestimmt Opazität)
(Y. Alibert)
Zeitskalen um Faktor 4 verändert !
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7.3 Populationssynthese
Radius-/Leuchkraftentwicklung
Kernradius, Radius
Leuchtkraft
(Mordasini ea. 2012)
Schwarze Kurven: Vergleich mit Burrows ea (1997) und Baraffe ea (2003)
⇒ Physikalische Charakterisierung der Planeten
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Entwicklung der Gasscheibe
7.3 Populationssynthese
(Chr. Mordasini)
h
i
dΣ 1 ∂
∂
=
r1/2
νΣr1/2
+ Σ̇env − Σ̇evap
dt
r ∂r
∂r
mit ν = α cs H, auf rhs. +Hüllenakkretion -Evaporation
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(33)
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7.3 Populationssynthese
Wechselwirkungsprozesse
(Y. Alibert)
“Vert./Rad.str” (Vertikale/radiale Scheibenstruktur)
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7.3 Populationssynthese
Grundliegendes Ergebnis
Ohne Typ-I migration und Z = 0 (solare Metallhfgkt.)
(Ida & Lin, 2004)
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7.3 Populationssynthese
Einfluss: Massen-Cutoff
Einfluss des
Grenzmassenkriteriums
Σg,iso Gas -Isolation Masse
(Planet akkretiert aus feeding zone)
Σg,vis Viskose Grenze
(Viskosität bringt neues Material in feeding zone, Grenze GapKriterium
Σg,th Thermische Grenze
(Hill-Radius = Scheibendicke)
Rechnungen mit Typ-II Migration
(ohne Typ-II keine Hot Jupiters)
(Ida & Lin, 2004)
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7.3 Populationssynthese
Einfluss: Typ-I Migration
ȧmig = C1 × ȧTyp−I
Ohne Typ-I Migration:
bessere Übereinstimmung
(Ida & Lin, 2008)
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7.3 Populationssynthese
Einfluss: Metallhäufigkeit
(Ida & Lin, 2004)
Höheres Z: ⇒ mehr massereichere Planeten
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7.3 Populationssynthese
Entstehungswege
Viskose Scheibe: M∗ = 1 M, α = 7 · 10−3, nicht-isotherme Migration,
1 Planet pro Simulation, Start bei 0.6 MEarth
statistische Verteilung von Scheibenmasse, Dissipationsrate
kein Limit für Massenakkretion
Unterschiedliche Farben
= Migrationsprozesse
Typ I: lokal isotherm
Typ I: adiabatisch unsaturiert
Typ I: adiabatisch saturiert
Typ II
(Christoph Mordasini)
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7.3 Populationssynthese
Konvergenzzonen
Einwärts- und auswärts gerichtete Migration: ⇒ konvergente Bereiche
(Mordasini ea. 2011)
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7.3 Populationssynthese
Planeten: IMF
Initial Mass Function von Planeten (P-IMF)
gebinnt nach 3 unterschiedlichen Kriterien:
Metallhäufigkeit
Scheibenmasse
Scheibenlebensdauer
(Mordasini ea. 2012)
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7.3 Populationssynthese
Masse-Radius Relation
Für Planeten jenseits von 0.1 AE
Theor. Modelle, beobachtete Exoplaneten (M, R bekannt), und Sonnensystem
Farben:
Anteile von Metallen in den
synthetischen Paneten:
weniger als 1% (orange)
bis ≥ 99% (schwarz)
