Planetenentstehung 1. Kapitel: Einführung Wilhelm Kley Institut für Astronomie & Astrophysik Kepler Center for Astro- and Particle Physics Wintersemester 2012/13 W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 1. Einführung Übersicht 1.1 Historische Sicht des Sonnensystems 1.2 Historische Modelle zur Planetenentstehung W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 1 1. Einführung Übersicht 1.1 Historische Sicht des Sonnensystem - Antike - Kopernikus - Kepler - Newton W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 2 1.1 Historisches Aristoteles (384-322) 4 Elemente: Erde im Zentrum umgeben von Wasser, Luft, Feuer (sublunare Region) Im Himmel (auf Sphären): Mond, Merkur, Venus Sonne, Mars, Jupiter Saturn (auf Kreisbahnen) Sterne im Äther (Quintessenz, 5. Element) Peter Apian (1495 - 1552), Cosmographia W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 3 1.1 Historisches Retrograde Bewegung Hier: Mars 2005 W. Kley: (schon in Antike bekannt) Planetenentstehung WS 2012/13 4 1.1 Historisches Hipparchos (190-120) Seine Leistungen: Grundzüge der Epizykeltheorie (für Mond und Sonne) Sternhelligkeiten Zodiakeinteilung Sternbilder Sternkatalog Präzession (46”/Jhd.) Mondabstand (59-67 RErde) (Hipparcos Satellit) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 5 1.1 Historisches Epizykeltheorie Zur Erklärung der retrograden Bewegung Grundprinzip der Epizykeltheorie: Planet P umkreist Punkt A, welcher auf Kreisbahn B Erde E umkreist Kreis um A: Epizykel Kreis um E: Deferent W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 6 1.1 Historisches Ptolemäus (85-165) Probleme bei Planeten Variation in Helligkeit Variation der Geschwindigkeit Rückläufigkeit ⇒ Modifikationen Hauptwerk (13 Bände) Almagest, ca. 150 n.Chr. W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 7 1.1 Historisches Ptolemäus II Erweiterung um Equant Planet P umkreist Punkt F, welcher auf Kreisbahn Equant Q umkreist Kreis um F: Epizykel Kreis um C: Deferent Erde nicht im Zentrum Später: bis zu 120 Epizykel Deferent bewegbar W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 8 1.1 Historisches Nicolaus Kopernikus (1473-1543) Astronomische Probleme: - Tabellen zur Vorhersage von Finsternissen ungenau - Weltumsegler brauchen genaueste Daten zur Ortsbestimmung - Kalender, Frühlingspunkt wandert, Osterfest ebenso Hauptwerk (1543): De Revolutionibus Orbium Coelestium - heliozentrisches Weltbild - Planeten in richtiger Reihenfolge (Basierend auf Arbeiten von Peurbach and Regiomontanus) Im Vorwort (Andreas Osiander, Reformator): Theorie ist nur mathematische Hypothese W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 9 1.1 Historisches Nicolaus Kopernikus II Vereinfachte Darstellung Elegantes System Benötigt weiterhin Kreissysteme keine bessere Genauigkeit als Almagest W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 10 1.1 Historisches Brahe Tycho Brahe (1546-1601) Instrumentenbau Beobachtungen In Prag Königlicher Mathematiker Geozentrisches System (Keine Sternparallaxe) Marsbeobachtungen (sehr genaue Tabellen) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 11 1.1 Historisches Kepler Johannes Kepler (1571-1630) Nachfolger von Brahe in Prag, wertet seine Daten aus: Astronomia Nova (1609) (1. u. 2. Gesetz) Harmonices Mundi (1619) (3. Gesetz) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 12 1.1 Historisches Kepler Sphären Mysterium Cosmographicum (1596) 5 Platonische Körper umschreiben Planetenbahn Jupiter Würfel 6 Mars