(Mordasini ea. 2012)
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7.3 Populationssynthese
Vergleich mit Kepler
Vergleich der Planetenradien mit den Ergebnisse der Keplermission:
Links: Zahl der Planeten in bestimmtem Abstandsintervall, für Orbits mit P < 50 Tagen
Rechts: Normalisierter Anteil der
Planeten mit best. Radius, für R >
2MErde
Blau: Keplerdaten, Rot: synthetische Planeten
(Mordasini ea. 2012)
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7.3 Populationssynthese
Zusammenfassung
Untersuche die Abhängigkeit der Verteilung von den Eingangsparametern
Welche sind wichtig, welche nicht so entscheidend:
• Metallhäufigkeit
- bestimmt Zeitskalen
• Migrationsprozessen
- klass. Typ-I viel zu schnell, vgl. radiative Scheiben
• Mehrkörpereffekte
- Exzentrizitäten, Änderung der Bahnelemente
(noch nicht untersucht)
Der Vergleich mit den Beobachtungsdaten ⇒ Test der Modelle
Entstehungsszenarien von Planetensystemen
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7.4 Nizza-Modell
Grundlagen
• Bahnelemente der großen Planeten im heutigen Sonnensystem:
- Exzentrizitäten von Jupiter, Saturn & Uranus erreichen
0.06, 0.09 und 0.08
- Die Inklinationen etwa 2o
• Planetenentstehungszenarios (Kernakkretionsmodell) sagen vorher
- kreisförmige Orbits und geringe Inklination
- aufgrund dynamischer Reibung mit Planetesimalen
• Late Heavy Bombardment
- Maximum der Meteoriten-Einschläge auf den Mond
• Dynamische Struktur im Kuiper-Gürtel
- Resonanzen, hohe Exzentrizitäten
Eine Lösung der Probleme durch das
Nizza-Modell: (Gomez, Levinson, Morbidelli & Tsiganis; Nature 2005a,b,c)
• Idee: Beginne mit kompakter Konfiguration
- Jupiter bis Uranus dicht zusammen
- Migration durch Wechselwirkung mit übriggebliebenen Planetsimalen
- Dynamische Wechselwirkungen
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7.4 Nizza-Modell
Migration durch Streuprozesse
Am Beispiel: Neptun und äußere Planetesimalscheibe
(Gomes, 2003)
Planetesimale werden von Neptun nach Innen gestreut (verlieren Drehimpuls)
Neptun gewinnt Drehimpuls (Expansion der Bahn)
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7.4 Nizza-Modell
Entwicklung der großen Planeten I
Setup:
Starte mit kompaktem System:
- große Planeten: 5-17 AE
- kreisförmige Orbits
- S innerhalb 2:1 Resonanz mit J
Äußere Planetesimalscheibe
- Gesamtmasse 30-50MErde
- (1000-5000 Teilchen)
- von ca. 18 bis 30-35 AE
Integriere Planetenbahnen
- Einwirkung der Planetesimale
- Variiere Simulationsparameter
(Tsiganis et al., 2005)
⇒ Ergebnis ...
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7.4 Nizza-Modell
Entwicklung der großen Planeten II
(Tsiganis et al., 2005)
Saturn (S) migriert nach außen, J und S erreichen 2:1 Resonanz (gestrichelt)
⇒ erhöhen e ⇒ chaotische Streuungen mit N und U ⇒ N und U vertauschen
Bahnen. Dargestellt ist jeweils a, q, Q (gr. Halbachse, Periastron, Apoastron)
Endzustand vergleichbar mit heutigem Sonnensystem !!