Tetraeder 4 Erde Dodekaeder 12 Venus Ikosaeder 20 Merkur Oktaeder 8 (zur Beschreibung der Abstände der Planeten) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 13 1.1 Historisches Newton Isaac Newton (1642-1727) Principia (1686/87) Grundlagen der Mechanik Gravitationsgesetz Infinitesimalrechnung Ableitung der Keplerschen Gesetze aus Bewegungsgleichungen Dynamik W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 14 1. Einführung Übersicht 1.2 Historische Modelle der Planetenentstehung 1.2.1 Antike 1.2.2 Klassische W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 15 1.2 Modelle Eleaten Parmenides (um 540 v.Chr.), Zenon (Lehrgedicht: Über das Sein) Unveränderliches Sein, Ex nihilo nihil Sein schon immer gewesen Nichts wird erzeugt oder vernichtet Eine Einheit, unbeweglich ohne Ende by Raffael W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 16 1.2 Modelle Atomisten Leukipp, Demokrit Mechanistisches, kausales Weltbild • Welt besteht aus kleinsten, unteilbaren Elementen (Atome) (“Solare Komposition”) • Gegenüber steht das Leere, das Vakuum (“Interstellarer Bereich”) • Durch Druck und Stoß verbinden sie sich zu Körpern (“Akkretion”) • Es bilden sich unzählige Welten in den unendlichen Leeren aus zahllosen Atomen (“Exoplaneten”) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 17 1.2 Modelle Zitate Demokrit (ca. 460-370 v.Chr.) All unendlich, unveränderlich unzählige Welten in Größe unterschiedlich, manche ohne Sonne und Mond Epikur (ca. 341-270 v.Chr.) “Es gibt unendlich viele Welten, teils unserer ähnlich teils unähnlich.” W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 18 1.2 Modelle Descartes (1596-1650) Raum mit universellem Medium gefüllt: Äther Körper bewegen sich durch Äther =⇒ Himmelswirbel Rückwirkung: Gravitation Planeten durch/in Wirbel gebildet aus: Principia Philosopiae (1644) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 19 1.2 Modelle Descartes (Zitat) “Wir müssen annehmen, dass die gesamte Himmelsmaterie, in welcher sich die Planeten befinden, sich immerzu nach Art eines Wirbels dreht, in dessen Mitte die Sonne liegt, und zwar die sonnennächsten Teile schneller und die sonnenferneren langsamer; und dass alle Planeten mitsamt der Erde immer in den selben Teilen der Himmelsmaterie bleiben.” aus: Principia Philosopiae (1644) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 20 1.2 Modelle Kant (1724-1804) • Urnebel ist Ansammlung aus Staub und Meteoriten • ungeordnete Bewegung im Innern • wird abgeflacht durch Rotation • Teilchen stoßen zusammen → verlieren Energie → sinken zum Schwerpunkt ab → Sonnenbildung • Planeten aus Verdichtungen, die Zentrum umkreisen Vorteil: Sonne bildet sich mit kleinem Drehimpuls W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 21 1.2 Modelle Kant (Zitat) “Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Der Empfindung der eigenen Unwürdigkeit und der Glanz des Thrones können meine Blödigkeit nicht so kleinmütig machen, als die Gnade, die der allerhuldreichste Monarch über alle seine Untertanen mit gleicher Großmut verbreitet....” aus: Anschreiben von 1755 an den preußischen König Friedrich den Großen zum Werk “Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“. W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 22 1.2 Modelle Kant (Zitat) “Der Anfang der sich bildenden Planeten ist nicht allein in der Newtonschen Anziehung zu suchen. Diese würde bei einem Partikelchen von so ausnehmender Feinigkeit gar zu langsam und schwach sein. Man