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7.4 Nizza-Modell
Late Heavy Bombardment I
LHB nach etwa 700 Mio. Jahren
Testrechnungen:
4 Planeten auf kreisförmigen Bahnen:
aJ = 5.45AE, aS = 8.18,
aN = 11.5, aU = 14.2
masselose Testteilchen (e = i = 0)
a) Dynamische Lebenszeit
dyn. Lebenszeit:
Zeit bis Teilchen innerhalb
Hill-Radius eines Planeten
⇒ Planetesimalscheibe
beginnt 1-1.5AE außerhalb aU
b) Zeit bis 2:1 Kreuzung von J-S
Planetesimalscheibe
≈ 1.9MErde/1 AE Ring (e = 0, i < 0.5o)
Variation des inneren Randes
(Gomes et al., 2005)
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7.4 Nizza-Modell
Late Heavy Bombardment II
xy-animation (A. Morbidelli)
4 Planeten:
aJ = 5.45AE, aS = 8.18,
aN = 11.5, aU = 14.2
Planetesimalscheibe
ainn = 15.5 AE,
m = 35mErde
Animation:
Anfangs kreisförmige Bahnen
später elliptisch
ae-animation (A. Morbidelli)
Jupiter & Saturn kreuzen 2:1 Resonanz
nach etwa 880 Mio. Jahren
Neptun und Uranus
tauschen Abstand
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7.4 Nizza-Modell
Late Heavy Bombardment III
4 Planeten
aJ = 5.45, aS = 8.18,
aN = 11.5, aU = 14.2
Planetesimalscheibe
ainn = 15.5 AE,
m = 35mErde
a) 100 Myr
b) 879 Myr
direkt vor LHB
c) 882 Myr
gerade nach LHB
d) 1082 Myr
200 Myr nach LHB
ca. 3% der
Planetesimale übrig
(Gomes et al., 2005)
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7.4 Nizza-Modell
Late Heavy Bombardment IV
a)
Planeten-Migration
Jupiter & Saturn kreuzen 2:1 Resonanz
nach etwa 880 Mio. Jahren
Neptun und Uranus
tauschen Abstand
b)
Massenakkretion durch Mond
(LHB)
von Kometen und Asteroiden
(Gomes et al., 2005)
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7.4 Nizza-Modell
Trojaner
Eigenschaften der Trojaner
schwer erklärbar durch
Einfang während Jupiters
Wachstum
• Simulation
· Beobachtung
(z.B. Dämpfung durch
Gasreibung & Kollisionen)
Beobachtung:
zu große Inklination und
Libration in Länge
Hier:
Planetesimale werden
eingefangen an Lagrangepunkten L4/L5 von Jupiter
in chaotischer Entwicklung
direkt nach 2:1 MMR Durchgang
⇒ Übereinstimmung mit
beobacht. Bahnparametern
(Morbidelli et al., 2005)
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7.4 Nizza-Modell
Erfolge & Erweiterungen
Das Nizza-Modell liefert Erklärungen für:
• Bahnelemente der großen Planeten im heutigen Sonnensystem
• das Late Heavy Bombardment auf dem Mond
• Der Dynamik der Trojaner von Jupiter
Aber weitere Probleme:
• Anfängliche kompakte Konfiguration der großen Planeten
• Massenstruktur der inner terrestrischen Planeten (Mars zu groß)
Eine Lösung durch das
Grand-Tack-Modell: (Walsh, Morbidelli, Raymond, O’Brian, Mandell; Nature 2011)
• Idee: Frühe Migration von Jupiter und Saturn
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7.4.1 Grand Tack
Planetenmigration im Sonnensystem
Jupiter & Saturn in Gasscheibe (Pierens & Raymond, 2011)
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7.4.1 Grand Tack
Planetenmigration im Sonnensystem
Jupiter in Typ-II Migation (langsam), Saturn in Typ-I (schneller), entweder Weg A oder B
Einfang in 3:2 Resonanz (typisch, falls Mout/Min ≈ 1/3), Wanderung nach außen
(Masset & Snellgrove, 2001; Pierens & Nelson, 2008; hier: Pierens & Raymond, 2011)
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7.4.1 Grand Tack
Das innere Sonnensystem
Migration von Jup. & Sat. (rot: S-Typ)
Zoom Out (in blau: C-Type Material)
globale Entwicklung
Letzter Zustand
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7.4.1 Grand Tack
Entstehung: erdähnliche Planeten
(rot: planetesimale, grün Embryos)
mit äußerem Material (in blau)
Massenverteilung: erdähnliche
Prinzip des Prozesses
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7.5 Zusammenfassung
Planetensysteme
• Laufend neue, interessante Entdeckungen
- Transit-Methode (WASP etc., COROT; Kepler)
- Radialgeschwindigkeiten
- statistische Verteilung & Eigenschaften (mp, ap, ep, ip)
- Erweiterung der Modelle
• Planetenentstehung generell analog zum Sonnensystem
- in flacher protoplanetarer Scheibe
- Sequentielle Akkretion <> Gravitationsinstabilität
- kreisförmige Orbits und geringe Inklination
- Entwicklung bestimmt durch dynamische WW
• Planetenensysteme
- brauche starke dynamische WW
- Resonanzen und gravitative Streuprozesse
- Anregung Exzentrizität und Inklination
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