würde vielmehr sagen, dass in diesem Raume die erste Bildung durch den Zusammenlauf einiger Elemente, die sich durch die gewöhnlichen Gesetze des Zusammenhangs vereinigen, geschehe, bis derjenige Klumpen, der daraus entstanden, nach und nach so weit angewachsen, dass die Newtonsche Anziehungskraft an ihm vermögend geworden, ihn durch seine Wirkung in die Ferne immer mehr zu vergrößern.” aus: Allgemeine Naturgschichte und Theorie des Himmels (1755) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 23 1.2 Modelle Laplace (1749-1827) • Enstehung der Planeten aus einem hydrodynamischen Kontinuum. • Sonnenatmosphäre erstreckt sich scheibenartig über alle Planetenbahnen (vgl. Nebelflecken, Herschel 1791) • Ablösung von Ringen aus der Sonnenoberfläche • Abkühlung → Ringbildung → konstante Winkelrotation • Kontraktion der Ringe → Sphäroide. Probleme: - Neigung der Ekliptikeben gegen Sonne - Diff. Rotation: Keine Kondensation (Maxwell) - Größter Teil des Drehimpulses in Sonne - Zentral-kondensiert (Roche), aber Material zu dünn am Rand, um wieder zu kondensieren (Jeans) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 24 1.2 Modelle W. Kley: Laplace-Mechanismus Planetenentstehung WS 2012/13 25 1.2 Modelle Chamberlin-Moulton • Entstehung eines Nebels (vgl. Galaxien) durch nahen Vorbeigang eines Sterns • Entstehung durch sukzessive Anlagerung von Planetesimalen (vgl. Kant) • Äußere Planeten aus äußeren Sonnenschichten, innere aus Inneren • Problem der prograden Rotation (Rotation und Umlaufsinn gleich) durch exzentrische Bahnen gelöst. Probleme: - Wechselwirkungen sehr selten - Diff. Rot: Spiralen schnell zerstört → keine Kondensation W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 26 1.2 Modelle W. Kley: Problem des retrograden Spins Planetenentstehung WS 2012/13 27 1.2 Modelle Jeans-Jeffreys (1915-1917) sehr ähnlich zu Chamberlin-Moulton • Entstehung eines Materieschlauches durch nahen Vorbeigang zweier Sterne • Zerfall in kleine Tröpfchen auf elliptischen Bahnen • Jeffreys: Planetesimale verdampfen beim Zusammenstoß → Chamberlin-Moulton nicht korrekt. W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 28 1.2 Modelle W. Kley: Sternvorbeigang Planetenentstehung WS 2012/13 29 1.2 Modelle Kritik: Sternvorbeigangsmodell z.B. durch Russell, Spitzer: Drehimpulsproblem • Gasförmiges heißes Material kann sich nicht zu festen Körpern kondensieren. • Bahndrehimpuls von Uranus/Neptun kann nicht durch aus der Sonne herausgeschleudertem Material aufgebaut werden. • gilt auch für sich aus der Sonne ablösende Ringe (vgl. Laplace) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 30 1.2 Modelle C.F. von Weizsäcker (1912-2007) (ca. 1943) • Gemeinsame Entstehung von Planeten und Sonne aus einer Gasscheibe • Hier turbulente Gasscheibe → Drehimpulstransport von Innen nach Außen • Riesige Wirbel in Gasscheibe → Konzentration von festem Material auf ringförmige Zonen • Weiterentwicklung mit Lüst (Akkretionsscheibentheorie) Basis für heutige Modelle. (oft Kant-Laplace Nebularhypothese) W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 31 1.2 Modelle W. Kley: Weizsäcker-Modell Planetenentstehung WS 2012/13 32 1.2 Modelle Moderne Vorstellung Kollaps einer interstellaren Molekülwolke Leichte Rotation ⇒ Abplattung Protostern im Zentrum und Scheibenbildung Vgl. mit Leukippos (480-420 v.Chr.) “Die Welten bilden sich dadurch, dass die Körper in den leeren Raum herabsinken und sich miteinander verflechten.” W. Kley: Planetenentstehung WS 2012/13 33